Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 17. Oktober 2000 aufgehoben; jedoch werden die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
I. Nach den Feststellungen hatte der verheiratete Angeklagte mit der ebenfalls verheirateten Geschädigten seit etwa zwölf Jahren ein sexuelles Verhältnis. Ende Januar 2000 beendete der Angeklagte die Beziehung, die Geschädigte akzeptierte dies. Gleichwohl suchte er sie am Morgen des 10. Februar 2000, ausgerüstet mit Bettlaken, Fesselungsmaterial, Schlagstock, Fotoapparat und weiteren Utensilien überraschend auf, drang durch einen unversperrten Hintereingang in ihr Haus ein, warf ihr sogleich das Bettlaken über den Kopf, um nicht erkannt zu werden, und fesselte sie. Obgleich ihm bewußt war, daß die Geschädigte damit nicht einverstanden war, führte er mitgebrachte Gegenstände, nämlich einen Schlagstock, Mineralwasserflaschen und eine Banane anal und vaginal bei ihr ein, wobei er ihr heftige Schmerzen bereitete. Mit einem vorgefundenen Naßrasierer entfernte er ihre Schamhaare und vollzog mit ihr schließlich den Geschlechtsverkehr anal und vaginal bis zum Samenerguß. Während der Handlungen stellte er Fotoaufnahmen her. Infolge der Fesselung und der sexuellen Handlungen erlitt die Geschädigte verschiedene Verletzungen.
Die Strafkammer hat den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB bejaht, weil der Angeklagte bei der Tat Fesselungsmaterial zur Überwindung des Widerstands bei sich geführt hatte. Dagegen hat sie in dem mitgebrachten Schlagstock (Gummiknüppel der Bundeswehr) kein gefährliches Werkzeug i.S. des § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB gesehen, weil dieser so konstruiert sei, daß er keine erheblichen Verletzungen verursachen könne. Einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 5 StGB hat sie abgelehnt und die Mindeststrafe des sich aus § 177 Abs. 3 StGB ergebenden Strafrahmens in Höhe von drei Jahren Freiheitsstrafe verhängt. Dabei ist sie davon ausgegangen, daß dieser sich aus Abs. 3 ergebende Strafrahmen den sich sonst durch das Vorliegen eines Regelbeispiels nach Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ergebenden höheren Unrechtsgehalt „konsumiere”, so daß es gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen würde, die Erfüllung eines Regelbeispiels nach Abs. 2 Satz 2 bei der Findung der konkreten Strafe innerhalb des Strafrahmens erneut heranzuziehen.
II. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft ist nicht wirksam auf den Strafausspruch beschränkt, weil die erstrebte Überprüfung, ob der Tatrichter den Schuldumfang umfassend geprüft und berücksichtigt hat, mit der den Schuldspruch betreffenden Frage, ob die Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB erfüllt ist, untrennbar verknüpft ist.
1. Der Ausgangspunkt des Landgerichts, der Strafrahmen des § 177 Abs. 3 StGB „konsumiere” den in der Erfüllung eines Regelbeispiels nach § 177 Abs. 2 Satz 2 StGB liegenden erhöhten Unrechtsgehalt, ist rechtlich unzutreffend. Diese Auffassung übersieht, daß bereits eine unter den Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB fallende sexuelle Nötigung den Strafrahmen des Abs. 3 mit einer Mindeststrafe von drei Jahren zur Folge hat, wenn eines der dort genannten qualifizierenden Merkmale hinzutritt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 177 Rdn. 28). Kommen zur Erfüllung des Grundtatbestandes des Abs. 1 und der Qualifikation des Abs. 3 Umstände hinzu, die die Voraussetzungen eines Regelbeispiels des Abs. 2 Satz 2 erfüllen, so liegt darin zusätzliches Unrecht, das im Rahmen des sich aus Abs. 3 ergebenden Strafrahmens von Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu berücksichtigen ist. Dadurch, daß die Strafkammer rechtsfehlerhaft glaubte, dieses zusätzliche Unrecht aus Rechtsgründen nicht berücksichtigen zu dürfen, ist sie von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen. Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, zumal hier ein Regelbeispiel nach Abs. 2 Satz 2 mehrfach und auf sehr massive Weise verwirklicht worden war (BGH NStZ 1999, 186).
2. Die Strafkammer hat den Umstand, daß der Angeklagte bei der Tat einen Schlagstock (Gummiknüppel) nicht nur bei sich führte, sondern auch zur Vornahme der sexuellen Handlungen eingesetzt hatte, in mehrfacher Hinsicht rechtlich unzutreffend erfaßt.
a) Zum einen stellt ein Schlagstock, der auch bei bestimmungsgemäßer Anwendung vielfach zu nicht unerheblichen Verletzungen, zumeist Platzwunden, führt und deshalb durchaus als gefährliches Werkzeug angesehen werden müßte, eine Waffe dar, weshalb bereits unter diesem Gesichtspunkt die Voraussetzungen des § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB erfüllt sind. Der Begriff der Waffe ist bei § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB in gleicher Weise zu beurteilen wie bei § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 177 Rdn. 29). Ein Gummiknüppel ist jedoch eine Hiebwaffe nach § 1 Abs. 7 WaffG und damit eine Waffe im technischen Sinne (Steindorf, Waffenrecht 7. Aufl. § 1 WaffG Rdn. 38).
Darauf, daß der Angeklagte nach den Feststellungen mit dem Schlagstock nicht den Widerstand des Opfers brechen, sondern ihn nur zu sexuellen Handlungen einsetzen wollte, kommt es für das Tatbestandsmerkmal des Beisichführens einer Waffe nicht an.
b) Zum anderen stellt der Einsatz dieses Schlagstocks zur Vornahme sexueller Handlungen ein Verwenden der Waffe dar und erfüllt damit die Voraussetzung der schwereren Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 12. Dezember 2000 (StV 2001, 160; zum Abdruck in BGHSt bestimmt) hierzu ausgeführt, daß der Erfüllung dieser Qualifikation nicht entgegenstehe, daß der Angeklagte die Waffe oder das gefährliche Werkzeug ausschließlich bei der sexuellen Handlung, nicht aber als Nötigungsmittel einsetzt, denn der Wortlaut der Vorschrift knüpfe mit der Formulierung „bei der Tat” an beide Bestandteile des zweiaktigen Grunddelikts an. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Diese Auffassung steht auch in Einklang mit der weiten Auslegung des Begriffs „Verwenden” in der Rechtsprechung zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, der nicht die Herbeiführung einer konkreten Leibes- oder Lebensgefahr durch den Einsatz der Waffe oder des gefährlichen Werkzeugs voraussetzt (BGHSt 45, 92, 94, 96). Dem Fehlen einer solchen Gefahr bei dem konkreten Einsatz wird der Tatrichter gegebenenfalls im Rahmen der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall in Betracht kommt, Rechnung tragen können (BGHSt 45, 92, 97).
Dieser Rechtsfehler, der die fehlerhafte Anwendung einer den Schuldspruch berührenden Rechtsnorm betrifft (vgl. BGH, Urt. vom 28. Februar 2001 – 3 StR 400/00), bedingt die Aufhebung auch des Schuldspruchs. Jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten werden.
3. Im übrigen sind folgende, der Verhängung der Mindeststrafe zugrundeliegende Bewertungen nicht frei von rechtlichen Bedenken:
Soweit die Strafkammer einen „entscheidenden” Grund für eine mildere Beurteilung des Tatgeschehens darin sieht, daß angesichts der langjährigen sexuellen Beziehung und der grundsätzlichen Bereitschaft der Geschädigten zu sexuellen Handlungen („Tu mir doch nichts! Du kannst doch alles haben!”) das Schwergewicht der Tat nicht in der Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts des Tatopfers, sondern in der Nötigung und der Körperverletzung liege (UA S. 17), übersieht sie, daß hier Sexualpraktiken erzwungen worden waren, zu denen das Opfer auch früher nicht bereit gewesen war. Darin liegt eine schwerwiegende Beeinträchtigung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts.
4. Der neu erkennende Tatrichter wird Gelegenheit haben, im Rahmen der Strafzumessung auch die Auswirkungen auf die berufliche Stellung des Angeklagten als Berufssoldat zu berücksichtigen (vgl. § 48 Satz 1 Nr. 2 Soldatengesetz; BGHSt 32, 79). Er wird bei der Berücksichtigung der von dem Opfer empfundenen Angst zu erwägen haben, daß die bisherige Bewertung, es habe angesichts der bisherigen Gewaltlosigkeit des Angeklagten auch subjektiv ernsthafte Verletzungen nicht zu befürchten gehabt, schwer damit zu vereinbaren ist, daß sich das Verhalten des Angeklagten bei der Tat als völlig unerwartet und persönlichkeitsfremd dargestellt hat. Die Lebenserfahrung und auch die gerichtliche Praxis zeigen, daß in Trennungssituationen auch bisher unauffällige Menschen zu schwerwiegenden Aggressionen in der Lage sind. Gegebenenfalls wird dazu auch das Tatopfer zu hören sein.
Ferner wird der neue Tatrichter auch zu prüfen haben, ob durch die nach den Feststellungen sehr schmerzhaften, zu feststellbaren Verletzungen führenden körperlichen Mißhandlungen, die über die bloße Ausübung sexueller Handlung hinausgegangen sind, der Tatbestand der Körperverletzung verwirklicht worden ist (vgl. BGH NJW 1963, 1683; BGH bei Miebach NStZ 1995, 224).
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, Pfister, RiBGH Becker ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Rissing-van Saan
Fundstellen
Haufe-Index 604639 |
StV 2002, 80 |