Leitsatz (amtlich)
Zum Zurückbehaltungsrecht des Mieters ggü. dem Zwangsverwalter wegen einer vom Vermieter nicht gemäß BGB § 551 Abs. 3 angelegten Kaution.
Normenkette
BGB § 551 Abs. 3, § 273; ZVG § 152 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 03.12.2008; Aktenzeichen 6 S 122/08) |
AG Lüneburg (Entscheidung vom 28.08.2008; Aktenzeichen 12 C 55/08) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 3.12.2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger hat am 19.1.2004 eine Wohnung gemietet und an den Vermieter eine Kaution i.H.v. 480 EUR entrichtet; eine vom Vermögen des Vermieters getrennte Anlage der Kaution unterblieb.
[2] Über das Vermögen des Vermieters wurde im April 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde mit Beschluss des AG Lüneburg vom 5.10.2007 zum Zwangsverwalter des u.a. vom Kläger bewohnten Hausgrundstücks bestellt. Der Beklagte hat die Kaution nicht erhalten.
[3] Der Kläger hat Feststellung seiner Befugnis begehrt, die Miete bis zu einem Betrag von 480 EUR nebst Zinsen einzubehalten, bis der Beklagte ihm die Anlage der Mietkaution auf einem Treuhandkonto zugunsten des Klägers nachweist. Das AG hat der Klage stattgegeben, das LG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
[4] Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
[5] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
[6] Dem Kläger stehe ein Zurückbehaltungsrecht an der laufenden Miete bis zur Höhe des Kautionsbetrages nebst Zinsen zu, bis der Beklagte die vom Kläger geleistete Kaution gem. § 551 Abs. 3 BGB angelegt habe.
[7] Der Mieter sei bei nicht ordnungsgemäßer Anlage der Kaution zum Einbehalt der Miete berechtigt; dies gelte auch ggü. dem Zwangsverwalter, der gem. § 152 ZVG anstelle des Schuldners die Vermieterrechte zu verfolgen und dessen Pflichten zu erfüllen habe. Der Verwalter werde im Hinblick auf die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag wie ein Vermieter behandelt und trete in sämtliche Pflichten des Vermieters aus dem Mietverhältnis ein. Diese Einstandspflicht erstrecke sich auch auf die Vermieterpflichten, die sich im Hinblick auf die Mietsicherheit aus vertraglichen Abreden oder gesetzlichen Bestimmungen ergäben. Hierzu gehöre auch die Pflicht, sich um die getrennte Anlage der Kaution zu kümmern, selbst wenn der Beklagte sie nicht ausgehändigt erhalten habe. Der Mieter werde durch die Zubilligung eines Zurückbehaltungsrechts auch nicht in unzulässiger Form ggü. den übrigen Gläubigern der Zwangsverwaltung privilegiert; vielmehr sei die Besserstellung vom Gesetzgeber gewollt.
II.
[8] Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
[9] 1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB um ein Rechtsverhältnis, dessen Bestehen grundsätzlich im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO überprüft werden kann (RGZ 74, 292, 294 zu § 478 BGB a.F.; Assmann in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 256 Rz. 79; Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 256 Rz. 15). Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung seines Rechtes, weil es vom Beklagten bestritten wird und ihm deshalb eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht. Zu Unrecht meint die Revision, der Kläger müsse sich im Rahmen seines Feststellungsbegehrens bereits festlegen, gegenüber welchen Mietforderungen er sein Zurückbehaltungsrecht geltend machen wolle. Entgegen der Auffassung der Revision ist ein Rechtsschutzinteresse des Klägers auch nicht wegen der Möglichkeit einer (Leistungs-)Klage auf Anlage der Kaution zu verneinen. Der Vorrang der Leistungsklage ggü. der Feststellungsklage wird damit begründet, dass bei Bestehen des bestrittenen Anspruchs das Rechtsschutzziel der Leistungsklage - Erlangung eines vollstreckungsfähigen Titels - mit der Feststellungsklage nicht erreicht werden kann (BGHZ 134, 201 [209]). Hier benötigt der Kläger jedoch keinen vollstreckungsfähigen Titel, weil er den Anspruch auf Anlage der Kaution im Wege eines Zurückbehaltungsrechts verfolgt.
[10] 2. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass dem Kläger ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) an der laufenden Miete zusteht, weil er aus dem Mietverhältnis einen fälligen Gegenanspruch hat. Der Beklagte ist verpflichtet, einen Betrag in Höhe der vom Kläger gezahlten Mietkaution von 480 EUR gem. § 551 Abs. 3 BGB zugunsten des Klägers anzulegen; diese Verpflichtung erstreckt sich auch auf die Zinsen, die bei gesetzeskonformer Anlage der Kaution angefallen wären und die Sicherheit erhöht hätten (§ 551 Abs. 3 Satz 4 BGB).
[11] Der im Jahr 2004 abgeschlossene Mietvertrag ist ggü. dem Beklagten als Zwangsverwalter wirksam, weil dem Kläger die Wohnung vom Vermieter schon vor der Beschlagnahme des Grundstücks überlassen war. Nach § 152 Abs. 2 ZVG hat der Verwalter anstelle des Schuldners dessen Vermieterrechte zu verfolgen und dessen Pflichten zu erfüllen, weil der Schuldner dazu aufgrund der Beschlagnahme und der damit verbundenen Entziehung der Verwaltung und Benutzung des Grundstücks nicht mehr in der Lage ist. Der Zwangsverwalter wird deshalb, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, in allen Fällen, in denen Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis berührt sind, wie ein Vermieter behandelt; dies gilt auch im Hinblick auf die Kautionsvereinbarung und selbst dann, wenn der Verwalter die Kaution vom Vermieter nicht erhalten hat (BGH, Urt. v. 16.7.2003 - VIII ZR 11/03, NJW 2003, 3342, unter II 2; v. 9.3.2005 - VIII ZR 330/03, NZM 2005, 596, unter II 3, sowie v. 11.3.2009 - VIII ZR 184/08, NZM 2009, 481, Tz. 8 f.).
[12] Die Pflichten des Zwangsverwalters umfassen auch die den Vermieter gem. § 551 Abs. 3 BGB treffende Pflicht, eine vom Mieter geleistete Barkaution getrennt von seinem Vermögen bei einem Kreditinstitut anzulegen (Senatsurteil vom 11.3.2009, a.a.O., Tz. 9). Diese Verpflichtung wurde vom Vermieter bisher nicht erfüllt und trifft deshalb nunmehr den Beklagten als Zwangsverwalter.
[13] Entgegen der Auffassung der Revision ist dies nicht - im Hinblick auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters - deswegen anders zu beurteilen, weil dem Mieter ggü. dem Zwangsverwalter keine weitergehenden Rechte als ggü. dem ursprünglichen Vermieter zustehen könnten. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Mieter, dessen Mietverhältnis gem. § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbesteht, im Rahmen des Insolvenzverfahrens wegen seiner Ansprüche aus der Kaution nach § 108 Abs. 3, § 87 InsO auf eine einfache Insolvenzforderung verwiesen ist. Denn vorliegend geht es nicht um die Rechtsstellung des Mieters in der Insolvenz seines Vermieters, sondern um die Pflichten des Beklagten als Zwangsverwalter gegenüber einem Mieter, dem die Wohnung schon vor der Beschlagnahme überlassen war. Der Zwangsverwalter tritt in diesem Fall, wie ausgeführt, nach § 152 Abs. 2 ZVG in die Rechte und Pflichten des Vermieters ein und hat deshalb auch die aus der Kaution folgenden Pflichten des Vermieters zu erfüllen. Darauf, dass der Vermieter selbst dazu während des laufenden Insolvenzverfahrens nicht mehr in der Lage ist, kommt es nicht an. Die Bevorzugung des Mieters ggü. den Gläubigern in der Zwangsverwaltung hinsichtlich der Kaution ist wegen des einer Treuhand ähnlichen Verhältnisses gerechtfertigt und vom Gesetzgeber gewollt (Senatsurteil vom 11.3.2009, a.a.O., Tz. 9). Sie wird deshalb nicht davon berührt, dass neben der Zwangsverwaltung über das Mietobjekt auch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anhängig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 2240183 |
NJW 2009, 3505 |
BGHR 2009, 1246 |
EBE/BGH 2009, 348 |
JurBüro 2010, 109 |
NZM 2009, 815 |
ZMR 2010, 105 |
ZfIR 2009, 880 |
MDR 2009, 1382 |
NZI 2010, 18 |
NZI 2010, 69 |
NZI 2010, 78 |
Rpfleger 2010, 99 |
WuM 2009, 668 |
WuM 2010, 139 |
GuT 2009, 411 |
Info M 2009, 426 |
MietRB 2009, 351 |
NJW-Spezial 2009, 721 |
RdW 2010, 188 |
IGZInfo 2009, 177 |
ImmWert 2009, 47 |
MK 2009, 203 |