Entscheidungsstichwort (Thema)
Totschlag
Leitsatz (amtlich)
Zur subjektiven Seite des Verdeckungsmords bei einem Täter, der in einem durch die Tatentdeckung hervorgerufenen affektiven Erregungszustand tötet.
Normenkette
StGB § 211 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 7 - 2/97 Ks 15 Js 10665/97) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 19. Dezember 1997, soweit es die Angeklagte Renate S. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags in Tateinheit mit schwerem Raub (§ 212, § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.) zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Gegen die Mitangeklagte H., ihre leibliche Schwester, hat es wegen Beihilfe zum schweren Raub eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verhängt.
Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil zum Nachteil der Angeklagten S. mit der auf die Sachrüge gestützten Revision insoweit an, als die Tat der Angeklagten nicht als zur Verdeckung einer Straftat begangener Mord und zugleich als Raub mit Todesfolge beurteilt worden ist. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel ist begründet.
Auf Grund entsprechender Absprache mit ihrer Schwester, der Mitangeklagten H., suchte die Angeklagte nach telefonischer Verabredung die 69 Jahre alte Ilse P., eine in ihrem Haus alleinlebende Witwe, unter falschem Namen und der Vorspiegelung auf, am Kauf einer Spirituosensammlung des verstorbenen Mannes von Frau P. interessiert zu sein. In Wahrheit hatte sie jedoch vor, Frau P. durch ein heimlich in ein Getränk gegebenes Mittel zu betäuben und danach Schmuck und Geld zu entwenden. Zwar gelang es der Angeklagten, Frau P. in Wasser aufgelöstes Diazepam unbemerkt in ein Glas Mineralwasser zu schütten, und diese trank auch davon. Jedoch blieb die von der Angeklagten erwartete alsbaldige Wirkung aus; Ilse P., die sich wenige Wochen zuvor noch wegen eines Asthmaleidens in stationärer Behandlung befunden hatte, ermüdete allerdings stark und war benommen, blieb aber bei Bewußtsein. Der Angeklagten gelang es, ihren Besuch, in dessen Verlauf noch ein mit Frau P. befreundetes Ehepaar aus der Nachbarschaft für mehrere Stunden anwesend war, durch Ausflüchte und die Vortäuschung, sie könne nicht mehr wie vorgesehen von einem Bekannten abgeholt werden, zeitlich so auszudehnen, daß Frau P. ihr das Gästezimmer zum Übernachten anbot. Nachdem Ilse P., die immer noch unter der Wirkung des verabreichten Mittels stand, zu Bett gegangen war, machte sich die Angeklagte von dem zur Verfügung gestellten Zimmer aus auf die Suche nach Schmuck und Geld. Dabei stand sie über ein mobiles Funktelefon (Handy), das sie sich zu diesem Zweck angeschafft hatte, mit ihrer Schwester, der mit den Örtlichkeiten vertrauten Mitangeklagten H., in telefonischer Verbindung und wurde von dieser durch das Haus gelenkt. Nachdem die Angeklagte, die – ersichtlich zur Vermeidung von Fingerspuren – sog. Aidshandschuhe angezogen hatte, den von ihr aufgrund der Angaben ihrer Schwester im Haus vermuteten Tresor beim Gang durch die Räume nicht gefunden hatte, betrat sie, weiterhin auf der Suche nach Geld, schließlich das Zimmer, wo Ilse P. schlief. Als die Angeklagte an das Bett herantrat und sich über die Schlafende beugte, erwachte diese, griff erschrocken mit beiden Händen in die Haare der Angeklagten und zog sie zu sich herab. Überrascht vom Erwachen von Ilse P. wurde die Angeklagte von Panik erfaßt, versuchte vergeblich freizukommen und schlug dann, um sich zu befreien, mit einer auf der Bettablage abgestellten Mineralwasserflasche so heftig auf den Kopf von Ilse P., daß das Glas zersplitterte. Als Frau P. trotzdem nicht losließ, geriet die Angeklagte immer mehr in Panik und würgte ihr Opfer mit beiden Händen am Hals, um loszukommen. Sie drückte mit voller Kraft zu und nahm dabei den Tod von Ilse P. zumindest billigend in Kauf. Nach etwa fünf Minuten Kampf starb Ilse P. durch Erwürgen. Fluchtartig verließ die Angeklagte das Haus der Getöteten. Nach den Urteilsfeststellungen entwendete sie aus dem Haus von Ilse P. Schmuck im Wert von mindestens 3.400 DM, ohne daß sich feststellen ließ, wann und wo genau dies während des Aufenthalts der Angeklagten im Haus der Getöteten geschah. Jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang der Darstellung im Urteil, insbesondere aus dem Hinweis auf das fluchtartige Verlassen des Hauses, daß die Angeklagte den Schmuck bereits an sich genommen hatte, bevor sie das Schlafzimmer von Ilse P. betrat.
Das Landgericht hat Mord mit der Begründung verneint, daß der Angeklagten hinsichtlich sämtlicher in Betracht kommender Mordmerkmale der Vorsatz gefehlt habe. Des Raubes mit Todesfolge nach § 251 StGB hat sich die Angeklagte nach Meinung des Landgerichts nicht schuldig gemacht, weil sich in der Tötung keine unmittelbare Gefahr der begangenen Raubtat verwirklicht habe.
1. Bereits bei der Würdigung der äußeren Tatseite unterliegen diese Erwägungen insofern durchgreifenden rechtlichen Bedenken, als das Landgericht die Voraussetzungen des § 251 StGB verneint hat. Richtig ist freilich die Ausgangsüberlegung des Erfordernisses besonderer Gefahrverwirklichung, die die Strafkammer bei der Wertung der Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 251 StGB zugrunde gelegt hat. Der spezielle, in der erhöhten Strafdrohung zum Ausdruck kommende Unrechtsgehalt des Raubs mit Todesfolge liegt darin, daß sich die dem Raub eigentümliche Gefahr für die betroffenen Rechtsgüter in einer über den bloßen Ursachenzusammenhang zwischen dem Grunddelikt und dem Todeserfolg hinausgehenden Weise in der Todesfolge niedergeschlagen haben muß (vgl. BGHSt 38, 295, 298; BGH NStZ 1998, 511, 512). Dieser qualifikationsspezifische Gefahrzusammenhang ist jedoch nicht nur gegeben, wenn der Täter den Tod des Opfers durch eine Nötigungshandlung bewirkt, die der Ermöglichung der Wegnahme dient. Vielmehr kann der Todeserfolg auch dann die Verwirklichung der einem Raub eigenen besonderen Gefährlichkeit bedeuten, wenn der Täter die zum Tod führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht und Beutesicherung einsetzt (vgl. BGHSt 38, 295, 297 f.; BGH NStZ 1998, 511, 512). Weder Wortlaut noch Sinn des § 251 StGB gebieten eine Anwendungseinschränkung auf nur der Wegnahme dienende Nötigungshandlungen, die für das Opfer tödlich sind. Zu der für Raubtaten typischen besonderen Gefährlichkeit gehören auch Risiken, die durch die mit dem Einsatz der Nötigungsmittel zur Wegnahme regelmäßig verbundene Konfrontation mit dem Opfer in dem Sinne hervorgerufen werden können, daß das Opfer sich zum Zweck der Tatverhinderung und/oder der Ergreifung des Täters zur Wehr setzt und der Täter darauf mit tödlicher Gewalt reagiert. Unter dem Blickwinkel der deliktstypischen Gefährlichkeit kommt es dabei auch nicht entscheidend darauf an, ob diese auf die Gegenwehr des Opfers zum Tod führende Gewalt zur Beutesicherung oder allein zur Ermöglichung der Flucht dient (vgl. für den Fall des gescheiterten Raubversuchs: BGH NStZ 1998, 511). Die knappe Begründung, mit der die Voraussetzungen des § 251 StGB im Urteil verneint worden sind, läßt besorgen, daß das Landgericht den Begriff der deliktstypischen Gefahrverwirklichung zu eng gefaßt hat. Zwar lag die Beibringung des Schlafmittels, in der die Gewaltanwendung zur Ermöglichung der Entwendung von Geld und Schmuck zu sehen ist, im Zeitpunkt der Tötungshandlung schon länger zurück und war ohne die erwartete alsbaldige Wirkung geblieben. Sie war jedoch nicht mit der Folge wirkungslos, daß der Raubversuch abgebrochen gewesen wäre und daß bei der zeitlich vor der Tötung einzuordnenden Ansichnahme des Schmucks der für den Raub wesentliche funktionale Wirkungszusammenhang zwischen Gewaltanwendung und Wegnahme aus der Sicht der Täterin nicht mehr bestanden hätte. Vielmehr ist dem Urteil zu entnehmen, daß die durch das Schlafmittel hervorgerufene Schwächung der Widerstandskräfte von Ilse P. andauerte, die Entwendung unter Ausnutzung dieser Beeinträchtigungen geschah und der mit der Ansichnahme des Schmucks rechtlich vollendete Raub noch nicht abgeschlossen war, als die Angeklagte weiter auf der Suche nach Geld an das Bett herantrat und es dann auf die Gegenwehr des Opfers zu der tödlichen Gewalttätigkeit kam. Der in § 251 StGB alter wie neuer Fassung vorausgesetzte enge Zusammenhang der tödlichen Gewalt mit dem Raubgeschehen ist damit gegeben. Daß bei der Begehung eines Raubs die in der genauen Dosierung schwierige Beibringung eines Schlaf- oder Betäubungsmittels nicht ganz die vorgesehene Wirkung hat oder daß die Wirkung nicht so lange vorhält wie erwartet und das Opfer sich dann mit entsprechenden Gegenreaktionen des Täters zur Wehr setzt, gehört aus der Sicht des Täters, wie durch entsprechende Äußerungen der Mitangeklagten deutlich gemacht wird (vgl. UA S. 20), zu den sich aufdrängenden deliktstypischen Risiken und aus der Sicht des Opfers zu den besonderen Gefahren bei der Begehung des auf Konfrontation angelegten Raubs. Diese besondere Gefährlichkeit hat sich im vorliegenden Fall im Tod von Ilse P. verwirklicht.
2. Eine Ergänzung des Schuldspruchs durch eigene Entscheidung (§ 354 Abs. 1 StPO entspr.) im Sinne einer Ersetzung des § 250 StGB durch § 251 StGB (vgl. BGHSt 21, 183) ist dem Senat schon deshalb verwehrt, weil die Tat der Angeklagten auch zur subjektiven Seite – nämlich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Mordes, zu dem der Raub mit Todesfolge in Tateinheit stehen kann (BGHSt 39, 100) – neuer tatrichterlicher Prüfung bedarf.
Vor dem Hintergrund der bei der Angeklagten festgestellten, die Schuldfähigkeit jedoch nicht beeinträchtigenden Persönlichkeitsstörung (emotional instabile Persönlichkeit mit schizoiden Störungen bei hoher Affektlabilität und Neigung zu unmotivierten hysteroiden Ausbrüchen) hat das Landgericht angenommen, daß die Angeklagte bei der Tötung von Ilse P. mit dem Bestreben freizukommen in einer derart starken affektiven Erregung aus Furcht und Schrecken gehandelt habe, daß ihr hinsichtlich sämtlicher in Betracht zu ziehender Mordmerkmale der Vorsatz fehlte. Soweit es Heimtücke und eine Tatbegehung aus Habgier und zur Ermöglichung einer Straftat angeht, ist die Verneinung dieser Mordmerkmale im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, weil sie aus anderen Gründen und unabhängig von der Frage affektiver Erregung ausscheiden. Jedoch hätte die weitere Tatbestandsalternative der Tatbegehung zur Verdeckung einer Straftat eingehender geprüft werden müssen. Die Erwägungen, die das Landgericht dazu im Urteil angestellt hat, lassen in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht wesentliche Gesichtspunkte außer acht.
a) Einer solchen eingehenderen Prüfung war das Landgericht nicht etwa deshalb enthoben, weil es lediglich bedingten Tötungsvorsatz festgestellt hat. Denn es liegt kein Sachverhalt vor, der den Fällen vergleichbar wäre, in denen der Bundesgerichtshof die Feststellung bedingten Tötungsvorsatzes und die Annahme eines Handelns mit Verdeckungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB wegen innerer Widersprüchlichkeit für unvereinbar erklärt hat (BGHSt 21, 283, 284 f.; BGH DRiZ 1978, 216; NStZ 1985, 166; BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 1992 - 2 StR 341/92 - und vom 25. Januar 1994 - 5 StR 422/93). Die Angeklagte S. war ihrem Opfer unbekannt und war ihm gegenüber unter falschem Namen aufgetreten; sie hatte zudem ein Schlafmittel eingesetzt, das zwar nicht die erwartete alsbaldige Wirkung hatte, jedoch zu einer erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigung beim Opfer führte. Bezeichnenderweise hat denn auch die tatbeteiligte Mitangeklagte H. nach ihren Äußerungen darauf gesetzt, daß sich Ilse P. wegen des Mittels an nichts mehr erinnere, wenn sie am nächsten Morgen aufwache (UA S. 20). Der Tod von Ilse P. konnte daher aus der Sicht der Angeklagten nicht unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Verdeckung ihrer Täterschaft sein. In einem solchen Fall steht die Feststellung bedingten Tötungsvorsatzes mit der Annahme eines Handelns mit Verdeckungsabsicht nicht in einem logischen Widerspruch. Ein Verdeckungsmord kann aber grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn der Tod „lediglich” eine billigend in Kauf genommene Folge der zum Zweck der Verdeckung vorgenommenen Handlung – hier: das Würgen zum Zwecke der Selbstbefreiung und Flucht – ist (vgl. BGHSt 11, 268, 270; 15, 291; Jähnke in LK StGB 10. Aufl. § 211 Rdn. 24 m.w.Nachw.), und zwar auch dann, wenn von der oder dem Getöteten selbst eine Entdeckung nicht zu befürchten war (BGHSt 41, 358).
b) Ein zur Tatverdeckung begangener Mord ist schließlich auch nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil die Angeklagte von dem Bestreben beherrscht war, sich zu befreien und loszukommen, was schwerlich etwas anderes bedeuten kann, als daß sie fliehen wollte. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Handeln mit Verdeckungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB verneint worden, wenn der Täter tötete, „nur” um flüchten zu können (vgl. BGH GA 1979, 108; BGH NStZ 1985, 166; BGH NJW 1991, 1189 jeweils mit weiteren Nachweisen). Dafür war jedoch ausschlaggebend, daß die Täterschaft bereits weitgehend entdeckt war und es dem Täter lediglich darum ging, einen zeitlichen Vorsprung zur Flucht zu erhalten, sich also dem sofortigen Zugriff zu entziehen. Abgesehen davon, daß bei einer solchen Sachlage zu prüfen ist, ob nicht eine Tötung aus niedrigem Beweggrund vorliegt (vgl. BGHR StGB § 211 II niedrige Beweggründe 3, 7, 8, 21), geht es aber bei der Angeklagten um eine noch unentdeckte Täterschaft. Denn daß die Angeklagte aufgrund von Angaben des vorübergehend anwesenden Ehepaars D. hätte in Verdacht geraten oder gar überführt werden können, war lediglich eine dem Zufall anheimgegebene Möglichkeit. Wegen des engen notwendigen Zusammenhangs zwischen Tatverdeckung und Flucht umfaßt bei einer derartigen Fallgestaltung die Absicht zu fliehen in der Regel auch den bestimmenden Willen, die eigene Täterschaft zu verdecken (vgl. BGHSt 15, 291, 294/295; BGH NStZ RR 1997, 132; Horn in SK - StGB - Stand nach der 44. Lieferung - § 211 Rdn. 6). Denn es drängt sich auch ohne nähere Überlegung, gleichsam auf einen Blick, auf, daß dann, wenn die Flucht unmöglich gemacht wird, dies zwangsläufig auch zur Aufdeckung der Täterschaft führen wird.
c) Richtig ist allerdings, worauf das Landgericht abgehoben hat, daß ein Zustand hoher affektiver Erregung des Täters selbst bei erhaltener Schuldfähigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu führen kann, daß ein in Betracht kommendes Mordmerkmal aus subjektiven Gründen nicht verwirklicht ist. So ist im Falle eines Täters, der ein arg- und wehrloses Opfer angreift und dem infolge eines psychischen Ausnahmezustands das Bewußtsein fehlt, die Arg- und Wehrlosigkeit zur Tötung auszunutzen, aus diesem Grunde eine heimtückische Tatbegehung verneint worden (vgl. BGHSt 6, 120; BGH NJW 1966, 1823; BGH bei Dallinger MDR 1967, 726; BGH bei Holtz MDR 1978, 805 und 1979, 455). Ähnlich ist für das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe entschieden worden, daß psychische Beeinträchtigungen beim Täter zur Folge haben können, daß die als niedrig zu bewertenden Antriebe zur Tat trotz erhaltener Schuldfähigkeit nicht mehr beherrschbar sind und daß deswegen die Tat nicht als Mord aus niedrigen Beweggründen zu werten ist (BGHSt 6, 329; BGH GA 1975, 306; BGH NStZ 1981, 258; BGH StV 1989, 151, 152). Ob für das Mordmerkmal der Tatbegehung zur Verdeckung einer Straftat gleiche Erwägungen Geltung haben können, braucht nicht entschieden zu werden. Jedenfalls muß der besondere Schutzzweck der Tatbestandsalternative des Verdeckungsmords Beachtung finden, wenn es um die Auswirkung nicht krankhafter und die Schuldfähigkeit nicht beeinträchtigender affektiver Erregungszustände geht. Die hohe Strafe für Verdeckungsmord hat ihren Grund nicht nur darin, daß die Vernichtung eines Menschenlebens zum Zweck der Verdeckung einer anderen Straftat im Sinne einer den Mord kennzeichnenden besonderen Verwerflichkeit im höchsten Maß gewissenlos und verabscheuungswürdig ist (vgl. BGHSt 15, 291, 295; BGHSt 41, 358, 360/361). Mit ihr wird auch ein besonderer Schutzzweck verfolgt. Denn der Anreiz des Täters einer Straftat, sich eines zu seiner Überführung beitragenden Zeugen, insbesondere des Opfers, zu entledigen, ist angesichts der Stärke des Antriebs zum Selbstschutz besonders hoch; entsprechend hoch ist die Gefährdung des Betroffenen. Dem erhöhten Tötungsanreiz muß zum Schutz des Opfers in solchen Situationen mit erhöhter Strafdrohung entgegengewirkt werden. Diesem Schutzzweck würde es zuwiderlaufen, wenn sich ein Täter, der sich mit besonderer Kaltblütigkeit bei der Tatbegehung den sich aufdrängenden Risiken der Entdeckung durch das Opfer (oder einen anderen Tatzeugen) ausgesetzt hat, ohne weiteres mit Erfolg darauf berufen könnte, er sei wegen der – zu erwartenden – Reaktion des Opfers in Panik geraten und habe deswegen bei seinem der Flucht dienenden, für das Opfer aber tödlichen Handeln an die damit verbundene Verdeckung seiner Täterschaft nicht gedacht (vgl. auch Jähnke LK StGB 10. Aufl. § 211 Rdn. 19). Dem muß durch gesteigerte Anforderungen an die Annahme begegnet werden, der zum Zweck der Flucht tötende, bisher unentdeckte Täter, habe wegen panischen Affekts aus Furcht und Schrecken die mit dem Flucht- und Befreiungswillen verknüpfte Absicht, die eigene Täterschaft zu verdecken, verdrängt. Diesem Gesichtspunkt hat das Landgericht nicht genügend Rechnung getragen. Dabei ist zum einen zu bedenken, daß angesichts der engen, sich aufdrängenden inneren Verknüpfung zwischen Flucht und Täterschaftsverdeckung die Verdeckungsabsicht beim unentdeckten Täter kein abwägendes Reflektieren über die eigenen Ziele im Sinne einer aktuell vor Augen stehenden Vorstellung voraussetzt, die in erster Linie erstrebte Flucht bedeute zugleich die Verdeckung der eigenen Täterschaft. Insoweit reicht ein in der Regel vorhandenes gedankliches Mitbewußtsein aus. Zum anderen hat das Landgericht Umständen, die gegen eine affektive, das Bewußtsein einengende Erregung aus Furcht und Schrecken bei der Angeklagten S. sprechen, nicht erkennbar die gebotene Beachtung geschenkt. Immerhin war die Angeklagte trotz der festgestellten, die Schuldfähigkeit nicht berührenden Persönlichkeitsstörung nicht nur zu einer bemerkenswert umsichtigen Tatvorbereitung, sondern auch zu einer besonders dreisten, kaltblütigen und zur festgestellten Neigung zu „unmotiviert hysteroiden Ausbrüchen” auffallend kontrastierenden Ausführung des Raubs in der Lage. Weshalb eine so kaltblütig vorgehende Täterin durch die sie überraschende Reaktion des Tatopfers derart außer Fassung geraten sein kann, daß sie sich der sich aufdrängenden Verknüpfung der in erster Linie angestrebten Flucht mit der Verdeckung der eigenen Täterschaft nicht bewußt war, wird vor dem Hintergrund der Tatvorbereitung und Tatausführung durch den näher ausgeführten Hinweis auf die Persönlichkeitsstörung der Angeklagten nicht ausreichend dargetan. Zwar hat das Landgericht – ersichtlich aufgrund der Angaben der Angeklagten und der Mitangeklagten – festgestellt, daß die Mitangeklagte H. die Angeklagte S. kurz nach der Tat in einem völlig aufgelösten Zustand antraf. Jedoch läßt es die Tatsache, daß die Angeklagte knapp eineinhalb Stunden nach der Tat bereits wieder in der Lage war, am Steuer ihres Pkws in einer über eine Stunde dauernden Fahrt nach Hause zu fahren und während der Fahrt vom Fahrzeug aus über ihr Handy mit dem Zeugen W. in einer für diesen unauffälligen Weise ein kurzes Telefongespräch zu führen, zweifelhaft erscheinen, daß ihre Erschütterung besonders stark gewesen ist. Mit den dargelegten Gesichtspunkten, die gegen einen panischen, das Bewußtsein einengenden Affekt sprechen, hätte sich das Landgericht im Urteil näher auseinandersetzen müssen. Das ist nicht geschehen; es muß in neuer tatrichterlicher Prüfung nachgeholt werden.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Blauth, Miebach, Pfister
Fundstellen
Haufe-Index 540545 |
NJW 1999, 1039 |
JR 2000, 26 |
NStZ 1999, 554 |
Nachschlagewerk BGH |
StV 2000, 74 |
LL 2000, 404 |