Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 14. September 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 22 Fällen und wegen versuchten Betruges, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte in einem Steuerberatungsbüro als Konkurssachbearbeiter in der Abteilung „Konkursabwicklung” tätig. Ab Mitte 1996 übernahm er auch selbständig die Buchführung für den von ihm bearbeiteten Bereich. In dem Büro allein zeichnungsberechtigt war der Steuerberater Ernst L.. Bei längerer Abwesenheit, etwa wegen Urlaubs, hinterließ L. blanko unterschriebene Überweisungsträger, die von seinen Mitarbeitern bei Bedarf zur Begleichung von Forderungen der Konkursgläubiger oder für andere notwendige Zahlungen verwendet werden sollten. Bis Mitte 1996 wurden die Überweisungsträger von einer für die Kasse und Buchführung zuständigen Mitarbeiterin verwahrt, danach erhielt der Angeklagte selbst blanko unterschriebene Überweisungsträger ausgehändigt. Anfang 1995 faßte der Angeklagte den Entschluß, aus den von ihm verwalteten Konkursmassen Geldbeträge für sich zu entnehmen. Hierzu ließ er sich anfangs von der Mitarbeiterin Blankoüberweisungsträger zur Begleichung angeblicher Konkursforderungen aushändigen; später entnahm er diese aus dem ihm selbst überlassenen Bestand.
Von den Überweisungsträgern trennte er die Durchschrift ab und trug in das blanko unterschriebene Original als Empfänger seinen Namen – zumeist abgekürzt oder mit Änderungen – ein; als Empfängerkonto gab er ein eigenes Privatkonto an. Als zu belastendes Konto setzte er eines der fünf verschiedenen von ihm verwalteten Konkursanderkonten ein. In die Durchschrift trug er als Empfänger einen Gläubiger der Konkursmasse ein; die Durchschrift reichte er entweder an die Buchhaltung weiter oder nahm sie selbst zu den Unterlagen der betroffenen Konkursmasse. Das Original wurde sodann der Bank, bei der die Konkursanderkonten geführt wurden, vorgelegt. Insgesamt stellte der Angeklagte auf diese Weise bis Dezember 1997 23 Überweisungsträger aus; 22 Überweisungen über einen Gesamtbetrag von 936.725,66 DM wurden von der angewiesenen Bank ausgeführt und dem Konto des Angeklagten gutgeschrieben.
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten rechtlich jeweils als Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug bzw. in dem Fall, in welchem die Überweisung nicht mehr zur Ausführung gelangte, mit versuchtem Betrug, gewertet. Den Betrug sieht es ersichtlich in einer täuschungsbedingten Irrtumserregung bei den mit der Ausführung der Überweisungen betrauten Mitarbeitern der Bank. Dies wird zwar bei der rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhalts nicht näher ausgeführt, ergibt sich aber aus der Feststellung, daß „diese [die Bankbediensteten] aufgrund der Manipulation des Angeklagten davon ausgingen, dass die Überweisungen von dem Zeugen L. selbst ausgestellt worden waren” (UA 9).
Diese pauschale Darstellung genügt jedoch – wie die Revision zu Recht rügt – nicht den Anforderungen, die an die Feststellung des für § 263 StGB erforderlichen Irrtums zu stellen sind. Das Vorliegen eines Irrtums ist Tatfrage (Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 263 Rdn. 19). Der Tatrichter muß sich daher unter Ausschöpfung aller Beweismittel die Überzeugung davon verschaffen, daß bei dem Verfügenden ein Irrtum erregt oder unterhalten worden ist (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9 = StV 1994, 82). Dabei kann freilich auch aus Indizien auf einen für die Vermögensverfügung kausalen Irrtum geschlossen werden. In diesem Zusammenhang kann etwa von Bedeutung sein, ob der Verfügende ein eigenes Interesse daran hatte oder im Interesse eines Dritten verpflichtet war, sich von der Richtigkeit der Behauptung des Täters zu überzeugen (BGH a.a.O.; vgl. auch BGH NStZ 1997, 281).
Hier ist nach den Feststellungen bereits unklar, im Hinblick auf welche konkreten Umstände die Bankbediensteten täuschungsbedingt einer Fehlvorstellung erlegen sein sollen. Die Urteilsgründe lassen auch nicht erkennen, aufgrund welcher Tatsachen sich das Landgericht hiervon die notwendige Überzeugung verschafft hat. Eine Vernehmung der Bankbediensteten ist offensichtlich nicht erfolgt. Nach den Gesamtumständen liegt die Annahme eines Irrtums zudem aber auch eher fern: Bei Vorlage einer Überweisung wird den zuständigen Bankmitarbeiter – entsprechend der ihm obliegenden Pflichten – im allgemeinen nur interessieren, ob die Überweisung formal in Ordnung ist (Angabe der Kontonummern, Vollständigkeit der übrigen im Formular angeführten Angaben, Unterschrift des Berechtigten) und ob das belastete Konto genügend Deckung aufweist. Dies war hier jeweils der Fall. Darüber, ob die Überweisung auchsachlich berechtigt ist, wird er sich in aller Regel keine Vorstellung machen, erst recht auch nicht darüber, ob der Anweisende das Formular nicht nur unterschrieben, sondern insgesamt selbst ausgefüllt hat. Dafür, daß es sich hier ausnahmsweise anders verhielt, hätte es daher näherer Feststellungen bedurft.
Die Verurteilung wegen Betruges bzw. Versuchs hierzu kann somit keinen Bestand haben. Dies zwingt auch zur Aufhebung der für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden (vgl. zur „Blankettfälschung” Tröndle in LK StGB 10. Aufl. § 267 Rdn. 137 ff) Verurteilung wegen mindestens 23 tateinheitlich begangener Vergehen der Urkundenfälschung (vgl. Kuckein in KK StPO 4. Aufl. § 353 Rdn. 12 m.w.N.).
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Das Verhalten des Angeklagten könnte – was das Landgericht nicht erkennbar geprüft hat – auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aber den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) erfüllen. Zwar bestand unmittelbar zwischen dem Angeklagten und den betroffenen Gemeinschuldnern bzw. Konkursgläubigern keine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne dieser Vorschrift; eine solche war allein für den Steuerberater L. als Konkursverwalter gegeben (vgl. BGHSt 15, 342 sowie Schünemann in LK StGB 11. Aufl. § 266 Rdnr. 128 m.w.N.). Die in § 266 StGB vorausgesetzte Pflicht, die Vermögensinteressen eines anderen wahrzunehmen, kann indes auch durch ein Rechtsgeschäft zwischen dem Verpflichteten und einem Dritten begründet werden (vgl. BGHSt 2, 324; BGH NJW 1983, 1807; Lenckner in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 266 Rdnr. 32; Schünemann a.a.O. § 266 Rdnr. 66 und 67). So liegt es hier: Der Angeklagte war kraft des mit L. bestehenden Arbeitsverhältnisses spätestens ab dem Zeitpunkt mit der Wahrnehmung der Vermögensinteressen der von ihm betreuten Konkursmassen betraut, zu dem er selbst Blankoüberweisungsträger ausgehändigt bekam und befugt war, von diesen selbständig zu Lasten der eingerichteten Konkurs-anderkonten Gebrauch zu machen. Ob der Angeklagte auch schon vor diesem Zeitpunkt im Büro des Konkursverwalters mit einem für die Begründung eines Vermögensbetreuungsverhältnisses ausreichenden Aufgabenbereich betraut war (vgl. hierzu auch BGHSt 13, 330, 332/333), kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden und bedarf daher weiterer tatrichterlicher Aufklärung.
b) Daneben kommt – tateinheitlich – auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Untreue zum Nachteil des Steuerberaters L. in Betracht, wenn – wozu das Urteil sich nicht verhält – L. durch die Manipulationen des Angeklagten ein Vermögensnachteil entstanden ist. Hierfür würde bereits eine konkrete Vermögensgefährdung genügen, etwa die drohende Gefahr einer erfolgreichen Inanspruchnahme auf Schadensersatz durch die betroffenen Konkursmassen oder durch geschädigte Konkursgläubiger (vgl. hierzu Lenckner a.a.O. § 266 Rdnr. 45).
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 556804 |
NStZ 2000, 375 |
StV 2000, 477 |
LL 2001, 103 |