Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 16.03.2020; Aktenzeichen 106 Js 14/19 323 KLs 47/19 83 Ss 48/20) |
Tenor
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 16. März 2020 wird verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass drei Jahre der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Es hat ferner eine Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie über den Anrechnungsmaßstab der vom Angeklagten erlittenen Auslieferungshaft getroffen.
Rz. 2
Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt teilweise vertreten wird, wendet sich die Staatsanwaltschaft – insoweit zu Ungunsten des Angeklagten – gegen die konkurrenzrechtliche Bewertung der tateinheitlichen Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall B.I.3 der Urteilsgründe) sowie gegen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I.
Rz. 3
Nach den Feststellungen des Landgerichts befasste sich der Angeklagte Ende 2018 mit der Organisation und Beschaffung von Marihuana in größerem Ausmaß in Spanien zum Weiterverkauf in Deutschland. Zu diesem Zweck nahm er Kontakt zu dem in B. ansässigen und in der dortigen Cannabisszene bewanderten Zeugen R. auf. Über diesen lernte er einen „J.” und dessen niederländischen Vater kennen, die Transporte von Betäubungsmitteln in Kühltransportern von Spanien nach A. gegen Entgelt durchführten.
Rz. 4
Nachdem der Angeklagte sich im November 2018 mit „J.” über die Transportkosten in Höhe von 350 EUR pro Kilogramm sowie „Verpackungskosten” von 200 EUR pro Kilogramm Marihuana geeinigt hatte, fasste er den Entschluss, größere Mengen Marihuana in Spanien zu beschaffen und transportieren zu lassen. Er erwarb im gleichen Monat in Spanien selbst 5 kg Marihuana. In seinem Auftrag und mittels von ihm überlassenen Geldes beschaffte R. weitere 10 kg Marihuana, kennzeichnete und fotografierte die verpackte Gesamtmenge von 15 kg Marihuana und bezahlte mit dem verbliebenen Geld des Angeklagten die „Verpacker”. Die Betäubungsmittel wurden in einem Kühltransporter nach A. … und von dort nach Deutschland zum Angeklagten befördert. Abgesehen von maximal 200 g, die der Angeklagte zum Eigenkonsum vorsah, veräußerte er das Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC in der Folge zum Preis von mindestens 4.200 EUR pro Kilogramm (Fall B.I.1 der Urteilsgründe).
Rz. 5
Nach der ersten Lieferung gewann der Angeklagte den Zeugen E. als weiteren Geschäftspartner für den Bezug von großen Mengen Marihuana aus Spanien unter Beteiligung und Organisation durch R.. Alle drei kamen überein, zukünftig auf unbestimmte Zeit gemeinsam solche Betäubungsmittelgeschäfte zu betreiben. E. erklärte sich bereit den Transport der Betäubungsmittel aus den Niederlanden nach Deutschland mit seinem Kurierfahrer L. durchzuführen.
Rz. 6
Im Dezember 2018 erwarb R. im Auftrag des Angeklagten unter Einsatz des ihm von diesem und E. überlassenen Geldes 20 kg Marihuana. Die Drogen wurden nach A. und von dort in der Folge in den in der Nähe von Ro. gelegenen Ort H. verbracht. Hier holten E. und L. die Gesamtmenge ab, wobei Letzterer die Betäubungsmittel anschließend nach K. zur Geschäftshalle des E. transportierte. Dort ließ der Angeklagte die für ihn bestimmten 6 kg Marihuana von einem Taxikurier abholen und zu sich bringen. Abgesehen von maximal 200 g Marihuana, die wiederum für den Eigenkonsum vorgesehen waren, veräußerte der Angeklagte das Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC zum Preis von wenigstens 4.700 EUR je Kilogramm (Fall B.I.2 der Urteilsgründe).
Rz. 7
Im Dezember 2018 planten der Angeklagte und E. unter Beteiligung des R. gemeinsam erneut eine große Menge Marihuana in Spanien zu erwerben, über die Transportdienste des „J.” in die Niederlande und von dort durch den Kurierfahrer des E. nach Deutschland verbringen zu lassen. Der Angeklagte und E. fuhren am 3. Januar 2019 gemeinsam nach A., wo sie 80.000 EUR für den Erwerb von 25 kg Marihuana sowie die „Verpackungskosten” übergaben, die sodann über die Transportschiene des „J.” nach Spanien transportiert wurden, wo sie R. am 6. Januar 2019 erhielt. R. erwarb im Auftrag des Angeklagten bei unterschiedlichen Drogenlieferanten insgesamt 25 kg Marihuana für die gemeinsame Bestellung des Angeklagten und des E.. Er ließ die Betäubungsmittel absprachegemäß in die „Packstation” verbringen und zahlte 5.000 EUR an die „Verpacker”, damit die Drogen durch die „Niederländer” nach A. transportiert werden sollten.
Rz. 8
In der „Packstation” befand sich zu diesem Zeitpunkt eine weitere Menge von etwa 20 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC, die der Angeklagte ohne Beteiligung von E. und R. über eine andere Quelle in Spanien zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben hatte und die, entsprechend dem Auftrag des Angeklagten, für den gleichen Transport nach A. vorgesehen war. Beide Mengen wurden über die Transportschiene des „J.” zunächst nach A. und von dort planmäßig zu dem Ort H. in der Nähe von Ro. verbracht.
Rz. 9
Der Angeklagte und E. kamen überein, die insgesamt 45 kg Marihuana aufgrund des Volumens der Lieferung aufzuteilen und in zwei Einzelfahrten durch den Kurier des E. abholen zu lassen. E. und L. übernahmen am 1. Februar 2019 in H. die 25 kg Marihuana, die L. im Kofferraum seines Fahrzeugs nach Deutschland verbrachte. Hier wurde das Marihuana mit einem Nettogewicht von 22,96 kg und einem Wirkstoffgehalt von mindestens 3.092 g bei einer Kontrolle sichergestellt. Der Angeklagte wollte die für ihn bestimmten 3 kg Marihuana abzüglich einer für den Eigenkonsum vorgesehenen Menge von maximal 200 g gewinnbringend veräußern. Zur Abholung der für ihn bestimmten weiteren mindestens 20 kg Marihuana kam es in der Folge nicht mehr (Fall B.I.3 der Urteilsgründe).
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 10
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
Rz. 11
1. a) Die Beschwerdeführerin hat ihre Revision auf die „konkurrenzrechtliche Bewertung im Fall 11 der Anklage” (Fall B.I.3 der Urteilsgründe) sowie die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt beschränkt. Zwar hat die Staatsanwaltschaft in der Revisionsbegründung keine ausdrückliche Beschränkung ihres Rechtsmittels erklärt und beantragt, das Urteil insgesamt aufzuheben. Dieser umfassende Revisionsantrag steht jedoch mit dem übrigen Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang (zur Auslegung der Revision der Staatsanwaltschaft vgl. Senat, Urteil vom 6. November 2019 – 2 StR 87/19, juris Rn. 12 f.). Diese wendet sich ausschließlich gegen die tateinheitliche Verurteilung in dem Fall B.I.3 der Urteilsgründe sowie die Anordnung der Maßregel. Dem Inhalt der Revisionsbegründung entnimmt der Senat daher, dass die Revisionsführerin die Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Einzelstrafe von drei Jahren und neun Monaten (Fall B.I.1 der Urteilsgründe), wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren (Fall B.I.2 der Urteilsgründe) sowie die Einziehungs- und Anrechnungsentscheidung nicht angreifen will.
Rz. 12
b) Die so verstandene Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam.
Rz. 13
aa) Hat das Tatgericht über mehrere rechtlich selbständige Taten eines Angeklagten zu entscheiden, bestehen gegen die Anfechtung nur einzelner Verurteilungen grundsätzlich keine Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 344 Rn. 7). Jedoch sind neben der Einzel- auch die Gesamtstrafe sowie möglicherweise weitere an die angefochtene Verurteilung anknüpfende Rechtsfolgen in die Teilanfechtung einzubeziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 1996 – 3 StR 401/96, juris Rn. 2).
Rz. 14
bb) Daran gemessen umfasst die Anfechtung des Schuldspruchs im Fall B.I.3 der Urteilsgründe neben der für diese Tat zugemessenen Einzelfreiheitsstrafe auch die Gesamtfreiheitsstrafe. Die Einziehungsentscheidung der Strafkammer wird von der Teilanfechtung nicht umfasst; sie gründet nicht auf der Verurteilung im Fall B.I.3 der Urteilsgründe. Gleiches gilt für die Anrechnungsentscheidung. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat die Staatsanwaltschaft ohnehin angegriffen (vgl. zur Beschränkung auf diese Maßregel: Senat, Urteil vom 18. Dezember 2019 – 2 StR 331/19, juris Rn. 5 mwN).
Rz. 15
2. Die auf die Revision der Staatsanwaltschaft veranlasste Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben.
Rz. 16
a) Der Schuldspruch im Fall B.I.3 der Urteilsgründe wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erweist sich als rechtsfehlerfrei. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist die konkurrenzrechtliche Einordnung des Tatgeschehens nicht zu beanstanden.
Rz. 17
aa) Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt materiellrechtlich Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt. Tateinheit in diesem Sinne ist gegeben, wenn die tatbestandlichen, mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzenden Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. Januar 2018 – 1 StR 535/17, NStZ 2019, 154, 155 mwN). Diese Teilidentität der tatbestandlichen Ausführungshandlungen verknüpft mehrere zunächst selbständige Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur (gleichartigen) Tateinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juli 2015 – 3 StR 190/15, juris Rn. 4; vom 28. Juli 2011 – 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11; vom 27. Juni 2008 – 3 StR 212/08, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 7). Dagegen reichen ein einheitliches Motiv, die Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mittel-Zweck-Verknüpfung oder eine Grund-Folge-Beziehung nicht aus, Tateinheit zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2018 – 4 StR 616/17, juris Rn. 2; Urteil vom 25. April 2013 – 4 StR 418/12, NStZ 2014, 162 mwN; vgl. auch LK-StGB/Rissing-van Saan, 13. Aufl., § 52 Rn. 20 mwN).
Rz. 18
bb) Hieran gemessen überschneiden sich die Ausführungshandlungen des Angeklagten hinsichtlich der beiden von ihm im Fall B.I.3 gehandelten Betäubungsmittelmengen teilweise.
Rz. 19
(1) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden. Dem Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen sowohl Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung wie auch der Überlassung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. November 2019 – 2 StR 246/19, NStZ-RR 2020, 317, 318 mwN; vgl. auch Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 167 ff.; LK-StGB/Rissing–van Saan, 13. Aufl., Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff Rn. 46). Auch die Beauftragung eines Kuriers für den Transport der zuvor beschafften Betäubungsmittel kann die objektiven Voraussetzungen des Handeltreibens erfüllen, wenn diese Bemühungen einem konkreten Betäubungsmittelabsatz dienen (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 122).
Rz. 20
(2) Hieran gemessen verknüpft die Beauftragung zu einem einheitlichen Transport beider Rauschgiftmengen durch die Gruppe um „J.” sowie die weitergehende Planung des Angeklagten mit E. „die insgesamt 45 Kilogramm Marihuana aufgrund des großen Volumens der Lieferung aufzuteilen und in zwei einzelnen Fahrten durch den Zeugen L. unter Beteiligung des Zeugen E. abholen zu lassen”, den mehrfachen Betäubungsmittelumsatz des Angeklagten im Wege der Idealkonkurrenz zu einer Tat.
Rz. 21
(a) Die zunächst getrennten Betäubungsmittelmengen wurden auf Anweisung des Angeklagten in dieselbe „Packstation” verbracht, dort für den Transport vorbereitet und entsprechend seinem Auftrag im gleichen Transport von B. in die Niederlande verbracht. Angesichts dieses tatsächlichen Ablaufs und des festgestellten Auftrags des Angeklagten für den gleichzeitigen Transport beider Mengen aus Spanien in die Niederlande hat der Angeklagte eine auf den gewinnorientierten Umsatz von Betäubungsmitteln ausgerichtete Tätigkeit vorgenommen, die gleichzeitig beide Betäubungsmittelmengen betraf. Es bedurfte entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts auch keiner Aufklärung der genauen Absprachen der Beteiligten. Für einen lediglich „zufällig” gleichzeitigen Transport bieten die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte.
Rz. 22
(b) Zudem überschnitten sich die Ausführungshandlungen des Angeklagten auch dadurch, dass er gemeinsam mit E. bei der Planung zur Einfuhr der Betäubungsmittel aus den Niederlanden in das Bundesgebiet die Gesamtmenge der Lieferung von 45 kg in den Blick nahm und angesichts des großen Volumens mit diesem übereinkam, die Gesamtmenge auf zwei Fahrten aufzuteilen. Diese Absprache betraf damit den Weitertransport sowohl der gemeinsam vom Angeklagten und E. beschafften Menge von 25 kg Marihuana wie auch die weitere, alleine für den Angeklagten bestimmte, Liefermenge von mindestens 20 kg Marihuana.
Rz. 23
b) Die Zumessung der Einzelstrafe im Fall B.I.3 der Urteilsgründe sowie der Gesamtfreiheitsstrafe lässt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten erkennen. Zwar erscheint es nicht unbedenklich, dass die Strafkammer strafmildernd bei der Zumessung jeder der drei Einzelfreiheitsstrafen anstatt nur einmal bei der Gesamtfreiheitsstrafe berücksichtigt hat, dass der Angeklagte auf zwei Mobiltelefone im Wert von circa 500 EUR verzichtete. Denn bei der Einziehung von Tatmitteln ist lediglich zu prüfen und zu bewerten, ob die gesamten Rechtsfolgen einschließlich der Einziehung einen gerechten Schuldausgleich darstellen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 369). Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe jedoch noch hinreichend deutlich, dass die Strafkammer den Verzicht auch als Ausdruck der Verantwortungsübernahme für das delinquente Verhalten gewertet hat, so dass eine Berücksichtigung dieses Umstandes auch bei jeder Einzelstrafe möglich war.
Rz. 24
3. Die auf die Revision der Staatsanwaltschaft – im Umfang ihrer Reichweite – veranlasste Überprüfung des Urteils hat auch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 301 StPO). Insbesondere erweist sich die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als rechtsfehlerfrei.
Rz. 25
a) Nach den Feststellungen konsumierte der 30-jährige Angeklagte seit seinem 13./14. Lebensjahr Cannabis und seit seinem 14./15. Lebensjahr auch Kokain, Letzteres maßgeblich im Zusammenhang mit Partys am Wochenende. Seinen Konsum finanzierte er durch Gelegenheitsdiebstähle, Raubtaten und den Handel mit Betäubungsmitteln. Aufgrund dieser Delinquenz wurde er 2007 im Alter von 17 Jahren mit einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten belegt. Im Rahmen der im damaligen Verfahren erlittenen Untersuchungshaft musste er wegen fortgesetzten Drogenkonsums die Haftvermeidungsgruppe verlassen. Eine vorübergehende Verlegung in den offenen Vollzug endete nach erneutem Betäubungsmittelkonsum, so dass der Angeklagte in den geschlossenen Vollzug zurückverlegt wurde. Nach zwei Jahren wurde er aus der Haft entlassen, die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und diese später erlassen.
Rz. 26
Während der Angeklagte bis in das Jahr 2017 grundsätzlich täglich Cannabis konsumierte, dabei sechs bis sieben Gramm verbrauchte und daneben an Wochenenden und zum Feiern auch Kokain sowie erhebliche Mengen Alkohol konsumierte, reduzierte er ab 2017 seinen Cannabiskonsum, insbesondere aufgrund der aufgenommenen Beziehung zu seiner jetzigen Lebensgefährtin erheblich. Zwischenzeitlich war er 2012 wegen Handels und Besitzes von Betäubungsmitteln in mehreren Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Diese Strafe wurde später erlassen. Ferner war es im Juli 2017 zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gekommen, wobei er bei der Tat unter dem Einfluss von Cannabis gestanden hatte.
Rz. 27
Seit 2017 konsumierte der Angeklagte weiterhin häufig, wenngleich nicht täglich Cannabis, wobei er bis zu etwa fünf Joints, also etwa 1 g Marihuana rauchte. Vor dem Erwerb der Fahrerlaubnis im März 2018 kam es zu einer längeren Phase ohne Cannabiskonsum. Nach Erhalt der Fahrerlaubnis nahm er den Konsum wieder auf, ohne dass sich dieser wieder zu einem Umfang wie vor 2017 steigerte. Kokain und Alkohol nahm er maßgeblich am Wochenende zu sich. In diesem Umfang konsumierte er Cannabis, Kokain und Alkohol auch im Tatzeitraum bis Ende 2019. Während der sich an die hier zur Aburteilung stehenden Taten anschließenden Flucht des Angeklagten in die Türkei und seinem späteren Aufenthalt in A. konsumierte er weiter Cannabis, Alkohol und Kokain. Den Cannabisgebrauch setzte er auch – bei Gelegenheit – nach seiner Inhaftierung in Griechenland sowie in der anschließenden Untersuchungshaft in Deutschland fort.
Rz. 28
b) Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erweist sich als rechtsfehlerfrei.
aa) Die Feststellungen tragen die Anordnung der Maßregel.
Rz. 29
(1) Die Strafkammer hat – dem Sachverständigen folgend – das Vorliegen eines Hangs im Sinne von § 64 StGB zum Zeitpunkt der Aburteilung hinreichend belegt. Sie hat insbesondere den Längsschnitt der Konsumgeschichte des Angeklagten in den Blick genommen und deren negative Auswirkung auf seine biographische Entwicklung bewertet. Sie hat daneben den schädlichen Gebrauch von Kokain und Alkohol gesehen und im Wege einer Gesamtbetrachtung den für die Unterbringung nach § 64 StGB erforderlichen Hang sicher festgestellt. Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
Rz. 30
(2) Die Urteilsgründe belegen auch hinreichend, dass die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten für die verfahrensgegenständlichen Taten mitursächlich war (vgl. zum Maßstab Senat, Urteil vom 18. Dezember 2019 – 2 StR 331/19, NStZ-RR 2020, 208, 209; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2018 – 3 StR 262/18, juris Rn. 5; Urteil vom 20. September 2017 – 1 StR 112/17, NStZ 2018, 711, 712). Dabei hat die Strafkammer gesehen, dass bei den Taten des Angeklagten dessen wirtschaftlicher Vorteil und nicht die Deckung seines Eigenkonsums im Vordergrund stand. Wenn sie gleichwohl angesichts eines „nicht unerheblichen Eigenkonsums” von etwa ein Gramm Marihuana pro Tag und insbesondere des Umstands, dass der Angeklagte nach seiner von ihr für glaubhaft erachteten Einlassung bei jeder der drei Taten maximal 200 g der jeweiligen Liefermenge für den Eigenkonsum erwarb, eine Mitursächlichkeit und damit einen symptomatischen Zusammenhang angenommen hat, ist auch diese Wertung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 31
(3) Die Gefahrprognose sowie die erforderliche Erfolgsaussicht hat die Strafkammer hinreichend dargestellt.
Rz. 32
bb) Die Feststellungen der Strafkammer zur Anordnung der Maßregel beruhen auch auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
Rz. 33
(1) Soweit die Strafkammer aufgrund der Einlassung des Angeklagten, den Aussagen zahlreicher Zeugen, einer verlesenen Urkunde, einer Haarprobe sowie dem Ergebnis zweier Wohnungsdurchsuchungen zu der Feststellung gelangt ist, der Angeklagte habe im Tatzeitraum häufig, wenn auch nicht täglich, etwa ein Gramm Marihuana konsumiert, handelt es sich um eine mögliche Schlussfolgerung aus den erhobenen Beweisen. Insbesondere liegt hierin, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, kein Widerspruch zu den Angaben der Lebensgefährtin des Angeklagten, die einen Konsum bis zu maximal einem Gramm auf der gemeinsamen Flucht beobachtet hat.
Rz. 34
(2) Auch die Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte habe bei jeder Lieferung 200 g Marihuana für den Eigenkonsum entnommen, fußt auf einer tragfähigen Beweiswürdigung. Die Strafkammer hat sich kritisch auch mit diesem Teil der Einlassung des Angeklagten auseinandergesetzt und insbesondere dessen Bestreben gesehen, angesichts einer möglichen Strafaussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu erreichen. Wenn sie dessen Einlassung an dieser Stelle gleichwohl ihren Feststellungen zu Grunde gelegt hat, weil „die entsprechende Äußerung spontan im Rahmen einer Befragung erfolgte”, zieht sie aus den erhobenen Beweisen einen möglichen Schluss; zwingend muss dieser nicht sein.
Unterschriften
Franke, Krehl, Zeng, Grube, Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 14755110 |
NStZ-RR 2021, 382 |
StV 2022, 577 |