Leitsatz (amtlich)
a) Eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, daß (verzichtbare) Gesellschafterrechte ohne wichtigen Grund nach dem freien Ermessen der Gesellschaftermehrheit entzogen werden können, ist zulässig.
b) Entzieht die Gesellschaftermehrheit einem persönlich haftenden Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis und stuft sie ihn zum Kommanditisten herab, so ist dieser Beschluß auch dann rechtswirksam, wenn sich für den betroffenen Gesellschafter hieraus ein wichtiger Grund zum Ausscheiden aus der Gesellschaft ergibt und der Gesellschaftsvertrag für diesen Fall eine unangemessen niedrige Abfindung vorsieht.
Verfahrensgang
OLG Celle (Entscheidung vom 17.12.1969; Aktenzeichen 9 U 101/68) |
LG Hildesheim |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 17. Dezember 1969 - 9 U 101/68 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Kläger zu 1 bis 4 und der Beklagte sind die Gesellschafter der 1951/52 gegründeten Hans K. & Go. KG. Nach dem Gesellschaftsvertrag waren die Parteien verpflichtet, ihre gesamte Arbeitskraft für die Gesellschaft einzusetzen. Hierfür erhielten sie eine von der Gesellschafterversammlung festzusetzende Vorwegvergütung. Jede Tätigkeit für andere gewerbliche Zwecke, insbesondere auf funktechnischem Gebiet, war den Gesellschaftern untersagt.
Alle Gesellschafter - der Kläger zu 1 als Komplementär, die Kläger zu 2 bis 4 und der Beklagte als Kommanditisten - waren zunächst im Hauptunternehmen der Gesellschaft, dem A. B., tätig. Im Jahre 1959 errichtete die Gesellschaft ein Zweigwerk zur Herstellung elektronischer Bauteile und Geräte in G./Harz. Mit der Leitung des Zweigunternehmens wurde der Beklagte betraut. Er erhielt die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters und wurde am Gewinn und Verlust sowie am Kapital der Gesellschaft ebenso wie der Kläger zu 1 mit 25 % beteiligt; die Gesellschafteranteile der Kläger zu 2 bis 4 betrugen 16 % bzw. 17 %. Hinsichtlich der Beendigung der Tätigkeit für die Gesellschaft wurde in den Gesellschaftsvertrag (§ 19) folgende neue Bestimmung aufgenommen:
"Abs. 3:
... Beantragt ein Gesellschafter, einen anderen Gesellschafter aus seiner Tätigkeit zu entlassen, so ist diesem Antrage stattzugeben, wenn alle übrigen Gesellschafter - den betroffenen Gesellschafter ausgenommen - darüber einen zustimmenden Beschluß fassen. Wenn ein Gesellschafter nicht mehr in einem f.-Betrieb tätig ist, so entfällt für ihn die Tätigkeitsvergütung.
Abs. 4:
... Beantragt ein Gesellschafter, einen der persönlich haftenden Gesellschafter aus der persönlichen Haftung und der Geschäftsführung zu entlassen, so ist diesem Antrage stattzugeben, wenn alle übrigen Gesellschafter - den betroffenen persönlich haftenden Gesellschafter ausgenommen - darüber einen zustimmenden Beschluß fassen. Der persönlich haftende Gesellschafter wird ... Kommanditist."
In den folgenden Jahren traten zwischen dem Kläger zu 1 und dem Beklagten zunehmend Spannungen auf. Dies führte schließlich dazu, daß der Kläger zu 1 in einer Gesellschafterversammlung vom 28. Februar 1967 beantragte, die Beteiligung des Beklagten als persönlich haftenden Gesellschafters gemäß § 19 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags in eine Kommanditbeteiligung umzuwandeln. Nach eingehender Erörterung des Antrags faßten die Gesellschafter mit Zustimmung des Beklagten folgenden einstimmigen Beschluß:
"a)
...
b)
Den Geschäftsbereich 'gedruckte Schaltungen' wird Herr K. (der Beklagte) als Geschäftsführer leiten. ...
c)
Herr K. bleibt offiziell Komplementär der Firma. Seine Rechte werden jedoch auf die eines Kommanditisten reduziert, die normalerweise ein Prokurist mit Einzelprokura für einen bestimmten Geschäftsbereich hat, ...
d)
Sollte nach Ablauf einer nicht näher begrenzten Zeit das ursprüngliche Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern wieder hergestellt sein und das durch alle übrigen Gesellschafter bestätigt werden, so erhält Herr K. die vollen Rechte eines Komplementärs mit der Einschränkung, daß sich diese auf den Geschäftsbereich der gedruckten Schaltungen beziehen.
e)-k)
..."
In einer weiteren Gesellschafterversammlung am 17. August 1967 beschlossen die Kläger, den Beklagten nunmehr auch mit Wirkung nach außen zum Kommanditisten zurückzustufen, ihn ferner "aus der Tätigkeit für die Gesellschaft" zu entlassen und ihm zu gestatten, einer anderen Tätigkeit nachzugeben, die nicht auf dem jetzigen Arbeitsgebiet der Gesellschaft liegt. In einem Beschluß vom 14. November 1967/20. Juni 1968 wurde der Beklagte außerdem aus dem Wirtschaftsbeirat der Gesellschaft ausgeschlossen.
Der Beklagte hält die Beschlüsse vom 17. August 1967 für unwirksam. Er macht u.a. geltend, daß die von den Klägern getroffenen Maßnahmen in ihrer Kombination und im Zusammenwirken mit weiteren nachteiligen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags - insbesondere dem Verlust der Tätigkeitsvergütung gemäß § 19 Abs. 3 des Vertrags und dem Verbot, der Gesellschaft auf ihrem Arbeitsgebiet Konkurrenz zu machen - rechtsmißbräuchlich seien. Er werde damit gezwungen, aus der Gesellschaft auszuscheiden. Das aber sei ihm wegen der ungünstigen gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelung nicht zumutbar. Gemäß § 8 des Gesellschaftsvertrags erhalte nämlich ein ausscheidender Gesellschafter als Abfindung lediglich die sich nach den Buchwerten der Ertragssteuerbilanz ergebende Einlage zurück. Der nominelle Kapitalwert seiner Einlage im Jahre 1967 habe aber lediglich etwas mehr als 1 Mio. DM betragen, während der wirkliche Wert, berechnet nach dem Veräußerungswert des Gesellschaftsunternehmens, sich auf 7 bis 7,5 Mio. DM belaufen habe.
Weiter hält der Beklagte die Beschlüsse der Kläger auch wegen Verstoßes gegen den einstimmigen Gesellschafterbeschluß vom 28. Februar 1967 für unwirksam. Durch diesen Beschluß hätten sich die Kläger verpflichtet, von weiteren Maßnahmen gegen ihn, den Beklagten, abzusehen, es sei denn, daß in seiner Person nachträglich ein wichtiger Grund eintreten würde.
Demgegenüber vertreten die Kläger die Auffassung, daß die Beschlüsse vom 17. August 1967, insbesondere die beschlossene Herabstufung des Klägers zum Kommanditisten, rechtsgültig seien. Sie haben Klage auf Feststellung erhoben, daß der Beklagte verpflichtet ist, bei der Anmeldung zum Handelsregister mitzuwirken, daß er mit Wirkung vom 17. August 1967 als persönlich haftender Gesellschafter der Firma Hans Kolbe & Co. ausgeschieden und mit einer Einlage von DM 1.500.000 Kommanditist der Firma Hans K. & Co. geworden ist.
Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Aufgrund des übereinstimmenden Parteivortrags nimmt das Berufungsgericht an, daß § 19 Abs. 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags den übrigen Gesellschaftern das Recht einräumt, einen persönlich haftenden Gesellschafter ohne wichtigen Grund zum Kommanditisten herabzustufen und ihn darüber hinaus aus der Tätigkeit für die Gesellschaft zu entlassen. Von dieser Befugnis, so meint das Berufungsgericht, hätten die Kläger in Vertrags- und gesetzmäßiger Weise Gebrauch gemacht. Die Beschlüsse vom 17. August 1967 seien weder sittenwidrig, noch seien die Kläger durch den vorangegangenen Gesellschafterbeschluß vom 28. Februar 1967 gehindert gewesen, von ihren Rechten gemäß § 19 Abs. 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags Gebrauch zu machen. Seien aber damit die von den Klägern gefaßten Beschlüsse, insbesondere die beschlossene Umwandlung der Komplementärstellung des Beklagten in eine Kommanditbeteiligung, rechtswirksam, so sei der Beklagte auch verpflichtet, bei der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Handelsregister mitzuwirken.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
I.
Nach der in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Auffassung kann im Gesellschaftsvertrag einer offenen Handelsgesellschaft grundsätzlich rechtswirksam vereinbart werden, daß bestimmte Gesellschafterrechte durch Mehrheitsbeschluß, also ohne richterliches Gestaltungsurteil, und auch ohne den Nachweis eines wichtigen Grundes nach freiem Ermessen entzogen oder umgewandelt werden können (vgl. u.a. für die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis RG HRR 1940 Nr. 1074; Düringer/Hachenburg, HGB 3. Aufl. § 119 Anm. 3; Hueck, Festschrift für Heymann, 1931, S. 719 ff; Fischer in Großkomm. HGB § 117 Anm. 28; für den Ausschluß eines Gesellschafters aus der Gesellschaft RG ZAkdR 1938, 818; BGH Urt. v. 29.1.62 - II ZR 172/60 - WM 1962, 462; Urt. v. 18.3.68 - II ZR 26/66 - LM BGB § 138 [Bb] Nr. 24 = WM 1968, 532; Düringer/Hachenburg a.a.O. § 140 Anm. 15; Hueck a.a.O. S. 722 ff; Weipert in RGRK-HGB § 140 Anm. 32; für die Herabstufung zum Kommanditisten Düringer/Hachenburg a.a.O. § 140 Anm. 3). Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß dementsprechend auch im vorliegenden Fall rechtliche Bedenken gegen die in § 19 Abs. 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags getroffene Regelung nicht bestehen und der Beschluß vom 17. August 1967 insoweit eine rechtswirksame vertragliche Grundlage hat. Die Gesellschafter einer Personengesellschaft, die Vermögen und Arbeitskraft für die Gesellschaft einsetzen und, sofern sie persönlich haftende Gesellschafter sind, ein erhebliches Haftungsrisiko übernehmen, haben vielfach ein anerkennenswertes Interesse, einen Mitgesellschafter, mit dem sie nicht mehr zusammenarbeiten zu können glauben, Geschäftsführungsbefugnisse oder sonstige (verzichtbare) Gesellschafterrechte zu entziehen, ohne daß sie hierzu einen wichtigen Grund nachweisen und unter Umständen einen langwierigen, in seinem Aus gang oftmals Ungewissen und für das Ansehen der Gesellschaft und der Gesellschafter schädlichen Rechtsstreit führen müssen. Wenn der Gesellschaftsvertrag den Gesellschaftern eine derartige Möglichkeit eröffnet, so verstößt dies weder gegen zwingende gesetzliche Vorschriften noch gegen die guten Sitten.
II.
Dieser rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Vereinbarungen der Parteien gemäß § 19 Abs. 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags für sich genommen weder gesetz- noch sittenwidrig sind, wird grundsätzlich auch vom Beklagten anerkannt. Die Revision ist jedoch der Auffassung, daß die Herabstufung des Beklagten zum Kommanditisten und der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis wegen ihres Zusammentreffens mit weiteren nachteiligen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags rechtsmißbräuchlich und sittenwidrig seien: Der Beklagte werde hierdurch praktisch gezwungen, aus der Gesellschaft auszuscheiden, was ihm aber wegen der "rigorosen" Abfindungsregelung in § 8 des Gesellschaftsvertrags nicht zumutbar sei.
1.
Der Revision ist zuzugeben, daß die von den Klägern beschlossenen Maßnahmen dem Beklagten möglicherweise einen wichtigen Grund gegeben haben, aus der Gesellschaft der Parteien auszuscheiden: Durch den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis hat der Beklagte den Anspruch auf die bisherige Tätigkeitsvergütung verloren (§ 19 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags). Auch die Ausschüttung laufender Gewinne war gemäß § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags bis zur vollen Einzahlung der vereinbarten Kapitaleinlagen ausgeschlossen. Andererseits war der Beklagte durch das gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbot in der außergesellschaftlichen Verwertung seiner Arbeitskraft erheblich behindert. Schließlich fällt entscheidend ins Gewicht, daß der Beklagte durch den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis und die Herabstufung zum Kommanditisten jeglichen Einfluß auf die Führung des Gesellschaftsunternehmens verloren hat, obwohl er am Gesellschaftsvermögen erheblich, nämlich zu ein Viertel, beteiligt ist.
2.
Geht man aber zugunsten des Beklagten davon aus, daß ihm die Beschlüsse vom 17. August 1967 einen wichtigen Grund zum sofortigen Ausscheiden aus der Gesellschaft gegeben haben, so ist der Revision weiter einzuräumen, daß die von den Klägern beschlossenen Maßnahmen in ihrem Zusammenhang mit der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelung gesehen werden müssen. Nach dieser hätte der Beklagte nur einen Anspruch auf Abfindung zum Buchwert seines Kapitalanteils, allenfalls mit einem geringfügigen Aufschlag. Vereinbarungen, die von der Vorschrift des § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB abweichen, sind zwar grundsätzlich zulässig, und auch eine Klausel, die den ausscheidenden Gesellschafter vom Firmenwert und von den stillen Reserven ausschließt, wird vielfach noch als rechtlich vertretbarer Interessenausgleich zwischen ausscheidenden und verbleibenden Gesellschaftern angesehen werden können. Es fragt sich aber, ob für die Zulässigkeit abfindungsbeschränkender Bestimmungen nicht strengere Grundsätze Platz greifen müssen, sofern ein Gesellschafter nach freiem Ermessen der Mehrheit aus der Gesellschaft ausgeschlossen oder, was dem nahekommt, derart in seinen Mitgliedschaftsrechten beeinträchtigt werden kann, daß ihm nicht mehr zuzumuten ist, gegen seinen Willen in der Gesellschaft zu bleiben; denn der einzelne Gesellschafter ist unter solchen Umständen der Gefahr, daß die Mehrheit aus sachfremden Gründen mit dem Ergebnis ihrer unbilligen Bereicherung zu seinem Nachteil von ihren Rechten Gebrauch macht, um so stärker ausgeliefert, je günstiger die Abfindungsregelung für die fortbestehende Gesellschaft ist. Unabhängig hiervon besteht ein weiteres Bedenken: Ist die Behauptung des Beklagten richtig, daß der Abfindungsanspruch, der ihm vertragsgemäß zusteht, wegen der sehr hohen stillen Reserven nur etwa 1/5 des wahren Wertes betragen würde, so wäre das Ausscheiden für ihn mit so hohen wirtschaftlichen Verlusten verbunden, daß seine Entschließungsfreiheit, vom Kündigungsrecht Gebrauch zu machen, ganz erheblich beeinträchtigt wäre. Eine so wesentliche Erschwerung des nach § 723 Abs. 3 BGB unverzichtbaren Rechts zur Kündigung aus wichtigem Grund hätte zur Folge, daß sich die Kläger auf die Abfindungsvereinbarung nicht berufen könnten und einen Anspruch des Beklagten auf angemessene Abfindung hinnehmen müßten.
3.
Zur Entscheidung des Streitfalles ist jedoch eine abschließende Prüfung nicht erforderlich, ob die Abfindungsvereinbarung in § 8 des Gesellschaftsvertrags unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen allgemein oder jedenfalls in ihrer Auswirkung im konkreten Fall rechtlich nicht haltbar ist. Auch wenn man das zugunsten der Revision unterstellt, führt dies nicht - wie die Revision meint - zur Unwirksamkeit der klägerischen Beschlüsse.
Allerdings hat ein Minderheitsgesellschafter, der sich durch die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und die Herabstufung zum Kommanditisten zum Ausscheiden aus der Gesellschaft veranlaßt sieht, ein erhebliches Interesse daran, daß die genannten Maßnahmen nur gültig sind, wenn ihm für den Fall des Ausscheidens - entweder nach dem Gesellschaftsvertrag oder aufgrund eines Angebots der Gesellschaftermehrheit - eine angemessene Abfindung zur Verfügung steht. Sind nämlich die Beschlüsse der Gesellschaftermehrheit auch ohne angemessenes Abfindungsangebot wirksam, so ist er unter Umständen genötigt, sogleich aus der Gesellschaft auszuscheiden und erst im Anschluß daran im Prozeßweg um die ihm zustehende Abfindung zu kämpfen; er verliert seine Gesellschafterrechte, insbesondere seinen Anspruch auf Gewinnbeteiligung, sofort, die übrigen Gesellschafter können aber während des Abfindungsprozesses weiterhin mit seinem Kapital arbeiten.
Dennoch muß das Interesse der Gesellschaftermehrheit höher bewertet werden, einem geschäftsführenden Gesellschafter diese Rechte zu entziehen, ohne hierbei an die Voraussetzung gebunden zu sein, ihm für den Fall des Ausscheidens eine angemessene Abfindung anbieten zu müssen. Insoweit ist einmal zu berücksichtigen, daß im Zeitpunkt, in dem die Gesellschaftermehrheit den Minderheitsgesellschafter "herabstuft", häufig noch nicht feststeht, ob dieser überhaupt daraufhin aus der Gesellschaft ausscheiden will. Schon deshalb wäre es wenig sachgerecht, die Mehrheit im vorhinein zu einer in der Regel schwierigen Bewertung des Gesellschaftsvermögens zu zwingen, die die Voraussetzung für ein angemessenes Abfindungsangebot wäre. Weiterhin ist die Frage, welche Abfindung angemessen ist, in vielen Fällen sowohl aus tatsächlichen wie aus rechtlichen Gründen zweifelhaft, so daß selbst bei einem in bester Absicht gemachten Angebot ein Streit über die Abfindungshöhe häufig nicht zu vermeiden ist. Würde man dann aber die Wirksamkeit der Mehrheitsbeschlüsse vom Angebot der "objektiv richtigen" Abfindung abhängig machen, so wäre die Wirksamkeit der Entziehung der Rechte des Minderheitsgesellschafters bis zur Entscheidung des Abfindungsrechtsstreits in der Schwebe, und es würde eine ähnliche, unter Umständen langdauernde Rechtsunsicherheit eintreten wie dann, wenn der Entzug der Gesellschafterrechte an die Voraussetzung des "wichtigen Grundes" geknüpft worden wäre. Insbesondere kann aber ein hohes Interesse, sofort klare Verhältnisse zu schaffen, den Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft gerade dann nicht abgesprochen werden, wenn es um die Mitwirkung an der Geschäftsleitung oder der Vertretung eines einzelnen Gesellschaftsunternehmens geht. Jedenfalls in diesen Fällen ist dem Vertragswillen der Parteien, der auf eine Entziehung der Gesellschafterrechte ohne jede Voraussetzung gerichtet ist, der Vorzug zu geben und der betroffene Minderheitsgesellschafter, falls er aus der Gesellschaft ausscheidet, auf einen besonderen Abfindungsrechtsstreit zu verweisen. Letzteres steht auch im Einklang mit einigen früheren Entscheidungen des erkennenden Senats, in denen - in allerdings etwas anders liegenden Fällen - die Kündigung eines Gesellschaftsverhältnisses als wirksam behandelt wurde, obgleich die Auseinandersetzung oder Abfindung rechtlich nicht vertretbar geregelt war (BGH Urt. v. 14.11.53 - II ZR 232/52 - JZ 1954, 194, 195; Urt. v. 29.1.62 - II ZR 172/60 - WM 1962, 462 unter II 4; Urt. v. 18.3.68 - II ZR 26/66 - LM BGB § 138 [Bb] Nr. 24 = WM 1968, 532 unter 3).
Im Ergebnis wird damit, auch wenn die Abfindungsregelung in § 8 des Gesellschaftsvertrags nichtig oder anpassungsbedürftig sein sollte, die Wirksamkeit der klägerischen Beschlüsse nicht berührt. Unerheblich ist hierbei auch die vom Berufungsgericht getroffene (BU S. 14) - von der Revision mit der Verfahrensrüge angegriffene - Feststellung, die Kläger hätten die Beschlüsse vom 17. August 1970 auch gefaßt, wenn sie gewußt hätten, daß sie entgegen § 8 des Gesellschaftsvertrags zu einer den Buchwert erheblich übersteigenden Abfindung verpflichtet sind, falls der Beklagte ausscheidet. Auf den hypothetischen Willen der Kläger kommt es nicht an. Denn sie haben eine Erklärung, daß sie aus jenen Gründen an ihren Beschlüssen nicht mehr festhalten wollen, nicht abgegeben.
III.
Auch aus sonstigen Gründen kommt eine Unwirksamkeit der Beschlüsse nicht in Betracht.
1.
Daß die Kläger durch den früheren Gesellschafterbeschluß vom 28. Februar 1967 nicht gehindert waren, gemäß § 19 Abs. 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags den Beklagten nunmehr auch mit Wirkung nach außen zum Kommanditisten herabzustufen und ihm die Geschäftsführungsbefugnis zu entziehen, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt.
Wie es ausführt, hatten sich die Kläger durch den Gesellschafterbeschluß vom 28. Februar 1967 nicht etwa dahingehend gebunden, von weiteren Maßnahmen im Sinne des § 19 Abs. 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags gegen den Beklagten abzusehen, sofern nicht nachträglich in seiner Person ein wichtiger Grund eintritt. Die Kläger, so meint das Berufungsgericht, hätten zwar zugesagt, bei Wiederherstellung des alten Vertrauensverhältnisses zu dem Beklagten die Maßnahmen vom 28. Februar 1967, d.h. in der Hauptsache seine nur gesellschaftsintern wirkende Herabstufung zum Kommanditisten, wieder rückgängig zu machen. Daraus folge aber nicht, daß die Kläger nun umgekehrt sich ihres Rechtes begeben hätten, vertraglich zulässige schwerwiegendere Maßnahmen gegen den Beklagten zu ergreifen. Die Kläger hätten sich auch nicht etwa gegenüber dem Beklagten "verpflichtet", ein Vertrauensverhältnis wieder herzustellen.
Diese vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des früheren Gesellschafterbeschlusses ist möglich und revisionsrechtlich nicht angreifbar. Allerdings spricht die von den Gesellschaftern unter Buchst. f) des Beschlusses abgegebene Erklärung, die vorstehenden Formulierungen bedürften noch einer juristisch einwandfreien, von den beiderseitigen Anwälten zu erstellenden Fassung, dafür, daß der Beschluß einen rechtlich verbindlichen Inhalt hatte und nicht nur tatsächliche Absichtserklärungen enthielt. Dies muß aber nicht für sämtliche Teile des Beschlusses gelten. Wenn das Berufungsgericht gerade für den Abschnitt d) des Beschlusses, der für den Fall der Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses die Wiedereinsetzung des Beklagten in die früheren Gesellschafterrechte vorsah, eine lediglich deklaratorische Erklärung der Gesellschafter angenommen hat, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
2.
Ohne Erfolg versucht die Revision, die Unwirksamkeit der klägerischen Beschlüsse vom 17. August 1967 daraus herzuleiten, daß der Kläger zu 1 bewußt mit unlauteren Mitteln eine Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses zum Beklagten verhindert habe. Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, daß der Kläger zu 1 in der Zeit zwischen dem 28. Februar und 17. August 1967 gegenüber zwei dem Beklagten unterstellten Mitarbeitern erklärt habe, der Beklagte habe in der letzten Gesellschafterversammlung geäußert, daß er bisher praktisch alle Arbeiten der beiden Herren selber erledigt habe.
Der Revision ist einzuräumen, daß eine derartige Äußerung des Klägers zu 1, die Richtigkeit der Behauptung des Beklagten unterstellt, eine nicht unerhebliche Verletzung der unter Mitgesellschaftern geschuldeten Treuepflicht darstellt. Hieraus läßt sich aber nicht folgern, daß die Kläger wegen des vorangegangenen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers zu 1 gehindert waren, die in § 19 Abs. 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags vorgesehenen Maßnahmen gegen den Beklagten zu ergreifen. Es war gerade der Sinn der in § 19 Abs. 3 und 4 getroffenen Vereinbarungen, daß bei Streitigkeiten zwischen den geschäftsführenden Gesellschaftern eine qualifizierte Gesellschaftermehrheit in der Lage sein sollte, einen der Gesellschafter von der Geschäftsführung auszuschließen, um auf diese Weise weitere Auseinandersetzungen unter den geschäftsführenden Gesellschaftern zu verhindern. Wenn die Gesellschaftermehrheit diese Befugnisse auch ohne Vorliegen eines wichtigen oder sonst vertraglich umschriebenen Grundes ausüben durfte, so ersichtlich deswegen, um jede Erörterung, insbesondere aber einen Rechtsstreit über die Frage auszuschalten, welcher Gesellschafter im Recht oder Unrecht war und wen gegebenenfalls das überwiegende Verschulden an den Zerwürfnissen trifft. Ob die Gesellschaftermehrheit bei einer solchen Vertragslage den "herabzustufenden" Gesellschafter auch dann nach freiem Ermessen hätte auswählen dürfen, wenn der eine der streitenden Gesellschafter sich eines so schwerwiegenden Verstoßes schuldig gemacht hätte, daß gegen ihn ein wichtiger Grund zum Entzug der Geschäftsführungsbefugnis oder zum Ausschluß aus der Gesellschaft vorliegen würde, kann offenbleiben. Im vorliegenden Fall war die Pflichtverletzung des Klägers zu 1 keineswegs so erheblich, daß daraus allein die Rechtsmißbräuchlichkeit des Mehrheitsbeschlusses hergeleitet werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 3018678 |
DB 1973, 611-612 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1973, 651 |
NJW 1973, 651-652 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1973, 750 |
DNotZ 1973, 480 |
DNotZ 1973, 480-482 |
MDR 1973, 384 |
MDR 1973, 384-385 (Volltext mit amtl. LS) |