Entscheidungsstichwort (Thema)
Architektenhaftung wegen Planungs- oder Bauaufsichtsmängeln ohne Einfluss auf Schadensersatzanspruch gegen Bauunternehmer
Leitsatz (amtlich)
Der Schadensersatzanspruch gegen den Architekten wegen eines im Bauwerk verkörperten Mangels der Planung oder der Bauaufsicht ist nach Grund und Höhe unabhängig von einer Haftung des Bauunternehmers.
Normenkette
BGB § 635 a. F
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 29.11.2001) |
LG Köln |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Köln v. 29.11.2001 insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen die Versagung eines Schadensersatzanspruchs i. H. v. 30.726,75 Euro (= 60.096,30 DM) nebst Zinsen gegen den Drittwiderbeklagten zurückgewiesen worden ist.
Der Rechtsstreit wird insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das LG Köln zurückverwiesen.
Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren werden auch insoweit nicht erhoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagten verlangen mit ihrer Widerklage, die alleiniger Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, Ersatz von Mängelbeseitigungskosten.
Die Beklagten beauftragten den Kläger im Juli 1998 unter Einbeziehung der VOB/B mit der Ausführung von Rohbauarbeiten und der Errichtung des Dachstuhls für ein Neubauvorhaben. Der Drittwiderbeklagte war mit den in § 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 HOAI beschriebenen Architektenleistungen und der Tragwerksplanung betraut; ob ihm auch die Bauaufsicht übertragen war, ist zwischen den Parteien streitig.
Vor Abnahme des Werks rügten die Beklagten zahlreiche Mängel und setzten dem Kläger Fristen zu deren Beseitigung. Eine Androhung, nach Fristablauf den Auftrag zu entziehen, und die Auftragsentziehung selbst unterblieben. Ab 9.2.1999 setzten die Beklagten Drittunternehmer zur Beseitigung der von ihnen behaupteten Mängel ein. Am 15.3.1999 kündigte der Kläger den Werkvertrag und legte Schlussrechnung.
Der Kläger hat noch offenen Werklohn eingeklagt. Die Beklagten haben mit ihrer Widerklage vom Kläger und vom Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldnern Ersatz der für die Drittunternehmer aufgewendeten Kosten verlangt; die Bauwerksmängel seien auch auf fehlerhafte Architektenleistungen zurückzuführen.
Das LG hat die Widerklage durch Teilurteil abgewiesen. Die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Begehren noch i. H. v. 188.044,63 DM weiterverfolgt haben, ist hinsichtlich eines Betrags von 60.096,30 DM erfolglos geblieben. Im Übrigen hat das Berufungsgericht das Teilurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das LG zurückverwiesen. Dagegen haben der Kläger und die Beklagten Revision eingelegt. Der Senat hat lediglich die Revision der Beklagten und diese nur insoweit angenommen, als das Berufungsgericht den Beklagten einen Anspruch gegen den Drittwiderbeklagten auf Ersatz der vor dem 15.3.1999 entstandenen Fremdnachbesserungskosten i. H. v. 60.096,30 DM versagt hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist im Umfang der Annahme begründet und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht hält einen Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen den Drittwiderbeklagten aus § 635 BGB nur für Fremdnachbesserungskosten für möglich, die nach dem 15.3.1999 entstanden sind. Für dessen Haftung komme es darauf an, in welchem Umfang den Beklagten gegen den Kläger Ersatzansprüche zustünden. Den Beklagten stünden gegen den Kläger nur Ersatzansprüche wegen der Fremdnachbesserungskosten zu, die nach dem 15.3.1999 entstanden seien. Denn die Beklagten hätten dem Kläger keine Frist mit Androhung der Auftragsentziehung gesetzt und nicht gekündigt. Dies sei erst nach der am 15.3.1999 ausgesprochenen Kündigung entbehrlich geworden.
II.
Das hält der rechtlichen Überprüfung teilweise nicht stand. Das Berufungsgericht erkennt den Beklagten zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch gegen den Drittwiderbeklagten wegen Fremdnachbesserungskosten ab, die vor dem 15.3.1999 entstanden sind.
1. Da das Berufungsgericht insoweit keine Feststellungen getroffen hat, ist in der Revisionsinstanz davon auszugehen, dass den Beklagten gem. § 635 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen den Drittwiderbeklagten wegen fehlerhafter Planung und Bauaufsicht zusteht.
2. Dieser Schadensersatzanspruch umfasst unabhängig vom Zeitpunkt ihres Entstehens alle Aufwendungen, die zur Beseitigung der durch die fehlerhaften Architektenleistungen verursachten Baumängel notwendig waren.
a) Nachdem die Revision des Klägers insgesamt und die Revision der Beklagten in diesem Punkt nicht angenommen worden ist, steht rechtskräftig fest, dass der Kläger gem. § 4 Nr. 7 S. 3 VOB/B i. V. m. § 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 VOB/B zum Ersatz derjenigen Fremdnachbesserungskosten verpflichtet ist, die nach dem 15.3.1999 entstanden sind. Für die zuvor angefallenen haftet er nicht.
Diese sich aus der VOB/B ergebende Einschränkung der Haftung gilt entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Berufungsgerichts nicht für den Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen den Drittwiderbeklagten.
b) Dass der Kläger für die Fremdnachbesserungskosten vor dem 15.3.1999 nicht haftet, hat keinen Einfluss auf die Haftung des Drittwiderbeklagten aus § 635 BGB, die sich auf die vor diesem Zeitpunkt entstandenen Aufwendungen erstreckt.
Der Drittwiderbeklagte kann dagegen nicht einwenden, die Beklagten hätten es versäumt, gegenüber dem Kläger die Voraussetzungen für eine Haftung auch für diesen Zeitraum zu schaffen. Ihnen kann insoweit nicht angelastet werden, gegen ihre Schadensminderungspflicht i. S. d. § 254 Abs. 2 BGB verstoßen zu haben.
3. Die in seiner Revisionserwiderung geäußerte, nicht näher begründete Ansicht des Drittwiderbeklagten, die Anspruchsverfolgung gegen ihn sei auch aus prozessualen Gründen von der Anspruchsverfolgung gegen den Kläger abhängig, geht fehl. Beide sind einfache Streitgenossen, gegen die die Entscheidung unterschiedlich ausfallen kann, § 61 ZPO.
III.
Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 635 BGB fehlen. Die Zurückverweisung erfolgt an das LG, bei dem der Rechtsstreit im Übrigen anhängig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1064818 |
BGHR 2004, 87 |
BauR 2004, 111 |
DWW 2004, 34 |
EBE/BGH 2003, 378 |
NJW-RR 2004, 165 |
IBR 2004, 25 |
ZfIR 2004, 470 |
MDR 2004, 207 |
VersR 2004, 1562 |
ZfBR 2004, 160 |
BTR 2004, 43 |
BrBp 2004, 215 |
NZBau 2004, 50 |
BauRB 2004, 40 |
JbBauR 2005, 373 |