Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 18. März 1999 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der S. GmbH im Aufbau B. und fordert von der beklagten Bundesanstalt Zahlung von 50.000,– DM als ausstehende Einlage. Hilfsweise begehrt er im Wege der Teilklage 50.000,– DM aus einer nach seiner Auffassung bestehenden Ausgleichsforderung der Gemeinschuldnerin gemäß § 24 Abs. 1 DMBilG.
Die Gemeinschuldnerin ist zum 1. Juli 1990 im Wege der gesetzlichen Umwandlung gemäß § 11 Abs. 2 TreuhG aus dem früheren VEB Sp. B. hervorgegangen. Am 21. Juni 1991 schloß die Treuhandanstalt, die Namensvorgängerin der Beklagten, als Alleingesellschafterin der Gemeinschuldnerin einen notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag, in dem das Stammkapital auf 50.000,– DM festgesetzt wurde. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin beantragte ebenfalls unter dem 21. Juni 1991 die Löschung des Zusatzes „im Aufbau” beim Handelsregister und fügte der Anmeldung auch eine DM-Eröffnungsbilanz der Gesellschaft zum 1. Juli 1990 bei. Die Bilanz weist als Aktiva unter anderem eine ausstehende Einlage in Höhe von 50.000,– DM und eine Ausgleichsforderung gemäß § 24 Abs. 1 DMBilG in Höhe von mehr als 2,2 Mio. DM aus. Ob diese Bilanz von der Treuhandanstalt festgestellt worden ist, ist zwischen den Parteien im Streit. In der Folge entschied die Treuhandanstalt, den Betrieb der Gemeinschuldnerin nicht fortzuführen, und holte ein Gutachten über den Vergleich der Kosten einer stillen Liquidation mit denen der Durchführung der Gesamtvollstreckung ein. Im Mai 1992 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Das Landgericht hat die Beklagte auf den Hauptantrag zur Zahlung der ausstehenden Einlage verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen (Urteil veröffentlicht in NZG 1999, 676). Hiergegen richtet sich die – zugelassene – Revision des Klägers, mit der er sein Haupt- und Hilfsbegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne durchgreifenden Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß der Gemeinschuldnerin die vom Kläger begehrten 50.000,– DM weder als ausstehende Einlage noch als Teilbetrag einer Ausgleichsforderung gegen die Beklagte zustehen.
I. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, der Kläger habe nicht hinreichend substantiiert dargetan, daß die Treuhandanstalt die dem Registergericht mit dem Antrag auf Löschung des Zusatzes „im Aufbau” übersandte DM-Eröffnungsbilanz (wirksam) festgestellt hat. Infolgedessen bedurfte es – entgegen der Rüge der Revision – einer Einvernahme der vom Kläger angebotenen Zeuginnen nicht.
Die Feststellung einer DM-Eröffnungsbilanz für die Gemeinschuldnerin hätte gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 DMBilG in Verbindung mit § 48 GmbHG durch Gesellschafterbeschluß der Treuhandanstalt erfolgen müssen. Der Kläger hat für die Fassung eines solchen Gesellschafterbeschlusses keine Tatsachen vorgetragen, sondern die Feststellung lediglich aus vermeintlichen Indizien abgeleitet. Diese Indizien lassen jedoch in keiner Hinsicht auf eine Feststellung der DM-Eröffnungsbilanz schließen. Das unter dem Briefkopf der Treuhandanstalt abgefaßte Schreiben des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin an das Registergericht vom 21. Juni 1991, mit dem er die Löschung des Zusatzes „im Aufbau” beantragt hat, gibt für die Feststellung der Bilanz nichts her. In dem Schreiben wird lediglich auf die als Anlage beigefügte DM-Eröffnungsbilanz Bezug genommen, ohne daß sich daraus ein Hinweis auf eine Feststellung durch die Treuhandanstalt ergibt. Ebensowenig enthält die beigefügte Bilanz selbst einen Anhaltspunkt für eine Feststellung durch die Treuhandanstalt. Auch der Umstand, daß das Registergericht in der Zwischenverfügung vom 25. Februar 1992 die Treuhandanstalt zwar auf das Fehlen eines Prüfungsberichts in bezug auf die vom Geschäftsführer vorgelegte DM-Eröffnungsbilanz, nicht aber auch auf das Fehlen eines Feststellungsnachweises hingewiesen hat, läßt nicht den Schluß auf eine Feststellung der Bilanz durch die Treuhandanstalt zu, zumal eine solche Feststellung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 DMBilG nicht ohne vorherige Prüfung (durch einen Wirtschaftsprüfer) hätte erfolgen können. Für die gegenteilige – „vorsorglich” unter Zeugenbeweis gestellte – Schlußfolgerung des Klägers, „daß eine festgestellte Eröffnungsbilanz augenscheinlich existiert” habe, fehlt sonach jeglicher Anhaltspunkt. Es handelt sich offensichtlich um eine Behauptung ins Blaue hinein, die auch einen Bezug zu einem konkreten, gemäß §§ 35 Abs. 1 Satz 3 DMBilG, 48 GmbHG erforderlichen Feststellungsbeschluß der Treuhandanstalt nicht erkennen läßt. Zumindest ist mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß ein etwaiger Feststellungsbeschluß gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 DMBilG wirkungslos wäre, weil das Registergericht in der erwähnten Zwischenverfügung vom 25. Februar 1992 das Fehlen eines Prüfungsberichts im Hinblick auf die beim Registergericht eingereichte DM-Eröffnungsbilanz gerügt und der Kläger eine Prüfung der Bilanz weder dargelegt noch unter Beweis gestellt hat. Auf den Beweisantritt des Klägers für die „augenscheinliche Existenz einer festgestellten Eröffnungsbilanz” kommt es daher nicht an.
II. Ohne wirksam festgestellte DM-Eröffnungsbilanz kann der Kläger die Beklagte weder auf Zahlung einer ausstehenden Einlage, noch auf Begleichung einer Ausgleichsforderung gemäß § 24 Abs. 1 DMBilG in Anspruch nehmen.
1. Wie das Berufungsgericht richtig ausführt, entsteht bei den Kapitalgesellschaften im Aufbau allein durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrages durch die Treuhandanstalt (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 TreuhG) – auch wenn darin bereits ein bestimmtes Stammkapital ausgewiesen ist – noch keine Einlageforderung der Gesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 GmbHG. Die Kapitalausstattung der gemäß §§ 11 ff. TreuhG umgewandelten ehemals volkseigenen Betriebe richtet sich vielmehr nach den speziellen Regelungen der §§ 24-26 DMBilG (vgl. Sen.Urt. v. 23. November 1998 - II ZR 70/97, ZIP 1999, 281, 282 f.; Spoerr, Treuhandanstalt und Treuhandunternehmen zwischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Gesellschaftsrecht 1992, S. 234 ff.). Die Entstehung einer Einlageforderung und deren Höhe bestimmt sich gemäß § 26 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 DMBilG danach, ob das in der DM-Eröffnungsbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich Sonderrücklagen und vorläufiger Gewinnrücklage zur Bildung des gezeichneten Kapitals ausreicht. Unterschreitet das ausgewiesene Eigenkapital das gezeichnete Kapital, bildet der Differenzbetrag die ausstehende Einlage. Notwendige Grundlage für Feststellungen zur Entstehung und zur Höhe der ausstehenden Einlage ist somit die DM-Eröffnungsbilanz.
a) Ohne Feststellungsbeschluß des Anteilsinhabers fehlt es aber an einer wirksamen DM-Eröffnungsbilanz, die als Grundlage für die Berechnung der ausstehenden Einlage dienen könnte, denn eine nicht wirksam festgestellte DM-Eröffnungsbilanz ist gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 DMBilG nichtig. Mit der Feststellung der Bilanz macht sich der Feststellungsberechtigte deren Inhalt zu eigen. Sie begründet die Maßgeblichkeit der in der Bilanz ausgewiesenen Werte für das Unternehmen und den Anteilsinhaber (vgl. amtliche Begründung zu § 35 DMBilG, abgedruckt bei Budde/Forster, D-Markbilanzgesetz, Hauptband, vor Rdn. 1). Erst die Feststellung der Eröffnungsbilanz rechtfertigt es deshalb, das Zahlenwerk zur Grundlage für die Höhe der im Rahmen der Eigenkapitalsicherung entstehenden Einlageforderung gegen den Anteilsinhaber zu machen. Die in § 35 Abs. 2 Satz 2 DMBilG angeordnete Nichtigkeitsfolge wegen fehlender Feststellung führt deshalb dazu, daß die Bilanz nicht als Grundlage für die Berechnung und Einforderung der ausstehenden Einlage gemäß § 26 Abs. 3 DMBilG dienen kann (Budde/Kofahl in Budde/Forster aaO, § 35 Rdn. 2, 24).
b) Mangels festgestellter DM-Eröffnungsbilanz kann die Festsetzung des Stammkapitals im Gesellschaftsvertrag vom 21. Juni 1991 auch nicht als Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse der Gemeinschuldnerin im Sinne von § 26 Abs. 2 DMBilG aufgefaßt werden, denn diese kann nur zeitlich mit oder nach der Feststellung der DM-Eröffnungsbilanz erfolgen (Sen.Urt. v. 7. Dezember 1998 - II ZR 266/97, ZIP 1999, 139, 141, zur Veröffentlichung in BGHZ 140, 156 vorgesehen). Sind die Kapitalverhältnisse der Gesellschaft nicht neu festgesetzt, fehlt es aber an der Grundvoraussetzung für die Entstehung einer Einlageforderung gemäß § 26 Abs. 3 DMBilG. Erst mit der Neufestsetzung sind die Kapitalverhältnisse der in Kapitalgesellschaften umgewandelten früheren volkseigenen Wirtschaftseinheiten fixiert und wird über den Kapitaleinsatz der öffentlichen Hand durch Übernahme der Finanzierungsverantwortung durch die Treuhandanstalt entschieden (vgl. Spoerr aaO, S. 292; Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet 2. Aufl. § 18 Rdn. 169). Dies kommt auch in der Regelung des § 56 e Abs. 1 Satz 2 DMBilG zum Ausdruck, wonach die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts erst für die nach dem Zeitpunkt der Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse gewährten Finanzierungshilfen der Treuhandanstalt zur Anwendung kommen.
c) Gegen den dargestellten Zusammenhang zwischen der Feststellung der DM-Eröffnungsbilanz, der Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse und der Entstehung der Einlageforderung kann auch nicht – wie die Revision meint – die Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 4 DMBilG ins Feld geführt werden, wonach die Einlageforderung entfällt, wenn der Anteilseigner innerhalb der Feststellungsfrist für die Eröffnungsbilanz die Auflösung der Gesellschaft beschließt oder wenn innerhalb dieser Frist die Eröffnung der Gesamtvollstreckung beantragt wird. Die Vorschrift regelt nicht die Voraussetzungen für die Entstehung der Einlageforderung, sondern setzt voraus, daß bereits eine Einlageforderung der Gesellschaft entstanden ist, die dann im Falle der fristgemäßen Auflösung der Gesellschaft bzw. der rechtzeitigen Beantragung des Gesamtvollstreckungsverfahrens wieder entfällt. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß eine Einlageforderung unabhängig von der Feststellung der DM-Eröffnungsbilanz und der Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse immer dann besteht, wenn die dort genannten Erlöschenstatbestände nicht eingreifen.
2. Auch die vom Kläger hilfsweise geltend gemachte Ausgleichsforderung der Gemeinschuldnerin gegen die Treuhandanstalt gemäß § 24 Abs. 1 DMBilG, mit der eine zum 1. Juli 1990 bestehende Überschuldung der Gesellschaft ausgeglichen wird, setzt ebenfalls eine wirksame – mithin ordnungsgemäß festgestellte – Eröffnungsbilanz voraus vgl. Budde/Kofahl in Budde/Forster aaO, Hauptband, § 35 Rdn. 2, 24). Die Ausgleichsforderung errechnet sich auf der Grundlage der in der DM-Eröffnungsbilanz ausgewiesenen Aktiva und Passiva und wird erst nach Ablauf der mit Einreichung einer festgestellten Eröffnungsbilanz beginnenden Überlegungsfrist des Ausgleichsschuldners (§ 24 Abs. 1 Satz 1 DMBilG) fällig (vgl. unten 3 a).
3. Der Kläger kann seine Ansprüche auch nicht darauf stützen, daß die Beklagte die im Fall der Gemeinschuldnerin (mit mehr als 50 Arbeitnehmern) gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 DMBilG bis zum 30. Juni 1991 laufende Frist für die Bilanzfeststellung versäumt hat.
a) Für die Ausgleichsforderung hat das Berufungsgericht dies zu Recht der Bestimmung in § 24 Abs. 1 Satz 1 DMBilG entnommen, wonach der Schuldner die Ausgleichsforderung noch innerhalb von drei Monaten nach Einreichung der festgestellten DM-Eröffnungsbilanz ablehnen kann. Diese mit dem Privatisierungshemmnisbeseitigungsgesetz vom 22. März 1991 (BGBl. I S. 766) eingeführte flexible Fristenregelung, die die vorherige starre, an den Ablauf der Feststellungsfrist geknüpfte Ablehnungsfrist abgelöst hat, ist vom Gesetzgeber ausdrücklich damit begründet worden, daß damit sichergestellt sei, „daß der Schuldner in jedem Fall noch drei Monate Zeit zur Prüfung hat, auch wenn die festgestellte Eröffnungsbilanz erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt wird.” (amtliche Begründung des Gesetzentwurfs, abgedruckt bei Budde/Forster aaO, Ergänzungsband, vor Rdn. 1 zu § 24). Das zeigt, daß die Existenz einer festgestellten Eröffnungsbilanz unabdingbare Voraussetzung für die Entstehung einer Ausgleichsforderung ist, selbst wenn die Feststellungsfrist versäumt worden sein sollte.
b) Auch im Hinblick auf § 26 Abs. 3 DMBilG bewirkt der fruchtlose Ablauf der Feststellungsfrist für die DM-Eröffnungsbilanz nicht, daß der Gesellschaft damit eine Einlageforderung gegen die Treuhandanstalt zusteht. Wie der Senat bereits zur Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse gemäß § 26 Abs. 2 DMBilG ausgeführt hat (Urt. v. 7. Dezember 1998 aaO, ZIP 1999, 139, 142), hat der Gesetzgeber an die Überschreitung der Feststellungsfristen des § 35 Abs. 1 Satz 3 DMBilG bewußt keine für die Treuhandanstalt nachteiligen Sanktionen geknüpft, weil die Fristen offenbar zu knapp bemessen waren, um zu diesem Zeitpunkt bereits fundierte Entscheidungen über die Sanierungsfähigkeit der einzelnen Unternehmen zuzulassen. Der fruchtlose Ablauf der Feststellungsfrist bewirkt deshalb weder die Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse der Treuhandunternehmen gemäß § 26 Abs. 2 DMBilG (Sen.Urt. v. 7. Dezember 1998 aaO), noch bringt sie eine Einlageforderung der Gesellschaft gemäß § 26 Abs. 3 DMBilG zur Entstehung (vgl. oben II 1 c).
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Kraemer, Münke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.03.2000 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NWB 2001, 946 |
BBK 2001, 406 |
BGHR 2001, 293 |
VIZ 2001, 119 |
WM 2001, 461 |
WuB 2002, 723 |
www.judicialis.de 2000 |