Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsvertrag bei Zustimmung durch Erblasser
Leitsatz (amtlich)
Die in § 312 Abs. 2 Satz 2 BGB vorgeschriebene notarielle Form gilt auch für eine Vertragskombination, bei der der Erblasser dem Erbschaftsvertrag ausdrücklich zustimmt.
Normenkette
BGB § 312
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. Juli 1993 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Geschwister und die einzigen Kinder der am 24. Mai 1990 gestorbenen Erblasserin. Mit dieser hat die Klägerin am 5. Februar 1990 notariell einen Erb- und Pflichtteilsverzicht vereinbart. Dennoch verlangt sie Beteiligung am Nachlaß, der aufgrund des am gleichen Tage zwischen der Erblasserin und dem Beklagten abgeschlossenen notariellen Erbvertrages auf diesen übergegangen ist.
Dazu behauptet sie, die Parteien hätten im Einverständnis mit der Erblasserin zusätzlich zu den beiden notariellen Verträgen mündlich die Verpflichtung des Beklagten vereinbart, ihr im Erbfall die Hälfte des Nachlaßwertes auszuzahlen abzüglich der Werte von Vermächtnissen im Erbvertrag zugunsten ihrer beiden Söhne über je 30.000 DM.
Grund dafür sei gewesen, den Zugriff der Gläubiger der hochverschuldeten Klägerin insbesondere auf den wesentlichen Nachlaßteil, nämlich das Hausgrundstück der Erblasserin zu verhindern.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Teilklage nicht stattgegeben, mit der die Klägerin 60.500 DM nebst Zinsen fordert. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin diesen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war, ist über die Revision antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO; BGHZ 37, 79, 81). Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82).
Die Revision bleibt erfolglos.
1. Mit Recht vertreten die Vorinstanzen den Standpunkt, daß die behauptete Zusatzvereinbarung als sogenannter Erbschaftsvertrag im Sinne von § 312 Abs. 2 BGB formunwirksam ist.
a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob außer dem Erbverzichtsvertrag der Klägerin mit der Erblasserin und dem Erbvertrag des Beklagten mit der Erblasserin auch ein den Nachlaß betreffender Vertrag zwischen den Parteien mit Einwilligung der Erblasserin zustande gekommen ist. Immerhin habe der Notar ausgesagt, nach seinem Hinweis auf die zu Lasten der Klägerin gehende Unbilligkeit der beiden notariellen Verträge hätten die Parteien und die Erblasserin ihm bedeutet, daß insoweit „untereinander etwas gemacht werden sollte”. Näheres über diese Regelung habe er aber nicht wissen wollen. Für die Revisionsinstanz ist vom Abschluß der behaupteten Vereinbarung und dem Einverständnis der Erblasserin auszugehen, auch wenn der Beklagte beides bestreitet.
b) Die zu unterstellende Abrede ist nichtig, weil die für sie gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten wurde (§ 125 Satz 1 BGB). § 312 Abs. 2 Satz 2 BGB schreibt die Form der notariellen Beurkundung vor für einen Vertrag, der unter künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil eines von ihnen geschlossen wird. Nur bei Einhaltung dieser Form kann abweichend von § 312 Abs. 1 BGB die für einen solchen Vertrag geltende Nichtigkeit entfallen.
Um einen Vertrag im Sinne dieser Vorschrift, für den sich die Bezeichnung Erbschaftsvertrag eingebürgert hat (MünchKomm/Thode, BGB 3. Aufl. § 312 Rdn. 14 m.w.N.), handelt es sich auch, wenn das Auszahlungsversprechen wie hier gleichzeitig mit einem Erb- und einem Erbverzichtsvertrag abgegeben wird (OGHZ 2, 175, 178, 180f.). Die Parteien waren im Zeitpunkt der Abrede und weiter auch noch beim Erbfall die beiden einzigen gesetzlichen Erben der Erblasserin. Demgemäß kommt es auf eine etwa mögliche unterschiedliche Auslegung der in § 312 Abs. 2 Satz 1 BGB verwendeten Worte „künftige gesetzliche Erben” (dazu Staudinger/Wufka, BGB 12. Aufl. § 312 Rdn. 20 und 21 und Daniels, Verträge mit Bezug auf den Nachlaß eines noch lebenden Dritten, Bonn 1973 S. 78ff.) hier nicht an. Auch der Ausschluß der Klägerin von der gesetzlichen Erbfolge aufgrund des Erbverzichts gemäß § 2346 BGB und die damit verbundene unmittelbare Änderung der erbrechtlichen Lage ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Es genügt die abstrakte Stellung als nächster Angehöriger (BGHZ 104, 279, 282).
Die Abrede wurde über den gesetzlichen Erbteil der Klägerin geschlossen. Die Hälfte des Nachlaßwertes nach Abzug der erst bei Volljährigkeit an die Söhne der Klägerin auszahlbaren Vermächtnisse sollte nach dem Erbfall an die Klägerin – so behauptet sie – ausgezahlt werden. Als einer von zwei gesetzlichen Erben erster Ordnung hatte die Klägerin gemäß § 1924 BGB Anspruch auf die Hälfte des Nachlasses. Die für den Inhalt des Erbschaftsvertrages gemäß § 312 Abs. 2 BGB geltende Einschränkung wird zwar ebenso wie der Kreis der Vertragsschließenden unterschiedlich gesehen (vgl. Daniels, aaO S. 96ff.). Einigkeit besteht aber jedenfalls darüber, daß künftige gesetzliche Erben sich untereinander zur Auszahlung des Wertes des gesetzlichen Erbteils verpflichten können (BGHZ 104, 279, 282; MünchKomm/Thode, aaO Rdn. 14; Palandt/Heinrichs, BGB 53. Aufl. § 312 Rdn. 6).
2. Entgegen der Auffassung der Revision war die notarielle Beurkundung nicht aufgrund des behaupteten Einverständnisses der Erblasserin mit der mündlichen Abrede entbehrlich.
a) § 312 Abs. 2 Satz 2 BGB macht die Einhaltung der notariellen Form für alle Erbschaftsverträge unterschiedslos zur Voraussetzung. Sein Wortlaut ermöglicht keine Ausnahme für den Fall, daß der Erblasser bei dem Abschluß des Erbschaftsvertrages mitwirkt.
Allerdings kann die Mitwirkung des Erblassers so weit gehen, daß er zum Zweck der Gleichbehandlung seiner gesetzlichen Erben seinen gesamten letzten Willen von einer Vertragskombination abhängig macht. Dann nimmt der Erblasser den Erb- und Pflichtteilsverzicht des einen gesetzlichen Erben vertragsgemäß an. Den anderen gesetzlichen Erben setzt er als Vertragserben ein. Grundlage für beides ist dabei für ihn, daß der Verzichtende aufgrund eines dritten Vertrages, dem der Erblasser deshalb ausdrücklich zustimmt, von dem Vertragserben für den Verzicht abgefunden wird. Es kann offenbleiben, ob den Behauptungen der Klägerin entnommen werden kann, daß die Erblasserin auf einer solchen Vertragskombination bestanden hat. Denn in einem solchen Fall gilt das Formerfordernis des § 312 Abs. 2 Satz 2 BGB für den dritten Vertrag ebenso. Trotz seiner maßgeblichen Mitwirkung an der Vertragskombination bleibt der Erblasser „Dritter” im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB, über dessen Nachlaß ein Vertrag geschlossen wird, wenn auch zulässigerweise gemäß § 312 Abs. 2 Satz 1 BGB von den gesetzlichen Erben. Seine Beteiligung an der Vertragskombination insgesamt und selbst sein Interesse am Zustandekommen des dritten Vertrages der Kombination führen nicht dazu, daß er Beteiligter an dem Innenverhältnis der vertragschließenden gesetzlichen Erben ist. Auch wenn diese die dem Erbverzicht und dem damit korrespondierenden Erbvertrag zugrunde liegende Abfindungsvereinbarung schaffen, bleibt es dabei, daß nur sie und nicht der Erblasser aus diesem dritten Vertrag berechtigt und verpflichtet sind.
b) Als Ausnahmeregelung ist § 312 Abs. 2 BGB einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Aber auch aus dem Sinn des § 312 BGB und den Interessen der Beteiligten kann nicht der Schluß auf eine Entbehrlichkeit der Form im Falle der Mitwirkung des Erblassers gezogen werden (entgegen Daniels, aaO S. 143ff.). Vielmehr gilt für das in dieser Vorschrift gemeinte Geschäft wie in den Fällen der §§ 310 und 311 BGB und insbesondere wie sonst für erbrechtliche Geschäfte (Daniels, aaO S. 134) ausnahmslos die Formbedürftigkeit. Es wäre auch nicht einzusehen, daß bei der erwähnten Vertragskombination der Erbvertrag und der Erbverzichtsvertrag nur vor dem Notar geschlossen werden können, der dazugehörige Erbschaftsvertrag allein wegen der Mitwirkung des Erblassers aber ohne Notar.
aa) Die Nichtigkeit eines Vertrages über den Nachlaß eines noch lebenden Dritten folgt vornehmlich aus dem Schutzzweck der Vorschrift. Durch sie sollen gefährliche Geschäfte unter Ausbeutung des Leichtsinns und eine leichtsinnige Vermögensverschleuderung verhindert werden (Mot. II 184; BGHZ 26, 320, 325; 37, 319, 323; 104, 279, 281). Demgegenüber ist die beim Erlaß der Vorschrift weiter angestellte Erwägung, daß ein solcher Vertrag wegen der Spekulation auf den baldigen Tod sittlich verwerflich sein kann, oder aber daß er für den Erblasser bei Kenntnis subjektiv die Testierfreiheit einzuschränken droht, durch die Entwicklung der Rechtsprechung in den Hintergrund getreten (Staudinger/Wufka, BGB 12. Aufl. § 312 Rdn. 2; Daniels, aaO S. 50). Weil demgemäß der konkrete Rechtsgrund belanglos ist, der einem Vertrag im Sinne von § 312 BGB zugrunde liegt (BGHZ 26, 320, 326), greift diese Vorschrift auch bei einem sittlich nicht anstößigen Vertragszweck (Staudinger/Wufka, aaO Rdn. 2), ja sogar bei einem der allgemeinen Üblichkeit entsprechenden Vertragsziel wie der Gleichbehandlung etwaiger Erben ein. Insbesondere ist deshalb die Zustimmung des Erblassers zu einem von § 312 Abs. 1 BGB erfaßten Vertrag unbeachtlich (BGHZ 37, 319, 324; 104, 279, 284; Staudinger/Wufka, aaO Rdn. 2 und MünchKomm/Thode, aaO Rdn. 11, jeweils m.w.N.).
bb) Ebenso ohne Bedeutung ist die Zustimmung des Erblassers im Fall des § 312 Abs. 2 BGB. Der Senat hat das ausgesprochen in einem Fall, in dem die Klägerin durch Erbschaftsvertrag von ihrem Bruder dessen Erbteil nach ihrer Mutter hatte erwerben wollen und nun wegen vermeintlicher Nichtigkeit vom Notar Schadensersatz forderte, weil er die Mutter nicht beim Erbschaftsvertrag hinzugezogen hatte (BGHZ 104, 279, insbesondere 284). Eine Abweichung von diesem Grundsatz gerade für die Formunwirksamkeit verbietet sich, weil der Formzwang in erster Linie einen Schutzzweck verfolgt. Will ein gesetzlicher Erbe nur gegen eine Abfindung auf sein Erbrecht verzichten, dann muß er über die notwendigen Schritte von einem unbeteiligten Sachkenner beraten werden. Diese Hilfestellung kann nicht durch die Mitwirkung des Erblassers selbst ersetzt werden, zumal dieser ganz andere, gegenläufige Interessen haben kann als der Verzichtende oder der Vertragserbe. Das Formerfordernis hat nicht nur eine Warnfunktion. Mit Recht hebt das angefochtene Urteil hervor, daß das Formerfordernis auch zu einer Beratung durch den sachkundigen und erfahrenen Notar führt.
3. Die Revision meint weiter, der Beklagte könne sich im Hinblick auf das Gebot von Treu und Glauben nicht auf die Formnichtigkeit berufen, da diese zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führen würde. Auch darin ist ihr nicht zu folgen.
a) Hier ist schon die Treuwidrigkeit, jedenfalls die Möglichkeit der Berufung auf § 242 BGB zu verneinen. Die Klägerin hat sich sehenden Auges und trotz des Notarhinweises mit ihrer Erklärung des umfassenden Verzichts in die jetzige Situation begeben. Sie handelte dabei aus eigennützigen und nicht unbedingt billigenswerten Motiven. Sie wollte selbst und nicht nur über die Vermächtnisse zugunsten ihrer Söhne am Nachlaß beteiligt sein. Ihren Gläubigern sollte das jedoch durch eine unbekannt bleibende, nur mündliche Abrede, die keinem notariellen Vertrag entnommen werden konnte, verheimlicht werden, um deren Zugriff zu verhindern. Als allgemeine Billigkeitserwägung zugunsten der Klägerin bleibt deshalb nur, daß sie – wenn tatsächlich die mündliche Abrede getroffen wurde – dem Beklagten vertraut haben mag. Unter solchen Umständen aber muß sie die vom Gesetz in § 312 Abs. 2 BGB gewollte Folge tragen. Nur ein Vertrauensmißbrauch, der die drohende Existenzvernichtung nach sich zieht, nicht aber allgemeine Billigkeitserwägungen solcher Art können die vom Gesetzgeber mit gutem Grund gegebenen Formvorschriften außer Kraft setzen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 10.6.1977 – V ZR 99/75 – NJW 1977, 2072 = LM BGB § 313 Nr. 72/73 unter 3 b). Überdies ist für die Anwendung von § 242 BGB ohnehin kein Raum, wenn die Beteiligten die Formbedürftigkeit kennen, wofür hier alles spricht.
b) Darüberhinaus hat der Tatrichter rechtsfehlerfrei die Folge der Formnichtigkeit des von der Klägerin behaupteten mündlichen Vertrages, nämlich den Ausschluß der Klägerin von dem Nachlaß nach ihrer Mutter bis auf die Vermächtnisse ihrer Söhne, als nicht schlechthin untragbar bezeichnet.
Fundstellen
Haufe-Index 604909 |
NJW 1995, 448 |
DNotZ 1996, 763 |