Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverstoß durch Beschäftigung eines bei anderem Arbeitgeber angestellten Stylisten
Leitsatz (amtlich)
Ein Hersteller von Konfektionskleidung handelt wettbewerbswidrig, wenn er einen bei einem anderen Hersteller von Konfektionskleidung angestellten Stylisten beschäftigt und dabei auf dessen bloße Mitteilung vertraut, sein (eigentlicher) Arbeitgeber habe keine Einwendungen gegen die Nebentätigkeit.
Normenkette
UWG § 1
Tatbestand
Die Parteien stellen Bekleidung her. Die Produktion der Klägerin umfaßt vorzugsweise Damenkostüme und Damenmäntel für zierliche Frauen. Die Fertigung der Beklagten richtet sich in erster Linie auf die Herstellung von Kleidung für Kinder und Jugendliche bis zur Größe von 176 cm, wie sie insbesondere in Textilhäusern vertrieben wird.
In der Zeit von Oktober 1966 bis zum 30. Juni 1969 hatte die Beklagte zu 1 den Konfektionär P. beschäftigt;dieser war auch in der folgenden Zeit für die Beklagte zu 1 beratend tätig und fertigte für sie verschiedene Modellskizzen und Modellzeichnungen; er erhielt für die Zeit vom 1. Juli 1969 bis zum 31. Dezember 1972 monatlich 1.300 DM, danach bis September 1974 monatlich 1.500 DM.
Vom 1. Juli 1972 bis zum Oktober 1974 arbeitete P. als Konfektionär bzw Stylist für die Klägerin und zwar insbesondere für deren L.-Damen-Kollektion; er war als Konfektionär unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug zunächst 2.500,– DM, nach Ablauf des ersten halben Jahres 3.000,– DM. Nach § 6 des zwischen ihm und der Klägerin abgeschlossenen Vertrages war P. verpflichtet, seine gesamte Arbeitskraft in den Dienst der Klägerin zu stellen und keine Nebentätigkeit auszuüben; in § 5 verpflichtete er sich, sowohl während als auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses Dritten gegenüber unbedingte Verschwiegenheit über alle geschäftlichen Angelegenheiten, insbesondere über technische und Betriebsgeheimnisse der Firma zu bewahren. Er war ferner verpflichtet, Schriftstücke und Zeichnungen usw gewissenhaft unter Verschluß zu halten. Für die Entwicklung und Musterung der L.-Kollektion wurde zwischen den Vertragspartnern eine Wettbewerbsklausel nach §§ 74ff HGB vereinbart.
P. fertigte für die Beklagte zu 1 auch in der Zeit seiner Tätigkeit für die Klägerin Skizzen und Modellzeichnungen an; unstreitig waren dies jährlich jedenfalls 40-50 Zeichnungen.
Anfang Oktober 1974 erhielt die Klägerin nach ihrem Vortrag davon Kenntnis; sie kündigte fristlos.
Nach einem Gespräch mit dem Verbandsgeschäftsführer G. unterschrieb P. am 9. Oktober 1974 ein „Ergebnisprotokoll”, in dem er bestätigte, von W. St. monatlich 1.500,– DM erhalten und als Gegenleistung der Beklagten zu 1 je Saison 40-50 Zeichnungen geliefert zu haben; die Beklagte zu 1 habe aufgrund der Zeichnungen ihre Kollektion erstellt.
Ende Oktober 1974 beging P. Selbstmord.
Auf eine Verwarnung hin verpflichtete sich die Beklagte zu 1 gegenüber der Klägerin am 16. Oktober 1974 zur Unterlassung von Zahlungen an Mitarbeiter der Klägerin und der Verwertung von Informationen solcher Mitarbeiter bei der Gestaltung eigener Modelle.
Die Klägerin hat behauptet, P. habe geheime Modellinformationen, ferner Skizzen und Zeichnungen an die Beklagte zu 1 weitergegeben. Diese habe unter Verwertung der Betriebsgeheimnisse ihre, der Klägerin, Modelle nachgemacht und dadurch einen erheblichen Schaden verursacht.
Das Landgericht hat ihre Klage abgewiesen.
Im zweiten Rechtszug hat die Klägerin folgende Anträge verlesen
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen,
- welche Modellinformationen oder Modellskizzen bzw Modellzeichnungen Herr … P. … der Beklagten zu 1 in der Zeit vom 1. Juli 1972 bis Oktober 1974 erteilt bzw geliefert hat,
- welche Modelle die Beklagte zu 1 hiernach gefertigt und wieviel hiervon in welchen Zeiträumen sie verkauft hat;
- (Auskunft über Umsätze und Gewinne)
- (Feststellung der Schadensersatzpflicht).
Die Beklagten haben vorgetragen, der Vorwurf eines unlauteren Verhaltens könne sie schon deshalb nicht treffen, weil sie P. von 1966 an laufend beschäftigt hätten. Als dieser bei der Klägerin tätig geworden sei, habe er berichtet, er habe darüber mit seiner neuen Arbeitgeberin gesprochen. Sie – die Beklagten – hätten von der Vereinbarung eines Nebentätigkeitsverbots nichts gewußt. Sie hätten auch keinen Anlaß gehabt, an den Angaben von P. zu zweifeln. Sie bestreiten, daß es in der Branche üblich sei, bei einem Stylisten ein Nebentätigkeitsverbot zu vereinbaren; ferner stellen sie in Abrede, aus den Skizzen bzw Zeichnungen von P., die nur einen Schritt in der Gesamtentwicklung eines Modells bedeutet hätten, Wissen verwertet zu haben, das auf dessen Tätigkeit für die Klägerin beruht habe; sie hätten erst im Herbst 1974 eine Lederkollektion für Damen auf den Markt gebracht, die sie jedoch von einem ausländischen Hersteller nach dessen Entwürfen und Schnitten erhalten hätten. P. habe für sie insoweit keine Arbeit mehr geleistet, als sie seit längerer Zeit schon mit einer anderen Firma zusammengearbeitet hätten, die auch die Kollektionsgestaltung übernommen habe; deshalb habe sie am 17. September 1974 P. auch gekündigt. Das „Ergebnisprotokoll” habe P. unter Druck unterzeichnet und sich später gegenüber seinem Anwalt davon distanziert.
Modellinformationen hätten sie nie von P. erhalten.
Das Oberlandesgericht hat durch Teilurteil unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagten zu 1 und 2 verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Modellskizzen bzw Modellzeichnungen Herr … P. … der Beklagten zu 1 in der Zeit vom 1. Juli 1972 bis Oktober 1974 geliefert hat.
Den weitergehenden Auskunftsantrag zu 1 a) betreffend Modellinformationen hat das Oberlandesgericht gegenüber den Beklagten zu 1 und 2 abgewiesen. Gegen dieses Teilurteil haben die Beklagten zu 1 und 2 Revision eingelegt, mit der sie ihren Antrag aus dem Berufungsrechtszug, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, weiterverfolgen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Auskunftsanspruch in dem zuerkannten Umfang nach § 1 UWG begründet: die Beklagten zu 1 und 2 hätten sich zu Zwecken des Wettbewerbs in unlauterer Weise, nämlich durch Ausnutzen eines Geschäftsgeheimnisbruchs und/oder eines Vertrauensbruchs des früheren Stylisten der Klägerin, P., Modellskizzen bzw Modellzeichnungen beschafft. Das Berufungsgericht entnimmt der unstreitig gelieferten Zahl von 100 Skizzen bzw Zeichnungen auf Grund der Lebenserfahrung, daß P. zumindest zum Teil maßgebliche Elemente seiner Entwürfe für die Klägerin in die für die Beklagten hergestellten Skizzen und Zeichnungen – bewußt oder unbewußt – habe einfließen lassen (BU 12). Es komme hinzu, daß es sich bei den Arbeiten für die Beklagten nicht um gelegentliche Arbeiten, sondern, wie das laufende nicht unbeträchtliche Entgelt von monatlich 1.500,– DM zeige, um eine erhebliche Unterstützung bei der Erstellung der Kollektion gehandelt habe. Damit stelle sich das Verhalten von P. als Geheimnisbruch oder Vertrauensbruch der (BU 13).
Die Beklagten zu 1 und 2 hätten auch schuldhaft gehandelt, als sie P. trotz seiner Anstellung bei der Klägerin für sich arbeiten ließen (BU 14). Sie hätten annehmen müssen, daß zumindest die ernsthafte Gefahr bestanden habe, P. werde für die Klägerin verwendete stiltypische Eigenheiten bei den Entwürfen für sie, die Beklagten mitverwerten. Die Interessenkollision hätte die Beklagten mißtrauisch machen müssen, wenn P. ihnen berichtet haben sollte, er habe mit der Klägerin darüber gesprochen, daß er weiter für die Beklagte tätig sein werde. Die Beklagten hätten sich unter den gegebenen Umständen als korrekte Kaufleute bei der Klägerin selbst vergewissern müssen. Es habe sich den Beklagten aufdrängen müssen, daß P. ihnen wegen seines Interesses an der recht erheblichen Nebeneinnahme von monatlich 1.500,– DM möglicherweise nicht die volle Wahrheit sage. Auf die Frage, ob, wie die Klägerin behaupte, in der Textilbranche überhaupt derartige Nebentätigkeiten unüblich seien, komme es danach nicht an.
II.
Die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
1. Die Fortführung der Tätigkeit bei der Beklagten zu 1 nach Begründung des Angestelltenverhältnisses war ein Vertragsbruch von P. gegenüber der Klägerin; nach § 6 Buchst a des Vertrages vom 27. Juni 1972 war P. verpflichtet, „seine gesamte Arbeitskraft in den Dienst der Firma zu stellen und keine Nebentätigkeit auszuüben”; gegen die Wirksamkeit dieser Vereinbarung bestehen jedenfalls insoweit keine Bedenken, als sich das Verbot auf eine berufsausübende Tätigkeit erstrecken sollte; P. durfte keine in seinen Tätigkeitsbereich bei der Klägerin fallende Nebentätigkeit ausüben; seine Vertragsverletzung wiegt besonders schwer, weil es sich nicht um eine einmalige oder kurzfristige Tätigkeit handelte, sondern um eine ständige, fortlaufende Beschäftigung, die monatlich mit 1.300,– bzw 1.500,– DM honoriert wurde.
2. Nach dem Vortrag der Beklagten, von dem mangels anderer Feststellungen auszugehen ist, hat P., nachdem er die Anstellung bei der Klägerin angenommen hatte, der Beklagten zu 1 mitgeteilt, er habe über seine Tätigkeit bei der Beklagten zu 1 mit seiner neuen Arbeitgeberin gesprochen; diese habe dagegen keine Einwendungen erhoben; sie, die Beklagten, hätten von der Vereinbarung des Nebentätigkeitsverbots keine Kenntnis gehabt.
Welche Umstände die Annahme einer Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG rechtfertigen, hängt von der konkreten Gestaltung des Einzelfalles ab. Es besteht regelmäßig ohne das Hinzutreten weiterer Merkmale kein Anlaß, den Auskünften eines Partners über seine Geschäftsbeziehungen zu Dritten nicht zu glauben; denn eine andere Auffassung würde die Möglichkeit einer Geschäftstätigkeit unzumutbar erschweren und beschränken (BGH v. 23.5.75 - I ZR 39/74 - GRUR 75, 555, 557 - Speiseeis). Eine Wettbewerbswidrigkeit wird vielmehr erst dann zu bejahen sein, wenn zu der bloßen Kenntnis vertraglicher Bindungen weitere Umstände hinzukommen; so wenn der Anmietende einer Gebäudefläche die Augen vor der für ihn ohne weiteres erkennbaren Tatsache verschlossen hatte, daß diese Fläche bereits einem Dritten zu demselben Zweck ausschließlich eingeräumt war (BGH v. 19.10.66 - I b ZR 156/64 - LM Nr 172 zu § 1 UWG = GRUR 67, 138 - Streckenwerbung), das für den Partner bestehende Verbot, einen weiteren Vertrag zu schließen, demnach klar erkennbar war. In einem anderen Fall war der Beklagte selbst bestrebt, mit seinen Kunden über die Aufstellung von Spielautomaten Ausschließlichkeitsverträge abzuschließen, und mußte deshalb mit der Möglichkeit rechnen, daß auch der Aufsteller des vorhandenen Geräts mit dem Gastwirt eine entsprechende Vereinbarung geschlossen hatte; in diesem Fall ließ der Senat die (unrichtige) Auskunft des Gastwirts nicht als entlastend gelten (BGH v. 4.5.73 - I ZR 11/72 - LM Nr 261 zu § 1 UWG = GRUR 74, 97 - Spielautomaten II).
In dem Urteil vom 30. Januar 1976 (I ZR 108/74 - LM Nr 288 zu § 1 UWG = GRUR 76, 372 - Möbelentwürfe) ist eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG trotz Kenntnis der Vereinbarung eines nachvertraglichen Konkurrenzverbots verneint worden, weil die Rechtslage insoweit zweifelhaft war und die damalige Beklagte nach Einholung von Rechtsauskünften und näherer Prüfung des Vertrages zu dem Ergebnis gekommen war, sie greife durch ihr Verhalten nicht in das Konkurrenzverbot ein. Die Besonderheit des Streitfalles liegt in der Beschäftigung eines bei einem Dritten Angestellten, dem ein Nebentätigkeitsverbot auferlegt war. Schon das Reichsgericht hat in einem Fall der Beschäftigung eines bei einem Dritten Tätigen auf die Gefahr der Verletzung von Treue-Tätigkeitspflichten und Sicherungspflichten hingewiesen (RG JW 26, 563). Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, daß die Tätigkeit von P. den für Firmen dieser Art wichtigsten und naturgemäß in besonderem Maße geheim zu haltenden Bereich der Kollektionsplanung betroffen habe; demgemäß habe P. dafür Sorge tragen müssen, daß nicht ein Konkurrent die Möglichkeit einer Nachbildung oder des Anhängens an die Entwurfsideen erhalte. Diese Umstände waren der Beklagten zu 1 bekannt; es mußte sich ihr als Fachfirma derselben Branche, wie das Berufungsgericht weiter ohne Rechtsverstoß feststellt, die Erkenntnis aufdrängen, daß zumindest die ernste Gefahr bestehe, P. werde angesichts der großen Anzahl von Skizzen und Zeichnungen (unstreitig jährlich ca 40. – 50 Zeichnungen), die er für die Beklagte zu 1 herstellte, stiltypische Eigenschaften der für die Klägerin hergestellten Zeichnungen auch bei den Zeichnungen der Beklagten verwenden, und daß dadurch die Gefahr eines der Klägerin entstehenden Schadens bestehe.
Unter diesen Umständen dürfte sich die Beklagte zu 1 nicht mit der Mitteilung von P. zufrieden geben, die Klägerin habe keine Einwendungen gegen seine Tätigkeit bei der Beklagten zu 1; gegen deren Richtigkeit konnte schon sprechen, daß das von der Beklagten zu 1 an P. gezahlte Entgelt nicht geringfügig war und P. vielleicht nicht auf diese Einnahme verzichten wollte. Im Vordergrund steht aber das oben dargelegte, aus Branche und Tätigkeitsbereich sich ergebende und für die Beklagte zu 1 offen erkennbare Interesse der Klägerin an der ausschließlichen Beschäftigung von P.. Als branchenkundiger Kaufmann hätte die Beklagte zu 1 sich daher an die Klägerin wenden und sich über deren Einverständnis vergewissern müssen. Da sie das nicht getan hat, hat das Berufungsgericht ihr Verhalten zutreffend als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG beurteilt.
III.
Die Beklagten zu 1 und 2 sind daher nach §§ 1 UWG, 249ff BGB der Klägerin zum Ersatz des durch die Beschäftigung von P. entstandenen Schadens verpflichtet; das ist auch der durch die Verwertung der von P. hergestellten und an die Beklagte zu 1 gelieferten Skizzen und Zeichnungen entstandene Schaden.
Die begehrte Vorlage dieser Skizzen und Zeichnungen soll der Feststellung dienen, in welchem Umfang sich die Zeichnungen an die für die Klägerin angefertigten Entwürfe anhängen und die Beklagte sie zu Modellen benutzt hat, die bei der Klägerin zu einem Schaden geführt haben. Entgegen der Auffassung der Revision enthält dieses Begehren keine unzulässige Ausforschung; denn es steht fest, daß die vorzulegenden Skizzen und Zeichnungen durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten zu 1 in deren Besitz gelangt sind; sie kann sich deshalb nicht auf den prozeßrechtlichen Grundsatz berufen, als Beklagte zur Verweigerung der Mitwirkung bei der Feststellung des Schadens berechtigt zu sein; ein solches Verhalten wäre Rechtsmißbrauch. Das Berufungsgericht gelangt ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis, eine Abwägung der beiderseitigen Interessen lasse es für die Beklagten zu 1 und 2 zumutbar erscheinen, die Skizzen und Zeichnungen vorzulegen; eine andere praktikable Möglichkeit, den Schaden zu berechnen, gebe es nicht.
IV.
Da das Berufungsurteil auch im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten zu 1 und 2 erkennen läßt, war die Revision zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 60226 |
DB 1980, 634-635 (LT1) |
LM UWG § 1, Nr. 328 (LT1) |
DRsp II (236), 258 (ST) |
GRUR 1980, 296 |
GRUR 1980, 296-299 (LT1) |
MDR 1980, 378-379 (LT1) |
WRP 1980, 235-236 (LT1) |