Leitsatz (amtlich)
a) §§ 2313 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 BGB sind analog anwendbar, wenn der Erbe aufgrund des Vermögensgesetzes ein vor dem Erbfall in der ehemaligen DDR enteignetes Grundstück des Erblassers entweder zurückerhält oder für das Grundstück eine Entschädigung bekommt.
b)
- Für die Berechnung des Pflichtteils ist bei Rückerstattung des Grundstücks dessen Wert in Geld im Zeitpunkt der Wiedererlangung des Eigentums zu schätzen. Dieser Betrag ist unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Geldwert im Zeitpunkt des Erbfalls umzurechnen.
- Erhält der Erbe statt dessen für die Grundstücke Entschädigungsleistungen in Geld, kann der Pflichtteil von dem ausgezahlten Betrag berechnet werden, wenn der Kaufkraftschwund seit dem Erbfall schon bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt worden sein sollte. Andernfalls muß auch die Entschädigungsleistung auf den Betrag umgerechnet werden, der sich bei einer Auszahlung der Entschädigung schon im Zeitpunkt des Erbfalls in Anbetracht des Kaufkraftschwundes ergeben hätte. Nur davon ist der Pflichtteil zu berechnen.
Das im Zeitpunkt des Erbfalls geltende Erbrecht der DDR ist auf den erst durch das Vermögensgesetz ausgelösten Pflichtteilsanspruch nicht anzuwenden. Insoweit handelt es sich nicht um einen vor dem Wirksamwerden des Beitritts abgeschlossenen Vorgang. Vielmehr gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland.
Die Verjährung des durch das Vermögensgesetz begründeten Pflichtteilsanspruchs beginnt abweichend von § 2332 Abs. 1 BGB erst mit dem Inkrafttreten des Vermögensgesetzes.
Normenkette
BGB § 2313 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 3; EGBGB 1986 Art. 236 § 1; BGB § 2332 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.06.1992) |
LG Gießen (Urteil vom 02.10.1991) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden – unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel – das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juni 1992 teilweise aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 2. Oktober 1991 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 3/16 des unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Zeitpunkt des Erbfalls zu bewertenden Vermögenszuwachses zu erstatten, der ihm dadurch zufließt, daß er als Alleinerbe des am 19. Januar 1970 verstorbenen Alfred B. sen. entweder Eigentümer der in R./Thüringen gelegenen Grundstücke M.weg … (Fabrikgelände), W.straße … (Wohnhaus), J. Straße/K. (Hausgrundstück) wird oder seitens der zuständigen Behörden für vorbezeichnete Grundstücke entsprechende Entschädigungsleistungen erhält. Erhält er statt dessen für die genannten Grundstücke Entschädigungsleistungen in Geld, hat er der Klägerin, sofern der Kaufkraftschwund bei der Bemessung der Entschädigung bereits berücksichtigt ist, 3/16 des ausgezahlten Betrages, andernfalls 3/16 des Betrages zu erstatten, der sich unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes seit dem Erbfall ergibt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/4 und der Beklagte 3/4 zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien sind die beiden Kinder des am 19. Januar 1970 in der Bundesrepublik Deutschland verstorbenen Erblassers und seiner Ehefrau. Der Erblasser hatte neben seinem Vermögen in A./Hessen beträchtlichen Grundbesitz in R./Thüringen, nämlich eine chemische Fabrik, ein Zweifamilienhaus und ein Vierfamilienhaus. Den Grundbesitz in A. übertrug er noch zu Lebzeiten auf den Beklagten und setzte ihn in einem Erbvertrag zum Alleinerben ein. Nach seinem Tod verzichtete die überlebende Ehefrau mit Zustimmung der Klägerin auf ihren Pflichtteil sowie auf Zugewinnausgleichsansprüche. Zur Abgeltung der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche der Klägerin schloß sie am 12. November 1970 mit dem Beklagten einen schriftlichen Vergleich, in dem sich die Parteien auf einen der Pflichtteilsquote der Klägerin entsprechenden Betrag an dem übereinstimmend bewerteten Nachlaß des Erblassers in der Bundesrepublik Deutschland in Höhe von 150.000 DM einigten. Der Vergleich enthält folgende Klausel: „Damit sind alle Ansprüche der … (Klägerin) aus dem Nachlaß des … (Erblassers) abgegolten.”
Mit der im Mai 1991 eingegangenen und zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihr 3/16 des Vermögenszuwachses zu erstatten, der ihm dadurch zufließe, daß er als Alleinerbe entweder Eigentümer der in R./Thüringen gelegenen Grundstücke werde oder für diese Grundstücke Entschädigungsleistungen erhalte. Demgegenüber hat sich der Beklagte auf die Abgeltungsklausel im Vergleich berufen und die Einrede der Verjährung erhoben. Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Die zugelassene Revision des Beklagten richtet sich auf Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel bleibt im wesentlichen ohne Erfolg.
1. Das Berufungsgericht geht ohne weiteres von einem Anspruch der Klägerin aus § 2303 BGB auf einen ihrem Pflichtteil entsprechenden Anteil auch an den Werten aus, die dem Beklagten als Alleinerben infolge der deutschen Einigung aufgrund des in der ehemaligen DDR belegenen Vermögens des Erblassers zufließen. Dem hält die Revision entgegen, daß ein Pflichtteilsberechtigter nicht an Wertsteigerungen von Nachlaßgegenständen nach dem Erbfall teilnehme, sondern für die Berechnung seines Anspruchs gemäß § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB von dem Wert auszugehen sei, der sich bei einer Umsetzung des Nachlasses in Geld im Zeitpunkt des Erbfalls ergeben würde (Stichtagsgrundsatz, dazu zuletzt BGH, Urteil vom 14. Oktober 1992 – IV ZR 211/91 – BB 1992, 2463 f. = NJW-RR 1993, 131 f. unter I 2 a). Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt habe, sei das Vermögen des Erblassers in Thüringen im Jahre 1970 wirtschaftlich ohne Wert gewesen; das in der DDR belegene Vermögen sei aus Rechtsgründen allen entzogen worden, die dieses Gebiet verlassen hatten. Dieser Einwand der Revision greift nicht durch.
a) Vom Stichtagsgrundsatz des § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB weicht § 2313 BGB ab, wenn aufschiebend bedingte, rechtlich oder tatsächlich zweifelhafte oder unsichere Rechte zum Nachlaß gehören, die einen wirtschaftlichen Wert erst nach Eintritt der Bedingung oder Wegfall der Zweifel und Ungewißheiten erlangen; in diesen Fällen hat gemäß § 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB nachträglich eine der veränderten Rechtslage entsprechende Ausgleichung zu erfolgen (vgl. BGHZ 87, 367, 372). Die Vorinstanzen haben nicht aufgeklärt, ob die Rechte des Erblassers an den Vermögensgegenständen in Thüringen im Zeitpunkt des Erbfalls noch bestanden haben und nur zweifelhaft und unsicher waren oder ob der Erblasser sie bereits endgültig verloren hatte. Wenn das erste der Fall war, ist § 2313 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 BGB unmittelbar anzuwenden. War das letztere der Fall, wovon im Revisionsverfahren auszugehen ist, ist § 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB entsprechend anwendbar.
Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, daß dem Beklagten Ansprüche nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (im folgenden: VermG) zustehen. Das VermG verwirklicht – in einem ersten Schritt – die Grundsätze der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (Art. 41 EinigV und Anl. III EinigV). Soweit das Eigentum von Deutschen mit Wohnsitz außerhalb der DDR generell diskriminierenden Regelungen unterworfen war, werden die entzogenen Vermögenswerte grundsätzlich auf Antrag den ehemaligen Eigentümern zurückgegeben bzw. zurückübertragen; wo eine Rückgabe etwa wegen redlichen Erwerbs oder aus anderen Gründen nicht in Betracht kommt oder vom Berechtigten nicht gewünscht wird, hat der Alteigentümer einen Anspruch auf Entschädigung (amtliche Erläuterung, Bundestagsdrucksache 11/7831, Abschn. I). § 2 Abs. 1 VermG bestimmt als Berechtigte im Sinne des Gesetzes natürliche und juristische Personen, deren Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 betroffen sind, sowie ihre Rechtsnachfolger. Diese Legaldefinition des Berechtigten beschränkt sich nach der Systematik des Gesetzes auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Antrag gemäß §§ 30 ff. VermG (amtliche Erläuterung zu § 2, a.a.O. S. 4). Daß Pflichtteilsberechtigte von den Vorteilen ausgeschlossen sein sollten, die das VermG dem Rechtsnachfolger zukommen läßt, ist nicht ersichtlich. Vielmehr treten die Ansprüche, die das VermG eröffnet, mögen sie auch erst in der Person des Erben neu entstehen, ihrem Sinn und Zweck nach an die Stelle verlorener Nachlaßwerte des Erblassers.
Mithin stimmt die Interessenlage so weitgehend mit den in § 2313 BGB geregelten Fällen überein, daß gegebenenfalls eine analoge Anwendung von § 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB auf die dem Erben aufgrund des VermG zufließenden Vorteile geboten ist (so Wasmuth, DNotZ 1992, 3, 16, 17; im Ergebnis zustimmend Soergel/Dieckmann, BGB 12. Aufl. § 2311 Rdn. 48; a.A. Adlerstein/Desch, DtZ 1991, 193, 199). Der Bundesgerichtshof hat auch Lastenausgleichsansprüche, die sich auf Vertreibungs- und Zonenschäden vor dem Erbfall stützten, aber erst in der Person der Erben entstanden waren, wie Ersatzvorteile (Surrogate) für Nachlaßgegenstände der Berechnung des Pflichtteils zugrunde gelegt (Urteil vom 19. April 1972 – IV ZR 128/70 – LM BGB § 2041 Nr. 3; Urteil vom 10. November 1976 – IV ZR 187/75 – FamRZ 1977, 128, 129 = WM 1977, 176). Die durch das Vermögensgesetz geschaffene Rechtslage ist mit der Regelung des Lastenausgleichs teilweise vergleichbar; hier wie dort gilt jedenfalls, daß nicht einzusehen wäre, weshalb dem Erben ein Vorteil daraus erwachsen sollte, daß die Ausgleichsleistungen nicht schon in der Person des Erblassers, sondern erst in der Person des Erben begründet worden sind.
b) § 2313 BGB nimmt zwar die dort näher bezeichneten Rechte und Verbindlichkeiten von der grundsätzlich gemäß § 2311 BGB auf den Zeitpunkt des Erbfalles vorzunehmenden Feststellung des Nachlaßbestandes aus und schreibt eine Ausgleichung zu einem späteren Zeitpunkt vor, wenn die Ungewißheiten über den Bestand dieser Rechte und Verbindlichkeiten behoben sind (vgl. J. P. Meincke, Das Recht der Nachlaßbewertung im BGB, 1973, S. 228). Damit ist freilich nicht gesagt, daß auch für die Bewertung ein anderer als der in § 2311 BGB vorgesehene Stichtag des Erbfalls, etwa der des Wegfalles der Ungewißheiten, maßgebend sei. Vielmehr hat gemäß § 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB eine der veränderten Rechtslage entsprechende Ausgleichung zu erfolgen. Insoweit bleibt der Grundsatz des § 2311 BGB von Bedeutung. Werterhöhungen oder -minderungen des betreffenden Nachlaßgegenstandes in der Zeit nach dem Erbfall haben für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs außer Betracht zu bleiben. Der Pflichtteilsberechtigte ist so zu stellen, wie wenn das ungewisse oder zweifelhafte Recht schon im Zeitpunkt des Erbfalls verläßlich bestanden hätte.
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht zwar festgestellt, daß das in der ehemaligen DDR belegene Grundvermögen des Erblassers bei seinem Tod am 19. Januar 1970 wirtschaftlich keinen Wert hatte. Der Grund für diese Feststellung waren aber die damals gültigen Regelungen der DDR, die durch das VermG in gewissem Umfang kompensiert werden. Soweit der Beklagte danach Grundstücke zurückerhält, läßt sich deren Geldwert im Zeitpunkt der Erlangung des Eigentums schätzen. Dieser Betrag ist unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes (BGHZ 65, 75, 77 f.; 85, 274, 282) auf den Geldwert im Zeitpunkt des Erbfalles umzurechnen. Erhält der Beklagte statt dessen für die Grundstücke Entschädigungsleistungen in Geld, kann der Pflichtteil von dem ausgezahlten Betrag berechnet werden, wenn der Kaufkraftschwund seit dem Erbfall schon bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt worden sein sollte. Andernfalls muß auch die Entschädigungsleistung auf den Betrag umgerechnet werden, der sich bei einer Auszahlung der Entschädigung schon im Zeitpunkt des Erbfalls in Anbetracht des Kaufkraftschwundes ergeben hätte. Nur davon steht der Klägerin der Pflichtteil zu. Im Ergebnis wirkt sich mithin die Dauer der Ungewißheit, ob die Grundstücke wiederzuerlangen sein würden, zum Nachteil der Pflichtteilsberechtigten aus. Insoweit hat die Revision Erfolg.
c) Die Klägerin macht eine Pflichtteilsquote von 3/16 geltend (§§ 1371 Abs. 2 Halbsatz 2, 1924 Abs. 1 und 4, 1931 Abs. 1 Satz 1, 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Auf das im Zeitpunkt des Erbfalls geltende Erbrecht der DDR, wonach die Mutter der Parteien wie ein Erbe erster Ordnung zu berücksichtigen und der Pflichtteil der Klägerin entsprechend geringer gewesen wäre (§ 10 Abs. 1 des am 1. April 1966 in Kraft getretenen Einführungsgesetzes zum Familiengesetzbuch vom 20. Dezember 1965), kommt es nicht an. Der Auffassung, auch im Hinblick auf die erst mit der deutschen Einigung entstandenen Ansprüche auf Rückübertragung oder Entschädigung sei zu prüfen, ob sich die Pflichtteilsberechtigung und -quote nach dem Recht der DDR zu richten habe, wenn dessen Vorschriften etwa aus Gründen einer Nachlaßspaltung für die Beerbung des restituierten oder entschädigten Erblassergrundstücks selbst gelten würden (so Soergel/Dieckmann, a.a.O.), ist jedenfalls hier nicht zu folgen. In jedem Fall würde das frühere Kollisionsrecht der DDR nach der in Anl. I Kap. III Sachgeb. B Abschn. II Nr. 1 EinigV angefügten Übergangsvorschrift des Art. 236 § 1 EGBGB nur anwendbar sein, wenn es sich um einen vor dem Wirksamwerden des Beitritts abgeschlossenen Vorgang handelte. Das trifft jedoch auf die hier in Rede stehenden, erst durch das VermG ausgelösten Pflichtteilsansprüche nicht zu. Für sie gilt mithin das Recht der BRD, deren Staatsangehöriger der Erblasser bei seinem Tode war.
2. Das Berufungsgericht stellt fest, die Parteien hätten bei Abschluß des Vergleichs vom 12. November 1970 zwar die Grundstücke in Thüringen gekannt, ihre Wiedererlangung aber nicht für realistisch gehalten und sie daher nicht in den Vergleich einbezogen. Bei dieser Sachlage widerspreche die Berufung des Beklagten auf die Abgeltungsklausel Treu und Glauben. Nach den Grundsätzen des Irrtums über die Geschäftsgrundlage sei der Beklagte vielmehr zur Erstattung der Vorteile verpflichtet, die er wegen der Grundstücke in Thüringen erlange.
Das nimmt die Revision hin. Auch der gemeinsame Rechtsirrtum oder der gemeinschaftliche Irrtum über den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage können zur Geschäftsgrundlage geworden sein, wenn sich der Geschäftswille der Parteien darauf aufgebaut hat (vgl. BGHZ 58, 355, 361 f.). Hier kommt indessen auch nach Meinung des Berufungsgerichts nicht eine Anpassung oder Aufhebung des Vergleichs vom 12. November 1970 nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht, sondern lediglich die Beschränkung der Abgeltungsklausel auf die damals in den Vergleich einbezogenen Nachlaßgegenstände. Nur Ungewißheiten über deren Bewertung sollten durch den Vergleich erledigt werden. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen eine auf diesen Sinngehalt begrenzte Auslegung der Klausel (§§ 133, 157 BGB). Sie steht der Klage mithin nicht entgegen.
3. Nach Auffassung des Berufungsgerichts beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 2332 Abs. 1 BGB in Fällen wie dem vorliegenden nicht schon, wenn der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall und der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt, sondern erst mit der Entstehung der Ansprüche, die hier zu einem nachträglichen Vermögenszuwachs des Erben führen können. Demgegenüber meint die Revision, die Klägerin sei zu keiner Zeit gehindert gewesen, ihren Anspruch aus § 2303 BGB gegen den Beklagten geltend zu machen. Dem ist nicht zu folgen.
Dabei kann offenbleiben, ob die Verjährung des Anspruchs aus § 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB wie die eines aufschiebend bedingten Anspruchs überhaupt erst mit Bedingungseintritt beginnt (dafür Soergel/Dieckmann, a.a.O. § 2313 Rdn. 4). Jedenfalls wenn wie hier dem Nachlaß zuzurechnende Vermögenswerte erst durch eine gesetzliche Neuregelung geschaffen werden und der Pflichtteilsberechtigte seinen Anteil daran vorher weder der Höhe nach errechnen noch auch nur dem Grunde nach gerichtlich feststellen lassen konnte, beginnt die Verjährung abweichend von § 2332 Abs. 1 BGB nicht vor der Entstehung dieser neuen Ansprüche. Das hat der Bundesgerichtshof bereits für die Lastenausgleichsansprüche entschieden (Urteil vom 10. November 1976 – IV ZR 187/75 – FamRZ 1977, 128, 129), worauf das Berufungsgericht mit Recht hingewiesen hat. Danach ist die Verjährung hier rechtzeitig durch Klageerhebung unterbrochen worden.
Unterschriften
Bundschuh, Dr. Zopfs, Dr. Paulusch, Römer, Dr. Schlichting
Fundstellen
Haufe-Index 1812908 |
BGHZ |
BGHZ, 76 |
NJW 1993, 2176 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1994, 372 |