Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Jahresabschluß einer GmbH nicht kraft Gesetzes, sondern nur aufgrund der Satzung von einem Abschlußprüfer zu prüfen, so sind für die Bestellung des Prüfers und zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Gesellschaft nicht die Gerichte zuständig.
2. Die Gesellschaftermehrheit mißbraucht ihr Stimmrecht, wenn sie gegen den Willen der Mitgesellschafter einen Abschlußprüfer ohne sachlich gerechtfertigten Grund durch einen anderen ersetzt.
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 11. Zivilsenat, vom 6. Juli 1990 insoweit aufgehoben, als die Berufung zurückgewiesen und der Beklagten mehr als 50 % der erstinstanzlichen Kosten sowie die Kosten des Berufungsverfahrens, jeweils einschließlich der Kosten der Nebenintervention, auferlegt worden sind.
Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 22. Juni 1983 beschlossen die Gesellschafter der A. GmbH & Co KG die Umwandlung dieser Gesellschaft durch Übertragung des Vermögens auf eine neu gegründete GmbH, die Beklagte, deren Stammkapital 10.000.000,– DM beträgt. Diese wurde am 28. Juli 1983 ins Handelsregister eingetragen. Grundlage der Umwandlung war eine Bilanz zum 1. Januar 1983, die ein Gesellschafterkapital in Höhe von insgesamt 10.976.951,86 DM auswies; bereits seit dem 1. Januar 1983 führte die Kommanditgesellschaft die Geschäfte für Rechnung der Beklagten.
Ebenso wie der Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft sieht die Satzung der Beklagten in § 6 Abs 1 Satz 2 vor, daß der Jahresabschluß von einem Wirtschaftsprüfer oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu prüfen ist, die gem. § 7 der Satzung von der Gesellschafterversammlung bestellt werden. Die Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1983 wurde ebenso wie die Erfolgsbilanzen der Jahre 1983 bis 1986 von der T. AG geprüft und mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen. Diese Bilanzen wurden im Jahre 1988 von der Geschäftsführung, die im Jahre 1986/1987 ausgewechselt worden war, mit der Begründung geändert, da Rückstellungen in Höhe von 15,6 Mio DM nicht berücksichtigt worden seien. Die T. AG lehnte es ab, diese Bilanzen zu prüfen und zu testieren.
Am 6. Juli 1988 beschloß die Gesellschafterversammlung der Beklagten, daß zur Abschlußprüfung der Geschäftsjahre 1983 bis 1987 die W. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestellt wird.
Der Kläger, der seit 1987 zu 1,92 % am Stammkapital der Beklagten beteiligt ist, hat mit der Anfechtungsklage beantragt, diesen Beschluß für nichtig zu erklären. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war die Wahl der Abschlußprüfer vom 6. Juli 1988 fehlerhaft, weil die Gesellschafter der Beklagten nicht berechtigt gewesen seien, die im Juli 1988 als Abschlußprüfer für die Jahre 1983 bis 1986 noch nicht ausgeschiedene T. AG durch einen anderen Abschlußprüfer zu ersetzen. Wegen der im Interesse aller Beteiligten gebotenen Sicherung der Unabhängigkeit der Abschlußprüfer seien nicht die Gesellschafter, sei vielmehr allein das Gericht befugt gewesen, anstelle eines Prüfers einen anderen zu berufen. Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht bei dieser Beurteilung den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht gerecht geworden ist.
2. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, da es um Prüfungszeiträume geht, für die die Vorschriften des Bilanzrichtliniengesetzes vom 19. Dezember 1985 nicht gelten; die Vorschriften über die Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts sind auf Unternehmen, die nicht schon nach altem Recht zur Prüfung verpflichtet waren, erstmals für das nach dem 31. Dezember 1986 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 23 Abs. 3 EGHGB). Für die Zeit vor dem 1. Januar 1987 ergab sich für die Beklagte die Pflicht, ihren Jahresabschluß durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen zu lassen, aus § 6 Abs. 1 Satz 2 ihrer Satzung. Eine Satzungsbestimmung dieses Inhalts ist regelmäßig dahin auszulegen, da für Art und Umfang der Prüfung die Bestimmungen der gesetzlichen Pflichtprüfung maßgebend sind, falls die Satzung wie im vorliegenden Falle keine anderslautende Regelung enthält (vgl. Goerdeler, F.S. für Robert Fischer, Seite 149, 160 f.; derselbe in Hachenburg, 7. Aufl., § 42 a Rdn. 33).
Das Berufungsgericht ist jedoch zu Unrecht der Meinung, daß im Falle einer freiwilligen Prüfung auch die Bestimmungen entsprechend gelten, die Bestellung und Abberufung des Abschlußprüfers regeln. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht zwischen der gesetzlichen und der allein aufgrund der Satzung durchzuführenden Abschlußprüfung ein grundlegender Unterschied. Während die gesetzlichen Bestimmungen der Abschlußprüfung zwingend sind, können die Gesellschafter, wenn sie sich einig sind, die Satzung für den Einzelfall durchbrechen und von der durch die Satzung geforderten Prüfung absehen. Jederzeit können sie auch einem Abschlußprüfer den Auftrag entziehen und statt seiner einen anderen bestellen. Die gesetzlichen Beschränkungen des Widerrufsrechts gelten für Prüfungen, die die Satzung vorschreibt oder die sonst freiwillig sind, ebensowenig wie die Vorschriften, nach denen in einem besonderen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Abschlußprüfer zu bestellen oder Meinungsverschiedenheiten zwischen Gesellschaft und Prüfer auszuräumen sind. Ein solches Verfahren kann nur eingeleitet werden, wenn der Abschluß kraft Gesetzes zu prüfen ist (vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, 5. Aufl., HGB, § 318 Rdn. 168, § 324 Rdn. 8). Das Berufungsgericht hat der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu Unrecht die Zuständigkeit aberkannt, anstelle des zunächst bestellten Abschlußprüfers einen anderen zu wählen.
3. Nach dem bisherigen Sach und Streitstand ist jedoch nicht auszuschließen, daß der Gesellschafterbeschluß vom 6. Juli 1988 aus einem anderen Grunde fehlerhaft ist. Ein Beschluß ist fehlerhaft, wenn die Gesellschaftermehrheit durch Ausübung ihrer Stimmrechte Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft oder der Gesellschafterminderheit verletzt. Eine solche Treuepflichtverletzung könnte hier nach dem Vortrag des Klägers vorliegen. Denn danach hat die Gesellschaftermehrheit die T. AG nur deshalb als Abschlußprüferin abgelöst und durch W. ersetzt, weil jene es abgelehnt habe, die nach Znderung nichtigen Abschlüsse der Jahre 1983 bis 1986 zu prüfen und zu testieren. Entspricht dieser Vortrag, wovon revisionsrechtlich zugunsten des Klägers auszugehen ist, der Wahrheit, so greift der Kläger den Beschluß zu Recht an.
Ähnlich wie in Fällen der gesetzlichen Pflichtprüfung wählt die Gesellschafterversammlung der Beklagten den Abschlußprüfer jeweils für ein Geschäftsjahr. Mit der Übernahme des Prüfungsauftrags ist der Prüfer nicht nur für die erste Prüfung, vielmehr für alle Nachtragsprüfungen bestellt, die erforderlich werden, wenn der geprüfte Jahresabschluß später sei es vor oder nach seiner Feststellung geändert wird. Anders als der gesetzliche Abschlußprüfer, dessen Wahl die Gesellschafterversammlung gem. dem seit dem 1. Januar 1987 geltenden § 318 HGB nicht mehr widerrufen darf, kann der gem. Satzung bestellte Prüfer von den Gesellschaftern grundsätzlich jederzeit, mithin auch zwischen der ersten und einer Nachtragsprüfung, abberufen und durch einen anderen Prüfer ersetzt werden. Die Gesellschaftermehrheit mißbraucht jedoch ihr Stimmrecht, wenn sie gegen den Willen der Mitgesellschafter anstelle der bisherigen Abschlußprüfer andere bestellt, ohne da diese Auswechslung der Prüfer sachlich gerechtfertigt ist. Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn wie im vorliegenden Falle vom Kläger behauptet die Abschlußprüfer deshalb ausgewechselt wurden, weil der bisherige es abgelehnt hatte, einen nichtigen Jahresabschluß zu prüfen und zu testieren, der neu bestellte dazu aber bereit war. Ergeben sich aus den von der Geschäftsleitung vorgelegten Unterlagen zu Grund und Höhe der umstrittenen Bilanzansätze keine sachlichen Anhaltspunkte dafür, da die Wertansätze der früheren Bilanz nicht den bilanzrechtlichen Vorschriften entsprechen, so verletzt die Gesellschaftermehrheit ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gegenüber ihren Mitgesellschaftern, wenn sie gegen deren Willen gleichwohl Abschlußprüfer bestellt, die die geänderte Bilanz prüfen sollen.
Nichtig sollen die geänderten Jahresabschlüsse der Jahre 1983 bis 1986 nach Darstellung des Klägers deshalb sein, weil in ihnen entgegen § 256 Abs. 4 AktG a.F., § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB Rückstellungen in einer Größenordnung von 15,6 Mio DM ausgewiesen sind, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig waren. Vorsätzlich unterbewertet mit der Folge, daß der Abschluß entsprechend § 256 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 AktG nichtig ist, sind Rückstellungen außer in Fällen, in denen sie mit einem höheren Betrag als zulässig passiviert werden, auch dann, wenn ihrem Ansatz insgesamt ein Bilanzierungsverbot entgegensteht (vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, 4. Aufl., § 256 Rdn. 82; Hüffer in Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 256 Rdn. 89). Trifft der Vortrag des Klägers zu, wonach die Gesellschafterversammlung keinen Anlaß hatte, an der Richtigkeit der früheren Bilanz zu zweifeln, so ist die Wahl der Abschlußprüfer vom 6. Juli 1988 für nichtig zu erklären.
4. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht zu der Frage, ob die Gesellschafter sachlich begründeten Anlaß hatten, die Prüfer auszuwechseln, nichts festgestellt hat. Damit die Feststellung nachgeholt werden kann, wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
5. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die im Berufungsurteil enthaltene Kostenentscheidung zum übereinstimmend für erledigt erklärten Teil der Hauptsache richtet. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar; § 567 Abs. 3 ZPO greift auch ein, wenn die Kostenentscheidung nicht durch Beschluß, sondern durch Urteil ergeht (vgl. BGH, Urt. v. 24. Februar 1967, V ZR 110/65, WM 1967, 533).
Fundstellen
Haufe-Index 648032 |
BB 1991, 2342 |
ZIP 1991, 1427 |
GmbHR 1991, 568 |