Leitsatz (amtlich)
- § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO entspricht als Ermächtigungsgrundlage für Beweiserhebungen unter Einsatz des Global Positioning System und die anschließende Verwertung dieser Beweise den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
- Beim Einsatz moderner, insbesondere dem Betroffenen verborgener, Ermittlungsmethoden müssen die Strafverfolgungsbehörden mit Rücksicht auf das dem “additiven” Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotential besondere Anforderungen an das Verfahren beachten.
- Wegen des schnellen und für den Grundrechtsschutz riskanten informationstechnischen Wandels muss der Gesetzgeber die technischen Entwicklungen aufmerksam beobachten und notfalls durch ergänzende Rechtssetzung korrigierend eingreifen. Dies betrifft auch die Frage, ob die bestehenden verfahrensrechtlichen Vorkehrungen angesichts zukünftiger Entwicklungen geeignet sind, den Grundrechtsschutz effektiv zu sichern und unkoordinierte Ermittlungsmaßnahmen verschiedener Behörden verlässlich zu verhindern.
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Verwendung des Global Positioning System (GPS) in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren neben anderen, zeitgleich durchgeführten Observationsmaßnahmen sowie gegen die Verwertung der aus der GPS-Observation gewonnenen Erkenntnisse. Sie wirft die Frage auf, ob § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
Art. 3 Nr. 6 des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl I S. 1302) hat § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO in die Strafprozessordnung eingefügt. Die Vorschrift regelt die Verwendung besonderer für Observationszwecke bestimmter technischer Mittel zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Täters. Die Maßnahme richtet sich gemäß § 100c Abs. 2 Satz 1 StPO gegen den Beschuldigten. Gegen andere Personen ist sie nur nach Maßgabe des § 100c Abs. 2 Satz 3 StPO zulässig. Auf Grund § 101 Abs. 1 Satz 1 StPO, für dessen Auslegung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98 u.a. – (BVerfGE 109, 279 ≪363 ff.≫) Beachtung fordert, sind die Beteiligten von der getroffenen Maßnahme zu benachrichtigen.
§ 100c StPO lautet:
Einsatz technischer Mittel
(1) Ohne Wissen des Betroffenen
1. dürfen
a) Lichtbilder und Bildaufzeichnungen hergestellt werden,
b) sonstige besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters verwendet werden, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist, und
wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre,
2. …
3. …
(2) Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen sich nur gegen den Beschuldigten richten. Gegen andere Personen sind Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe b, Nr. 2 dürfen gegen andere Personen nur angeordnet werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, daß die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. …
(3) Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
II.
Der Beschwerdeführer verübte 1995 als Mitglied der sogenannten Antiimperialistischen Zelle (AIZ) in Fortführung der von der “Rote Armee Fraktion” (RAF) zu dieser Zeit bereits aufgegebenen Strategie des bewaffneten Kampfs vier Sprengstoffanschläge. Wegen dieser Taten verurteilte ihn das Oberlandesgericht unter anderem wegen gemeinschaftlichen Mordversuchs in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren.
1. In seiner Beweiswürdigung stützte sich das Oberlandesgericht maßgeblich auf Erkenntnisse aus zahlreichen gegen den Beschwerdeführer und den Mitangeklagten des Ausgangsverfahrens durchgeführten Observationsmaßnahmen.
a) In der Zeit von Oktober 1995 bis Februar 1996 war der Eingangsbereich des vom Beschwerdeführer mitgenutzten Wohnhauses seiner Mutter einschließlich eines an dem Grundstück vorbeiführenden Verbindungswegs videotechnisch beobachtet worden. Daneben hatten Beamte des Bundeskriminalamts den Beschwerdeführer visuell observiert. Bereits seit dem Frühjahr 1993 hatte der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen videogestützte Langzeitbeobachtungen durchgeführt. Der Verfassungsschutz der Freien und Hansestadt Hamburg hatte zudem von Januar 1994 bis Februar 1996 das Wohnhaus des Mitangeklagten observiert. Im Oktober 1995 hatte das Bundeskriminalamt den Personenkraftwagen des Mitangeklagten, in dem auch der Beschwerdeführer häufig mitfuhr, mit einem Peilsender versehen und den von dem Mitangeklagten beruflich genutzten Betriebsfunk abgehört. Ferner waren die Telefonanschlüsse in der vom Beschwerdeführer mitgenutzten Wohnung seiner Mutter, in einer nahe gelegenen Telefonzelle und in der Wohnung des Mitangeklagten überwacht sowie Postsendungen, die für den Beschwerdeführer bestimmt waren, geöffnet und überprüft worden. Der Ermittlungsrichter hatte den Beschwerdeführer, den Mitangeklagten und die von ihnen genutzten Fahrzeuge zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben. Ein weiterer Beschluss des Ermittlungsrichters, der das Abhören und Aufzeichnen des in dem Personenkraftwagen des Mitangeklagten und im Fahrzeug der Mutter des Beschwerdeführers nicht öffentlich gesprochenen Wortes gestattete, war nicht mehr ausgeführt worden.
b) Der Beschwerdeführer und der Mitangeklagte des Ausgangsverfahrens hatten mit einer Überwachung gerechnet und sich deshalb in vielfältiger Weise konspirativ verhalten. Aus Sorge, abgehört zu werden, hatten sie nicht miteinander telefoniert. Bei Fahrten mit den von ihnen genutzten Kraftfahrzeugen war es ihnen regelmäßig gelungen, sich der visuellen Observation durch Kräfte des Verfassungsschutzes und des Bundeskriminalamts zu entziehen. Mit Hilfe von Scannern und Hochfrequenzdetektoren hatten sie schließlich zwei in das Fahrzeug eingebaute Peilsender entdeckt und funktionsunfähig gemacht.
c) Auf Anordnung des Generalbundesanwalts wurde im Dezember 1995 im Personenkraftwagen des Mitangeklagten ein GPS-Empfänger installiert, mit dessen Hilfe die räumliche Position des Fahrzeugs bis auf fünfzig Meter genau bestimmt werden konnte. Der Zyklus der Datenspeicherung war so programmiert, dass in dem eingebauten Empfänger jeweils im Minutentakt das Datum, die Uhrzeit, die geografischen Breiten- und Längenkoordinaten sowie die jeweilige Geschwindigkeit des Personenkraftwagens aufgezeichnet wurden. Die gespeicherten Daten wurden im Abstand weniger Tage mittels eines kurzzeitig aktivierten Übertragungsvorgangs “abgezogen”. Durch die Auswertung der Positionsdaten konnten die Fahrbewegungen, Standorte und Standzeiten des Fahrzeugs lückenlos nachvollzogen werden. Die GPS-Observation dauerte bis zur Festnahme des Beschwerdeführers am 25. Februar 1996 an.
d) Der Beschwerdeführer hat die gleichzeitige Durchführung verschiedener Observationsmaßnahmen “ohne eine richterliche Überprüfung ihrer Gesamtschau” in der Hauptverhandlung gerügt und einer Verwertung der aus dem GPS-Einsatz gewonnenen Erkenntnisse widersprochen.
e) Das Oberlandesgericht wies den Widerspruch zurück (NStZ 1998, S. 268) und legte der Verurteilung des Beschwerdeführers auch die Erkenntnisse aus der GPS-Überwachung zugrunde.
Die Entstehungsgeschichte des § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO spreche für eine Einbeziehung des GPS in den Anwendungsbereich der Norm. Der Gesetzgeber habe gerade den Einsatz von Ortungssystemen wie Peilsendern erlauben wollen. Das GPS arbeite im Vergleich mit solchen Sendern bloß mit höherer Reichweite, Präzision und Unauffälligkeit. Das Zusammentreffen des GPS-Einsatzes mit den sonst noch durchgeführten Observationsmaßnahmen, die jeweils für sich betrachtet zulässig gewesen seien, begegne keinen Bedenken. Die Strafprozessordnung behalte nur besonders eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen, wie etwa die Telefonüberwachung (§ 100a StPO), grundsätzlich dem Richter vor. Die Bündelung der Ermittlungsmaßnahmen verkürze weder den Rechtsschutz noch ändere sie die Qualität des einzelnen Grundrechtseingriffs.
2. Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts hat der Beschwerdeführer Revision eingelegt, mit der er unter anderem die Verwertung der aus der Observation gewonnenen Erkenntnisse gerügt hat.
3. Die Revision wurde durch Urteil des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs verworfen (BGHSt 46, 266).
a) Der Gesetzgeber habe mit der Wahl des Begriffs “sonstige technische Mittel” in § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO erkennbar dem technischen Fortschritt Raum schaffen und auch den Einsatz von Systemen ermöglichen wollen, die zum Zeitpunkt, da die Vorschrift erlassen worden ist, noch nicht zur Strafverfolgung einsetzbar gewesen seien. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verwendung der GPS-Technik seien auch im konkreten Fall erfüllt gewesen, da sich der Beschwerdeführer und der Mitangeklagte regelmäßig den anderen Überwachungsmaßnahmen entzogen hätten und Gegenstand der Untersuchung schwerste Verbrechen gewesen seien.
Inzwischen habe der Gesetzgeber in § 163 f Abs. 4 StPO zwar eine Anordnungskompetenz des Richters für jede mehr als einen Monat dauernde Observation eingerichtet und dadurch der Schwere des Eingriffs in die Privatsphäre Rechnung getragen. Der dort normierte Richtervorbehalt für längerfristige Observationen mittels GPS habe sich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Beweiserhebung freilich weder aus der Strafprozessordnung noch aus Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder dem Verfassungsrecht ergeben.
b) Die Rüge des Beschwerdeführers, die Gesamtheit der Observationsmaßnahmen habe eine gesonderte Ermächtigung verlangt, sei – unabhängig davon, ob sie den Zulässigkeitsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genüge – jedenfalls unbegründet. Eine “übergreifende” richterliche Zuständigkeit allein auf Grund der Bündelung von Ermittlungsmaßnahmen folge weder aus der Strafprozessordnung noch aus dem Grundgesetz. Die Kumulation von Ermittlungsmethoden, die unterschiedliche Zielrichtungen verfolgten, sei die Regel und fordere Berücksichtigung bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen. Treffe der Einsatz der GPS-Technik mit anderen, isoliert betrachtet je für sich zulässigen, Überwachungsmethoden zusammen und ermögliche er damit die Erstellung eines umfassenden Persönlichkeitsprofils, so könne die Summe der Beeinträchtigungen den Betroffenen zwar in seinen Persönlichkeitsrechten verletzen. Der Senat müsse hier aber nicht entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die “Totalüberwachung” einer Person gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder gegen Art. 8 EMRK verstoße und ob für die aus einer solchen Observation gewonnenen Erkenntnisse ein Verwertungsverbot gelte.
III.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteile des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs sowie gegen seine Observation durch das Bundeskriminalamt und die Verfassungsschutzämter der Länder Nordrhein-Westfalen und Hamburg von Oktober 1995 bis Februar 1996. Er rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG durch die Ermittlungsmaßnahmen. Die Verwertung der gewonnenen Erkenntnisse durch das Oberlandesgericht und die bestätigende Entscheidung des Bundesgerichtshofs verstießen gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.
1. a) § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO scheide als Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz des GPS-Systems aus. Der Begriff “technische Mittel” ermögliche eine weite Auslegung, die unübersehbare Zukunftsentwicklungen einschließe und die vom Bundesverfassungsgericht und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an die Bestimmtheit gesetzlicher Eingriffsermächtigungen gestellten Anforderungen verfehle. Ebenso wenig genüge die Vorschrift dem aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG unter Beachtung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgenden Erfordernis einer effektiven Kontrolle der zugelassenen Eingriffe. GPS-Einsätze würden gerichtlich nur im Rahmen eines Strafverfahrens überprüft und auch dort nur dann, wenn die Observation verwertbare Ergebnisse erbracht habe. Dagegen fehle jegliche Kontrolle, wenn es nicht zu einem Prozess komme.
b) Die gleichzeitige Durchführung verschiedener gegen ihn und den Mitangeklagten des Ausgangsverfahrens gerichteter Observationsmaßnahmen habe als besonders intensiver Eingriff in seine durch Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre einer eigenständigen gesetzlichen Ermächtigung bedurft. Dies folge schon aus der als Auslegungshilfe heranzuziehenden Regelung des Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK. Sie schütze nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die persönliche Entfaltung im “Für-Sich-Sein-Wollen” auch außerhalb von Familie oder Wohnung. Die satellitengestützte GPS-Observation arbeite auf Grund ihrer Technik “substanzlos”; sie folge dem Betroffenen unmerklich und schreibe über große Zeiträume hinweg seine Bewegungen und Aufenthalte fest. Aus diesem Grunde bedürfe sie einer besonderen gesetzlichen Grundlage jedenfalls dann, wenn sie mit weiteren Observationsmaßnahmen zusammentreffe, die zusätzlich die Schutzbereiche der Wohnung und der Kommunikation berührten.
c) Berücksichtige man die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 EMRK, so verstießen die Verwertung der Ergebnisse dieser gesetzlich nicht vorgesehenen Observationsmaßnahmen durch das Oberlandesgericht und ihre Bestätigung durch das Revisionsgericht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.
2. Einen weiteren Verstoß gegen diesen Grundsatz durch die Fachgerichte sieht der Beschwerdeführer in einer Verkürzung seiner Verteidigungsrechte. Entlastende Wahrnehmungen zweier gesperrter Vertrauenspersonen seien lediglich mittelbar durch die Vernehmung eines zusätzlich nur beschränkt aussagebefugten Polizeibeamten verwertet und nicht mit dem gebotenen Gewicht in die Beweiswürdigung eingestellt worden.
IV.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben sich das Bundesministerium der Justiz für die Bundesregierung, die Strafsenate des Bundesgerichtshofs und der Generalbundesanwalt geäußert.
1. Nach Auffassung des Bundesministeriums der Justiz enthält das Strafprozessrecht sowohl für die Verwendung des GPS als auch für kumulierte Ermittlungsmaßnahmen hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen.
a) Der Einwand des Beschwerdeführers, § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO sei zu unbestimmt, greife nicht durch. Die in der Vorschrift enthaltene Ermächtigung werde – auch bei Einbeziehung technischer Entwicklungen – durch den für die Eingriffsintensität maßgeblichen Gesichtspunkt der Observation begrenzt. Zur Zeit der Maßnahmen in diesem Verfahren habe die juristische Praxis die Generalklauseln der §§ 161, 163 StPO – neben § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO – als geeignete Ermächtigungsgrundlagen für eine auf längere Dauer angelegte Observation ansehen dürfen. Die im Jahr 2000 in Kraft getretene Vorschrift des § 163 f StPO ändere hieran nichts.
b) Die Kumulierung von Ermittlungsmaßnahmen bedürfe keiner gesonderten gesetzlichen Ermächtigung. Die Strafprozessordnung halte für Eingriffe in verschiedene Grundrechtspositionen jeweils spezielle Ermächtigungsgrundlagen bereit. Für strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, die sich auf diese Grundlagen stützten, gelte insgesamt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Problematik der Kumulierung werde auch durch die in zahlreichen gesetzlichen Regelungen enthaltenen Subsidiaritätsklauseln entschärft. Im Übrigen seien die denkbaren Kumulationen so unterschiedlich, dass eine gesetzliche Regelung, die über eine deklaratorische Wiederholung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinausgehe, als kaum möglich erscheine.
2. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf sein Urteil vom 29. Januar 1998 – 1 StR 511/97 – (BGHSt 44, 13) zur Auslegung des § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StPO verwiesen und ergänzend bemerkt, bei der im Ausgangsverfahren durchgeführten GPS-Überwachung habe es eine Gemengelage von repressiven und präventiven Observationszwecken gegeben. Angesichts der zusätzlichen präventiven Zwecke erscheine dem Senat eine engmaschige Überwachung unerlässlich und auch verhältnismäßig. Der Schutz der Privatsphäre könne zurückstehen, wenn durch die Observation die Planung, Vorbereitung und Begehung schwerster Straftaten dokumentiert und sogar verhindert werde.
3. a) Nach Auffassung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof war die Verwendung des GPS im Ausgangsverfahren von der Ermächtigungsgrundlage des § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO gedeckt. Die Vorschrift stehe in Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit. Die “technischen Mittel” seien durch ihre Ortungsfunktion und durch den Ausschluss visueller und akustischer Aufzeichnungen hinreichend umgrenzt. Es stehe im Ermessen des Gesetzgebers, eine Ermächtigung durch die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe von vornherein zukunftsoffen zu gestalten. Mit seinem Einwand, § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO sehe keinen effektiven Rechtsschutz gegen die von der Vorschrift erlaubten Ortungsmaßnahmen vor, könne der Beschwerdeführer nicht gehört werden. Denn nach seinen eigenen Angaben seien die Erhebung und Verwertung der Erkenntnisse aus der gegen ihn durchgeführten GPS-Observation im Ausgangsverfahren mehrfach geprüft worden.
b) Der Begriff der “Kumulation” von Ermittlungsmaßnahmen biete wegen seiner Vielgestaltigkeit und Unschärfe keinen geeigneten Anknüpfungspunkt einer verfahrensrechtlichen Absicherung von Grundrechten. Die rein additive Aufzählung von Maßnahmen erwecke den falschen Eindruck, diese Maßnahmen seien gleichzeitig und gebündelt zur Erstellung eines Persönlichkeitsprofils des Beschwerdeführers verwendet worden. Tatsächlich habe man sie aber jeweils situationsangepasst, als Reaktion auf das konspirative und professionelle Vorgehen des Beschwerdeführers, eingesetzt.
Eine richterliche Kontrolle sei auch nicht wegen des Gewichts der betroffenen Grundrechte erforderlich. Art. 20 Abs. 3 GG binde die Staatsanwaltschaft insbesondere an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der bei Observationsmaßnahmen regelmäßig durch Subsidiaritätsklauseln konkretisiert werde. Dementsprechend müsse die Staatsanwaltschaft, wenn sie eine dem Richter vorbehaltene Maßnahme beantrage, diesen über vorangegangene und gegenwärtig stattfindende Ermittlungsmaßnahmen informieren. Dies sei im Ausgangsverfahren auch geschehen.
4. In der mündlichen Verhandlung haben der Beschwerdeführer, die Bundesregierung und der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof ihre schriftsätzlichen Stellungnahmen vertieft. Das Bundesverfassungsgericht hat außerdem sachverständige Einschätzungen zur Anwendung des GPS bei der Verfolgung von Straftaten gehört.
Entscheidungsgründe
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit der Beschwerdeführer rügt, die Fachgerichte hätten seinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) dadurch verletzt, dass sie die Erkenntnisse verwertet haben, die aus der gegen ihn durchgeführten Observation unter Einsatz des GPS stammen.
Der Beschwerdeführer hat gegen die Verwertungsakte jeweils Widerspruch erhoben; der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ist damit gewahrt (vgl. BVerfGE 16, 124 ≪127≫; 78, 58 ≪68 f.≫; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2000 – 2 BvR 2017/94 u.a. –, NStZ 2000, S. 489 ≪490≫).
Es kann deshalb offen bleiben, ob die Verfassungsbeschwerde auch hinsichtlich der weiteren, auf den GPS-Einsatz bezogenen Beanstandungen zulässig ist. Im praktischen Ergebnis könnte der Beschwerdeführer auch dann, wenn dies hinsichtlich der Rügen wegen der Beweiserhebung mittels GPS und ihrer Kumulation mit anderen Ermittlungsmaßnahmen der Fall wäre, keine weiter gehende Prüfung erreichen. Das Bundesverfassungsgericht kann bei der auf eine zulässige Rüge hin eröffneten Kontrolle der Verwertung eines Beweises auch die Rechtmäßigkeit des zugrunde liegenden Erhebungsakts – einschließlich des Zusammenspiels mit weiteren strafprozessualen Ermittlungseingriffen – überprüfen.
II.
Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Die Rüge des Beschwerdeführers, Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof hätten die Wahrnehmungen zweier gesperrter Vertrauenspersonen in einer die Prozessfairness verletzenden Weise behandelt, scheitert daran, dass der Beschwerdeführer die Erschöpfung des Rechtswegs nicht darlegt (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Ohne Vorlage oder doch Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Revisionsbegründungsschrift oder der darauf möglicherweise bezugnehmenden Stellungnahme des Generalbundesanwalts kann nicht überprüft werden, ob im fachgerichtlichen Verfahren eine zulässige Rüge erhoben worden ist (vgl. BVerfGE 95, 96 ≪127≫).
C.
Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, wirft sie die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen der Verwertung von Erkenntnissen aus einer Observation unter Einsatz des GPS (I. 1. – 2.) neben anderen, zeitgleich durchgeführten Überwachungsmaßnahmen (I. 3.) auf; diese Grenzen sind im vorliegenden Fall gewahrt. Die Auslegung und Anwendung der strafprozessualen Ermächtigungsgrundlage in § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO durch das Oberlandesgericht und den Bundesgerichtshof sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (II.).
I.
Den angegriffenen Entscheidungen der Strafgerichte liegt die zutreffende Auffassung zu Grunde, dass § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO eine Ermächtigungsgrundlage für Beweiserhebungen unter Einsatz des GPS und die anschließende Verwertung dieser Beweise ist. Die Vorschrift genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit strafprozessualer Eingriffsnormen (1.) und ist auch im Übrigen verfassungsgemäß (2.).
1. Da die strengere Fassung des Gebots der Gesetzesbestimmtheit in Art. 103 Abs. 2 GG für Vorschriften des Strafverfahrensrechts grundsätzlich keine Geltung beansprucht (vgl. BVerfGE 25, 269 ≪286 f.≫; 63, 343 ≪359≫), ergeben sich die Anforderungen an Normenklarheit und Tatbestandsbestimmtheit hier aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 GG). Danach muss eine Norm in ihren Voraussetzungen und in ihrer Rechtsfolge so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 21, 73 ≪79≫; 25, 269 ≪285≫; 87, 287 ≪317 f.≫; stRspr).
a) Der Gesetzgeber hat den Einsatz technischer Mittel in § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO nur bei einer Anlasstat “von erheblicher Bedeutung” zugelassen. Auf weitere Konkretisierung, etwa mittels eines Straftatenkatalogs, hat er verzichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat freilich wiederholt festgestellt, dass schon das Merkmal der “erheblichen Bedeutung” Grundrechtseingriffe im Strafverfahren einer hinreichend bestimmten Begrenzung unterwirft. Eine solche Straftat muss mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sein, den Rechtsfrieden empfindlich stören und dazu geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 103, 21 ≪34≫; 107, 299 ≪322≫; 109, 279 ≪344≫).
b) Eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Konkretisierung ist auch bei der Auslegung des in § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO verwendeten Merkmals “besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel” möglich.
aa) Der in den angegriffenen Urteilen der Strafgerichte enthaltene Hinweis, bei dem GPS handele es sich letztlich nur um eine Weiterentwicklung des vom Gesetzgeber beispielhaft genannten technischen Mittels des Peilsenders (vgl. BTDrucks 12/989, S. 39), greift zwar zu kurz. Der erfolgreiche Einsatz eines Peilsenders setzt zumindest ein ungefähres Wissen um den aktuellen Aufenthaltsort des Beschuldigten voraus. Auf diese erhebliche Begrenzung der Einsatzmöglichkeiten trifft der Einsatz des GPS nicht.
Das Bestimmtheitsgebot verlangt vom Gesetzgeber, dass er technische Eingriffsinstrumente genau bezeichnet und dadurch sicherstellt, dass der Adressat den Inhalt der Norm jeweils erkennen kann (vgl. BVerfGE 87, 287 ≪317 f.≫). Das Bestimmtheitsgebot verlangt aber keine gesetzlichen Formulierungen, die jede Einbeziehung kriminaltechnischer Neuerungen ausschließen. Wegen des schnellen und für den Grundrechtsschutz riskanten (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪42 f.≫) informationstechnischen Wandels, dessen Gefahren für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch der Sachverständige Prof. Dr. G.… in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beschrieben hat, muss der Gesetzgeber die technischen Entwicklungen aufmerksam beobachten und bei Fehlentwicklungen hinsichtlich der konkreten Ausfüllung offener Gesetzesbegriffe durch die Strafverfolgungsbehörden und die Strafgerichte notfalls durch ergänzende Rechtssetzung korrigierend eingreifen (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪191≫).
bb) Die Verwendung des Merkmals “besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel” wird diesen Anforderungen gerecht. Was damit gemeint ist, ist in seiner Zielrichtung leicht verständlich und lässt sich mit den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung konkretisieren.
Durch die systematische Abgrenzung zu den in § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StPO genannten Mitteln einfacher optischer Überwachungstätigkeit einerseits und den durch § 100c Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StPO geregelten akustischen Überwachungs- und Aufzeichnungstechniken andererseits hat der Gesetzgeber einen Bereich hinreichend bestimmt abgegrenzt, in dem moderne Kriminaltechnik zur Anwendung kommen darf, die in anderer Weise die weitere Aufklärung des Sachverhalts oder die Ortung einer Person möglicht macht. Es geht um Ortung und Aufenthaltsbestimmung durch Beobachtung mit technischen Mitteln. Innerhalb dieses Bereichs hält sich die Verwendung des GPS. Gegenüber Bewegungsmeldern und Nachtsichtgeräten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., 2004, § 100c Rn. 2) zeichnet sich dieses System zwar durch eine verbesserte Flexibilität im Einsatz und eine erhöhte Genauigkeit der Ergebnisse aus. Andererseits unterliegt aber auch das GPS auf Grund seiner technischen Spezifikation Beschränkungen beim Empfang in geschlossenen Räumen oder innerhalb von Häuserschluchten, wie der Sachverständige Prof. Dr. T.… in der mündlichen Verhandlung näher erläutert hat. Bei dieser Sachlage musste der Gesetzgeber nicht davon ausgehen, dass das GPS zu einem Observationsinstrument besonderer Art und spezifischer Tiefe werden könnte, dessen Einsatz von Verfassungs wegen nur unter restriktiveren Voraussetzungen gestattet werden darf.
2. Die Regelung in § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO genügt auch im Übrigen den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
a) Der Gesetzgeber ist auf Grund des Urteils des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98 u.a. – (BVerfGE 109, 279 ≪363 ff., 381≫) verpflichtet, bezüglich der Regelung über die Benachrichtigung der Beteiligten in § 101 StPO, die mit Art. 19 Abs. 4 GG nur teilweise in Einklang steht, bis zum 30. Juni 2005 einen verfassungsgemäßen Rechtszustand herzustellen.
b) Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) durch die Verwendung von Instrumenten technischer Observation erreichen in Ausmaß und Intensität typischerweise nicht den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung (vgl. dazu BVerfGE 80, 367 ≪375≫; 109, 279 ≪319≫); so ist es auch hier. Der Gesetzgeber durfte zusätzlich berücksichtigen, dass sich der Grundrechtseingriff durch den Einsatz jener Mittel im Ergebnis auch zugunsten der Betroffenen auswirken kann. Dies gilt etwa dann, wenn durch die technisch gestützte Observation ein tiefer gehender Eingriff mit Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte – etwa Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Worts nach § 100c Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 StPO in einem von dem Beschuldigten benutzten Personenkraftwagen – vermieden werden kann. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Zulassung der Maßnahme bloß von einem Anfangsverdacht abhängig gemacht hat. Es war ihm auch nicht verwehrt, den Einsatz dieser Mittel an die im unmittelbaren systematischen Zusammenhang des § 100c StPO niedrigste Subsidiaritätsstufe (“wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre”) zu binden (vgl. dazu BVerfGE 109, 279 ≪342 f.≫).
c) Der Gesetzgeber war jedenfalls nicht schon im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO von Verfassungs wegen gehalten, länger andauernde technische Observationsmaßnahmen unter Richtervorbehalt zu stellen. Er durfte zunächst die rechtstatsächliche Entwicklung abwarten. Er hat durch Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts – Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 vom 2. August 2000 (BGBl I S. 1253, 1255) – mit Wirkung zum 1. November 2000 § 163 f Abs. 4 StPO eingefügt. Die Vorschrift ergänzt § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO, indem sie für längerfristige Observationen des Beschuldigten, unabhängig vom Einsatz besonderer technischer Mittel, zusätzliche Voraussetzungen formuliert und eine richterliche Entscheidung für Observationen, die mehr als einen Monat andauern, anordnet.
In den Gesetzgebungsverfahren, die schließlich zu der heutigen Regelung geführt haben, war unklar geblieben, ob es nach den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 (BVerfGE 65, 1 ≪43 ff.≫) einer solchen Regelung aus Gründen der Verfassung bedürfe (vgl. BTDrucks 11/1878, S. 8; BTDrucks 11/7663, S. 38 und Anlage 2, S. 53; BTDrucks 13/9718, S. 21 f. und Anlage 2, S. 39 f.). Im Ergebnis hat sich der Gesetzgeber für die zusätzliche Sicherung des Grundrechtsschutzes durch Richtervorbehalt entschlossen (vgl. dazu BVerfGE 42, 212 ≪220≫; 103, 142 ≪151≫). Die in § 163 f Abs. 4 Satz 2 StPO getroffene Regelung ist Ausdruck der verfassungsrechtlich geforderten Vergewisserung des Gesetzgebers im Bereich der modernen technischen Ermittlungseingriffe des Strafprozessrechts (siehe oben C. I. 1. b) aa); sie ist Ergebnis einer gesetzgeberischen Entscheidung, die Grundrechte des Beschuldigten bei langfristiger Observation prozedural besonders zu sichern.
d) Durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 ist die Strafprozessordnung um Bestimmungen über die Erteilung von Auskünften und Akteneinsicht, sonstige Verwendung von Informationen für verfahrensübergreifende Zwecke und Dateiregelungen ergänzt worden (§§ 474 ff. StPO). Damit liegen bereichsspezifische Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten vor (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪46≫). Auf Einzelheiten des Regelungswerks kommt es hier nicht an.
3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bedurfte es keiner gesonderten gesetzlichen Regelung für einen Einsatz mehrerer Ermittlungsmaßnahmen zur selben Zeit. Vielmehr durfte der Gesetzgeber davon überzeugt sein, dass eine von Verfassungs wegen stets unzulässige “Rundumüberwachung” (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪43≫; 109, 279 ≪323≫), mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Beteiligten erstellt werden könnte, durch allgemeine verfahrensrechtliche Sicherungen auch ohne spezifische gesetzliche Regelung grundsätzlich ausgeschlossen sein werde.
a) Beim Einsatz moderner, insbesondere dem Betroffenen verborgener, Ermittlungsmethoden müssen die Strafverfolgungsbehörden mit Rücksicht auf das dem “additiven” Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotential aber besondere Anforderungen an das Verfahren beachten.
aa) Es ist sicherzustellen, dass die eine Ermittlungsmaßnahme beantragende oder anordnende Staatsanwaltschaft als primär verantwortlicher Entscheidungsträger über alle Ermittlungseingriffe informiert ist, die den Grundrechtsträger im Zeitpunkt der Antragstellung und im Zeitpunkt einer zeitlich versetzten Ausführung der Maßnahme jeweils treffen; sonst wäre eine verantwortliche Prüfung und Feststellung übermäßiger Belastung nicht möglich. Dazu bedarf es nicht nur – was selbstverständlich ist (vgl. § 168b Abs. 1, § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO) – einer vollständigen Dokumentation aller ausgeführten oder ausführbaren Ermittlungseingriffe in den Akten (vgl. BVerfGE 63, 45 ≪64≫). Darüber hinaus ist – insbesondere durch die Nutzung des länderübergreifenden staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregisters (§§ 492 ff. StPO) – sicherzustellen, dass nicht verschiedene Staatsanwaltschaften ohne Wissen voneinander im Rahmen von Doppelverfahren in Grundrechte eingreifen.
bb) Für den Fall, dass neben den Strafverfolgungsinstanzen auch Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendienste ermittelnde Maßnahmen anordnen und vollziehen, hat der Gesetzgeber in § 492 Abs. 4 StPO die Möglichkeit geschaffen, dass grundlegende, den Staatsanwaltschaften zugängliche Verfahrensdaten auch den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, dem Amt für den Militärischen Abschirmdienst und dem Bundesnachrichtendienst zur Verfügung gestellt werden, sofern diesen Behörden ein Auskunftsrecht gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zusteht. Diese Regelung, die in erster Linie der Verfahrensvereinfachung dienen sollte (BTDrucks 12/6853, S. 37), hat zugleich eine Voraussetzung für die grundrechtssichernde Abstimmung der Ermittlungstätigkeit geschaffen.
b) Der Gesetzgeber wird darüber hinaus zu beobachten haben, ob die bestehenden verfahrensrechtlichen Vorkehrungen auch angesichts zukünftiger Entwicklungen geeignet sind, den Grundrechtsschutz effektiv zu sichern. Es dürfte zu erwägen sein, ob durch ergänzende Regelung der praktischen Ermittlungstätigkeit – etwa in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren – unkoordinierte Ermittlungsmaßnahmen verschiedener Behörden verlässlich verhindert werden können.
II.
An diesen Maßstäben gemessen sind die Auslegung und Anwendung des § 100c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO in den Urteilen des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden.
1. Die Fachgerichte haben die durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogenen Grenzen beim Einsatz des GPS beachtet. Die Auslegung und Anwendung der Subsidiaritätsklausel begegnet angesichts des konspirativen Verhaltens der Beschuldigten und der Schwere der ihnen vorgeworfenen Taten keinen Bedenken.
2. Die durch das Verbot der Totalüberwachung (oben C. I. 3.) dem kumulativen Einsatz moderner strafprozessualer Ermittlungsmethoden gezogenen Grenzen sind gewahrt. Die Abwägung der Strafgerichte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der maßgeblich berücksichtigt wurde, dass die ohnehin nur bei Benutzung des Personenkraftwagens des Mitangeklagten durchgeführte GPS-Observation durch andere Observationsmaßnahmen im Schwerpunkt nur an den Wochenenden ergänzt worden sei und sich nur in begrenztem Umfang auf das besonders sensible Abhören des gesprochenen Worts bezogen habe, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Unterschriften
Hassemer, Jentsch, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen
BVerfGE 2005, 304 |
NJW 2005, 1338 |
EuGRZ 2005, 254 |
NVwZ 2005, 1053 |
NVwZ 2005, 666 |
CR 2005, 569 |
NStZ 2005, 388 |
ZAP 2005, 448 |
wistra 2005, 255 |
DSB 2005, 18 |
DVP 2005, 433 |
JA 2006, 93 |
JuS 2005, 740 |
RDV 2005, 112 |
BayVBl. 2005, 436 |
DVBl. 2005, 699 |
ITRB 2005, 150 |
Kriminalistik 2005, 439 |
MMR 2005, 371 |
NPA 2006, 288 |
UPR 2005, 240 |
Nds.MBl 2005, 285 |
Polizei 2005, 242 |