Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung eines befristeten Kündigungsverzichts in einem Wohnraummietvertrag.
Normenkette
BGB § 557a Abs. 3, § 573c
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Köln vom 17.3.2011 aufgehoben und das Urteil des AG Köln vom 11.8.2009 unter teilweiser Abänderung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.956 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.6.2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte mietete für die Tochter des Geschäftsführers ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin eine Wohnung der Klägerin in Köln.
Rz. 2
Ziff. 3 des Vertrages vom 26.10.2007 lautet:
"3. Mietzeit: Ab dem 1.11.2007 Unbefristet: Die Parteien verzichten wechselseitig für die Dauer von drei Jahren auf ihr Recht zur Kündigung! Eine Kündigung ist erstmalig nach Ablauf eines Zeitraumes von drei Jahren mit der gesetzlichen Frist zulässig, also ab dem 30.10.2010 zum 1.1.2011 möglich!"
Rz. 3
Ziff. 4 des Mietvertrages enthält zur Höhe der Miete eine Staffelmietvereinbarung. Die Beklagte kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 11.12.2008 zum 31.12.2008. Die Klägerin widersprach der Kündigung unter Hinweis auf die Vereinbarung in Ziff. 3 des Mietvertrags. Sie erhielt die Schlüssel am 18.5.2009 von der Beklagten zurück und vermietete die Wohnung zum 1.10.2009 anderweitig.
Rz. 4
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Zahlung der Miete für die Monate Januar bis einschließlich Juni 2009i.H.v. insgesamt 4.956 EUR nebst Zinsen. Das AG hat der Klage i.H.v. 3.763,62 EUR nebst Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat die Regelung in Ziff. 3 des Mietvertrages für unwirksam gehalten und der Klägerin Miete (2.478 EUR) für die Zeit bis einschließlich März 2009 sowie Nutzungsentschädigung gem. § 546a BGB (1.305,62 EUR) für den Zeitraum von April 2009 bis zur Schlüsselrückgabe zugesprochen. Das LG hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Mit dem AG sei davon auszugehen, dass die Kündigung der Beklagten zur Beendigung des Mietverhältnisses zum Ende des Monats März 2009 geführt habe. Das AG habe Ziff. 3 des Mietvertrages zu Recht wegen Verstoßes gegen § 307 BGB für unwirksam gehalten. Eine Klausel, die neben einem zulässigen Ausschluss des Rechts auf ordentliche Kündigung auch das Recht zur außerordentlichen Kündigung ausschließe, sei unwirksam. Ob dies der Fall sei, sei durch Auslegung zu ermitteln. Eine Auslegung von Ziff. 3 des Mietvertrages führe zu dem Ergebnis, dass von dem Kündigungsausschluss beide Kündigungsarten erfasst seien. Denn die Klausel unterscheide nicht zwischen einer ordentlichen und einer fristlosen Kündigung, sondern halte undifferenziert fest, dass die Parteien für die Dauer von drei Jahren "auf ihr Recht zur Kündigung" verzichteten. Auch aus dem zweiten Satz sei nicht eindeutig zu entnehmen, ob sich die Klausel nur auf eine bestimmte Kündigungsart beziehe. Zwar könne dieser Satz aufgrund der Angabe der Kündigungsfrist so verstanden werden, dass von der gesamten Klausel nur die ordentliche Kündigung erfasst werden solle. Er könne jedoch auch so verstanden werden, dass auch nach Ablauf von drei Jahren nur eine ordentliche Kündigung möglich sein solle. Eine Mehrdeutigkeit bei der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung gehe jedoch gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Hinzu komme, dass im vorliegenden Rechtsstreit auch aus den übrigen Vertragsklauseln nicht abgeleitet werden könne, auf welche Kündigungsarten sich Ziff. 3 des Mietvertrages beziehe.
II.
Rz. 8
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist Ziff. 3 des Mietvertrages nicht gem. § 307 BGB unwirksam. Die Kündigung der Beklagten hat das Mietverhältnis daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht vorzeitig zum 31.3.2009 beendet.
Rz. 9
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei der Regelung in Ziff. 3 des Mietvertrages um eine Formularklausel handelt. Das wird von den Parteien nicht angegriffen.
Rz. 10
2. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein beiderseitiger, zeitlich begrenzter Kündigungsausschluss in einem Formularmietvertrag über Wohnraum grundsätzlich zulässig; in der Regel unwirksam ist er nur dann, wenn seine Dauer mehr als vier Jahre beträgt (BGH, Urt. v. 6.4.2005 - VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574 unter II 1; v. 8.12.2010 - VIII ZR 86/10, NJW 2011, 597 Rz. 11 f.). Diese zeitliche Obergrenze besteht auch für einen Ausschluss des Kündigungsrechts des Mieters in einem Staffelmietvertrag (§ 557a Abs. 3 Satz 1 BGB). Ein solcher Kündigungsausschluss zu Lasten des Mieters kann auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Staffelmietvertrages vereinbart werden (st.Rspr.; BGH, Urt. v. 23.11.2005 - VIII ZR 154/04, NJW 2006, 1056 Rz. 13; v. 25.1.2006 - VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059 Rz. 19 m.w.N.; v. 3.5.2006 - VIII ZR 243/05, WuM 2006, 385 Rz. 11). Die zeitliche Obergrenze von vier Jahren für einen Kündigungsausschluss wird in Ziff. 3 des Mietvertrages nicht überschritten.
Rz. 11
3. Der formularmäßige Kündigungsausschluss in Ziff. 3 des Mietvertrags ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Klausel benachteilige den Mieter unangemessen, weil sie auch dessen Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags ausschließe. Das trifft nicht zu.
Rz. 12
Die Auslegung der Klausel durch das Berufungsgericht, die der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rz. 11), überzeugt nicht. Aus der Sicht eines verständigen, juristisch nicht vorgebildeten Mieters ist Ziff. 3 des Mietvertrages nicht mehrdeutig. Die Klausel schließt lediglich das Recht beider Parteien zur ordentlichen Kündigung für die Dauer von drei Jahren aus.
Rz. 13
a) Hierfür spricht bereits, dass in Satz 2 der Klausel für die Zeit nach Ablauf von drei Jahren ausdrücklich die Kündigung "mit gesetzlicher Frist" - also die ordentliche Kündigung - geregelt ist. Schon daraus ist herzuleiten, dass die Regelung in Ziff. 3 des Mietvertrages insgesamt nur den vorübergehenden Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung zum Gegenstand hat. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Regelung in Satz 2 der Klausel könne auch dahin verstanden werden, dass nach Ablauf von drei Jahren "nur" eine ordentliche Kündigung möglich sein solle, eine außerordentliche Kündigung dagegen auch nach Ablauf von drei Jahren unzulässig sei, ist fernliegend.
Rz. 14
b) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, nicht beachtet, dass Ziff. 3 des Mietvertrages im Zusammenhang mit der zulässigen Staffelmietvereinbarung in Ziff. 4 des Mietvertrages zu würdigen ist. Auch die gesetzliche Regelung in § 557a Abs. 3 BGB, nach der bei einer Staffelmietvereinbarung "das Kündigungsrecht" des Mieters für höchstens vier Jahre ausgeschlossen werden kann, bezieht sich - trotz ihrer weiten sprachlichen Formulierung - unzweifelhaft nur auf die ordentliche Kündigung. Der Senat hat bereits entschieden, dass Kündigungsausschlussklauseln in Staffelmietverträgen, die ebenso wie § 557a Abs. 3 BGB nur allgemein vom Kündigungsrecht sprechen, im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung auszulegen sind (BGH, Urt. v. 23.11.2005 - VIII ZR 154/04, a.a.O., Rz. 8 ff.; vom 25.1.2006, a.a.O., Rz. 13 ff.). Für die vorliegende Klausel gilt nichts anderes. Ziff. 3 des Mietvertrags hat daher nur den auf drei Jahre (zzgl. der dreimonatigen Kündigungsfrist) beschränkten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung zum Gegenstand und ist deshalb wirksam.
III.
Rz. 15
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Da die Kündigung der Beklagten das Mietverhältnis nicht vorzeitig beendet hat, steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Miete über den Monat März hinaus bis einschließlich Juni 2009 zu. Auf die Berufung der Klägerin ist das erstinstanzliche Urteil daher entsprechend abzuändern.
Fundstellen
Haufe-Index 2885638 |
NJW 2012, 521 |
EBE/BGH 2012, 26 |
NZM 2012, 111 |
ZMR 2012, 344 |
MDR 2012, 208 |
WuM 2012, 436 |
WuM 2012, 99 |
Info M 2012, 9 |
MietRB 2012, 34 |
RdW 2012, 348 |
BBB 2012, 60 |
IWR 2012, 76 |
LL 2012, 222 |
MK 2012, 117 |