Leitsatz (amtlich)
›1. Die Versendung eines nicht rechtskräftigen Patentverletzungsurteils an die gewerblichen Abnehmer der streitigen Vorrichtung ist als eine der Form nach unzulässige Abnehmerverwarnung gemäß § 1 UWG dann zu beanstanden, wenn das Verwarnungsschreiben einem nicht unbeachtlichen Teil der Adressaten den Eindruck vermittelt, das Urteil sei rechtskräftig.
2. Der Hersteller oder der Vertreiber der streitigen Vorrichtung kann seine Umsatzeinbußen, die daraus folgen, daß die verwarnten Abnehmer diese Vorrichtung nicht (mehr) beziehen, als Schaden gemäß § 1 UWG nur ersetzt verlangen, wenn feststeht, daß er das Patent nicht verletzt.
Wer nämlich aus materiellen Gründen - auch ohne eine vorhergehende Verwarnung - zu einem bestimmten Verhalten - hier Unterlassen des Vertriebs patentverletzender Waren - gezwungen ist, kann aus einer aus formalen Gründen unberechtigten Abnehmerverwarnung, welche das ohnehin gebotene Verhalten zur Folge hat, keinen ersatzfähigen Erwerbsschaden herleiten.‹
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Darmstadt |
Tatbestand
Die Parteien stehen im Wettbewerb beim Vertrieb von Kupplungsvorrichtungen für Werkzeugmaschinen. Abnehmer dieser Kupplungssysteme sind neben Händlern hauptsächlich Hersteller automatischer Erodiermaschinen - im Inland rund 20 Betriebe.
Die Klägerin, ein inländisches Unternehmen, vertreibt die Kupplungsvorrichtung "M.-System" des schwedischen Unternehmens "S. International AB".
Die Beklagte, eine schweizerische Gesellschaft, ist Inhaberin des mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 111 092 (Veröffentlichungstag der Patentschrift: 20. Mai 1987), das eine Kupplungsvorrichtung zur drehfesten Verbindung eines Werkstückes mit einer Bearbeitungseinrichtung unter Schutz stellt.
Die Beklagte ist der Ansicht, daß das "M.-System" vom Patentschutz erfaßt werde. Schon während des Erteilungsverfahrens hatte die Beklagte inländische Abnehmer der Klägerin über ihre Ansicht informiert, was ihr aber durch einstweilige Verfügung untersagt wurde. Das von ihr im Patentverletzungsstreit gegen die Klägerin und die schwedische Herstellerin der Kupplungsvorrichtung "M.-System" erwirkte (nicht rechtskräftige) Urteil des Landgerichts München I nahm sie erneut zum Anlaß, u.a. Abnehmer der Klägerin am 25. Juli 1989 unter Beifügen des Urteils wie folgt anzuschreiben:
"Wir haben Sie mit einem früheren Schreiben über das patentrechtliche Vorgehen der E. gegen die Firma S. im Hinblick auf deren "M.-System" informiert.
Inzwischen hat das Landgericht München im Rahmen der eingereichten Patentverletzungsklage die Verletzung des E.-Patents durch das "M.-System" eindeutig und in allen Punkten bejaht und unserer Unterlassungsklage stattgegeben. Die gegebene Sachlage stellte sich für das Landgericht München derart eindeutig und zweifelsfrei dar, daß über unser Begehren ohne längeres Verfahren und innert kürzester Frist entschieden worden ist.
Das Urteil vom 23. Juni 1989 des Landgerichts hält fest, daß es der Firma S. unter Androhung von Buße bzw. Gefängnis verboten wird, ihr "M.-System" auf dem deutschen Markt anzubieten, bzw. zu verkaufen. Außerdem wurde (sie) zur vollen Übernahme aller Gerichts- und Parteikosten und zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet.
... Es bleibt zu hoffen, daß die Firma S. unsere Patentrechte nach dem Vorliegen dieses Urteils respektieren wird. E. ist jedoch fest entschlossen, ihre Patentrechte weiterhin zu verteidigen und durchzusetzen."
Nach Abmahnung durch die Klägerin verpflichtete sich die Beklagte am 31. August 1989 strafbewehrt, es zu unterlassen, in Informationsschreiben an Dritte auf das Urteil des Landgerichts München I vom 23. Juni 1989 hinzuweisen, wenn nicht ausdrücklich klargestellt werde, daß das Urteil nicht rechtskräftig sei und/oder auf die Angabe "unter Androhung von Buße bzw. Gefängnis" verzichtet werde.
Im Patentverletzungsstreit hob das Berufungsgericht am 1. Februar 1990 das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Streitsache zur Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Frage der Patentverletzung an dieses zurück. Die Klägerin teilte den Abnehmern der Kupplungssysteme der Parteien mit Schreiben vom 13. Februar 1990 den Ausgang des Berufungsverfahrens mit.
Die Klägerin hat das Rundschreiben der Beklagten vom 25. Juli 1989 als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie hält die Beklagte für verpflichtet, die ihr und der schwedischen Herstellerin dadurch entstandenen Umsatzeinbußen auszugleichen und die noch fortdauernde Rufschädigung zu beseitigen. Mit ihrer Klage hat sie, auch aus abgetretenem Recht der Herstellerin, Ansprüche auf Schadensersatz, auf Erteilung von Auskunft über die Adressaten der Rundschreiben und auf Widerruf der im Rundschreiben enthaltenen Ausführungen geltend gemacht.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertreten, zur Wahrung ihrer Rechte als Patentinhaberin berechtigt gewesen zu sein, den Ausgang des Patentverletzungsstreits beim Landgericht den betroffenen Kundenkreisen mitzuteilen, zumal diese wegen des ihnen bekannten Streits über die patentrechtliche Lage verunsichert gewesen seien. Zudem seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt, jedenfalls verwirkt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin entsprechend deren zuletzt gestellten Anträgen wie folgt erkannt:
1. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, welcher dieser und der S. International AB, S-V., daraus erwachsen ist, daß die Beklagte Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland nebst West-Berlin gemäß dem als Anlage "K 1" dem Urteilstenor beigefügten Schreiben vom 25. Juli 1989 oder sinngleich angeschrieben hat;
2. die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, welche Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland nebst West-Berlin sie gemäß der Anlage "K 1" oder sinngleich angeschrieben hat - und zwar unter vollständiger Angabe von Namen und Adressen dieser Unternehmen;
3. die Beklagte wird verurteilt, gegenüber den Unternehmen, deren Namen und Adressen sie gemäß Ziffer 2 mitzuteilen hat, in bezug auf das Schreiben vom 25. Juli 1989 folgende Erklärung abzugeben:
"Das genannte Urteil des Landgerichts München war lediglich vorläufig vollstreckbar. Es ist durch Urteil des Oberlandesgerichts München vom 1. Februar 1990 aufgehoben worden; der Rechtsstreit ist an das Landgericht München zurückverwiesen worden. Das Landgericht München hat eine Entscheidung noch nicht gefällt."
Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision, das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klageansprüche für begründet erachtet und dazu ausgeführt:
Es sei wettbewerbswidrig, daß die Beklagte mit dem an die Abnehmer der Parteien gerichteten Rundschreiben vom 25. Juli 1989 das erstinstanzliche Urteil verteilt habe. Die Veröffentlichung eines Urteils, das gegen einen Mitbewerber erstritten worden sei, sei nur zulässig, wenn berechtigte Interessen gegeben seien. Solche hätten hier aber nicht bestanden. Die Abnehmer seien über den patentrechtlichen Streit bereits unterrichtet gewesen. Die Beklagte hätte deshalb ohne weiteres gegen diese wegen Patentverletzung vorgehen können. Außerdem sei es ihr möglich gewesen, aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Patentverletzungsurteil zu vollstrecken.
Die Beklagte sei wegen dieses wettbewerbswidrigen Vorgehens zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den die Klägerin und deren schwedische Muttergesellschaft wegen der Umsatzeinbußen erlitten hätten, die darauf zurückzuführen seien, daß ihre Abnehmer nach Kenntnisnahme des landgerichtlichen Urteils von weiteren Bestellungen abgesehen hätten. Es sei auch wahrscheinlich, daß neben den bisherigen Abnehmern auch sonstige Interessenten sich vom "M.-System" abgewandt hätten. Da die Klägerin nicht wisse, an wen die Beklagte das Rundschreiben nebst dem Urteilsabdruck versandt habe, dürfe sie ihr Begehren auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gleichzeitig auf Erteilung einer entsprechenden Auskunft richten. Da die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, das Urteil des Landgerichts bekannt zu geben, müsse sie zur Beseitigung der herbeigeführten wettbewerblichen Beeinträchtigung der Klägerin den Adressaten ihres Rundschreibens auch den Inhalt des aufhebenden Berufungsurteils mitteilen.
Die Ansprüche seien nicht verjährt, da die Beklagte nicht bewiesen habe, daß die Klägerin vor dem 21. August 1989 Kenntnis vom genauen Inhalt des beanstandeten Rundschreibens gehabt habe. Die Verjährungsfrist gemäß § 21 UWG habe somit frühestens am 21. Februar 1990 geendet. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klage bei Gericht eingegangen und "demnächst" im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO der schweizerischen Beklagten zugestellt worden. Umstände, die den Einwand der Verwirkung begründen könnten, seien nicht erkennbar. Die Tatsache, daß die Klägerin die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten angenommen habe, habe ihre sonstigen wettbewerbsrechtlichen Ansprüche nicht berührt.
II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision in wesentlichen Punkten nicht stand. Hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzfeststellungsanspruchs und des damit zusammenhängenden Auskunftsanspruchs bedarf es weiterer Feststellungen durch das Berufungsgericht. Bezüglich des Klageantrags zu 3, mit welchem die Klägerin von der Beklagten verlangt, die inländischen Kunden über das Berufungsurteil zu informieren, ist die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts wiederherzustellen.
1. Das Berufungsgericht ist von der, auch in der Revisionsinstanz vom Amts wegen zu prüfenden (vgl. BGHZ 44, 46, 47; 84, 17, 18; BGH, Urt. v. 11.2.1988 - I ZR 201/86, GRUR 1988, 483, 484 - AGIAV) internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte ausgegangen. Diese knüpft an die örtliche Zuständigkeit an und ist gemäß § 32 ZPO für den Streitfall zu bejahen.
Das Berufungsgericht hat auf die rechtliche Auseinandersetzung der Klägerin mit der in der Schweiz ansässigen Beklagten deutsches Recht angewandt. Das wird von den Parteien zu Recht nicht beanstandet. Hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche ergibt sich die Anwendung des deutschen Rechts aus dem Grundsatz, daß sittenwidrige Wettbewerbshandlungen zum Bereich der unerlaubten Handlungen gehören, für welche entsprechend dem der Vorschrift des Art. 38 EGBGB zugrundeliegenden Prinzip das anzuwendende Recht sich grundsätzlich nach dem Recht des Begehungsorts richtet (st. Rspr.; vgl. BGHZ 113, 11, 14 - Kauf im Ausland; BGH, Urt. v. 24.2.1994 - I ZR 74/92, GRUR 1994, 447, 448 = WRP 1994, 511 - Sistierung von Aufträgen).
2. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe mit der Versendung des Rundschreibens vom 25. Juli 1989 in der beanstandeten Form wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt, ist im Ergebnis beizutreten. Das Rundschreiben, das u.a. an Abnehmer der von der Klägerin vertriebenen Kupplungsvorrichtung "M.-System" der schwedischen Herstellerin und möglicherweise auch an Interessenten dieses Systems gerichtet wurde, ist seinem Inhalt nach eine sog. Abnehmerverwarnung. Die Beklagte teilt darin den inländischen gewerblichen Abnehmern der Kupplungsvorrichtung mit dem Hinweis, sie sei fest entschlossen, ihre Patentrechte weiterhin zu verteidigen und durchzusetzen, in deutlicher Form mit, nicht nur gegen die schwedische Herstellerin und die Klägerin als inländisches Vertriebsunternehmen, sondern auch gegen sonstige gewerbliche Nutzer ihres Patents wegen Patentverletzung vorzugehen. Die Form ihres Vorgehens erweist sich im Streitfall als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.
a) Eine Verwarnung, mit welcher der Rechtsinhaber der Verletzung seines gewerblichen Schutzrechts entgegenwirkt, ist als solche grundsätzlich allerdings nicht zu beanstanden. Dem Inhaber eines Schutzrechts - wie im Streitfall eines geprüften Patents - kann es nämlich nicht verwehrt sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die der Abwehr von (drohenden) Eingriffen in sein Recht dienen. Dazu gehört der Hinweis, gewillt zu sein, zur Durchsetzung des Rechts gerichtlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Es ist das gute Recht des Patentinhabers, Dritte - auch in bezug auf deren eigene Interessen - vor den Folgen der Verletzung eines Patents zu warnen (RGZ 94, 271, 276; BGHZ 62, 29, 32 f. - Maschenfester Strumpf; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 1 UWG Rdn. 237; Benkard/Bruchhausen, PatG, GebrMG, 9. Aufl., vor §§ 9-14 Rdn. 13). Das gilt auch hinsichtlich der Verwarnung von Abnehmern schutzrechtsverletzender Gegenstände, die sich durch deren gewerbliche Nutzung selbst einer Patentverletzung schuldig machen können (§ 9 PatG). Die wettbewerbsrechtlichen Grundsätze, welche es verbieten können, die Produkte eines Mitbewerbers mit den eigenen zu vergleichen, stehen sonach der Zulässigkeit einer Schutzrechtsverwarnung auch von gewerblichen Abnehmern nicht entgegen, wenn Patentverletzungen zu besorgen sind und wenn der Hinweis den Umständen nach angemessen und zur Abwehr erforderlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.1967 - Ib ZR 34/65, GRUR 1968, 382, 385 - Favorit II; Baumbach/Hefermehl aaO.; Benkard/Bruchhausen aaO.).
b) Als ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht gemäß §§ 1, 3 UWG oder - je nach Sachlage - als ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Verwarnten oder dessen Zulieferers gemäß § 823 Abs. 1 BGB kann eine Verwarnung aber zu beanstanden sein, wenn sie sich mangels eines besonderen Rechts als unbegründet oder wenn sie ungeachtet der Frage, ob ein Eingriff in ein bestandskräftiges Schutzrecht gegeben oder zu befürchten ist, ihrem sonstigen Inhalt oder ihrer Form nach sich als unzulässig erweist (vgl. BGHZ 62, 29, 32 f. - Maschenfester Strumpf; BGH, Urt. v. 19.1.1979 - I ZR 166/76, GRUR 1979, 332, 333 - Brombeerleuchte; Baumbach/Hefermehl aaO., Benkard/Bruchhausen aaO. Rdn. 14; Horn, Die unberechtigte Verwarnung aus gewerblichen Schutzrechten, S. 72 ff., 139 ff.; vgl. auch GroßkommUWG/Messer, § 14 Rdn. 226 ff. zur Anwendung von § 14 UWG).
c) Im Streitfall steht nach dem Klagevorbringen lediglich zur Entscheidung, ob die Verwarnung der Beklagten schon allein wegen ihrer Begleitumstände - also auch bei unterstellter Verletzung ihres Patents durch das "M.-System" - als wettbewerbswidrig zu beanstanden ist.
d) Der Vorwurf, die Beklagte habe in wettbewerbswidriger Form ihre Rechte als Patentinhaberin wahrgenommen, ist entgegen der Ansicht der Revision zu bejahen.
aa) Der Begründung des Berufungsgerichts, die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten liege darin begründet, daß diese das nicht für die Öffentlichkeit bestimmte, gegen die Klägerin und die schwedische Herstellerin erstrittene Urteil wegen Patentverletzung an deren Abnehmer versandt habe, ist allerdings nicht beizutreten. Schwebt nämlich zwischen dem Patentinhaber und dem Hersteller oder Vertreiber der als patentverletzend beanstandeten Gegenstände ein Rechtsstreit, so ist eine Warnung der gewerblichen Abnehmer unter Abdruck eines hierzu ergangenen Patentverletzungsurteils zulässig und sogar tunlich, da auf diese Weise weitestgehend ungenaue und mißverständliche Äußerungen über die Patentrechtslage vermieden werden können (RG MuW 1926/27, 293, 294). Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der Beklagten sei es als eine im Vergleich zur Versendung des Urteilsabdrucks an die Abnehmer der Klägerin weniger beeinträchtigende Maßnahme zuzumuten gewesen, aus dem Urteil des Landgerichts zu vollstrecken, hat es verkannt, daß die Beklagte damit nur gegen die schwedische Herstellerin und die Klägerin hätte vorgehen, nicht aber patentverletzende Handlungen der angeschriebenen Abnehmer hätte unterbinden können.
bb) Das Verhalten der Beklagten ist aber deshalb als wettbewerbswidrig zu beanstanden, weil diese in ihrem Rundschreiben in irreführender und sittenwidriger Weise über den Stand des Patentverletzungsverfahrens berichtet hat. Ein Patentinhaber, der seinen rechtlichen Standpunkt durch die Mitteilung eines (nicht rechtskräftigen) Urteils untermauert, verstößt gegen die guten Sitten im Wettbewerb, wenn er nicht deutlich zum Ausdruck bringt, daß die Entscheidung einem Rechtsmittel unterliegt (RG MuW 1926/27, 293, 294; GRUR 1943, 181, 182; Benkard/Bruchhausen aaO. Rdn. 13; Ohl, GRUR 1966, 172, 174). So liegt der Fall hier.
Aus dem Rundschreiben der Beklagten vom 25. Juli 1989 ging nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, daß das am 23. Juni 1989 ergangene Patentverletzungsurteil nicht rechtskräftig geworden war. Im Rundschreiben wird hierzu keine Aufklärung gegeben. Es kann - entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht - auch nicht angenommen werden, daß der kaufmännische Verkehr weiß, daß die Berufungsfrist einen Monat beträgt und nicht bereits mit der Verkündung, sondern erst mit der Zustellung des Urteils an die beschwerte Partei zu laufen beginnt. Es ist deshalb erfahrungswidrig anzunehmen, die Adressaten des Rundschreibens hätten aus dem auf der Ablichtung des Urteils festgehaltenen Zustellungsdatum (8. Juli 1989) ohne weiteres erkennen können, daß es sich bei dem landgerichtlichen Urteil um ein noch nicht rechtskräftiges Erkenntnis zur Patentverletzungsfrage handelte. Mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß es der Klägerin "unter Androhung von Buße bzw. Gefängnis verboten" sei, "ihr M.-System" auf dem deutschen Markt anzubieten bzw. zu verkaufen, wird vielmehr der Eindruck erweckt, als sei das Urteil nunmehr nicht nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig, sondern ohne weiteres endgültig vollstreckbar.
Die Beklagte berühmte sich damit gegenüber der Klägerin als ihrer Wettbewerberin auf dem inländischen Markt einer gerichtlichen Bestätigung ihrer behaupteten Rechte, die in dieser Form in Wirklichkeit nicht ausgesprochen worden war. Das ist als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG zu beanstanden.
3. Ungeachtet des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten, zu dessen Unterlassung sie sich vorprozessual verpflichtet hat, kann aber, wie die Revision zutreffend rügt, die hieraus vom Berufungsgericht abgeleitete Verurteilung zu Schadensersatz nebst Auskunftserteilung keinen Bestand haben.
Die bisher getroffenen Feststellungen lassen nicht die Folgerung zu, daß die Beklagte der Klägerin zum Ersatz der von dieser und der schwedischen Herstellerin erlittenen Umsatzeinbußen verpflichtet sei, welche die Klägerin aus den rückläufigen oder unterbliebenen Bestellungen der verwarnten Händler ableitet, die entweder schon Abnehmer ihres "M.-Systems" waren oder sich für ihre Kupplungsvorrichtung interessierten. Der Betroffene einer unberechtigten Verwarnung kann als Schaden nur diejenige Vermögenseinbuße ersetzt verlangen, die auf den Umständen beruht, welche die Wettbewerbswidrigkeit der Verwarnung begründen, nicht jedoch jede allgemeine Vermögensbeeinträchtigung infolge der Verwarnung (Benkard/Bruchhausen aaO. Rdn. 21; Ohl, GRUR 1966, 172, 175).
a) Da das Berufungsgericht - entsprechend dem Klagevorbringen zu Recht - die Rechtswidrigkeit der Verwarnung allein wegen deren zu mißbilligenden Form, nicht aber wegen einer materiellen Unbegründetheit des beanspruchten patentrechtlichen Schutzes - etwa weil das erteilte Patent keinen Bestand hätte oder weil sein Schutzbereich das "M.-System" nicht erfaßte - festgestellt hat, hätte der Klägerin als ersatzfähig nur der Schaden zugesprochen werden können, den sie infolge eben dieser wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung - etwa zu deren Beseitigung - erlitten hat. Hierauf ist das Schadensersatzbegehren der Klägerin aber nicht gerichtet.
b) Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden, den sie aus dem Rückgang der Geschäfte mit ihren Abnehmern über die streitgegenständliche Kupplungsvorrichtung herleitet, steht mit der Wettbewerbswidrigkeit der Verwarnung im Streitfall in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang. Bei der zur Wettbewerbswidrigkeit getroffenen Feststellung bleibt nämlich offen, ob die Verwarnung aus materiellen Gründen berechtigt war. Es ist deshalb in der Revisionsinstanz zu unterstellen, daß die Klägerin und die schwedische Herstellerin mit der Kupplungsvorrichtung "M.-System" in das Patentrecht der Beklagten eingreifen und deshalb den Vertrieb dieser Waren in der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen haben (§§ 9, 139 PatG). Waren die Klägerin und die schwedische Herstellerin aber ohnehin verpflichtet, ihre Kupplungsvorrichtung nach dem "M.-System" in der Bundesrepublik Deutschland nicht zu vertreiben, so kann ihnen aus der mangelnden Nachfrage der inländischen Abnehmer kein Schaden entstanden sein, den sie bei der Beklagten als Patentinhaberin liquidieren könnten. Wer aus materiellen Gründen - auch ohne eine vorhergehende Verwarnung - zu einem bestimmten Verhalten - hier Unterlassen des Vertriebs patentverletzender Waren - gezwungen ist, kann aus einer aus formalen Gründen unberechtigten "Abnehmer-Verwarnung", welche das ohnehin gebotene Verhalten zur Folge hat, keinen ersatzfähigen Erwerbsschaden herleiten.
c) Zur Begründetheit des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs bedarf es deshalb der Prüfung, ob das "M.-System" der Klägerin vom Patentschutz der Beklagten nicht erfaßt wird. Nur wenn dies festgestellt wird, kann die Klägerin ihren Erwerbsschaden, der ihr infolge rückläufiger oder unterbliebener Bestellungen verwarnter Abnehmer oder Interessenten entstanden sein soll, gemäß § 1 UWG ersetzt verlangen.
d) Dazu bedarf es weiterer Feststellungen durch das Berufungsgericht. Von einer Zurückverweisung kann nicht deshalb abgesehen werden, weil - wie die Revision meint - der Schadensersatz - und der damit zusammenhängende Auskunftsanspruch - verjährt oder verwirkt seien. Der Senat hat die zur Frage der Verjährung erhobene Verfahrensrüge geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO). Auch die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es eine Verwirkung der Ansprüche nicht für gegeben erachtet hat, sind frei von Rechtsfehlern. Die Revision wendet sich dagegen auch nicht.
4. Auch soweit das Berufungsgericht die Beklagte nach dem Klageantrag zu 3 verurteilt hat, die von ihr angeschriebenen inländischen Unternehmen über die mangelnde Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils im Patentverletzungsstreit und über den Fortgang des Verfahrens zu unterrichten, hält seine Entscheidung der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Insoweit führt die Revision zur Wiederherstellung der vom Landgericht ausgesprochenen Klageabweisung.
Bei diesem Anspruch handelt es sich um einen wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch, der zu seiner Begründetheit voraussetzt, daß der Störungszustand fortbesteht und daß zu dessen Beseitigung die erstrebte Maßnahme geboten erscheint, also eine weniger einschneidende Maßnahme zur Störungsabwehr nicht ausreicht. Auch der Beseitigungsanspruch steht unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit des verlangten Mittels zu dem angestrebten Erfolg (BGH, Urt. v. 15.10.1976 - I ZR 23/75, GRUR 1977, 159, 161 - Ostfriesische Tee Gesellschaft; Urt. v. 24.3.1994 - I ZR 42/93, GRUR 1994, 630, 633 = WRP 1994, 519 - Cartier-Armreif; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl., Kap. 26 Rdn. 10). Das Berufungsgericht hat bei der sonach gebotenen Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 13. Februar 1990 die ihr bekannten Adressaten des Rundschreibens der Beklagten selbst über den Verfahrensfortgang, nämlich über das aufhebende Berufungsurteil im Verletzungsstreit informiert hat. Die bei der Klägerin verbliebene Unsicherheit, ob sie damit alle Adressaten des Rundschreibens erfaßt habe, rechtfertigt ihr Widerrufsbegehren nach Klageantrag zu 3 nicht (vgl. auch BGH, Urt. v. 10.12.1969 - I ZR 20/68, GRUR 1970, 254, 257 - Remington). Die durch das mißverständliche Rundschreiben der Beklagten bewirkte Beeinträchtigung der Klägerin fällt nämlich nicht sonderlich ins Gewicht, auch ist die Intensität des Vorgehens der Beklagten als gering zu bemessen. Ein verbleibendes Mißverständnis bei den beteiligten Wirtschaftskreisen kann die Klägerin ohne weiteres durch einen eigenen aufklärenden Hinweis über die fehlende Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils beseitigen. Aus denselben Erwägungen ist auch der hilfsweise gestellte Antrag abzuweisen, der als Feststellungsantrag formuliert ist.
III. Nach alledem ist auf die Revision hinsichtlich des Klageantrags zu 3 das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen. Im übrigen ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei die angesprochenen patentrechtlichen Fragen die Verweisung an den dafür zuständigen Senat gebieten (§ 565 ZPO, § 143 PatG).
Fundstellen
Haufe-Index 2993324 |
BB 1995, 945 |
DB 1995, 1322 |
BGHR UWG § 1 Schadensersatz 1 |
BGHR UWG § 1 Verwarnung 1 |
BGHR ZPO § 32 Begehungsort 3 |
NJW-RR 1995, 810 |
MDR 1995, 813 |
WRP 1995, 489 |