Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Zur Bewertung von Vermögenswerten mit dem Wert im Zeitpunkt des Erbfalles bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen.
Normenkette
BGB § 2313
Verfahrensgang
LG Fulda (Urteil vom 29.09.1994; Aktenzeichen 2 O 396/93) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 29. September 1994 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein Sechzehntel des unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Geldwert am 3. November 1980 umzurechnenden Vermögens Zuwachses zu erstatten, der ihr dadurch zufließt, daß sie als Alleinerbin entweder Eigentümerin der in … gelegenen Grundstücke … wird oder für diese Grundstücke Entschädigungsleistungen erhält.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszugs haben der Kläger 72 %, die Beklagte 28 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer des Klägers wird auf 8.500 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist eins von drei Kindern aus der ersten Ehe des am 03.11.1980 in … verstorbenen … (nachfolgend als „Erblasser” bezeichnet). Der Erblasser war in zweiter Ehe mit der Beklagten verheiratet. Aus dieser Ehe ist eine weitere Tochter hervorgegangen.
Durch notariell beurkundetes Testament vom 24.09.1980 setzte der Erblasser die Beklagte zu seiner Alleinerbin ein und bestimmte die aus der zweiten Ehe stammende Tochter zur Nacherbin.
Der Erblasser war früher Eigentümer der im Urteilsspruch genannten Grundstücke in …, die in den 70er Jahren enteignet wurden. Nach der Wiedervereinigung meldete die Beklagte wegen dieser Enteignungen Ansprüche nach dem Vermögensgesetz an, und zwar in erster Linie Ansprüche auf Rückübertragung des Eigentums, in zweiter Linie auf Entschädigung.
Der Kläger machte seinen Pflichtteilsanspruch gegen die Beklagte geltend. Im Laufe des Schriftwechsels der Parteien übersandte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 05.02.1993 (Bl. 7–10 d.A.) eine Aufstellung über den Nachlaß, die sie mit Schreiben vom 25.03.1993 (Bl. 27) und 02.04.1993 (Bl. 25/26) ergänzte. Sie errechnete den Pflichtteil des Klägers mit 10.669,43 DM und zahlte diesen Betrag an den Kläger.
Der Kläger hat diese Auskunft für unvollständig und unrichtig gehalten. Er hat deshalb im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über den Bestand des Nachlasses und sodann die Verurteilung der Beklagten begehrt, die Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihr erteilten Auskunft an Eides Statt zu versichern. Zur Begründung hat er ausgeführt, die vorprozessualen Auskünfte der Beklagten enthielten keine Angaben über Anzahl, Inhalt und Stand der von der Beklagten betriebenen Verfahren wegen Rückgabe oder Entschädigung von … gelegenen enteigneten Grundstücken des Erblassers. Außerdem fehlten Angaben über dessen Kontoverbindungen und Guthaben. Statt der von der Beklagten angesetzten Kontobeträge von 3.000 DM habe ein Konto des Erblassers am 29.10.1980 ein Guthaben von 19.614,90 DM auf gewiesen.
Im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 16.12.1993 haben die Parteien die Auskunftsklage übereinstimmend für erledigt erklärt, und die Beklagte hat den Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung anerkannt. Das Landgericht hat sie deshalb durch Teil-Anerkenntnisurteil vom selben Tage verurteilt, die Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihr erteilten Auskünfte an Eides Statt zu versichern.
Der Kläger hat weiter beantragt,
1) festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm ein Achtel des Vermögens Zuwachses zu erstatten, der ihr dadurch zufließe, daß sie als Alleinerbin entweder Eigentümer der in Leipzig gelegenen Grundstücke … werde oder für diese Grundstücke Entschädigungsleistung erhalte,
2) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.038,43 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 30.09.1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und die Auffassung vertreten, dem Kläger stünden keine Pflichtteilsrechte hinsichtlich des früheren Grundvermögens des Erblassers zu. Sie hat behauptet, der Betrag von 19.614,90 DM, der sich am 29.10.1980 auf einem Konto des Erblassers befunden habe, sei beim Tode des Erblassers bereits verbraucht gewesen.
Durch Urteil vom 29.09.1994, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein Sechzehntel des Vermögens Zuwachses zu erstatten, der ihr dadurch zufließe, daß sie als Alleinerbin entweder Eigentümerin der oben genannten Grundstücke werde oder für diese Grundstücke Entschädigungsleistungen erhalte. Es hat die weitergehende Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, das ihr am 02.11.1994 zugestellt worden ist, am 29.11.1994 Berufung eingelegt, die sie am 29.12.1994 begründet hat.
Sie führt aus, bei d...