Leitsatz (amtlich)
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen, auch dann nicht durch Beschluss an sich ziehen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist. In einem solchen Fall können nur die Ansprüche vergemeinschaftet werden, die auf die Abwehr der Störungen des Gemeinschaftseigentums gerichtet sind.
Normenkette
WEG § 10 Abs. 6 S. 3
Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 18.11.2016; Aktenzeichen 8 U 3112/16) |
LG München I (Entscheidung vom 03.06.2016; Aktenzeichen 40 O 11108/14) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des OLG München - 8. Zivilsenat - vom 18.11.2016 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung hinsichtlich der Abweisung der Klageanträge zu 1) und 3) zurückgewiesen worden ist (Unterlassung von Geruchs- und Lärmimmissionen).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Klägerin gehört eine Eigentumswohnung. Sie liegt direkt über einer von dem Beklagten gemieteten Einheit, die in der Teilungserklärung als Wohnung/Wohnraum ausgewiesen ist. Der Beklagte vermietet diese Wohnung seinerseits an Personen weiter, die sich in einem nahegelegenen Klinikum einer Behandlung unterziehen. Von den Untermietern sollen Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgehen.
Rz. 2
Auf der Eigentümerversammlung am 4.6.2014 wurden unter TOP 10 folgende Beschlüsse gefasst:
"Antrag 1: Die Eigentümerversammlung beschließt, unter Beauftragung eines Rechtsanwalts Klage auf Unterlassung von Verstößen gegen die Verpflichtungen eines Eigentümers aus der gesetzlichen Vorschrift des § 14 Nr. 1 WEG zu erheben (...). Neben dem Verstoß gegen das gesetzliche Rücksichtnahmegebot können auch Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung und Hausordnung zum Gegenstand der Unterlassungsklage gemacht werden. Hierbei ist der Eigentümer auch für Verstöße gegen die vorstehenden Verpflichtungen durch Personen in Anspruch zu nehmen, die seinem Hausstand oder seinem Gewerbe angehören, oder denen er als Nutzer die Wohnung überlassen hat. Die näheren Einzelheiten ergeben sich aus der Beschlussfassung zu Antrag 3. (...) Antrag 3: Derzeit liegen folgende Verstöße vor, weswegen über den Rechtsanwalt der Eigentümer abgemahnt und ggf. auf Unterlassung verklagt werden soll: (...) n) Verbreitung ätherischer Öle und Weihrauch über Raumluftanlagen, Klimaanlagen, die in den räumlichen Bereich benachbarter Sondereigentumseinheiten gelangen und durch offene Fenster in den Bereich benachbarter Sondereigentumseinheiten gelangen o) laute Geräuschbelästigungen (z.B. Fernseher, langes Laufenlassen von Lüftungen), die aus einer Sondereigentumseinheit in benachbarte Sondereigentumseinheiten gelangen. Antrag 4: Die Eigentümerversammlung beschließt, dass bei Verstößen gegen das gesetzliche Rücksichtnahmegebot, die Gemeinschaftsordnung und die Hausordnung durch Zwischenmieter, Mieter oder kurzfristige Nutzer auch außergerichtlich und gerichtlich unter Rechtsanwaltsbeauftragung gegen Zwischenmieter, Mieter und Nutzer vorzugehen ist, soweit dies aufgrund der Länge der Nutzungsdauer sinnvoll erscheint."
Rz. 3
In der Eigentümerversammlung vom 24.11.2015 beschlossen die Wohnungseigentümer u.a. die "Vergemeinschaftung von Unterlassungsansprüchen der jeweiligen betroffenen Wohnungseigentümer" gegen den Beklagten "wegen Verstößen gegen § 14 Nr. 1 und 2 WEG, Haus- und Gemeinschaftsordnung sowie § 15 Abs. 3 WEG". Konkret heißt es in dem Beschluss:
"Die Wohnungseigentümer beschließen, die Durchsetzung von Ansprüchen, die dem jeweiligen Miteigentümer deshalb zustehen, weil a) einzelne Wohnungseigentümer (oder deren Mieter oder Untermieter von deren Mietern) entgegen § 14 Nr. 1 WEG einen Gebrauch von ihrem Sondereigentum oder dem Gemeinschaftseigentum machen, durch den andere Wohnungseigentümer (oder deren Mieter oder Untermieter von deren Mietern) über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden, b) einzelne Wohnungseigentümer (oder deren Mieter oder Untermieter von deren Mietern) entgegen § 15 Abs. 3 WEG einen Gebrauch von ihrem Sondereigentum oder dem Gemeinschaftseigentum machen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen sowie, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht, die Gegenstand des vor dem Amtsgericht München (...) anhängigen Rechtsstreits sind, nämlich Abänderung der konkreten Ausgestaltung der Vermietung der (...) [von dem Beklagten genutzten] Wohnung (...) dahingehend, dass die Wohnung weder direkt, noch mittelbar (insbesondere über einen Zwischenvermieter) an häufig wechselnde Medizin- oder Krankenhaustouristen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien überlassen wird, und die Vermietung nicht gegen das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (...) verstößt ...".
Rz. 4
Die beanstandeten Geruchs- und Lärmbelästigungen sind in dem Beschluss katalogmäßig aufgeführt. Beschlossen wurde überdies die Vergemeinschaftung der Durchsetzung von Ansprüchen, die Wohnungseigentümern zustehen, weil der Beklagte sie beleidigt habe und ihnen gegenüber tätlich geworden sei.
Rz. 5
Die Klägerin nimmt den Beklagten mit der seit dem 6.6.2014 anhängigen Klage auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmemissionen (Klageanträge 1 und 3) sowie der Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb (Klageantrag 2) in Anspruch. Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin die Unterlassungsansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht sieht die Klage mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin als unzulässig an. Nach der Rechtsprechung des BGH sei der einzelne Wohnungseigentümer nicht mehr prozessführungsbefugt, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft die Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer, die aus ihrem Miteigentum am Grundstück folgten, durch Beschluss an sich gezogen habe. So liege es hier. Zwar enthalte der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 4.6.2014 einen Vorbehalt, wonach die Klägerin befugt sei, die bereits im eigenen Namen gegen den Beklagten eingeleiteten Verfahren fortzuführen. Dies beschränke sich aber auf Bedrohungen durch den Beklagten; solche seien nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Zudem komme eine Prozessführungsbefugnis der Klägerin (neben der Wohnungseigentümergemeinschaft) nur in Betracht, wenn sie eine unmittelbare und ausschließliche Störung ihres Sondereigentums abwenden wolle; eine solche liege aber nicht vor.
II.
Rz. 7
Die Revision hat zum überwiegenden Teil Erfolg.
Rz. 8
1. Unbegründet ist sie allerdings hinsichtlich des Klageantrags zu 2). Das Berufungsgericht verneint die Prozessführungsbefugnis der Klägerin zu Recht, soweit sie von dem Beklagten verlangt, die Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb zu unterlassen (Klageantrag 2).
Rz. 9
a) Für Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbands gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 1 WEG (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2014 - V ZR 5/14 BGHZ 203, 327 Rz. 6), und zwar auch dann nicht, wenn Anspruchsgegner - wie hier - ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist (BGH, Urt. v. 13.10.2017 - V ZR 45/17, NZM 2018, 231 Rz. 8 m.w.N.). Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann aber Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums gem. § 1004 Abs. 1 BGB durch Mehrheitsbeschluss nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 WEG an sich ziehen und ist dann allein zuständig für die gerichtliche Geltendmachung gegenüber dem Dritten (vgl. Senat, BGH vom 13. Oktober 2017 - , NZM 2018, 231 Rz. 9; Urt. v. 15.12.2017 - V ZR 275/16, NZM 2018, 909 Rz. 8; Urt. v. 25.10.2019 - V ZR 271/18, NZM 2020, 107 Rz. 6, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
Rz. 10
b) Das ist hier mit dem am 24.11.2015 gefassten Beschluss geschehen. Mit diesem Beschluss, den der Senat selbst auslegen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 10.9.1998 - V ZB 11/98 BGHZ 139, 288, 291), sind auch die Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer vergemeinschaftet worden, die sich auf eine mögliche zweckwidrige Nutzung der unter der Einheit der Klägerin liegenden Wohnung beziehen. Da erreicht werden soll, dass diese Wohnung weder direkt noch im Rahmen einer Zwischenvermietung an häufig wechselnde "Medizin- oder Krankenhaustouristen" überlassen wird, geht es um die Unterlassung der Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb.
Rz. 11
c) Der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 24.11.2015 ist wirksam.
Rz. 12
aa) Die Vergemeinschaftung der Ansprüche der Wohnungseigentümer, die das Unterlassen einer zweckwidrigen Nutzung eines Wohnungseigentums zum Gegenstand haben, ist zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2017 - V ZR 275/16, NZM 2018, 909 Rz. 8; s. auch BGH, Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 169/14 NJW 2016, 53 Rz. 5). Die hierfür notwendige Voraussetzung, dass die Rechtsausübung durch den Verband dem Gemeinschaftsinteresse förderlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.2019 - V ZR 153/18, NJW 2019, 3466 Rz. 14 m.w.N.), besteht unabhängig davon, ob die zweckwidrige Nutzung zu nachteiligen Auswirkungen auf das Gemeinschaftseigentum führt oder ob sie sich auf die mittelbare Beeinträchtigung des Sondereigentums der übrigen Wohnungseigentümer beschränkt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 25.10.2019 - V ZR 271/18, NZM 2020, 107 Rz. 18, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). In beiden Fällen sind die Unterlassungsansprüche darauf gerichtet, die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Zweckbestimmung durchzusetzen und damit der für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander maßgeblichen Grundordnung Geltung zu verschaffen. Hierbei ist ein einheitliches Vorgehen dem Gemeinschaftsinteresse förderlich.
Rz. 13
bb) Dass am 24.11.2015 auch Ansprüche der Wohnungseigentümer wegen Persönlichkeits- und Körperverletzungen sowie Ansprüche wegen Beeinträchtigungen des räumlichen Bereichs des Sondereigentums vergemeinschaftet worden sind, obwohl es insoweit an der Beschlusskompetenz fehlt (vgl. dazu Rz. 18), führt entgegen der Ansicht der Revision nicht zur Nichtigkeit des gesamten Beschlusses. Die teilweise Aufrechterhaltung von wohnungseigentumsrechtlichen Beschlüssen entsprechend § 139 BGB kommt zwar regelmäßig nur in Betracht, wenn nach dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen zweifelsfrei davon auszugehen ist, dass der Beschluss auch als Teilregelung gefasst worden wäre (vgl. BGH, Urt. v. 12.4.2019 - V ZR 112/18 BGHZ 221, 373 Rz. 29 m.w.N.). So liegt es aber hier. Die Vergemeinschaftung der verschiedenen Ansprüche durch die Beschlussfassung vom 24.11.2015 erfolgte in Anbetracht eines bereits von der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Beklagten geführten Rechtsstreits und der dort geltend gemachten Ansprüche. Das Ansichziehen auch der Ansprüche der Wohnungseigentümer auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung der Wohnung durch den Beklagten sollte daher die Prozessführungsbefugnis der Gemeinschaft in diesem Verfahren begründen und der Abweisung der diesbezüglichen Klage als unzulässig entgegenwirken. Die Aufrechterhaltung des Beschlusses hinsichtlich des Ansichziehens dieser Ansprüche entspricht vor diesem Hintergrund dem hypothetischen Willen der Wohnungseigentümer.
Rz. 14
cc) Die Vergemeinschaftung der Unterlassungsansprüche begründet die alleinige Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft für deren gerichtliche Geltendmachung und führt folglich dazu, dass die Klägerin nicht mehr prozessführungsbefugt ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2014 - V ZR 5/14 BGHZ 203, 327 Rz. 8 u. 17). Sie ist allerdings nicht gezwungen, ihre Klage zurückzunehmen oder deren Abweisung als unzulässig hinzunehmen (so aber Briesemeister, ZMR 2014, 951, 952), sondern kann dem nachträglichen Fortfall der Prozessführungsbefugnis durch eine Erledigungserklärung Rechnung tragen (vgl. Schmid, ZAP Fach 7, S. 445, 448; Skauradszun, ZMR 2015, 515, 519).
Rz. 15
2. a) Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht hingegen die Prozessführungsbefugnis der Klägerin hinsichtlich der Ansprüche auf Unterlassung von Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen (Klageanträge 1 und 3).
Rz. 16
aa) Die Klägerin wendet sich mit diesen Ansprüchen gegen unmittelbare Beeinträchtigungen ihres Sondereigentums in Gestalt von Lärm und Gerüchen, die in ihre Wohnung eindringen. Solche, den räumlichen Bereich des Sondereigentums betreffende Ansprüche kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht durch Beschluss an sich ziehen. Das ist allerdings nicht unumstritten.
Rz. 17
(1) Nach einer vereinzelt gebliebenen Ansicht kann die Gemeinschaft solche Ansprüche jedenfalls dann an sich ziehen, wenn sämtliche Sondereigentumsrechte von den Störungen, die unterlassen werden sollen, betroffen sind (Ott, ZWE 2015, 125). Das Berufungsgericht und die Vorinstanz (LG München I, ZMR 2017, 263) halten eine Vergemeinschaftung von Unterlassungsansprüchen demgegenüber für möglich, wenn die beanstandete Störung nicht unmittelbar und ausschließlich Sondereigentum betrifft. Überwiegend wird hingegen die Ansicht vertreten, dass nur das Gemeinschaftseigentum betreffende Ansprüche der Wohnungseigentümer, nicht aber auf das Sondereigentum bezogene Ansprüche vergemeinschaftet werden können (Skaudradszun, ZMR 2015, 515, 516; Schmid, ZAP Nr. 7 S. 445, 450; ders., ZMR 2015, 250, 251; NZM 2009, 721, 723; vgl. auch Becker, ZWE 2007, 432, 438).
Rz. 18
(2) Letztere Ansicht trifft zu. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen, auch dann nicht durch Beschluss an sich ziehen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist. In einem solchen Fall können nur die Ansprüche vergemeinschaftet werden, die auf die Abwehr der Störungen des Gemeinschaftseigentums gerichtet sind. Für die Vergemeinschaftung von Unterlassungsansprüchen wegen Störungen, die im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums auftreten, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Die allein in Betracht kommende Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG bezieht sich nicht auf das Sondereigentum der einzelnen Wohnungseigentümer oder deren individuelle Mitgliedschaftsrechte (BGH, Urt. v. 13.10.2017 - V ZR 305/16 NJW 2018, 1254 Rz. 9 m.w.N.; vgl. auch Senat, BGH vom 8. Februar 2013 - , NZM 2013, 512 Rz. 14). Ist der räumliche Bereich des Sondereigentums betroffen, kann dem Wohnungseigentümer die Ausübungs- und Prozessführungsbefugnis für seine darauf bezogenen Abwehransprüche daher nicht entzogen werden. Den Wohnungseigentümern fehlt insoweit die Beschlusskompetenz (vgl. Müller in BeckOK/WEG [1.2.2020], § 10 Rz. 551.1; Skaudrazun, ZMR 2015, 515, 516; Elzer, FD-ZVR 2015, 366476; Becker, ZWE 2007, 432, 438). Das gilt auch dann, wenn die Störungen - hier die Lärm- und Geruchsimmissionen - zugleich im Bereich des Gemeinschaftseigentums auftreten (vgl. auch Dötsch, MietRB 2017, 77, 78). Ein Wohnungseigentümer muss in keinem Fall hinnehmen, dass ihm die Befugnis entzogen wird, gegen Störungen vorzugehen, die im räumlichen Bereich seines Sondereigentums auftreten. Es gehört zu den unentziehbaren Rechten des Sondereigentümers, solche unmittelbaren Beeinträchtigungen abwehren zu können; das gilt unabhängig davon, ob und inwieweit sich die Störungsquelle auf andere Bereiche des Hauses auswirkt.
Rz. 19
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 4.6.2014 - ebenso wie der ihn bestätigende und ergänzende Beschl. v. 24.11.2015 - mangels Beschlusskompetenz nichtig, soweit Ansprüche der Klägerin vergemeinschaftet worden sind, die die Unterlassung von Lärm- und Geruchsimmissionen im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums zum Gegenstand haben. Folglich ist die Klägerin hinsichtlich dieser Ansprüche prozessführungsbefugt.
Rz. 20
b) Soweit das Berufungsgericht die Prozessführungsbefugnis der Klägerin zu Unrecht verneint hat, erweist sich das angefochtene Urteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Insbesondere steht den geltend gemachten Unterlassungsansprüchen nicht entgegen, dass der Beklagte, wie das Berufungsgericht hervorhebt, "nur" Mieter ist. Ein Wohnungseigentümer ist berechtigt, gem. § 1004 Abs. 1 BGB gegen den Mieter eines anderen Wohnungseigentümers vorzugehen. Dies betrifft zunächst Verstöße des Mieters gegen eine von den Wohnungseigentümern beschlossene Haus- und Gemeinschaftsordnung. Der Eigentümer, von dem der Mieter seine Nutzungsbefugnis ableitet, kann diesem nicht mehr an Rechten übertragen, als er selbst im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2019 - V ZR 271/18, NZM 2020, 107 Rz. 18). Daher ist auch ein Mieter an eine bestehende Haus- und Gemeinschaftsordnung gebunden. Fehlt es an einer solchen oder ist sie nicht einschlägig, kann der beeinträchtigte Wohnungseigentümer von dem Mieter einer anderen Sondereigentumseinheit die Unterlassung von wesentlichen Beeinträchtigungen nach allgemeinen Grundsätzen verlangen. Wann eine nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehrfähige Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich bei Immissionen entsprechend § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.2015 - V ZR 110/14 NJW 2015, 2023 Rz. 10 sowie zur Anwendung von § 906 BGB im Wohnungseigentumsrecht BGH, Urt. v. 25.10.2013 - V ZR 230/12 BGHZ 198, 327 Rz. 14 ff. und zu einem Mieter als Schuldner BGH, Urt. v. 1.4.2011 - V ZR 193/10, NJW-RR 2011, 739 Rz. 8). Das gilt auch dann, wenn die Einheit von dem Mieter gemäß ihrer Zweckbestimmung genutzt wird (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2019 - V ZR 330/17, NZM 2019, 293 Rz. 27 m.w.N.). Hiernach kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen zusteht.
III.
Rz. 21
Die Revision hat daher Erfolg, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin bezüglich ihrer Klageanträge 1 und 3 auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmbeeinträchtigung zurückgewiesen hat. Insoweit kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben; er ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen hinsichtlich der Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruchs getroffen hat. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Übrigen - hinsichtlich des Klageantrages zu 2) (Unterlassung des Nutzens der Wohnung als Pensionsbetrieb) - ist die Revision dagegen zurückzuweisen.
Fundstellen