Entscheidungsstichwort (Thema)
versuchter Mord
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beweisgewinnung unter Verwendung des satellitengestützten Navigationssystems „Global Positioning System” („GPS”) ist von § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO gedeckt. Diese Vorschrift gestattet den Strafverfolgungsbehörden im Wege der Annexkompetenz unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch die Vornahme der für den Einsatz des technischen Mittels notwendigen Begleitmaßnahmen.
2. Trifft der Einsatz des „GPS” mit anderen je für sich zulässigen Eingriffsmaßnahmen zusammen und führt dies zu einer umfassenden Überwachung der Person, so kann das gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Bei der insoweit erforderlichen Abwägung kommt dem Gewicht der aufzuklärenden Straftat besondere Bedeutung zu.
3. Werden für längerfristige Observationen technische Mittel im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO verwendet, so sind zusätzlich die Anordnungsvoraussetzungen des § 163 f StPO zu beachten. Bis zum Inkrafttreten dieser Vorschrift (1. November 2000) bestand keine richterliche Anordnungskompetenz.
Normenkette
StPO § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 163f
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. September 1999 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit vorsätzlichem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in vier Fällen sowie wegen Verabredung eines tateinheitlichen Verbrechens des Mordes und des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, begangen in Tateinheit mit der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt und verschiedene Gegenstände eingezogen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils verübte der wegen politisch motivierter Straftaten mehrfach vorbestrafte Angeklagte im Jahre 1995 gemeinsam mit dem nichtrevidierenden Mitangeklagten S. vier Sprengstoffanschläge. Während der Vorbereitungen zu einem weiteren Anschlag wurden die Angeklagten festgenommen.
Trotz sehr guter Leistungen in seinem Studienfach Physik gab der Angeklagte das Studium auf, ging einer Teilzeitbeschäftigung als Verlader nach und wandte sich dem Linksextremismus sowie dem politisch motivierten Terrorismus zu. Nachdem die „Rote Armee Fraktion” („RAF”) im April 1992 angekündigt hatte, zukünftig auf schwerste Gewalttaten und Terroranschläge zu verzichten, bildeten sich in der Folgezeit in der linksextremistischen Szene Gruppierungen, welche die traditionelle „RAF”-Strategie des bewaffneten Kampfes aufrecht erhielten und verschiedene Anschläge durchführten. Aus diesen Gruppierungen entwickelte sich die später sogenannte „Antiimperialistische Zelle” („AIZ”), der die beiden Angeklagten von Beginn an zugehörten. Ab dem Frühjahr 1995 bestand die „AIZ” nur noch aus ihnen. Nachdem sie sich an dem Sprengstoffanschlag auf die CDU-Kreisgeschäftsstelle in D. am 5. Juni 1994 und dem versuchten Sprengstoffanschlag auf das FDP-Parteibüro in Br. am 24. September 1994 beteiligt hatten – bezüglich dieser Taten hat das Oberlandesgericht das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt –, begingen sie die der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten. Dabei ging ihre Aufgabenteilung dahin, daß dem Angeklagten als treibender Kraft und politisch-ideologischem Wortführer insbesondere die Erstellung der Tatbekennungen und Positionspapiere zufiel, während der Mitangeklagte S. die mehr handwerklich-praktischen Aufgabenteile wie die Herstellung der Sprengsätze übernahm.
In der Nacht vom 21. auf den 22. Januar 1995 verübten die Angeklagten in W. einen Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus des Parlamentarischen Staatssekretärs a. D. Dr. K.. Der aus zwei mit Schwarzpulver gefüllten Rohrbomben bestehende Sprengsatz wurde vor der Haustür abgelegt. Die Explosion verursachte im Eingangsbereich des Hauses erheblichen Sachschaden, der sich auf ca. 38.000 DM belief. Das Eindringen von Stahlsplittern in das Gebäudeinnere wurde nur durch die massive Haustür und die schußsichere Panzerverglasung der Fenster verhindert. Zu einem Personenschaden kam es durch glückliche Umstände nicht. Eine Nachbarin passierte mit ihrem PKW einen nur sechs Meter von dem Sprengzentrum entfernten Fahrweg ca. ein bis zwei Minuten vor der Explosion. Die Eheleute K. hielten sich zur Tatzeit nicht im Hause auf und kamen erst nach der Explosion von einer Abendveranstaltung zurück. Wären sie nur etwa eine Viertelstunde früher nach Hause gekommen, hätten sie sich im Zeitpunkt der Explosion beim Betreten des Hauses unmittelbar im Sprengzentrum befunden und schwerste, mit hoher Wahrscheinlichkeit tödliche Verletzungen erlitten.
In der Nacht zum 23. April 1995 legten die Angeklagten einen Sprengsatz, der aus einem mit Schwarzpulver gefüllten 2 kg-Feuerlöscher bestand, vor dem Eingang des Wohnhauses des MdB Prof. Dr. Bl. in E. ab. Die Bombe explodierte am frühen Morgen gegen 5.50 Uhr. Ein 108 Gramm schwerer Metallsplitter flog durch ein Fensterelement in das Innere des Hauses bis in das Wohnzimmer. Insgesamt entstand ein Sachschaden von ca. 60.000 DM. Die Familie Bl. hatte einen von dem Sprengsatz ausgehenden Hupton als Warnung aufgefaßt und sich wenige Minuten vor der Explosion in einem Nachbarhaus in Sicherheit bringen können.
In der Nacht zum 17. September 1995 deponierten die Angeklagten einen dem vorherigen Anschlag entsprechenden Sprengsatz vor der Haustür des Wohnhauses des MdB B. in Si.. Die Bombe detonierte gegen 5.50 Uhr. Es entstand ein Sachschaden von ca. 70.000 DM. Schäden im Inneren des Hauses wurden durch eine Sicherheitsverglasung verhindert. Frau B. und die beiden sich im Haus befindlichen Kinder blieben äußerlich unverletzt, leiden aber noch heute unter den psychischen Folgen des Anschlags. Auch ein Nachbarhaus wurde erheblich beschädigt. Unter anderem durchschlug ein Metallsplitter ein Wohnzimmerfenster und prallte gegen die Zimmerdecke.
In der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 1995 legte der Angeklagte vor dem Haupteingang eines Gebäudekomplexes in D., in dem sich das Honorarkonsulat befand, einen weiteren Sprengsatz ab. Dieser bestand ebenfalls aus einem mit Schwarzpulver gefüllten Feuerlöscher, der nunmehr noch mit einer Plastiktüte ummantelt war, in der sich – um die Gefährdung für Menschen zu erhöhen – 4,5 kg Stahlkrampen befanden. Die Bombe explodierte gegen 0.38 Uhr. Der entstandene Sachschaden belief sich auf insgesamt ca. 120.000 DM. Zur Zeit der Detonation hielten sich in der Nähe des Tatortes mehrere Menschen auf. Die Stahlkrampen wurden wie Geschosse bis zu 35 Meter weit weggeschleudert. Sie hätten Menschen jedenfalls in einem Umkreis von ca. 15 Metern tödliche Verletzungen beibringen können.
In der Zeit gegen Ende des Jahres 1995 und zu Beginn des Jahres 1996 verabredeten die Angeklagten, einen Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus des MdB Du. in H. durchzuführen. Zur Vorbereitung dieses Attentats erwarben sie große Mengen Chinaböller, aus denen sie insgesamt mehrere Kilogramm Schwarzpulver entnahmen und in zuvor angelegten Erddepots lagerten. Außerdem spähten sie das Anschlagsobjekt aus. Sie kauften einen 6 kg-Feuerlöscher, den sie zur Aufnahme des Schwarzpulvers präparierten, und erwarben Stahlkrampen. Schließlich trafen sie Vorbereitungen für die Abfassung eines Selbstbezichtigungsschreibens.
Die Angeklagten hielten bei allen Taten die Tötung von Menschen für möglich und nahmen diese billigend in Kauf. Sie handelten aufgrund einer feindseligen und haßerfüllten Einstellung gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat und seinen Repräsentanten und machten in selbstherrlicher und anmaßender Art und Weise ihre eigene Weltanschauung zum allgemeingültigen Maßstab. Ihnen war bewußt, daß in der Nähe des jeweiligen Tatortes anwesende Personen arg- und wehrlos sein würden und wegen der nicht eingrenzbaren Wirkungen der Sprengsätze eine Mehrzahl von Menschen gefährdet werden konnte.
II. Der Angeklagte hat sich zur Sache nicht eingelassen. Bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der letzten zwei Taten hat sich das Oberlandesgericht wesentlich auf Erkenntnisse gestützt, die durch die Observierung des PKW des Mitangeklagten S. über das „Global Positioning System” („GPS”) gewonnen worden waren. Der Angeklagte rügt, der Einsatz der „GPS”-Technik sei ohne gesetzliche Grundlage erfolgt und damit unzulässig gewesen, was zu einem Verbot der Verwertung der daraus gewonnenen Erkenntnisse führe. Die Rüge ist unbegründet.
1. Ihr liegt folgendes Geschehen zu Grunde:
Die Angeklagten, die eine Überwachung vermuteten, verhielten sich äußerst konspirativ. Aus Sorge, abgehört zu werden, unterließen sie jegliches Telefonat miteinander. Es gelang ihnen bei Fahrten mit den von ihnen genutzten Kraftfahrzeugen regelmäßig, sich der visuellen Observation durch Kräfte des Verfassungsschutzes und des Bundeskriminalamtes zu entziehen. Unter Benutzung von Scannern und Hochfrequenzdetektoren entdeckten sie zwei in das Fahrzeug eingebaute Peilsender und machten diese funktionsunfähig. Auf Anordnung des Generalbundesanwalts wurde deshalb im Dezember 1995 ein „GPS”-Empfänger in den PKW des Mitangeklagten S. eingebaut. Bei dem „Global Positioning System” handelt es sich um ein satellitengestütztes funkgesteuertes Navigationssystem, mit dessen Hilfe bei ziviler Nutzung die räumliche Position eines Objekts an jedem Punkt der Erde bis auf 50 Meter genau bestimmt werden kann. Das Fahrzeug wurde bei dem Einbau des Empfängers nicht fortbewegt. Der Zyklus der Datenspeicherung wurde so programmiert, daß in dem eingebauten Empfänger jeweils im Minutentakt das Datum, die Uhrzeit, die geographischen Breite- und Längekoordinaten sowie die Momentangeschwindigkeit des PKW aufgezeichnet wurden. Die gespeicherten Daten wurden sodann im Abstand weniger oder mehrerer Tage mittels eines kurzzeitig aktivierten Übertragungsvorgangs „abgezogen”, ohne daß das Fahrzeug hierzu geöffnet oder bewegt werden mußte. Durch die Auswertung der Positionsdaten konnten die Strafverfolgungsbehörden die Fahrbewegungen, Standorte und Standzeiten des PKW lückenlos nachvollziehen. Das Oberlandesgericht hat den Einsatz des „GPS” mit Beschluß vom 12. Dezember 1997 (NStZ 1998, 268 ff.) für zulässig erachtet.
2. Die Gewinnung von Beweisen unter Verwendung des „Global Positioning System” war gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO zulässig. Demgemäß begegnet ihre Verwertung durch das Oberlandesgericht keinen rechtlichen Bedenken.
a) Nach der genannten Vorschrift dürfen ohne Wissen des Betroffenen besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters verwendet werden, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist, und wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre. Die „GPS”-Technik stellt ein technisches Mittel im Sinne dieser Bestimmung dar (Rudolphi/Wolter in SK-StPO Stand Oktober 2000 § 100 c Rdn. 7 a; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 100 c Rdn. 2; Nack in KK 4. Aufl. § 100 c Rdn. 13; Pfeiffer, StPO 2. Aufl. § 100 c Rdn. 3; Theisen JR 1999, 259 f.; a. A. Comes StV 1998, 569 ff.; unklar Gusy StV 1998, 526 f.). Die Vorschrift regelt den Einsatz solcher technischer Observierungsmittel, die weder die von § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO erfaßte Herstellung von Lichtbildern oder Bildaufzeichnungen noch die in § 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO normierte Abhörung und Aufzeichnung des gesprochenen Wortes ermöglichen (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 39; Rudolphi/Wolter in SK-StPO Stand Oktober 2000 § 100 c Rdn. 7; Nack in KK 4. Aufl. § 100 c Rdn. 10). Dies trifft auf das „GPS” zu, durch das lediglich der Standort des Observierungsobjektes und dessen Geschwindigkeit bestimmt werden können.
Die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt diese Auslegung. § 100 c StPO ist durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl I S. 1301 ff.), dessen Ziel u.a. die Verbesserung des gesetzlichen Instrumentariums zur Verbrechensbekämpfung war (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 20), in die Strafprozeßordnung eingeführt worden. Auch wenn die „GPS”-Technik in den Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich als Beispiel für ein technisches Mittel gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO aufgeführt ist, so läßt sich hieraus nicht der Schluß ziehen, der Gesetzgeber habe es aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herausfallen lassen wollen. So sind Peilsender ausdrücklich als Beispiele für der Norm unterfallende technische Mittel genannt (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 39). Bei dem „GPS” handelt es sich jedenfalls der Funktion nach letztlich um eine Weiterentwicklung der früher gebräuchlichen Ortungssysteme. Mit der Wahl des Begriffs des sonstigen technischen Mittels wollte der Gesetzgeber erkennbar dem technischen Fortschritt Raum schaffen und auch den Einsatz von zum Zeitpunkt des Erlasses der Vorschrift noch nicht zur Strafverfolgung eingesetzten Systemen ermöglichen. Von der „GPS”-Technik kann mittlerweile jede Privatperson für zivile Zwecke, etwa in einem Fahrzeug zur Navigationshilfe, Gebrauch machen. Es besteht kein Anlaß, ein derartiges handelsübliches Verfahren von dem Einsatz in dem Bereich der Strafverfolgung auszunehmen.
Die Auslegung, daß das „GPS” zu den sonstigen für Observationszwecke bestimmten technischen Mitteln im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO gehört, steht in Einklang mit den Wertentscheidungen des Grundgesetzes. Der Einsatz der „GPS”-Technik greift nicht in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) ein (vgl. BGH – Ermittlungsrichter – NStZ 1998, 157). Der unantastbare Kernbereich des durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutzes der Privatsphäre (vgl. BVerfGE 34, 238, 245 ff.; 80, 367, 373 ff.) und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1, 41 ff.; 78, 77, 84 ff.) werden durch die Verwendung des „GPS” nicht berührt. Angesichts des erheblichen, verfassungsrechtlich anerkannten Interesses an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten (BVerfGE 51, 324, 343; 77, 65, 76) handelt es sich um eine vom Gesetzesvorbehalt gedeckte und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragende Grundrechtsbeschränkung (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz Stand Juli 2000 Art. 2 Rdn. 65; Dreier, Grundgesetz 1996 Art. 2 I Rdn. 51, 52, 59 ff.; Jarass/Pieroth, Grundgesetz 3. Aufl. 1995 Art. 2 Rdn. 27, 28 a, 36 ff.). Gerade bei den schwerwiegenden Straftaten im Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität, die häufig unter Benutzung neuester technischer Hilfsmittel konspirativ vorbereitet und durchgeführt werden, ist eine effektive Strafverfolgung ohne den Einsatz moderner technischer Observierungsmittel wie des „GPS” oft nicht mehr möglich.
b) Die weiteren Voraussetzungen des § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 2 StPO für den Einsatz der „GPS”-Technik lagen vor. Die Erforschung des Sachverhalts wäre ohne die Verwendung des „GPS” weniger erfolgversprechend oder erschwert gewesen, da sich die Angeklagten den anderen Überwachungsmaßnahmen regelmäßig entziehen konnten. Der Einsatz erfolgte in dem Ermittlungsverfahren, das der Generalbundesanwalt gegen die Angeklagten wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Beteiligung an den Anschlägen der „AIZ” eingeleitet hatte. Gegenstand der Untersuchung waren Sprengstoffanschläge und damit Straftaten von erheblicher Bedeutung aus dem Bereich der Schwerkriminalität.
c) Die bei dem Einbau des Empfängers und der Gewinnung der Daten durchgeführten Maßnahmen wie das heimliche Öffnen des PKW, die Benutzung der Fahrzeugbatterie sowie die Erhebung, Speicherung, Übermittlung und die kartographische Umsetzung der „GPS”-Positionsdaten gehören zur Verwendung der „GPS”-Technik und sind daher ebenfalls gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO rechtmäßig. Die Vorschrift gestattet den Strafverfolgungsbehörden im Wege der Annexkompetenz unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch die Vornahme der für den Einsatz des technischen Mittels notwendigen Begleitmaßnahmen. Hierzu kann auch, sofern im konkreten Fall kein milderes Mittel in Betracht käme, trotz des damit verbundenen Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 14 GG die kurzzeitige Verbringung des Fahrzeugs in eine Werkstatt gehören (Nack in KK 4. Aufl. § 100 c Rdn. 15).
d) Ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK liegt nicht vor. Durch den Einbau des „GPS”-Empfängers und die Auswertung der Daten wird zwar die durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Privatsphäre des Angeklagten betroffen. § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO stellt jedoch ein den Eingriff legitimierendes Gesetz im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar (vgl. BGHSt 44, 13, 16 f. für § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO), weil diese Vorschrift die Voraussetzungen für eine verdeckte Überwachung durch technische Mittel klar regelt und die „GPS”-Observierung in einer demokratischen Gesellschaft zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unbedingt notwendig war (vgl. EuGHMR JZ 2000, 993; NJW 1993, 718, 719; NJW 1992, 3088 und NJW 1979, 1755, 1756 ff.). Die erforderliche richterliche Kontrolle erfolgte bei dieser weniger grundrechtsintensiven Überwachungsmethode im Strafverfahren.
III. Die Revision beanstandet weiter, die Gesamtheit der Observationsmaßnahmen sei ohne ausreichende gesetzliche Grundlage erfolgt, weil sie zu einer neuen Qualität geführt habe, die über die Intensität des mit jeder einzelnen Maßnahme verbundenen Grundrechtseingriffs hinausgehe. Durch die Kumulation der durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen sei ein engmaschiges Datennetz geknüpft und damit ein umfassendes Bewegungsprofil des Angeklagten erstellt worden. Dieser sei deshalb in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art 20 Abs. 3 GG, Art. 8 EMRK und Art. 17 IPBPR verletzt worden, was ein Verwertungsverbot nach sich ziehe. Diese Rüge bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
1. Es bestehen bereits Bedenken, ob die Rüge in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Form und damit in zulässiger Weise erhoben worden ist, da die Revision die die Überwachungsmaßnahmen anordnenden richterlichen Beschlüsse und die Anordnungen des Generalbundesanwalts nicht mitteilt und sich auf die Wiedergabe einer von der Verteidigung in die Hauptverhandlung eingeführten Widerspruchsschrift sowie der hierauf ergangenen Stellungnahmen und Gerichtsbeschlüsse beschränkt.
2. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Ein Verbot der Verwertung der erhobenen Beweise besteht auch unter dem Gesichtspunkt des Zusammentreffens mehrerer Ermittlungsmaßnahmen nicht.
a) Der Senat entnimmt den Urteilsgründen sowie den von der Revision mitgeteilten Anträgen und Beschlüssen, daß folgende Fahndungsmaßnahmen durchgeführt worden sind:
Die Angeklagten wurden vom 30. September 1995 bis zu ihrer Festnahme am 25. Februar 1996 schwerpunktmäßig an Wochenenden von Mitarbeitern des Bundeskriminalamtes observiert. Dabei wurden auch videotechnische Hilfsmittel eingesetzt, mit denen die Zugangsbereiche der Gebäude, in denen die Angeklagten wohnten, beobachtet wurden. Bei Observationseinsätzen in H. wurde auch der Betriebsfunk der Firma A., an dem der Mitangeklagte S. teilnahm, abgehört. Ab dem 13. Oktober 1995 wurden aufgrund eines richterlichen Beschlusses die Telefonanschlüsse der Mutter des Angeklagten sowie der Eltern des Mitangeklagten S. überwacht. Ein weiterer Beschluß des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs, der das Abhören und Aufzeichnen des in dem PKW des Mitangeklagten S. und dem Fahrzeug der Mutter des Angeklagten gesprochenen nichtöffentlichen Wortes gestattete, wurde nicht ausgeführt. Die Ausschreibung der beiden Angeklagten und der von ihnen benutzten Fahrzeuge zur polizeilichen Beobachtung wurde vom Ermittlungsrichter angeordnet. Schließlich wurden auf Anordnung des Generalbundesanwalts in dem Kraftfahrzeug des Mitangeklagten S. der „GPS”-Empfänger installiert und die durch die „GPS”-Technik gewonnenen Daten ausgewertet. Daneben führten der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen und das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg nachrichtendienstliche Operationen unter Verwendung entsprechender Mittel durch.
Von diesen Aufklärungsmaßnahmen hat das Oberlandesgericht zur Begründung seiner zur Verurteilung der Angeklagten führenden Überzeugung im wesentlichen auf den Einsatz der „GPS”-Technik und die Erkenntnisse aus der videotechnischen Überwachung der Eingangsbereiche der Wohnobjekte sowie aus einigen Bewegungsobservationen abgestellt.
b) In seinem auf den Widerspruch der Verteidigung ergangenen Beschluß vom 12. Dezember 1997 (NStZ 1998, 268, 269 f.) hat das Oberlandesgericht zutreffend dargelegt, daß die einzelnen Eingriffsmaßnahmen für sich betrachtet von den einschlägigen Ermächtigungsnormen der Strafprozeßordnung – so die längerfristigen videotechnischen Überwachungen der Zugangsbereiche der Wohnobjekte von § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO (vgl. BGHSt 44, 13 ff.) und die nicht intensiven visuellen Observationen von §§ 161, 163 StPO (vgl. BGH NStZ 1992, 44 f.; Wache in KK 4. Aufl. § 163 Rdn. 18; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 163 Rdn. 34 a, jeweils m.w.Nachw.) – gedeckt und von dem jeweils Befugten angeordnet worden waren. Hiergegen hat die Revision keine Einwendungen mehr erhoben. Was die geltend gemachte besondere Beeinträchtigung des Angeklagten durch das Zusammentreffen der Maßnahmen angeht, hat das Oberlandesgericht diesem Gesichtspunkt keine eigenständige Qualität zugesprochen (a. A. Rudolphi/Wolter in SK-StPO Stand Oktober 2000 § 100 c Rdn. 7 a; Comes StV 1998, 569, 570 f.). Dabei hat es vor allem darauf abgestellt, daß das einfache Gesetz für die zeitgleiche Durchführung mehrerer Observierungsmaßnahmen eine gesonderte „übergreifende” richterliche Zuständigkeit allein aufgrund der Kumulation nicht vorsehe. Sie folge auch nicht aus der Verfassung, weil durch die Bündelung von Ermittlungsmaßnahmen weder die Qualität des einzelnen Grundrechtseingriffs verändert noch der jeweilige Rechtsschutz verkürzt werde. Die Kumulation von Ermittlungsmethoden, die unterschiedliche Zielrichtungen verfolgten, sei die Regel und bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. In den unantastbaren Bereich der privaten Lebensführung des Angeklagten, welcher der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen sei, sei nicht eingegriffen worden. Die Anordnung und Durchführung von Eingriffen nach dem G 10-Gesetz hätten schon deshalb keinen Einfluß auf die Zulässigkeit strafprozessualer Eingriffsmaßnahmen, weil sie in der Regel in Unkenntnis der Strafverfolgungsbehörden erfolgten und die Verwertbarkeit daraus gewonnener Erkenntnisse gesetzlich gesondert geregelt sei.
c) Aus den vom Oberlandesgericht in seinem Beschluß ausführlich dargestellten Gründen läßt das Zusammentreffen von Eingriffsmethoden die Zuständigkeitsregelungen der Strafprozeßordnung für die einzelnen Maßnahmen unberührt, so daß keine „übergreifende” ausschließliche richterliche Zuständigkeit besteht. Von dem nach der Strafprozeßordnung Anordnungsbefugten ist allerdings bei der Anordnung jeder einzelnen Maßnahme zu prüfen, ob ihre Durchführung unter Berücksichtigung bereits angeordneter Überwachungsmethoden insgesamt noch verhältnismäßig ist. Trifft somit der Einsatz der „GPS”-Technik mit anderen isoliert betrachtet je für sich zulässigen Überwachungsmethoden zusammen und führt dies zu einer umfassenden Überwachung der Person mit der Folge, daß von ihr ein umfassendes Persönlichkeitsprofil erstellt werden kann (vgl. BGHSt 44, 13, 18; Wache in KK 4. Aufl. § 163 Rdn. 18; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 163 Rdn. 34 a), so kann die Summe der Beeinträchtigungen den Betroffenen rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, gegebenenfalls in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verletzen und deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Bei der insoweit erforderlichen Abwägung kommt dem Gewicht der aufzuklärenden Straftat eine besondere Bedeutung zu.
d) Der Senat muß nicht entscheiden, unter welchen Voraussetzungen bei der „Totalüberwachung” einer Person ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und gegen Art. 8 EMRK (vgl. EuGHMR JZ 2000, 993, 994) vorliegt und ob die Rechtswidrigkeit einer solchen Observation zu einem Verbot der Verwertung der gewonnenen Erkenntnisse führt. Im vorliegenden Fall hat nämlich gegenüber dem Angeklagten keine derart intensive Überwachung stattgefunden, die Bedenken gegen ihre Rechtmäßigkeit aufkommen lassen könnte. Die Videoüberwachung des Wohngebäudes und die sonstigen Observationen des Angeklagten haben sich schwerpunktmäßig auf die Wochenenden konzentriert. Lückenlos nachzuvollziehen waren lediglich die Bewegungen des Fahrzeugs des Mitangeklagten S.. Hiervon war der Angeklagte nur dann betroffen, wenn er sich als Beifahrer in dem PKW befand. Das gesprochene Wort ist nur in begrenztem Umfang abgehört, die Ergebnisse sind von dem Oberlandesgericht zur Begründung des Schuldspruchs nur am Rande herangezogen worden. Berücksichtigt man, daß der Angeklagte der Begehung schwerster Straftaten verdächtig war, der Einsatz des „GPS” erst angeordnet wurde, nachdem alle anderen Ermittlungsmaßnahmen erfolglos geblieben sind, und die Öffentlichkeit ein verfassungsrechtlich anerkanntes Interesse an der Aufklärung solcher Straftaten (BVerfGE 51, 324, 343; 77, 65, 76) hat und es unbedingt geboten war, die weiteren angekündigten Mordanschläge zu verhindern, liegt die von der Revision geltend gemachte Rechtsverletzung bei der vorzunehmenden Güterabwägung nicht vor.
e) Der Schwere des Eingriffs in die Privatsphäre durch eine längerfristige Observation hat der Gesetzgeber inzwischen dadurch Rechnung getragen, daß er bei der Novellierung der Strafprozeßordnung durch das Strafverfahrensänderungsgesetz vom 2. August 2000 (BGBl I S. 1253) in § 163 f StPO die Zulässigkeitsvoraussetzungen und die Anordnungskompetenz für eine längerfristige Observation geregelt hat. Nach § 163 f Abs. 4 StPO bedarf jetzt die längerfristige Observation der richterlichen Anordnung, wenn sie einen Monat übersteigt. Da § 163 f StPO ausschließlich auf die Dauer der Observation abstellt und keine Unterscheidung nach der Art der Überwachungsmethode trifft, gilt § 163 f StPO für jede längerfristige Oberservation unabhängig davon, ob sie mit oder ohne technische Mittel durchgeführt wird. Werden daher für längerfristige Observationen technische Mittel im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO verwendet, so sind zusätzlich die Anordnungsvoraussetzungen des § 163 f StPO zu beachten.
Aus der Regelung in § 163 f StPO kann nicht gefolgert werden, daß die gegen die Angeklagten durchgeführten Überwachungsmaßnahmen, die länger als vier Wochen andauerten, nur von einem Richter hätten angeordnet werden können. Da vor dem Wirksamwerden des Strafverfahrensänderungsgesetzes vom 2. August 2000 am 1. November 2000 die Zulässigkeitsvoraussetzungen sowie die Anordnungskompetenz für eine längerfristige Observation in der Strafprozeßordnung nicht geregelt waren, ist für die Rechtmäßigkeit der gegen die Angeklagten durchgeführten langfristigen Observation allein entscheidend, ob die einzelnen Überwachungsmaßnahmen nach den einschlägigen Vorschriften zulässig angeordnet wurden und sowohl isoliert als auch insgesamt betrachtet dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprachen (vgl. BGHSt 44, 13, 18; BGH NStZ 1992, 44, 45; Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 163 Rdn. 50; Wache in KK 4. Aufl. § 163 Rdn. 18; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 163 Rdn. 34 a). Der Anordnungsvorbehalt des Richters für eine längerfristige Observation ergab sich nach der früheren Rechtslage weder aus der Strafprozeßordnung noch aus Art. 8 EMRK oder aus dem Verfassungsrecht (a. A. Rudolphi/Wolter aaO § 100 c Rdn. 7 a).
IV. Die weiteren Verfahrensrügen sind aus den von dem Generalbundesanwalt in seiner Zuleitungsschrift vom 24. August 2000 dargelegten Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt, unzulässig bzw. unbegründet.
V. Die durch die Sachrüge veranlaßte Überprüfung des Urteils in materiellrechtlicher Hinsicht hat keinen Fehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben. Insbesondere beruht die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts auf einer tragfähigen Grundlage und ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der bedingte Tötungsvorsatz sowie das Mordmerkmal der Heimtücke sind rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Revision verkennt, daß die revisionsgerichtliche Überprüfung nicht auf die isolierte Bewertung des einzelnen Indizes, sondern auf die sämtliche Indizien einbeziehende Gesamtwürdigung abzustellen hat.
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Schluckebier, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 547482 |
BGHSt |
BGHSt, 266 |
NJW 2001, 1658 |
NStZ 2001, 386 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2001, 589 |
wistra 2001, 222 |
DVP 2001, 395 |
JZ 2001, 1144 |
ZLW 2001, 588 |
ITRB 2001, 257 |
Kriminalistik 2001, 203 |
NPA 2001 |
StV 2001, 216 |
StV 2001, 382 |