Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Konkurrenzschutzpflicht bei der Vermietung von Gewerberaum in einem Einkaufszentrum
Normenkette
BGB § 536
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.01.1978) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 1978 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Firma C. KG, B. mbH & Co. in L. (CB) errichtete auf einem an der Ihme zwischen der Innenstadt von H. und H. -L. gelegenen Gelände von ca. 500 m Länge und 100 m Breite nach einheitlichem Gesamtplan ein Wohn- und Geschäftszentrum (I.-Zentrum). Die Planung sah von vornherein vor, Interessenten Gelegenheit zu geben, Wohnungseigentum und Teileigentum an Gewerberäumen (Läden, Büros, Praxen) zu erwerben. Den Kern des gewerblich zu nutzenden Teils des „I.-Zentrums” bildete eine als Fußgängerzone gestaltete Ladenstraße von 350 oder 500 m Länge, an der „Warenhäuser, Textilhäuser, Läden, Gast- und Sportstätten”mit einer Nutzfläche von etwa 61.000 qm vorgesehen waren.
Die Beklagte war daran interessiert, im I.-Zentrum einen Supermarkt zu betreiben. Die Verhandlungen führten am 3. Februar 1970 zum Abschluß eines Mietvertrages mit der CB, für dessen Wirksamwerden sich die Beklagte die Zustimmung ihres Aufsichtsrates ausdrücklich vorbehielt. In dem Mietvertrag ist u. a. bestimmt:
„§ 1
Mietgegenstand
(1) Durch diesen Vertrag verpflichtet sich der Vermieter, dem Mieter den Gebrauch der im „I.-Zentrum” noch zu errichtenden Gewerberäume (im beiliegenden Plan rot umrandet) während der Mietzeit zu Gewerbezwecken zu gewähren. Grundrißzeichnungen und Baubeschreibungen werden diesem Mietvertrag beigefügt und sind Bestandteil dieses Vertrages. Es handelt sich hier um die Ladeneinheit Nr. L 9.
(2) Der Mieter wird in den an ihn vermieteten Räumen einen Supermarkt … betreiben.
…
§ 2
Mietdauer
(1) Das Mietverhältnis beginnt mit der Übergabe der Mieträume, jedoch nicht eher als zwei Monate vor der Gesamteröffnung der im Ihme-Zentrum vorhandenen Ladengeschäfte. …
(2) Das Mietverhältnis endet 10 Jahre nach Beginn gemäß vorstehendem Absatz 1. ….
….
§ 4
Mietzins
(1) Sie Miete beträgt jährlich DM 276.760 ….
(2) Die Miete wird in monatlichen Teilbeträgen zu je 1/12 der sich gemäß vorstehendem Absatz 1 ergebenden Jahresmiete pränumerando fällig. …
§ 16
Rechtsnachfolge
Der Vermieter ist berechtigt, das Mietobjekt jederzeit – auch schon vor Bezugsfertigkeit – an Dritte zu veräußern. Der Erwerber tritt dann anstelle des Vermieters in die sich aus diesem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Verpflichtungen ein….”
Die Beklagte erhielt zusammen mit dem Mietvertrag die darin in Bezug genommene Baubeschreibung vom 18. August 1969, einen Lageplan vom 12. Dezember 1969 und Grundrißpläne vom 14. Januar 1970. In der Baubeschreibung heißt es u. a.:
„Die vorliegende Planung umfaßt Ladenflächen auf 3 Ebenen von ca. 55.000 qm verschiedener Aufteilung, diese sind in Form einer ausschließlich dem Fußgänger vorbehaltenen Ladenstraße beiderseits angeordnet, wobei das Warenhaus den Abschluß der Straße am „Küchengarten” bildet und ein großes Oberbekleidungshaus sowie ein Kleinkaufhaus den Abschluß am „Schwarzen Bären”.
Aus den bei Unterzeichnung des Mietvertrages vorhandenen Planungsunterlagen ergab sich, daß es sich bei dem Warenhaus am „K.” um eine Filiale der Kaufhof AG und bei dem Kleinkaufhaus am „Sch.” um ein – weiteres – Textilhaus handeln sollte. Bestrebungen der CB, die Firma C&A B. als Mieterin für die am Südende des I.-Zentrums am „Sch.” gelegene Ladeneinheit L 48 zu gewinnen, waren im Oktober 1969 gescheitert. Ebenso blieben Anfang 1972 mit der P.-GmbH, einem Schwesterunternehmen der Beklagten, geführte Verhandlungen wegen des Abschlusses eines Mietvertrages für die Ladeneinheit L 48 erfolglos. Für den Fall, daß es mit der P.-GmbH zum Abschluß eines Mietvertrages gekommen wäre, hätte die Beklagte den von ihr unterzeichneten, aber vom Aufsichtsrat noch nicht genehmigten Mietvertrag nicht wirksam werden lassen. Nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen zwischen der CB und der P.-GmbH genehmigte der Aufsichtsrat der Beklagten den Mietvertrag vom 3. Februar 1970. Davon erfuhr die Klägerin durch ein Schreiben der Beklagten vom 1. März 1972. Sie hatte am 7. Dezember 1971 u. a. die Ladeneinheiten L 9 und L 48 als Teileigentum erworben und ist gemäß § 16 des Mietvertrages vom 3. Februar 1970 in das Mietverhältnis zwischen der CB und der Beklagten eingetreten. Als Verwalterin des Teileigentums der Klägerin schloß die CB am 29. Mai 1972 mit der Firma SB „mehr Wert” einen Mietvertrag über die Ladeneinheit L 48 zum Betrieb eines Supermarkts. Das will die Beklagte am 26. April 1974 erfahren haben.
Mit Anwaltsschreiben vom 2. Mai 1974 ließ die Beklagte die Anfechtung des Mietvertrages „aus allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten” erklären und aus wichtigem Grunde fristlos kündigen. In dem Schreiben heißt es u. a.:
„Meine Mandantin war aufgrund des Inhalts des Mietvertrages allein in ihrer Branche marktdominierend, diese dominierende Stellung wird nunmehr aufgrund der Nichteinhaltung ihrer Erklärungen bei Abschluß des Mietvertrages und im Mietvertrag selbst an die Firma SB „mehr Wert” übergehen, die nunmehr statt der 2 Textilkaufhäuser Mieter dieser Großflächen sein wird.”
Die Klägerin trat den Vorwürfen entgegen und bot der Beklagten die Überlassung der Mietsache zum Oktober 1974 an. Die Beklagte bezog die Geschäftsräume jedoch nicht.
Am 31. Oktober 1974 fand eine öffentliche Veranstaltung zur Eröffnung des Ihme-Zentrums statt. Die Parteien streiten darüber, in welchem Umfang zu diesem Zeitpunkt der vorhandene Geschäftsraum, sei es durch Eigentümer oder Mieter, in Betrieb genommen worden ist.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 1976 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Gesamteröffnung der Ladengeschäfte vorzunehmen und ihr die Ladeneinheit L 9 in der Weise zu überlassen, „daß die Fläche L 48 (Sch.) nicht an ein Konkurrenzunternehmen vermietet wird”. Die Klägerin erwiderte am 13. Dezember 1976, daß die Gesamteröffnung stattgefunden habe, der Beklagten weder ausdrücklich noch stillschweigend Konkurrenzschutz zugesagt worden sei, sie sich also mit der Vertragserfüllung in Verzug befände. Darauf kündigte die Beklagte den Mietvertrag vorsorglich nochmals fristlos mit Schreiben vom 10. Januar 1977.
Die Klägerin hat den für die Monate November und Dezember 1974 mit insgesamt 67.502,88 DM bezifferten Mietzins einschließlich Mehrwertsteuer und Nebenkosten eingeklagt.
Die Beklagte hat im Wege der Widerklage Ersatz ihrer Aufwendungen für die Mietsache, die sie mit 106.490,03 DM angegeben hat, verlangt.
Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin hatte mit einer Einschränkung beim Zinsanspruch Erfolg. Die Anschlußberufung der Beklagten ist dagegen zurückgewiesen worden.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte Abweisung der Klage und Verurteilung der Klägerin nach Maßgabe des Widerklagebegehrens.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. 1. Beide Vorinstanzen haben eine Konkurrenzschutzpflicht der Klägerin verneint. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, in der Baubeschreibung sei weder ausdrücklich gesagt noch vorausgesetzt, daß die Vermieterin sich binde, am „Sch.” gelegene Ladenräume lediglich zum Handel mit Kleidung oder Ware zu vermieten, welche üblicherweise Kleinkaufhäuser dem Publikum anbieten. Auch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sei die Klägerin nicht verpflichtet, der Beklagten – jedenfalls zunächst – Konkurrenz fernzuhalten. Da das I.-Zentrum aufgeteilt und die einzelnen Teile verschiedenen Personen veräußert werden sollten, und die Pflicht, Konkurrenz fernzuhalten, die Veräußerung erschwerte, widerspreche es den berechtigten Belangen der CB, ihren Vertragsantrag dahin auszulegen, sie biete auch ohne ausdrückliche vertragliche Bestimmung Konkurrenzschutz an.
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.
a) Soweit die Vorinstanz die ausdrückliche Vereinbarung von Konkurrenzschutz durch die Einbeziehung der Baubeschreibung verneint hat, greift das die Beklagte nicht an.
b) Die Einbeziehung der Baubeschreibung in den Mietvertrag als dessen Bestandteil (§ 1 Mietvertrag) hat das Berufungsgericht nicht als stillschweigende Vereinbarung einer Konkurrenzschutzpflicht gewertet. Diese Auslegung hält sich in den Grenzen tatrichterlichen Ermessens. Sie kann nicht als einseitige Bevorzugung der Vermieterbelange angesehen werden. Im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Mietvertrages konnte ein billig und gerecht denkender Mietinteressent die Baubeschreibung und die Eintragungen im Lageplan deshalb nicht als verbindliche Zusage werten, die Vermieterin werde die Ladeneinheit L 48 nur an ein Unternehmen der Textilbranche vermieten, weil damals die Vergabe des Geschäftsraumes zwischen „K.” und „Sch.” noch weitgehend offen war. Davon abgesehen war der Beklagten, als sie sich 1972 vertraglich wirksam verpflichtete, bekannt, daß die Klägerin mit Unternehmen anderer Branchen (P.-GmbH) verhandelt hatte.
c) Die Revision hat darin recht, daß sich die Pflicht des Vermieters, dem Mieter Wettbewerber fernzuhalten auch aus den Umständen ergeben könne. Es kann auch zweifelhaft sein, ob, wie das Berufungsgericht meint, bei der Prüfung der Umstände im vorliegenden Falle auf die Interessen der CB abgestellt werden durfte. Zum Erfolg verhilft ihr das jedoch nicht.
aa) Der Bundesgerichtshof hat die vom Reichsgericht begonnene Rechtsprechung fortgesetzt, wonach der Vermieter gewerblich zu nutzender Räume auch ohne Bestehen einer vertraglichen Regelung die Pflicht hat, den Mieter gegen Konkurrenz im selben Hause zu schützen (vgl. BGH Urteile vom 26. Januar 1955 = LM BGB § 536 Nr. 2; vom 8. Januar 1957 = LM BGB § 536 Nr. 3; vom 26. Januar 1960 = LM BGB § 536 Nr. 5; vom 22. März 1961 = LM BGB § 536 Nr. 6 und vom 24. April 1968 = WM 1968, 699, 670; vgl. ferner OLG Celle Urteil vom 26. September 1963 = MDR 1964, 59; OLG Frankfurt Urteil vom 3. April 1968 = Betrieb 1970, 46, das der erkennende Senat dadurch gebilligt hat, daß er die Revision durch Beschluß vom 15. August 1968 ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen hat; OLG Karlsruhe Urteil vom 5. Juli 1972 = NJW 1972, 2224). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß es bei der Vermietung von Räumen zum Betriebe eines bestimmten Geschäfts zur Gewährung des vertragsmäßigen Gebrauchs gehört, in anderen Räumen des Hauses oder auf unmittelbar angrenzenden Grundstücken des Vermieters kein Konkurrenzunternehmen zuzulassen.
Unumstritten wie dieser Grundsatz selbst ist seine Eingrenzung in der Weise, daß der Vermieter nicht gehalten ist, dem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten, vielmehr nach den Umständen des einzelnen Falles abzuwägen ist, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist (BGH Urteil vom 26. Januar 1955 aaO und alle übrigen oben zitierten Entscheidungen). Zu dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat im Urteil vom 7. Dezember 1977 VIII ZR 101/76 (BGHZ 70, 79) bekannt. Von ihr abzuweichen besteht kein Anlaß.
bb) Als die Klägerin am 7. Dezember 1971 Miteigentum an den Grundstücken des I.-Zentrums mit der Folge erwarb, daß ihr seitdem die Ladeneinheit L 9 und die von dieser ca. 350 oder 500 m entfernte Ladeneinheit L 48 gesondert zustehen, war der am 3. Februar 1970 von der CB und der Beklagten ausgehandelte Mietvertrag wegen des Fehlens der vorbehaltenen Zustimmung des Aufsichtsrats der Beklagten schwebend unwirksam. In den schwebend unwirksamen Mietvertrag ist die Klägerin eingetreten. Er wurde rückwirkend zum 3. Februar 1970 verbindlich mit Zugang des Schreibens der Beklagten vom 1. März 1972, in welchem die Zustimmung des Aufsichtsrats zu dem Mietvertrag mitgeteilt worden ist (§ 184 Abs. 1 BGB). Die Klägerin war damit von vornherein verpflichtet, der Beklagten Konkurrenzschutz im Sinne der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu gewähren. Sie durfte mithin die ihr gesondert zustehende Ladeneinheit L 48 nicht an den Konkurrenten SB „mehr Wert” vermieten, wenn die Ladeneinheit L 9 und L 48 als unmittelbar benachbart angesehen werden müßten. Die Prüfung dieser Frage ist nicht deshalb entbehrlich, weil bei Unterzeichnung des Mietvertrages Sondereigentum an den Flächen der Ladeneinheiten L 9 und L 48 noch nicht bestand, sie vielmehr Teile eines einheitlichen Grundstücks waren. Die Aufteilung des Gesamtgrundstücks war von Anfang an vorgesehen. Die Konkurrenzschutzsituation ist im übrigen erst nach Bildung des Sondereigentums eingetreten.
cc) Unmittelbare Nachbarschaft zweier Grundstücke ein und desselben Eigentümers besteht nicht, wenn sie 350 m voneinander entfernt sind. Daran ändert der Umstand nichts, daß beide Grundstücke an der als Fußgängerzone gestalteten Ladenstraße eines Einkaufszentrums liegen. Befänden sich die Läden in einer herkömmlichen Geschäftsstraße, so würden sie nach den Maßstäben, die der bisherigen Rechtsprechung zugrunde liegen, nicht als unmittelbar benachbart angesehen werden (vgl. dazu Senatsurteil vom 24. April 1968 aaO). Für die Geschäftsstraße eines Einkaufszentrums der hier in Rede stehenden Art kann nichts anderes gelten. Das I.-Zentrum dient unstreitig nicht nur der Versorgung der dort wohnenden Menschen, sondern hat von seiner Planung und Anlage her die Aufgabe, die City von H. zu entlasten. Auch darüber besteht kein Streit. Aufgrund seiner Lage zwischen dem Stadtzentrum von H. und dem Vorort H. -L. war mit Kundschaft aus der im I.-Zentrum selbst lebenden Bevölkerung, sowie aus H. und H.-L. zu rechnen. Der Einzugsbereich der Kundschaft kommt mithin dem einer herkömmlichen Geschäftsstraße mindestens gleich. Da Einkaufszentren regelmäßig günstigere Parkmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge bieten können, besteht ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Geschäftsstraßen in City-Lagen. Die Anziehungskraft eines Einkaufszentrums hängt neben der Preiswürdigkeit der Waren und Leistungen entscheidend auch davon ab, daß ein breites Konsumgüterangebot und die üblichen Dienstleistungen bereit gehalten werden. Wie in den herkömmlichen Geschäftsstraßen belebt auch in Einkaufszentren die Konkurrenz das Wirtschaftsleben zugunsten der Verbraucher, ohne gleichzeitig den umsichtigen Gewerbetreibenden angemessener Erträge für seinen Einsatz an Kapital, Arbeitskraft und für seine Risikobereitschaft zu berauben. Das I.-Zentrum ist mit seinen Wohnungen, Büros, Werkstätten, Läden, Freizeiteinrichtungen und Ähnlichem von seiner Konzeption her Ausdruck einer gewandelten Auffassung im Städtebau ohne dadurch prinzipielle Veränderungen im Ablauf des Wirtschaftslebens herbeizuführen. Es besteht deshalb kein Anlaß, dort niedergelassene Gewerbetreibende stärker gegen erlaubten Wettbewerb zu schützen als es in herkömmlichen Geschäftsstraßen der Fall ist.
Fürchtete die Beklagte den Wettbewerb, so hätte sie sich Konkurrenzschutz vertraglich ausdrücklich zusichern lassen müssen.
II. 1. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte habe die Beendigung des Mietvertrages zum 2. Mai 1974 nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangen können. Auch wenn der Geschäftswille der Beklagten sich an die Erwartung geknüpft haben mag, ihr werde im I.-Zentrum vorerst keine Konkurrenz erwachsen, so sei doch weder für die Klägerin selbst noch für die CB erkennbar gewesen, daß die Beklagte diese Erwartung auch noch gehabt habe, nachdem, wie sie wußte, der P.-GmbH die Ladeneinheit L 48 angedient worden sei. Im übrigen, hat die Vorinstanz weiter ausgeführt, würde sich die Klägerin auf das Ansinnen, den Bestand des Mietvertrages von einem so gearteten Konkurrenzschutz abhängig zu machen, nicht eingelassen haben. Dazu sei sie auch nicht verpflichtet gewesen.
2. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis darin recht, daß die Beklagte sich nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann.
Der Bundesgerichtshof und insbesondere auch der erkennende Senat stehen in ständiger Rechtsprechung auf dem Standpunkt, daß Umstände, die in den Risikobereich einer Partei fallen, dieser in aller Regel nicht das Recht geben, sich auf § 242 BGB zu berufen, weil die Anwendung der Rechtsfolgen beim Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zu einer Beseitigung der im Vertrage liegenden Risikoverteilung führen darf (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1978 VIII ZR 188/77 = WM 1978, 1008). Abgesehen von Monopolinhabern muß jeder Gewerbetreibende im geschäftlichen Alltag mit dem Auftreten von Wettbewerbern rechnen. Gegen erlaubten Wettbewerb schützt ihn das Gesetz nicht. Daran ändert sich grundsätzlich nichts dadurch, daß der Unternehmer sein Gewerbe in gemieteten Räumen ausübt. Eine Risikoverlagerung tritt in diesem Fall nur insofern ein, als dem Vermieter, wie unter I. 2. dargelegt, wegen seiner Pflicht zur Gewährung vertragsmäßigen Gebrauchs verwehrt ist, Konkurrenten seines Mieters in anderen Räumen des Hauses oder in unmittelbarer Nachbarschaft Gewerberaum zu vermieten. Die Vertragsfreiheit erlaubt den Beteiligten selbstverständlich, auch eine noch weitergehende Risiko Verlagerung auf den Vermieter zu vereinbaren. Da im vorliegenden Falle keiner dieser beiden Ausnahmetatbestände gegeben ist, lag das Risiko, sich im I.-Zentrum demnächst der Konkurrenz eines weiteren Supermarktes ausgesetzt zu sehen, im Bereich der Beklagten.
III. Die Revision kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klage sei deshalb unbegründet, weil das Mietverhältnis im Oktober/November 1974 noch gar nicht begonnen habe. Das Berufungsgericht hat dazu die Ansicht vertreten, mit der Formulierung, „das Mietverhältnis beginnt mit der Übergabe der Mieträume, jedoch nicht eher als zwei Monate vor der Gesamteröffnung der im „I.-Zentrum” vorhandenen Ladengeschäfte”, sei diejenige Veranstaltung gemeint, mit welcher der kommerzielle Bereich dem Zugang des Publikums freigegeben werden sollte. Das Berufungsgericht hat dabei auf einen Hinweis der CB in der Landespressekonferenz vom 21. Mai 1970 Bezug genommen, der besagt, „nach Fertigstellung” werde der kommerzielle Bereich des I.-Zentrums einheitlich mit einer großen Veranstaltung, die sich über Tage erstrecken werde, eröffnet. Gegen diese Auslegung bestehen aus Rechtsgründen keine durchgreifenden Bedenken. Nach den gegebenen Umständen, insbesondere mit Rücksicht darauf, daß an dem kommerziell genutzten Bereich des Ihme-Zentrums lange Zeit vor Fertigstellung der Bauvorhaben Teileigentum gebildet worden ist, was den Einfluß der Erwerber auf die Fertigstellung naturgemäß verstärkte, ist die Auslegung möglich, daß eine Eröffnungsveranstaltung, wie sie am 31. Oktober 1974 unstreitig stattgefunden hat, in Verbindung mit der Inbetriebnahme des Einkaufszentrums im großen ganzen den Beginn der Mietzeit markiert.
Da die Beklagte sich zu diesem Zeitpunkt bereits – rechtsgrundlos – weigerte, den Supermarkt in den Mieträumen zu eröffnen, genügte das wörtliche an die Beklagte gerichtete Angebot der Klägerin, die Geschäftsräume zum vertragsgemäßen Gebrauch in Besitz zu nehmen (§ 295 BGB). Mit der Behauptung, es hätten in den Türen der Ladeneinheit noch Schloßzylinder und Schlüssel gefehlt, so daß deshalb und wegen Personalmangels eine Übergabe unmöglich gewesen sei, kann die Beklagte nicht ernsthaft gehört werden.
IV. Das Berufungsgericht hat eine Ersatzpflicht der Klägerin wegen Verschuldens bei Vertragsschluß verneint und die Widerklage deshalb – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – für unbegründet angesehen.
Auch dagegen wendet sich die Revision vergeblich.
Die Klägerin traf aufgrund des Mietvertrages, in den sie eingetreten ist, keine allgemeine Auskunftspflicht über das rechtliche Schicksal der nicht an die Beklagte vermieteten Ladeneinheiten. Eine solche Pflicht läßt sich insbesondere nicht aus der von der Revision zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. November 1969 (I ZR 93/67 = NJW 1970, 653, 655), die einen Unternehmenskauf zum Gegenstand hat, herleiten. Eine konkrete Auskunftspflicht über die beabsichtigte Änderung in der Ausgestaltung des Einkaufszentrums durch Veränderungen in der branchenmäßigen Zusammensetzung der Gewerbebetriebe müßte gegebenenfalls bejaht werden, wenn dadurch eine Beeinträchtigung des vertragsmäßigen Gebrauchs der Ladeneinheit L 9 zu befürchten gewesen wäre. Bedeutet aber, wie dargelegt, die Vermietung der Ladeneinheit L 48 an die Firma SB „mehr Wert” keine Verletzung der dem Mietvertrag innewohnenden Konkurrenzschutzpflicht, so brauchte die Klägerin die Beklagte auch nicht darauf aufmerksam zu machen, daß sie erwäge, die Ladeneinheit L 48 auch an nicht der Textilbranche zuzurechnende Gewerbebetriebe zu vermieten. Im übrigen hat das Berufungsgericht darin recht, daß die Beklagte, bevor sie sich vertraglich band, wußte, daß die CB als Vertreterin der Klägerin mit der P.-GmbH, einem textilbranchenfremden Unternehmen, verhandelt hatte.
V. Der Revision mußte danach der Erfolg versagt bleiben. Die Kosten des unbegründeten Rechtsmittels hat die Beklagte zu tragen (§ 97 ZPO).
Unterschriften
Braxmaier, Claßen, Dr. Hiddemann, Wolf, Treier
Fundstellen
Haufe-Index 950554 |
Nachschlagewerk BGH |