Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 22.05.1959)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Oldenburg (Oldb.) vom 22. Mai 1959 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrechtszuges werden dem Kläger auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger und der Kaufmann K… aus O… hatten im Jahre 1949 von der Witwe G… ein in O… belegenes, im Kriege beschädigtes Hausgrundstück erworben. Sie waren je zur Hälfte als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Am 5. Juli 1951 beurkundete der beklagte Notar einen Vertrag, durch den K… seinen Miteigentumsanteil auf den Kläger übertrug. Nach dem Vertrage übernahm es der Kläger, K… von allen Ansprüchen freizustellen, die die Witwe G… aus dem Kaufvertrage oder andere Personen aus den inzwischen vorgenommenen Aufbauarbeiten stellen könnten. Der Kläger übernahm auch die Grunderwerbssteuer. Die Vertragsparteien erklärten die Auflassung und beantragten die Umschreibung im Grundbuch.

Bevor die Eigentumsänderung im Grundbuch eingetragen wurde, beurkundete der beklagte Notar am 12. Februar 1952 einen weiteren Vertrag, durch den der Kläger das gesamte Grundstück mit den inzwischen weiter errichteten Bauten an die Schwestern B… veräußerte. Die Käuferinnen übernahmen die eingetragenen Lasten und weitere Verbindlichkeiten des Klägers, insbesondere die Kaufpreisrestschuld gegenüber der Witwe G…. Die Vertragsteile erklärten wiederum die Auflassung und beantragten die Umschreibung im Grundbuch.

Der Beklagte reichte dem Grundbuchamt die Verträge ein und beantragte unter dem 19. Juli 1952, den Anträgen in der Verhandlung vom 12. Februar 1952 zu entsprechen. Die Schwestern B… wurden am 25. Juli 1952 als Eigentümerinnen des gesamten Grundstücks im Grundbuch eingetragen.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe pflichtwidrig verschuldet, daß er für den ersten Vertrag eine Grunderwerbssteuer in Höhe von 2 450 DM zu zahlen habe, und nimmt den Beklagten insoweit auf Schadensersatz in Anspruch; zur Begründung hat er vorgetragen: Es sei ihm nicht möglich gewesen, K… entsprechend dem Vertrage vom 5. Juli 1951 von seinen Verbindlichkeiten freizustellen. Dazu hätten ihm die Mittel gefehlt und die Gläubiger hätten K… nicht ohne Zahlung aus der Mit haft entlassen wollen. Auch zu einem vollständigen Aufbau hätte seine Mittel nicht gereicht. Keller habe deshalb nach Mahnung und Fristsetzung Anfang Juli 1952 den Rücktritt von dem Vertrag erklärt. Er, der Kläger, sei damit einverstanden gewesen. K… sei bereit gewesen, seinen Miteigentumsanteil unmittelbar an den Schwestern B… aufzulassen. Das Finanzamt habe ihm mitgeteilt daß unter solchen Umständen eine Grunderwerbssteuer für den ersten Vertrag nicht zu zahlen sei. Er und K… hätten dies alles dem Beklagten mitgeteilt und ihn zuletzt am 17. Juli 1952 angewiesen, den ersten Vertrag nicht dem Grundbuchamt vorzulegen. Gleichwohl habe der Beklagte die Verträge dem Grundbuchamt eingereicht. Am 19. Juli 1952 habe er den Beklagten vergeblich ersucht, den trotzdem gestellten Antrag zurückzunehmen. Seine, des Klägers, Absicht sei gewesen, einen neuen Vertrag mit den Schwestern B… unter Einbeziehung von K… zu schließen. Dieses Ziel würde er erreicht haben, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten die laufenden Verhandlungen gestört und unterbrochen hätte. Jetzt müsse er, der Kläger, für den ersten Vertrag eine Grunderwerbssteuer von 2 450 DM zahlen. Dies beruhe allein auf der Pflichtverletzung des beklagten Notars.

Der Kläger, der zunächst einen Teilbetrag von 100 DM nebst Zinsen eingeklagt hatte, hat mit seinem in den Tatsacheninstanzen zuletzt gestellten Antrag gebeten, den beklagten Notar zur Zahlung von 2 450 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. August 1955 zu verurteilen.

Der Beklagte ist dem Klagevorbringen entgegengetreten und hat um Abweisung der Klage gebeten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zunächst mit Urteil vom 14. November 1955 zurückgewiesen. Beide Vordergerichte haben die Klage für unbegründet gehalten, weil die Aufhebung des ersten Vertrages einen Mißbrauch bürgerlichrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung einer Steuerpflicht darstelle, so daß keine Steuerbefreiung möglich gewesen und dem Kläger kein Schaden entstanden sei.

Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat mit seinem ersten Revisionsurteil vom 1. Juli 1957 – III ZR 42/56 – das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nunmehr hat das Berufungsgericht durch das angefochtene Urteil die Berufung des Klägers erneut zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen früheren Antrag weiter. Der Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Der erkennende Senat hat in seinem ersten Revisionsurteil ausgeführt: Das Vorhaben des Klägers, die Grunderwerbssteuer für den aufgehobenen Vertrag mit K… vom 5. Juli 1951 dadurch zu ersparen, daß unter dessen Beteiligung ein neuer Vertrag mit den Schwestern B… abgeschlossen würde, könne als Umgehung eines Steuertatbestandes im Sinne von § 6 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl I 925) nur angesehen werden, wenn es darauf abgezielt hätte, aus steuerlichen Gründen einen der Sachlage nicht entsprechenden, ungewöhnlichen Weg zu gehen. Bei der Aufhebung eines Grundstücksveräußerungsvertrages und der Veräußerung desselben Grundstücks an einen Dritten, liege eine Umgehung nicht vor, wenn die Rückgängigmachung des ersten Vertrages tatsächlich durchgeführt werde und dem Ersterwerber das weitere Schicksal des Grundstücks gleichgültig sei; dagegen sei es eine Umgehung, wenn der bisherige Zustand im wesentlichen wirtschaftlich aufrecht erhalten bleibe. Wenn der Versuch des Klägers, das Grundstück – unter völliger Befreiung des K… von den aus dem Erwerb herrührenden Verbindlichkeiten – allein aufzubauen und zu verwerten, mißglückt sei, sei das Bemühen, das Grundstück gemeinsam an einen Dritten so zu veräußern, als ob der erste Vertrag nie geschlossen wäre, von vernünftigen wirtschaftlichen Erwägungen getragen gewesen. Es wäre dann nur eine einmalige Grunderwerbssteuer ausgelöst worden, ohne daß von einem Mißbrauch von Formen oder Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts gesprochen werden könne.

Die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht beruhte auf folgenden Erwägungen: Der Beklagte habe allerdings seine Amtspflichten gegenüber dem Kläger verletzt, wenn er den Vertrag vom 5. Juli 1951 gegen den ihm bekannten Willen des Klägers oder, nachdem er von der Aufhebung des Vertrages verständigt worden sei, dem Grundbuchamt als Beweismittel für die Zustimmung von K… zur unmittelbaren Eintragung der Schwestern B… eingereicht habe. Durch die Amtspflichtverletzung des Notars sei dem Kläger jedoch ein Schaden nur entstanden, wenn es ihm wirklich gelungen wäre, durch Verhandlungen mit K… und den Schwestern B… neue Verträge in dem erstrebten Sinn zu gleich günstigen Bedingungen abzuschließen, die dazu geführt hätten, daß die Grunderwerbssteuer für den erledigten Vertrag vom 5. Juli 1951 entfiele. Ob diese Voraussetzungen zuträfen, bedürfe noch der tatsächlichen Feststellung.

II.

1.) Nunmehr hat das Berufungsgericht gemäß dieser bindenden rechtlichen Beurteilung (§ 565 Abs. 2 ZPO) tatsächlich festgestellt: Der Kläger habe den Beklagten rechtzeitig angewiesen, den Vertrag mit K… vom 5. Juli 1951 nicht dem Grundbuchamt einzureichen. In einer Besprechung in Anwesenheit des Zeugen Ho… am 17. Juli 1952 habe der Kläger nach eingehender Erörterung dem beklagten Notar erklärt, daß er die Vorlegung dieses Vertrages beim Grundbuchamt nicht wünsche. Am folgenden Tage, an dem der Umschreibungsantrag beim Grundbuchamt einging, seien der Kläger und Ho… wiederum bei dem Beklagten gewesen, um ihn zu bewegen, den Antrag zurückzunehmen; der Beklagte habe sich darauf aber nicht eingelassen. Überdies habe der Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 1952 – mit Unterzeichnung von K… – den Beklagten nochmals erfolglos gebeten, die Ausfertigung des Vertrages vom 5. Juli 1951 vom Grundbuchamt zurückzuholen, dies alles in einer Zeit, in der es noch ohne weiteres möglich gewesen wäre, die Anträge beim Grundbuchamt zurückzunehmen.

Diese tatsächlichen Feststellungen werden nicht angegriffen. Das Berufungsgericht hat sie rechtlich dahin gewürdigt, daß der Beklagte in zweifacher Hinsicht Amtspflichten gegenüber dem Kläger verletzt habe. Seine Würdigung entspricht dem ersten Revisionsurteil; Angriffe hierzu liegen nicht vor.

Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festzustellen vermocht, daß dem Kläger hierdurch der von ihm behauptete Schaden entstanden sei; das Berufungsurteil führt hierzu aus:

In der entscheidenden Zeit – Juli 1952 – habe der Kläger selbst vereitelt, daß die Schwestern B… entsprechenden Änderungen der Verträge zustimmten. Der Eintritt von K… in den Vertrag vom 12. Februar 1952, wenn dieser unverändert geblieben wäre, sei ohne weiteres erreichbar gewesen. Jedoch habe der Kläger nun den Plan verfolgt, die Vertragsbedingungen in weiteren Einzelheiten zu ändern; hieran sei das neue erstrebte Vertragswerk gescheitert.

Der Kläger habe den (für die Schwestern B… ausgearbeiteten) Vertragsentwurf des Notars U…, der unter Aufhebung des Vertrages Kläger-K… vom 5. Juli 1951 den Beitritt von K… zu dem Vertrage vom 12. Februar 1952 unter sonst unveränderten Bedingungen vorsah, abgelehnt. Der Kläger habe vielmehr den Vertragsentwurf seines damaligen Untermieters, des Referendars, jetzigen Rechtsanwalts Ho… verfolgt, wonach unter Aufhebung der früheren Verträge ein neuer Kaufvertrag habe geschlossen werden sollen, und zwar zu Bedingungen, die für die Schwestern B… nachteiliger waren; nach diesem Entwurf Ho…s hätten die Schwestern B… ohne Ausgleich einen höheren Betrag rückständiger Zinsen über nehmen sollen, wozu sie keinesfalls bereit gewesen seien. Bei den Verhandlungen im Juli 1952 habe daher der Kläger selbst durch seine neuen Forderungen verhindert, daß die Grundlage für den Wegfall der Grunderwerbssteuer zum Vertrag vom 5. Juli 1951, nämlich die Zustimmung der Schwestern B…, geschaffen wurde.

Hiervon sei auch für die Folgezeit auszugehen, weil nun mehr der Streit über die Zinsverpflichtungen als maßgebend für etwaige Vertragsänderungen herausgestellt worden sei. Allerdings habe Ho… damals den Standpunkt vertreten, die Schwestern B… würden in der Zinsfrage wohl doch noch nachgeben, weil sie es mit dem Eigentumserwerb eilig hätten. Das aber reiche für die Feststellung, daß es dem Kläger gelungen wäre, die Schwestern B… zum Abschluß eines neuen Vertrages nach dem Entwurf Ho…s zu bewegen, nicht aus. Vielmehr bleibe auch bei freier Würdigung nach § 287 ZPO offen, was geschehen wäre, wenn der beklagte Notar seine Amtspflicht gegenüber dem Kläger erfüllt hätte, so daß die für einen Schadensersatzanspruch nach Grund und Höhe entscheidenden Gesichtspunkte nicht hinreichend geklärt werden könnten. Da die Schwestern B… keinen Anlaß gehabt hätten, sich auf einen neuen Vertrag, der weitergehende Verpflichtungen für sie begründen sollte, einzulassen, ihr Verhalten vielmehr zeige, daß ihre klar ablehnende Haltung gegenüber zusätzlicher Zinsverpflichtungen sich weiter verhärtet habe, könne keinesfalls mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, daß der Kläger sie zur Billigung des Vertragsentwurfes Ho…s hätte bewegen können. Nun habe der Kläger sich allerdings auch darauf berufen, daß er – notfalls – entschlossen gewesen sei, den neuen Vertrag nicht an der Zinsfrage scheitern zu lassen. Die Aussage von Ho… gebe hierfür jedoch keinen Anhalt. Wenn es sich bei dem streitigen Zinsbetrag letztlich auch nur um 782 DM gehandelt habe, rechtfertige der Inhalt der Verhandlungen, in denen beide Seiten hartnäckig ihren Standpunkt vertreten hätten, nicht den Schluß, daß der Kläger zum Nachgeben bereit gewesen sei. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden sei hiernach nicht erweislich.

2.) Die Revision rügt demgegenüber, das Berufungsgericht sei in Bezug auf die §§ 286, 287 ZPO widerspruchsvoll, zumindest unklar; wenn als Ursache des Schadens – wie hier – zwei verschiedene Umstände in Betracht kämen, nämlich die Amtspflichtverletzung des Beklagten einerseits und andererseits die Absicht des Klägers, die Vereinbarung mit den Schwestern Bange zu ändern, dann könne nicht nach § 287 ZPO geschätzt werden, welcher dieser Umstände den Schaden herbeigeführt habe, sondern diese Frage bedürfe der Feststellung nach § 286 ZPO.

Die Rüge ist unbegründet. Nach der gemäß § 286 ZPO getroffenen, unangefochtenen Feststellung des Berufungsgerichts steht fest, daß der Beklagte Amtspflichten gegenüber dem Kläger verletzt hat. Der Beklagte hat dem Kläger den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Weiter steht fest, daß der Kläger von einem ihm nachteiligen Ereignis betroffen worden ist, indem er die Möglichkeit verloren hat, die Nichterhebung der Steuer in Bezug auf seinen Vertrag mit K… zu erwirken. Ob dieser Schaden durch die Amtspflichtverletzung entstanden ist ob also zwischen der Amtspflichtverletzung und der Belastung mit der Grunderwerbssteuer ein ursächlicher Zusammenhang im Rechtssinne besteht, richtet sich aus nach der Frage, was geschehen wäre, wenn der beklagte Notar pflichtgemäß gehandelt hätte. Diese Frage hypothetischer Art (Stein/Jonas ZPO 18. Auf § 287 Anm. I 1c) war vom Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu beurteilen (§ 287 ZPO). Das entspricht gesicherter Rechtsprechung (RG JW 1937, 2466; BGHZ 7, 287, 295; BGH VersR 1958, 782; BGB-RGRK 11. Aufl. § 839 Anm. 111). Zu Unrecht beruft sich die Revision demgegenüber auf BGHZ 4, 192, 197, wo allerdings gesagt ist, daß die Feststellung, welches von mehreren in Betracht kommenden Ereignissen den Geschädigten betroffen und den Schaden herbeigeführt habe, gemäß § 286 ZPO zu erfolgen habe. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn es stehen nicht zwei Ereignisse in Rede, die den Kläger möglicherweise geschädigt haben könnten, sondern lediglich ein Ereignis, das festgestellte Amtsversehen den Beklagten. Die Erörterungen des Berufungsgerichts darüber, daß der Kläger selbst durch seine Mehrforderung die Einigung mit den Schwestern Bange im Juli 1952 vereitelt habe und auch in der Folgezeit wahrscheinlich vereitelt haben würde, enthalten weder die Feststellung, noch ergeben sie die Möglichkeit eines zweiten Ereignisses, auf das der entstandene Schaden des Klägers zurückgeführt werden könnte. Sie dienen vielmehr allein der Prüfung der Frage, was geschehen wäre und ob der Kläger die Erhebung der Grunderwerbssteuer für den Vertrag vom 5. Juli 1951 hätte vermeiden können, wenn der beklagte Notar pflichtgemäß gehandelt hätte, und stellen damit richtig auf das allein in Rede stehende Ereignis, die Amtspflichtverletzung des Beklagten, ab. Die Anwendung des § 287 ZPO ist danach verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

3.) Zu Unrecht sieht die Revision eine Verkennung der Beweislast darin, daß das Berufungsgericht seine Zweifel darüber, ob der Kläger bei pflichtgemäßem Verhalten des Notars zu einer Einigung mit den Schwestern B… gelangt wäre, zu Lasten des Klägers hat gehen lassen. Wenn – so meint die Revision – der Notar seine Amtspflichten verletzt habe, müsse er dartun, daß der Schaden nicht hierdurch verursacht worden sei; wenn also offen bleibe, was bei pflichtgemäßem Handeln geschehen wäre, so gehe das zu Lasten des Beklagten.

Wer einen Notar wegen einer Amtspflichtverletzung in Anspruch nimmt, muß den zum Schadensersatz verpflichtenden Sachverhalt beweisen (BGH VersR 1958, 124); etwas anderes sagt auch die von der Revision angeführte Stelle des Kommentars von Soergel (8. Aufl. zu § 839 Anm. XI, Stichwort “Notar” S. 804) nicht. Dem Kläger liegt daher der Beweis ob, daß der beklagte Notar pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt hat und hierdurch ein Schaden entstanden ist. Dabei können allerdings dem Geschädigten die Regeln über den Beweis des ersten Anscheins zugute kommen, wenn es sich um einen Tatbestand handelt, der nach der Regel des Lebens auf eine bestimmten Ursache hindeutet und typisch in einer bestimmten Richtung zu verlaufen pflegt (LM § 286 (C) ZPO Nr. 1). Wenn der Notar eine gebotene Warnung unterlassen hat, so liegt es ihm ob, zur Verneinung des ursächlichen Zusammenhangs besondere Umstände dafür darzulegen, daß der Kläger die Warnung nicht beachtet haben würde (RG Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern 1933, 106), weil die Erfahrung dafür spricht, daß der von einem Notar Gewarnte in der Regel die Warnung beherzigen wird. Wo jedoch dem Kläger eine solche Lebenserfahrung nicht zur Seite steht, weder eine tatsächliche Vermutung noch eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für einen erfahrungsgemäßen Ablauf besteht, muß der Kläger beweisen, daß sein Schaden durch die Amtspflichtverletzung verursacht worden ist (RG HRR 1934 Nr. 255), und die Nichtfeststellbarkeit geht zu seinen Lasten (RG JW 1937, 2466).

So liegt es hier. Wenn der beklagte Notar mit der Einreichung beim Grundbuchamt pflichtgemäß abgewartet hätte, so war der weitere Verlauf nicht durch eine Erfahrung vorgezeichnet oder auch nur angedeutet. Vielmehr hing es von dem Verhalten des Klägers und den Entschlüssen K…s und der Schweste B… ab, ob er mit seinem weiteren Vorhaben erfolgreich sein könnte. Hierfür lassen sich keine Erfahrungsregeln aufstellen (IM zu § 286 (C) ZPO Nr. 11), vielmehr konnte das Berufungsgericht nur versuchen, seine Maßstäbe für die Beurteilung des mutmaßlichen Verlaufs aus der Würdigung der Situation und der erkennbaren Einstellung der beteiligten Personen zu gewinnen. Das Ergebnis seiner Würdigung entzieht sich der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Das negative Ergebnis geht zu Lasten des beweispflichtigen Klägers.

4.) Unbegründet ist auch die Revisionsrüge, das Berufungsgericht habe den § 448 ZPO verletzt, indem es den Kläger nicht als Partei vernommen habe, obwohl für seine Darstellung, es wäre doch noch zu einer Einigung mit den Schwestern B… gekommen, eine Wahrscheinlichkeit bestanden habe, und der Kläger ausdrücklich um seine Vernehmung gebeten habe.

Ob das Gericht von dem ihm in § 448 ZPO eingeräumten Recht, eine Partei zu vernehmen, Gebrauch machen will, steht in seinem Ermessen. Die Revision kann nur rügen, daß das Gericht die Grenzen des Ermessens überschritten habe oder sein Ermessen dort, wo eine Vernehmung nach § 448 ZPO in Betracht kam, überhaupt nicht habe walten lassen. Die letzte Rüge ist nicht schon deswegen begründet, weil die Entscheidungsgründe sich nicht ausdrücklich mit § 448 ZPO befassen. Soweit die Revision eine Verletzung der Vorschrift rügt, muß sie bestimmte Tatsachen darlegen, aus denen sich eine pflichtwidrige Unterlassung der Ermessensprüfung oder eine fehlsame Anwendung des Ermessens ergibt (LM Nr. 2 zu § 448 ZPO). Das ist hier nicht geschehen. Die Ausführungen der Revision, es habe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Darstellung des Klägers bestanden, die die Anwendung des § 448 ZPO rechtfertige, reichen zur Begründung eines Verfahrensfehlers nicht aus.

Es ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Ursachenzusammenhang zwischen der hier behandelten Amtspflichtverletzung des Notars und dem eingetretenen Schaden als nicht erwiesen angesehen hat.

III.

Die Revision kann auch keinen Erfolg haben, soweit der Kläger nach dem ersten Revisionsurteil und nach der Beweisaufnahme hilfsweise die Klage auf weitere angebliche Pflichtverletzungen des beklagten Notars gestützt hat.

1.) Der Notar habe – so meint der Kläger – seine Amtspflicht auch dadurch verletzt, daß er den Abschnitt II des Kaufvertrages vom 12. Februar 1952 unklar gefaßt und den Willen der Vertragsteile, daß die Schwestern B… die rückständigen Zinsen aller übernommenen Verbindlichkeiten für die Zeit vom 1. bis 31. Januar 1952 tragen sollten und der nicht belegte Teil des Kaufpreises von 1 000 DM zur Erfassung dieser Zinsverpflichtung neben der Umstellungsgrundschuld habe dienen sollen, nicht richtig zum Ausdruck gebracht habe. Die unklare Fassung des Vertrages sei ursächlich dafür, daß es überhaupt zum Streit um die Zinsverpflichtungen gekommen sei.

Das Berufungsgericht hat insoweit unerörtert gelassen, ob der Beklagte pflichtwidrig gehandelt habe. Jedenfalls könne sein Verschulden nicht festgestellt werden, denn der Beklagten habe unwiderlegbar behauptet, daß er die Fassung nach den Angaben beider Vertragsteile gewählt habe und auch der Kläger damit einverstanden gewesen sei. Da der Kaufpreis im Vertrage auf den Pfennig genau mit 93 115,68 DM belegt worden sei, habe für den beklagten Notar keine Veranlassung bestanden, bei der Amtshandlung aufklärend tätig zu werden.

Die Revision greift dieses Ergebnis ohne Erfolg an. Es ist allerdings richtig, daß sich aus der auf den Pfennig genauen Angabe des Kaufpreises für den vorliegenden Fall keine hinreichenden Schlüsse ziehen lassen, weil sich die Pfennig-Angabe – worauf die Revision zutreffend hinweist – aus der Restkaufgeldforderung der Vorverkäuferin, der Witwe G…, von 17 155,68 DM ergab. Andererseits ist dem Berufungsgericht im Ergebnis zuzustimmen, daß hinsichtlich der angeblich unklaren Fassung der Vertragsurkunde wenn nicht eine Pflichtwidrigkeit, so jedenfalls ein Verschulden des Beklagten entfällt. Bei der Beurkundung eines Vertrages hat der Notar den wirklichen Willen der Beteiligten in klarer, gültiger Fassung und Form urkundlich festzulegen, der Urkunde den Inhalt zu geben, der dem Willen der Beteiligten und dem Zweck der Urkundserrichtung entspricht. Dabei darf er sich nicht immer und ohne weiteres mit den Erklärungen der Beteiligten begnügen, er muß vielmehr ihren wirklichen Willen erforschen und danach die Beurkundung vornehmen (BGB RKRK 11. Aufl. Vorbem. vor § 611 Anm. 72 mit weiteren Nachweisen; Pagendarm DRiZ 1959, 133); wo rechtliche Zweifel oder Unklarheiten bestehen, hat der Notar die Beteiligten zu belehren, er darf aber die tatsächlichen Angaben, die sie ihm machen, ohne eigene Sachprüfung als richtig zugrundelegen (LM § 839 [Ff] BGB Nr. 7; vgl. Daimer, die Prüfungs- und Belehrungspflicht des Notars, 2. Aufl. S. 148).

Es ist – selbst wenn der Vortrag des Klägers als richtig unterstellt wird – nicht ersichtlich, daß der Beklagte diesen Pflichten schuldhaft zuwider gehandelt hätte. Bei der Beurkundung des Vertrages vom 12. Februar 1952 waren (nach der Darstellung des Klägers) zwei Posten in ihrer Höhe noch nicht abschließend klar, nämlich die Höhe der rückständigen Zinsen und die Höhe der von den Schwestern B… zu übernehmenden Umstellungsgrundschuld. Daß diese Ungewißheit erörtert wurde, ergibt der Brief des Beklagten vom 30. August 1952, den der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 20. März 1959 eingereicht und dessen Inhalt er ausweislich des Tatbestandes des Berufungsurteils vorgetragen hat. Wenn – wie der Kläger hiernach selbst vorgetragen hat – das Ergebnis der Verhandlungen mit der Sparkasse, die mögliche Höhe der Zinsen und der Umstellungsgrundschuld von dem Notar mit den Vertragsbeteiligten erörtert und alsdann zu dem ursprünglich mit 92 155,68 DM errechneten Betrag noch 1 000 DM zugeschlagen wurden, um die beiden ungewissen Posten jedenfalls aufzufangen, so beruhte dies gerade auf der Erörterung des Beklagten mit den Vertragsparteien, und es ist nicht zu ersehen, daß der Beklagte hinsichtlich der Fassung fehlerhaft gehandelt habe oder einen Fehler habe erkennen können, wenn er die Vertragsbestimmung so formulierte, wie die Beteiligten es wünschten und guthießen.

2.) Zu Unrecht sieht der Kläger weiter eine Verletzung von Amtspflichten darin, daß der beklagte Notar das Schreiben des Rechtsanwalts und Notars U… vom 17. Juli 1952, der an den Vertreter der Schwestern B… den Beklagten um Aufklärung über die Auslegung des Abschnitts II des Vertrages gebeten hatte, trotz der Erinnerung vom 9. August 1952 erst am 30. August 1952 beantwortet habe. Hätte der Beklagte – so meint der Kläger – die Anfrage unverzüglich beantwortet, wie es seine Pflicht gewesen sei, so hätten die Vertragsbeteiligten sich schnell über den Streitpunkt geeinigt.

Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob der Beklagte insoweit eine Amtspflicht verletzt habe; denn die Einlassung des Beklagten, daß eine Einigung nach dem 17. Juli 1952 nicht mehr erzielbar gewesen sei, weil die Geschwister B… die sofortige Umschreibung des Grundbuchs verlangt und damit weitere Verhandlungen abgelehnt hätten, könne nicht widerlegt werden. Es bleibe daher offen, ob das Verhalten des Beklagten ursächlich für den entstandenen Schaden gewesen sei.

Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Beweislast verkannt, bedarf keiner Erörterung, weil das Vorbringen des Klägers (als richtig unterstellt) nicht ergibt, daß der Notar eine Amtspflicht verletzt hat, die ihm dem Kläger gegenüber oblag. Allerdings kann sich bei Unklarheiten des Vertrages für den Notar die Pflicht ergeben, die Vertragsparteien nachträglich aufzuklären. Die Verletzung einer solchen Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger steht jedoch nicht in Rede, denn der Kläger hat den beklagten Notar nicht um eine Aufklärung gebeten, er hat vielmehr die Bitte des Beklagten, ihn zu einer Besprechung der Angelegenheit aufzusuchen, ausdrücklich abgelehnt. Hier hatte Rechtsanwalt U… der die Schwestern B… gegenüber dem Kläger vertrat, den beklagten Notar um eine Erläuterung des Abschnitts II des Vertrages gebeten. Eine Amtspflicht, diese von der anderen Seite erbetene Auskunft innerhalb einer bestimmten Frist oder – wie der Kläger meint – unverzüglich zu geben, bestand jedenfalls dem Kläger gegenüber nicht. Daß der Beklagte durch den Inhalt seiner Auskunft Pflichten verletzt hätte, die ihm dem Kläger gegenüber oblagen, behauptet dieser selbst nicht.

IV.

Hiernach muß die Revision zurückgewiesen werden. Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels treffen gemäß § 97 ZPO den Kläger.

 

Unterschriften

Dr. Weber, Dr. Kreft, Dr. Arndt, Gähtgens

Dr. Beyer ist beurlaubt und verhindert, seine Unterschrift beizufügen.

Dr. Weber

 

Fundstellen

Haufe-Index 1415005

DNotZ 1961, 162

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