Leitsatz (amtlich)
Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, grundsätzlich einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (Bestätigung von BGH, Urt. v. 5.8.2014 - XI ZR 172/13, WM 2014, 1763 Rz. 11).
Normenkette
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3, § 242; ZPO § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 05.10.2012; Aktenzeichen 5 O 15/11) |
OLG Karlsruhe in Freiburg (Urteil vom 10.12.2014; Aktenzeichen 13 U 203/12) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 10.12.2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger begehrt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Aufklärung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung.
Rz. 2
Der Kläger erwarb im Jahr 1992 Wohnungseigentum in G. . Den Kaufpreis finanzierte er über Darlehen der Beklagten, die noch nicht vollständig zurückgeführt sind.
Rz. 3
Der Kläger, der (spätestens) im Jahr 2005 von den anspruchsbegründenden Umständen einer Haftung der Beklagten aus dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung Kenntnis hatte, hat am 30.12.2008 durch seinen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, mit dem er in der Hauptsache Zahlung i.H.v. 134.198,62 EUR verlangt hat. Dabei hat er als geldwerten Vermögensschaden ohne Anrechnung des Werts des Wohnungseigentums 75.000 EUR veranschlagt. Dem hat er die noch offene Darlehensforderung der Beklagten i.H.v. 59.198,62 EUR zugeschlagen.
Rz. 4
In dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids hat der Kläger erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung nicht abhänge. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten im Januar 2009 zugestellt worden. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe an das LG hat der Kläger seinen Anspruch unter dem 6.5.2010 begründet.
Rz. 5
In der Anspruchsbegründungsschrift hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 75.000 EUR und Freigabe bestellter Sicherheiten Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums zu verurteilen. Weiter hat er beantragt festzustellen, dass der Beklagten aus den Darlehensverträgen kein Anspruch gegen ihn zustehe und die Beklagte ihm zum Ersatz künftig noch entstehender Schäden verpflichtet sei. Seinen Zahlungsantrag hat er im Laufe des landgerichtlichen Verfahrens auf 104.936,97 EUR erhöht.
Rz. 6
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 9
Etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers seien verjährt. Die Verjährung habe spätestens am 31.12.2005 zu laufen begonnen. Sie sei durch Verhandlungen zwischen den Parteien nicht über den 31.12.2009 hinaus gehemmt worden. Die Beklagte habe nicht auf das Erheben der Einrede der Verjährung verzichtet.
Rz. 10
Auf die verjährungshemmende Wirkung der Zustellung des Mahnbescheids im Januar 2009 könne sich der Kläger nach Treu und Glauben nicht berufen, da er bewusst wahrheitswidrig im Antrag auf Erlass des Mahnbescheids angegeben habe, der geltend gemachte Anspruch hänge nicht von einer Gegenleistung ab, obwohl er nach dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung die erworbene Eigentumswohnung Zug um Zug gegen den von ihm verlangten "großen" Schadensersatz an die Beklagte herauszugeben und zu übereignen habe. Hätte der Kläger bei der Antragstellung erklärt, dass sein Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, hätte das Mahngericht keinen Mahnbescheid erlassen, sondern den Antrag zurückgewiesen. Der Kläger habe sich treuwidrig einen Vorteil verschafft, indem er das Mahngericht durch seine wahrheitswidrigen Angaben zur fehlenden Gegenleistung zum Erlass des Mahnbescheids veranlasst habe. Eine weitere Hemmung durch die Begründung des Anspruchs am 6.5.2010 sei nicht erfolgt.
II.
Rz. 11
Dagegen wendet sich die Revision des Klägers ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, die Beklagte könne ihrer Inanspruchnahme durch den Kläger erfolgreich die Einrede des § 214 Abs. 1 BGB entgegensetzen.
Rz. 12
1. Das Berufungsgericht ist, wovon auch im Revisionsverfahren auszugehen ist, zu dem Resultat gelangt, die Verjährung von Ansprüchen sei im äußersten Fall nicht über den 31.12.2009 hinaus durch Verhandlungen gehemmt worden, § 203 BGB.
Rz. 13
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, der Kläger könne sich gegenüber der Beklagten nicht auf eine Hemmung der Verjährung nach Maßgabe des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB berufen.
Rz. 14
a) Dabei kann offen bleiben, ob für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von mehr als 75.000 EUR, auf Freigabe bestellter Sicherheiten und auf Ersatz künftiger Schäden die Zustellung des Mahnbescheids eine Hemmung der Verjährung schon deshalb nicht bewirken konnte, weil sie nicht Gegenstand des Mahnverfahrens waren.
Rz. 15
b) Denn das Berufungsgericht ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen, der Kläger könne sich nach § 242 BGB nicht auf eine Hemmung der Verjährung berufen.
Rz. 16
aa) Richtig hat das Berufungsgericht dabei zum Ausgangspunkt genommen, die Zustellung des Mahnbescheids hemme trotz eines Verstoßes gegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (dazu sogleich unter bb 2) nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Verjährung (vgl. nur BGH, Urt. v. 21.12.2011 - VIII ZR 157/11, WM 2012, 560 Rz. 8; OLG Koblenz OLGReport Koblenz 2005, 349, 350; OLG München, Urt. v. 4.12.2007 - 5 U 3479/07, juris Rz. 84 f.; OLG Stuttgart ZIP 2014, 2447, 2449).
Rz. 17
bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht auf dieser Grundlage erkannt, der Kläger könne sich gem. § 242 BGB auf eine Hemmung der Verjährung nicht berufen, weil er das Mahnverfahren missbraucht habe.
Rz. 18
(1) Die Anwendung des § 242 BGB unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch den Senat. Die Frage, ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt, ist keine reine Tat-, sondern zugleich eine der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegende Rechtsfrage (BGH, Urt. v. 29.9.1960 - II ZR 25/59, BGHZ 33, 216, 219; v. 18.5.1966 - IV ZR 105/65, BGHZ 45, 258, 266; v. 14.12.1965 - V ZR 116/64, LM Nr. 22 zu § 242 [Ca] BGB).
Rz. 19
(2) Die Handhabung des § 242 BGB zu Lasten des den "großen" Schadensersatz beanspruchenden Klägers ist rechtsfehlerfrei.
Rz. 20
(a) Nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO findet das Mahnverfahren nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängt. Das gilt auch dann, wenn sich der Antragsgegner hinsichtlich der Gegenleistung in Annahmeverzug befindet (OLG Hamm, BKR 2015, 125 Rz. 18; Lechner, NJW-aktuell 19/2014, S. 10; Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 688 Rz. 7a; a.A. Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 157).
Rz. 21
(b) Macht ein Geschädigter als Antragsteller "großen" Schadensersatz geltend, den er nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines von ihm durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils beanspruchen darf, ist die Geltendmachung des Anspruchs in diesem Sinne von einer Gegenleistung abhängig.
Rz. 22
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2012 - XI ZR 334/11, WM 2013, 24 Rz. 21; BGH, Urt. v. 15.1.2009 - III ZR 28/08, WM 2009, 540 Rz. 14; v. 18.12.1981 - V ZR 207/80, WM 1982, 428, 429). Solange Ersatzanspruch und Vorteil - wie hier bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz - nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten (st.Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 13.11.2012, a.a.O.; BGH, Urt. v. 12.5.1958 - II ZR 103/57, BGHZ 27, 241, 248 f. und vom 15.1.2009, a.a.O., m.w.N.). Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet.
Rz. 23
Darauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an (vgl. schon BGH, Urt. v. 12.5.1958 - II ZR 103/57, BGHZ 27, 241, 248 f.). Insbesondere bedarf es keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.1958, a.a.O.; v. 18.12.1981 - V ZR 207/80, WM 1982, 428, 429; v. 15.1.2009 - III ZR 28/08, WM 2009, 540 Rz. 14). Die Verknüpfung des Schadens mit dem Vorteil ist mithin unter diesem Aspekt stärker als in den Fällen, in denen sich der Schuldner auf §§ 320, 322, 348 BGB berufen muss, um eine Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen, und in denen ein Mahnverfahren ebenfalls nicht stattfindet (das übersieht Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 148 ff.).
Rz. 24
(c) Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (vgl. BGH, Urt. v. 5.8.2014 - XI ZR 172/13, WM 2014, 1763 Rz. 11; BGH, Urt. v. 6.7.1993 - VI ZR 306/92, BGHZ 123, 337, 345; v. 28.9.2004 - IX ZR 155/03, BGHZ 160, 259, 266; v. 21.12.2011 - VIII ZR 157/11, WM 2012, 560 Rz. 9 ff.; OLG Bamberg, BKR 2014, 334 Rz. 53 ff.; OLG Hamm, BKR 2015, 125 Rz. 14 ff.; OLG Stuttgart ZIP 2014, 2447, 2448 f.; Aurich, GWR 2014, 352; Geisler, jurisPR-BGHZivilR 20/2014 Anm. 2; Guski, EWiR 2014, 779, 780; Harnos, ZBB 2015, 176, 188; Klose, NJ 2012, 384, 385; Lechner, NJW-aktuell 19/2014, S. 10; Mahler, AG 2014, R 335 f.; Schüler in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 688 Rz. 12 a.E.; Sujecki, NJW 2014, 3436; a.A. Corzelius, EWiR 2014, 763, 764; Maier, VuR 2014, 358, 359; Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 149 ff.; Schultz, NJW 2014, 827, 828 f.). Denn der Antragsteller, dem der Gesetzgeber eine Erleichterung auf dem Weg zu einem vollstreckungsfähigen Titel nur gegen eine klare Festlegung zu den Voraussetzungen des Mahnverfahrens gewährt, überspielt damit zielgerichtet die Sicherungen, die das Mahnverfahren als Kompensation für die lediglich begrenzte Schlüssigkeitsprüfung (vgl. dazu BGH, Urt. v. 24.9.1987 - III ZR 187/86, BGHZ 101, 380, 382 ff.; BT-Drucks. 7/2729, 47 f., 97, 103) zugunsten des Antragsgegners vorsieht.
Rz. 25
Macht der Geschädigte seinen Anspruch auf Leistung "großen" Schadensersatzes im Klageverfahren geltend und ist der Schädiger säumig, kann der Geschädigte aufgrund des von Amts wegen zu berücksichtigenden Grundsatzes der Vorteilsausgleichung nach § 331 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO eine Verurteilung nur Zug um Zug erlangen. Die Schlüssigkeit seines Begehrens setzt im Klageverfahren die Schilderung des schädigenden Ereignisses, hier des darlehensfinanzierten Erwerbs von Wohnungseigentum aufgrund einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung der Bank als Schädigerin, voraus. Damit ist das Erlangen eines schadensersatzrechtlich beachtlichen Vorteils Teil des nach § 331 Abs. 2 Halbs. 1 ZPO zu berücksichtigenden Vortrags. Der Richter wird deshalb von Amts wegen, sollte der Klageantrag nicht schon auf eine Verurteilung Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils lauten, einen Zug-um-Zug-Vorbehalt aussprechen (Lechner, NJW-aktuell 19/2014, S. 10; a.A. offenbar Corzelius, EWiR 2014, 763, 764).
Rz. 26
Wählt der Geschädigte stattdessen das Mahnverfahren und gibt im Bewusstsein der die Vorteilsausgleichung beherrschenden Grundsätze eine nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO falsche Erklärung ab, erreicht er, weil im Mahnverfahren nur eine begrenzte Schlüssigkeitsprüfung stattfindet, ein vorbehaltloses Erkenntnis zu Lasten des Schädigers. Er nutzt damit - anders als ein Antragsteller, der etwa mangels juristischer Vorbildung die Vorteilsausgleichung in ihren Rechtsfolgen nicht einzuordnen weiß - die gegenüber dem Klageverfahren andere Verfahrensgestaltung des Mahnverfahrens mit der Aussicht, sich einen geldwerten Vorteil gegenüber der ansonsten von Amts wegen zu berücksichtigenden materiellen Rechtslage zu verschaffen.
Rz. 27
(d) Dass der Kläger, der sich das Verhalten seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 166 BGB, § 85 Abs. 2 ZPO), nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, hat das Berufungsgericht festgestellt. Dass diese Feststellung im Revisionsverfahren beachtliche Rechtsfehler aufwiese, zeigt die Revision nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger hat den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, auf dessen verjährungshemmende Zustellung er sich beruft, durch einen Rechtsanwalt stellen lassen, der durch seinen Zug-um-Zug-Vorbehalt in der Anspruchsbegründungsschrift deutlich zu erkennen gegeben hat, um die Unvereinbarkeit seiner Verfahrensweise mit §§ 688 Abs. 2 Nr. 2, 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu wissen. Im Übrigen wurden die aus der oben zitierten älteren höchstrichterlichen Rechtsprechung für § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu ziehenden Konsequenzen bereits im Jahr 2005 in der Literatur dargestellt (vgl. Wagner, ZfIR 2005, 856, 857). Damit ist die Behauptung widerlegt, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe bis zur Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 21.12.2011 (VIII ZR 157/11, WM 2012, 560 Rz. 9 ff.) von der Statthaftigkeit seiner Verfahrensweise ausgehen dürfen.
Rz. 28
c) Auch für den vom Kläger gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf Darlehensrückzahlung eingewandten Anspruch auf Vertragsaufhebung gem. §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB (BGH, Urt. v. 20.2.1967 - III ZR 134/65, BGHZ 47, 207, 214; v. 17.3.1994 - IX ZR 174/93, WM 1994, 1064, 1066) trifft das Ergebnis des Berufungsgerichts zu.
Rz. 29
aa) Das Berufungsgericht hat der Sache nach richtig unterstellt, dass das vom Kläger geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht aus §§ 242, 249 Abs. 1 BGB als unselbständige Einwendung mit dem Anspruch verjährt, aus dem sie abgeleitet wird (BGH, Urt. v. 28.4.2015 - XI ZR 378/13, Rz. 47 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).
Rz. 30
bb) Im Übrigen hat das Berufungsgericht dem Kläger auch insoweit zutreffend gem. § 242 BGB den Rekurs auf § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB verwehrt. Unabhängig davon, dass die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu einer Entlassung des Klägers aus seinen Vertragspflichten ebenfalls nur gegen eine Vorteilsausgleichung verpflichtet war, kommt hier hinzu, dass der Kläger im Mahnverfahren das Bestehen einer Geldforderung behauptet hat, die ihm schlechterdings nicht zustand. Wie er selbst in der Anspruchsbegründungsschrift eingeräumt hat, hat er, um überhaupt nach § 688 Abs. 1 ZPO vorgehen zu können, bewusst wahrheitswidrig einen eigenen Zahlungsanspruch in Höhe der noch offenen Darlehensrestforderung der Beklagten von 59.198,62 EUR behauptet, der ihm unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zukommen konnte.
Rz. 31
3. Überdies richtig hat das Berufungsgericht gesehen, dass die Zustellung der Anspruchsbegründungsschrift nicht geeignet war, eigenständig die Hemmung der Verjährung zu bewirken. Muss sich der Kläger so behandeln lassen, als sei die Verjährungsfrist durch die Zustellung des Mahnbescheids nicht gehemmt worden, sondern abgelaufen, konnte die Zustellung der Anspruchsbegründungsschrift nicht mehr zu seinen Gunsten hemmend wirken.
Rz. 32
4. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht dem Kläger auch nicht (wenigstens) den "kleinen" Schadensersatz zugesprochen.
Rz. 33
a) Allerdings ist die Frage, ob der Geschädigte "kleinen" oder "großen" Schadensersatz geltend macht, lediglich eine solche der Schadensberechnung. Wechselt der Geschädigte die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt keine Klageänderung vor (BGH, Urt. v. 5.8.2014 - XI ZR 172/13, WM 2014, 1763 Rz. 11; BGH, Urt. v. 9.10.1991 - VIII ZR 88/90, BGHZ 115, 286, 289 ff.; v. 9.5.1990 - VIII ZR 237/89, WM 1990, 1748, 1749 f.). Entsprechend hält sich das Gericht im Rahmen seiner Antragsbindung nach § 308 Abs. 1 ZPO, wenn es dem Geschädigten statt des "großen" den "kleinen" Schadensersatz zuerkennt (vgl. BGH, Urt. v. 9.5.1990, a.a.O.; v. 29.6.2006 - I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 Rz. 16). Soweit in der Literatur in Fällen wie dem vorliegenden die Anwendung des § 242 BGB mit dem Argument in Frage gestellt wird, der Geschädigte habe ja auch unter Anrechnung des Vorteils im Mahnverfahren lediglich die Differenz geltend machen können, was § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entgegenstehe (vgl. Maier, VuR 2014, 358, 359; Reinthaler, Die Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, 154 ff.; Schultz, NJW 2014, 827, 828 f.; Stackmann NJW 2013, 341, 344), liegt dem ersichtlich der daran anknüpfende Gedanke zugrunde, das Berufen auf die Hemmung der Verjährung sei wenigstens in dem auf den "kleinen" Schadensersatz reduzierten Umfang nicht treuwidrig.
Rz. 34
b) Macht indessen der Geschädigte im Mahnverfahren als Antragsteller in Kenntnis der Vorgaben der §§ 688 Abs. 2 Nr. 2, 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben, indem er, obwohl er zum Vorteilsausgleich noch verpflichtet ist, erklärt, die von ihm geforderte Leistung in Höhe des "großen" Schadensersatzes sei von einer Gegenleistung nicht abhängig oder die Gegenleistung sei erbracht, ist es ihm im Regelfall nach § 242 BGB auch verwehrt, sich wenigstens auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des "kleinen" Schadensersatzes zu berufen. Der Geschädigte hat sich, was Voraussetzung dafür ist, dass er sich auf die Hemmungswirkung der Zustellung des Mahnbescheids nicht berufen kann, im Bewusstsein der Gesetzwidrigkeit seines Handelns gegen eine Beschränkung seines Begehrens auf das zulässige Maß entschieden. Damit stünde es nach § 242 BGB nicht in Übereinstimmung, wenn ihm die Früchte seines Tuns - gleichsam risikolos - in dem Umfang erhalten blieben, der einer redlichen Vorgehensweise entspräche.
Fundstellen
Haufe-Index 8193904 |
BB 2015, 1857 |
DStR 2015, 14 |
NJW 2015, 3160 |
NJW 2015, 8 |
BauR 2015, 1661 |
EBE/BGH 2015 |
EWiR 2015, 641 |
IBR 2016, 62 |
JurBüro 2015, 610 |
WM 2015, 1461 |
WuB 2015, 545 |
ZAP 2015, 1016 |
ZIP 2015, 1590 |
ZIP 2015, 51 |
ZfIR 2015, 4 |
ZfIR 2015, 623 |
AnwBl 2015, 717 |
DGVZ 2016, 7 |
JZ 2015, 391 |
JZ 2015, 498 |
MDR 2015, 7 |
MDR 2015, 969 |
NJ 2015, 3 |
NJ 2015, 6 |
Rpfleger 2015, 712 |
VersR 2016, 337 |
VuR 2015, 7 |
BKR 2015, 392 |
GWR 2015, 343 |
NJW-Spezial 2015, 611 |
StX 2015, 463 |
FMP 2015, 168 |
LL 2015, 730 |
NWB-BB 2015, 231 |
finanzen.steuern kompakt 2015, 8 |