Leitsatz (amtlich)
a) Eine Haftung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben aus § 9 GmbHG oder auf der Grundlage der allgemeinen Differenzhaftung wird durch die spezielleren Regelungen der §§ 24, 26 DMBilG auch dann verdrängt, wenn ein gemäß § 11 TreuhG in eine GmbH im Aufbau umgewandelter VEB ohne gesetzliche Grundlage in mehrere GmbH i.A. aufgespalten worden ist.
b) In dem Beschluß der Treuhandanstalt, eine in ihrem alleinigen Anteilsbesitz stehende GmbH i.A. „sofort still zu liquidieren”, ist ein Auflösungsbeschluß im Sinne von § 26 Abs. 3 Satz 4 DMBilG zu sehen.
Normenkette
GmbHG § 9; DMBilG §§ 24, 26; SpTrUG § 12 Abs. 1; TreuhG §§ 11, 19
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Aktenzeichen 7 U 89/96) |
LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 12 O 42/95) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 23. Januar 1997 aufgehoben und das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Halle vom 5. Februar 1996 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem am 30. Oktober 1992 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der h. GmbH i.L., deren Alleingesellschafterin die beklagte Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben ist. Die Gemeinschuldnerin war ursprünglich ein rechtlich unselbständiger Betriebsteil des VEB H. He. Dessen Geschäftsleitung erklärte mit Schreiben an das Kreisgericht Ha. vom 11. Juli 1990, daß sich der VEB im Wege einer „Betriebsaufspaltung” in drei Gesellschaften mbH umwandele. Am 21. August 1990 wurde die Gemeinschuldnerin als „GmbH im Aufbau gemäß § 15 TreuhG” in das Handelsregister eingetragen. Mit notarieller Urkunde vom 26. Juni 1991 bestätigte die Treuhandanstalt, die Rechtsvorgängerin der Beklagten, durch ihre Bevollmächtigte S. Hu. die Aufspaltung des VEB in drei GmbH mit Wirkung vom 1. Juli 1990 auf der Grundlage des Treuhandgesetzes. Gleichzeitig ließ sie den Gesellschaftsvertrag der Gemeinschuldnerin beurkunden, nach dessen § 5 ihr von der Treuhandanstalt zu übernehmendes Stammkapital 50.000,– DM betragen und „aus dem Vermögen des nach dem Treuhandgesetz umgewandelten VEB gebildet” werden sollte. Unter dem Eingangsdatum des Amtsgerichts Ha. vom 1. Juli 1991 meldete der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin gemäß § 21 TreuhG die Durchführung der Gründungsmaßnahmen bei dem Handelsregister an. Beigefügt war u.a. eine am 15. Mai 1991 erstellte und von der Treuhandanstalt noch nicht festgestellte DM-Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990, die eine „Ausgleichsforderung” von 30.044,36 DM auswies. Der Bestätigungsvermerk der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war mit dem Vorbehalt der Anerkennung der Ausgleichsforderung durch die Treuhandanstalt versehen. Gemäß Protokoll zur Feststellung einer geänderten DM-Eröffnungsbilanz vom 24. Juli 1991 beschloß die Treuhandanstalt, daß die Gemeinschuldnerin nicht sanierungsfähig sei, keine Entschuldung erfolge und die nunmehr mit 65.044,36 DM zu beziffernde Ausgleichsforderung sowie die ausstehende Einlage von 50.000,– DM nicht anerkannt würden. Vielmehr sei die Gemeinschuldnerin „sofort still zu liquidieren”. Am 10. Dezember 1991 beschloß die Treuhandanstalt die Auflösung der Gemeinschuldnerin, die aufgrund der Anmeldung durch ihren Geschäftsführer am 3. Dezember 1991 als GmbH (ohne Zusatz „im Aufbau”) in das Handelsregister eingetragen worden war.
Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten die Bareinzahlung ihrer Stammeinlage zur Masse verlangt. Der Klage wurde in den Vorinstanzen stattgegeben. Mit ihrer – zugelassenen – Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Die Rechtsmittel führen zur Abweisung der Klage. Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger nicht zu.
I. Rechtsfehlerhaft hält das Berufungsgericht einen Anspruch aus § 9 Abs. 1 GmbHG für gegeben. Eine Haftung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben aus dieser Vorschrift oder auf der Grundlage der von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Differenzhaftung kommt in dem – auch hier eröffneten – Anwendungsbereich der §§ 24, 26 DMBilG nicht in Betracht, weil diese spezielleren Regelungen jene Haftungstatbestände verdrängen (vgl. Sen.Urt. v. 2. Oktober 1997 - II ZR 169/96, ZIP 1998, 86 m.w.N.).
1. Der Anwendungsbereich der §§ 24-26 DMBilG ist, wovon im Ergebnis auch beide Parteien in der Revisionsinstanz ausgehen, im vorliegenden Fall eröffnet. Diese Vorschriften über den „Vermögensausgleich und die Eigenkapitalsicherung von bisher volkseigenen Unternehmen” (Unterabschn. 4 des DMBilG) gelten gemäß §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 26 Abs. 1 Satz 1 DMBilG für Unternehmen, die der Treuhandanstalt zur Privatisierung unentgeltlich übertragen wurden und sich am 1. Juli 1990 noch in deren alleinigem Anteilsbesitz befanden. Die Gemeinschuldnerin ist ein solches Unternehmen.
a) Zwar existierte sie am 1. Juli 1990 noch nicht als selbständige Kapitalgesellschaft, sondern war in den zu diesem Zeitpunkt gemäß §§ 11, 14 TreuhG in eine GmbH im Aufbau umgewandelten VEB integriert. Daran kann die mit der notariellen Erklärung der Treuhandanstalt vom 26. Juni 1991 beabsichtigte Rückwirkung der Spaltung des VEB auf 1. Juli 1990 nichts ändern. Gemäß § 1 Abs. 5 DMBilG können jedoch zur Rechnungslegung verpflichtete Unternehmen, die bis 30. Juni 1991 u.a. durch Gründung oder Spaltung entstehen, für die Zwecke des DMBilG als zum 1. Juli 1990 entstanden angesehen werden. Das gilt insbesondere für Umstrukturierungsmaßnahmen, die von der Treuhandanstalt für die von ihr gehaltenen Unternehmen zum Zwecke erleichterter Privatisierung getroffen wurden (vgl. Amtl. Begr. zu § 1 DMBilG, BT-Drucks. 11/7817 S. 71; s.a. BT-Drucks. 12/103 S. 44; Müller in: Budde/Forster, DMBilG, Hauptband 1991, § 1 Rdn. 31 ff.). § 1 Abs. 5 DMBilG gewährt nicht nur ein Wahlrecht, die Eröffnungsbilanz entweder nach § 242 HGB oder – wie im vorliegenden Fall geschehen – nach den Regeln des DMBilG aufzustellen (vgl. dazu Budde/Kofahl in: Budde/Forster, DMBilG Ergänzungsband 1991, vor §§ 27-30 Rdn. 13), sondern erweitert auch den zeitlichen Anwendungsbereich der §§ 24-26 DMBilG für die allein von der Treuhand oder öffentlichen Rechtsträgern (§ 24 Abs. 1 Satz 1 DMBilG) gehaltenen Unternehmen. Zwar bestimmt § 27 Abs. 1 Satz 1 DMBilG, daß die Regeln des Unterabschnitts 5 (§§ 27 ff. DMBilG) anstelle des Unterabschnitts 4 (§§ 24-26 DMBilG) für alle Unternehmen gelten, auf die § 24 DMBilG nach dessen Abs. 1 Satz 1 nicht anzuwenden ist, auch wenn sie nach § 1 Abs. 5 als zum 1. Juli 1990 gegründet angesehen werden. Sinn und Zweck der Abgrenzung zwischen dem vierten und fünften Unterabschnitt ist es jedoch, die Anwendung der §§ 24-26 DMBilG auf allein von der Treuhandanstalt (oder einem sonstigen öffentlichen Rechtsträger) gehaltene Unternehmen zu beschränken – im Gegensatz zu solchen Unternehmen, die am 1. Juli 1990 bereits ganz oder teilweise privatisiert waren oder danach rückwirkend zum 1. Juli 1990 auf private Dritte im Wege der Restitution oder in sonstiger Weise übertragen wurden (vgl. BT-Drucks. 12/103 S. 50; Budde/Kofahl aaO vor §§ 27-30 Rdn. 2, 4-6, § 27 Rdn. 2). Demgegenüber befand sich die Gemeinschuldnerin stets im alleinigen Anteilsbesitz der Treuhandanstalt.
b) Die Gemeinschuldnerin ist auch innerhalb der in § 1 Abs. 5 DMBilG bestimmten Frist bis zum 30. Juni 1991 entstanden.
aa) Zwar gab es für die am 11. Juli 1990 „erklärte” Spaltung des gem. § 11 TreuhG in eine GmbH i.A. umgewandelten VEB, aus dem die Gemeinschuldnerin hervorgegangen ist, vor dem Inkrafttreten des SpTrUG vom 12. April 1991 keine Rechtsgrundlage (vgl. Senat, Urt. v. 19. Dezember 1994 - II ZR 174/93, ZIP 1995, 322). Auch die Kombinatsverordnung der DDR vom 8. November 1979 (GBl.-DDR I, 355), die Spaltungen eines volkseigenen Betriebes ermöglichte (vgl. Senat aaO), galt ab 1. Juli 1990 – entgegen der Ansicht der Revision – nicht mehr (vgl. Spoerr, Treuhandanstalt und Treuhandunternehmen, 1993, S. 261). Dennoch wurden in der Übergangsphase 1990/1991 in den neuen Bundesländern Rechtsträger in vielen Fällen real geteilt und den dadurch vermeintlich geschaffenen Spaltungsgesellschaften Vermögensanteile und Schulden zugewiesen, weil die Treuhandanstalt damals solche „partiellen Universalsukzessionen” nach dem Treuhandgesetz für zulässig erachtete (vgl. Ganske, DB 1991, 791, 797 Fn. 100 mit Hinweis auf ein Rundschreiben des Präsidenten der Treuhandanstalt vom 23. August 1990). Dafür bestand auch ein praktisches Bedürfnis, weil die Privatisierung größerer Wirtschaftseinheiten auf Schwierigkeiten stieß (vgl. Ganske aaO S. 791). Nicht selten erfolgten Realteilungen – wie im vorliegenden Fall – aufgrund formloser Vereinbarungen oder Anordnungen durch die Leitungsmitglieder einer Kapitalgesellschaft i.A. (vgl. Haritz in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, B 230, SpTrUG § 12 Rdn. 3).
bb) Soweit gem. § 12 Abs. 1 SpTrUG Mängel der mit den Realteilungen beabsichtigten Vermögensübertragungen geheilt sind, gilt das an sich nicht für die Spaltungen als solche, so daß der ursprüngliche Rechtsträger nicht untergegangen, in der Regel aber inzwischen nach § 22 TreuhG aufgelöst ist (vgl. Ganske aaO; Haritz aaO Rdn. 8; Neye in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Teil 3 B I, § 12 SpTrUG Rdn. 13). Nach der Begründung zum Entwurf des SpTrUG sollen jedoch die aus unwirksamen Realteilungen hervorgegangenen neuen Kapitalgesellschaften Bestandsschutz genießen, wenn sie im Handelsregister eingetragen wurden (vgl. BT-Drucks. 12/105 S. 13 unter Hinweis auf §§ 275 AktG, 75 GmbHG, 144 a FGG). Dies läßt allerdings offen, ob dazu die – im Fall der Gemeinschuldnerin am 21. August 1990 erfolgte – Eintragung als Kapitalgesellschaft i.A. gemäß § 15 TreuhG genügt (so Mayer, DB 1991, 1609, 1615 sowie Mayer/Kössinger in: Widmann/Mayer, UmwR SpTrUG § 12 Rdn. 3253) oder ob eine Eintragung nach Durchführung der Gründungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 3 TreuhG erforderlich ist, was zum Teil deshalb befürwortet wird, weil die Eintragung gemäß § 15 TreuhG nur deklaratorischen Charakter im Hinblick auf die gemäß § 11 TreuhG kraft Gesetzes umgewandelten Unternehmen habe (so Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, 2. Aufl., § 18 Rdn. 217; Busche, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, B 200, TreuhG § 15 Rdn. 1 und § 11 Rdn. 11 m.w.N.). Zutreffend ist die erste Auffassung jedenfalls dann, wenn die Spaltung infolge eines vom Willen der Treuhandanstalt gedeckten Organisationsakts in Vollzug gesetzt worden ist, der Eintragung im Handelsregister entsprechende Organisationseinheiten unter Zuteilung von Betriebsstrukturen und Vermögen des bisherigen Rechtsträgers tatsächlich gebildet wurden und diese im Rechtsverkehr als Kapitalgesellschaften (im Aufbau) aufgetreten sind (vgl. auch Kübler, FS für Merz, 1992, S. 333 ff., 344). In dieser Form vollzogene Spaltungsvorgänge können nicht rückgängig gemacht werden. Die dadurch entstandenen Unternehmen können als durch Sacheinlage gegründet angesehen werden (Sen.Urt. v. 19. Dezember 1994 aaO). Dementsprechend ist auch die in § 12 Abs. 1 SpTrUG für den Fall der Eintragung der Spaltungsgesellschaft im Handelsregister angeordnete Heilung der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ohne Rechtsgrundlage erfolgten Vermögensübertragungen auf im Handelsregister eingetragene, in Vollzug gesetzte Spaltungsgesellschaften im Aufbau zu erstrecken.
cc) Nach diesen Grundsätzen ist die Gemeinschuldnerin mit ihrer (am 21. August 1990 erfolgten) Eintragung ins Handelsregister als GmbH im Aufbau entstanden. Diese ist mit der später eingetragenen GmbH identisch (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 11 Rdn. 190 f.). Die durch die Geschäftsleitung des ehemaligen VEB gegenüber dem Handelsregister abgegebene Spaltungserklärung vom 11. Juli 1990 war ersichtlich vom Willen der Treuhandanstalt gedeckt; sie hat die Aufspaltung mit Wirkung vom 1. Juli 1990 in notarieller Urkunde vom 26. Juni 1991 bestätigt. Das ehemalige VEB-Vermögen wurde tatsächlich auf die drei Spaltungsgesellschaften verteilt. Wie der Kläger selbst vorgetragen hat, wurde in einer Trennungsbilanz zum 1. Juli 1990 festgehalten, welche Aktiva und Passiva auf die drei GmbH übertragen wurden. Im übrigen ergibt sich die Vermögensübertragung auf die Gemeinschuldnerin auch aus ihrer DM-Eröffnungsbilanz. Die Heilungswirkung des § 12 SpTrUG erstreckt sich gerade auch auf solche Übertragungen von Vermögensteilen; es genügt dafür das Vorhandensein von Unterlagen, aus denen sich in groben Zügen entnehmen läßt, welche Vermögensteile welcher Gesellschaft zugewiesen werden sollten (vgl. Haritz aaO § 12 SpTrUG Rdn. 2). Auf die Förmlichkeiten der §§ 7, 12 SpTrUG kommt es bei den vor Inkrafttreten dieses Gesetzes durchgeführten Realteilungen nicht an.
c) Da nach alledem die Gemeinschuldnerin gemäß § 1 Abs. 5 DMBilG als zum 1. Juli 1990 entstanden angesehen werden kann, fällt sie in den Anwendungsbereich der §§ 24 Abs. 1, 26 DMBilG, was die Unanwendbarkeit der Sachgründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes zur Folge hat. Soweit der Senat (Urt. v. 19. Dezember 1994 aaO) ausgeführt hat, die aus Realteilungen entstandenen Unternehmen könnten als durch Sacheinlage gegründet angesehen werden, hat dies mit einer Sachgründung im Sinne des GmbHG nichts zu tun, sondern beschreibt lediglich den Tatbestand, daß die Spaltungsgesellschaften mit dem ihnen zugewiesenen Vermögen als „Sacheinlage” ausgestattet sind. Es handelt sich hier ebenso um eine „vereinfachte Sachgründung”, wie dies bei den gemäß § 11 TreuhG kraft Gesetzes umgewandelten Unternehmen der Fall ist (vgl. dazu Scholz/K. Schmidt aaO § 11 Rdn. 188; Weimar, BB 1991 Beil. 13 = Suppl. 22 S. 12, 14; Frantzen, VIZ 1996, 697 f.). Auch die in §§ 19 ff. TreuhG vorgeschriebene Nachholung der Gründungsmaßnahmen durch Abschluß eines Gesellschaftsvertrages und Anmeldung zum Handelsregister führt – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht zu einer „normalen” Sachgründung im Sinne des GmbHG, sondern unterliegt im Falle der von der Treuhandanstalt gehaltenen Unternehmen den speziellen Vorschriften der §§ 24-26 DMBilG.
2. In zweifacher Hinsicht von Rechtsirrtum beeinflußt ist die Ansicht des Berufungsgerichts, § 26 Abs. 3 Satz 4 DMBilG stehe der Forderung des Klägers deshalb nicht entgegen, weil die (ursprüngliche) DM-Eröffnungsbilanz der Gemeinschuldnerin per 1. Juli 1990 keinen Fehlbetrag ergebe und der am 24. Juli 1991 von der Treuhandanstalt festgestellte Vermögensverfall erst nachträglich bzw. bis zur Anmeldung der Gemeinschuldnerin zum Handelsregister eingetreten sei.
a) Träfe das zu, so wäre eine Haftung der Beklagten erst recht ausgeschlossen, weil die § 9 GmbHG verdrängenden §§ 24, 26 DMBilG eine Forderung gegen den Anteilseigner nur zum Ausgleich von Fehlbeträgen in der Eröffnungsbilanz vorsehen.
b) Wie beide Parteien in der Revisionsinstanz zu Recht rügen, widerspricht jedoch schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, es habe per 1. Juli 1990 kein auszugleichender Fehlbetrag bestanden, dem unstreitigen Parteivortrag. Nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag des Klägers und dem Protokoll über die Feststellung der geänderten Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 weist diese eine Ausgleichsforderung von 65.044,36 DM (deren Ablehnung durch die Treuhandanstalt gemäß § 24 Abs. 1 DMBilG der Kläger akzeptiert hat) sowie eine „ausstehende Einlage” von 50.000,– DM aus, die – entsprechend § 26 Abs. 3 Satz 1 DMBilG – auf der Aktivseite bilanziert wurde. Das Berufungsgericht durfte daher nicht darauf abstellen, daß in der erstinstanzlich vorgelegten Eröffnungsbilanz in ursprünglicher Fassung an einer Stelle ohne Grundlage und offenbar versehentlich von „Ausgleichsforderungen gemäß § 25 Abs. 5 DMBilG” die Rede ist. Im übrigen ergibt auch diese Bilanz eine Unterdeckung des Stammkapitals von 30.044,36 DM, die durch eine „Ausgleichsforderung” ausgeglichen wurde.
II. Da weitere tatrichterliche Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Die in der (geänderten) Eröffnungsbilanz der Gemeinschuldnerin aktivierte Forderung gegenüber der Treuhandanstalt auf Einzahlung ihrer „ausstehenden Einlage” (§ 26 Abs. 3 Satz 1, 3 DMBilG) ist gemäß § 26 Abs. 3 Satz 4 DMBilG entfallen.
1. Gemäß § 26 Abs. 1, 2 DMBilG wird das im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Eigenkapital (zumindest in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe) primär durch das Vermögen der Gesellschaft unter Abzug der Verbindlichkeiten und Rücklagen (Abs. 3 Satz 1) gebildet. Ergibt sich danach ein Fehlbetrag, so ist dieser als ausstehende Einlage zu aktivieren und gilt, solange noch nicht eingezahlt, als gegenüber dem Anteilseigner eingefordert (Abs. 3 Satz 3). Er kann die Forderung u.a. dann zu Fall bringen, wenn er die Auflösung des Unternehmens innerhalb der Feststellungsfrist für die Eröffnungsbilanz beschließt. Diese Frist endete nach § 35 Abs. 1 Satz 3, Halbsatz 2 DMBilG bei sog. „kleinen Unternehmen” (wie der Gemeinschuldnerin) mit Ablauf des 15. Monats nach dem Bilanzstichtag (1. Juli 1990; vgl. § 1 Abs. 1 DMBilG), also am 30. September 1991.
2. Der Beschluß der Treuhandanstalt vom 24. Juli 1991, die Gemeinschuldnerin „sofort still zu liquidieren”, ist als Auflösungsbeschluß im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 4 DMBilG anzusehen. Diese Vorgehensweise entsprach der in den Jahren 1990/91 geübten Praxis der Treuhandanstalt, die sozialpsychologisch unerwünschten Wirkungen einer zu großen Zahl an sich gebotener Gesamtvollstreckungsverfahren zu vermeiden (kritisch dazu Ulmer und Kübler in: Hommelhoff, Treuhandunternehmen im Umbruch, 1991, S. 39, 41 f.; 79, 90 ff.), stellte also einen Ersatz für die in § 26 Abs. 3 Satz 4 DMBilG ebenfalls als Schuldbefreiungsgrund genannte Einleitung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens dar. Gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG erfolgt die Auflösung einer GmbH durch Gesellschafterbeschluß, der nicht ausdrücklich in diesem Sinne formuliert sein muß. Auflösung bedeutet die Änderung des auf Gewinnerzielung gerichteten Zwecks des Unternehmens in den Abwicklungszweck (vgl. Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 262 Rdn. 2 m.w.N.). Auch in dem Beschluß zur Einstellung des Unternehmens kann ein Auflösungsbeschluß zu erblicken sein (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 60 Rdn. 13; Bordt in Budde/Forster aaO Hauptbd. § 26 Rdn. 46). Diesen Anforderungen genügte die beschlossene stille Liquidation, zumal im Zusammenhang mit der ausdrücklich festgestellten fehlenden Sanierungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin und mit dem Ausschluß einer Entschuldung. Damit kam zum Ausdruck, daß das Unternehmen nicht werbend fortgeführt werden konnte und sollte. Einem darin zu sehenden Auflösungsbeschluß steht nicht entgegen, daß die Treuhandanstalt am 10. Dezember 1991 (nochmals) ausdrücklich die Auflösung der Gemeinschuldnerin beschlossen hat, was nur eine Klarstellung bedeutete. Die – hier fehlende – Anmeldung der Liquidation zum Handelsregister (§ 65 GmbHG) setzt § 26 Abs. 3 Satz 4 DMBilG nicht voraus; die Eintragung im Handelsregister ist für die Auflösung auch nicht konstitutiv (vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 60 Rdn. 35; Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., § 60 Rdn. 19). Die von der Revisionserwiderung vorsorglich erhobene Gegenrüge, der Kläger habe behauptet, die Gemeinschuldnerin sei nach Einleitung der stillen Liquidation weiterhin werbend tätig gewesen, bleibt ohne Erfolg. Denn § 26 Abs. 3 Satz 4 DMBilG stellt allein auf den Auflösungsbeschluß ab. Dieser schließt eine weitere Geschäftstätigkeit im Rahmen des § 70 Satz 2 GmbHG nicht aus.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.11.1998 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538708 |
BB 1999, 1377 |
DB 1999, 373 |
DStR 1999, 330 |
HFR 1999, 934 |
NJW 1999, 1481 |
BGHR |
NZG 1999, 262 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1999, 233 |
WM 1999, 273 |
ZAP-Ost 1999, 103 |
ZIP 1999, 281 |
NJ 1999, 203 |
GmbHR 1999, 229 |
OVS 1999, 128 |