Leitsatz (amtlich)
1. Von einem Geschädigten, der vom Arbeitsamt aufgrund seines Gesundheitszustandes für nicht mehr vermittlungsfähig gehalten wird, kann grundsätzlich keine weitere Eigeninitiative hinsichtlich der Aufnahme von Erwerbstätigkeit erwartet werden. Unter diesen Umständen besteht grundsätzlich auch keine weitere Darlegungslast dazu, was der Geschädigte unternommen hat, um einen angemessenen Arbeitsplatz zu erhalten (Bestätigung Senatsurteil vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89, VersR 1991, 437, 438, juris Rn. 15 f.).
2. Verstößt der Geschädigte gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht, weil er es unterlässt, einer ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen, sind die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den Schaden anzurechnen. Eine quotenmäßige Anspruchskürzung kommt grundsätzlich nicht in Betracht (Festhalten an Senatsurteil vom 21. September 2021 - VI ZR 91/19, VersR 2021, 1583 Rn. 14).
Normenkette
BGB § 254 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 7. April 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der klagende Rentenversicherungsträger verlangt von dem beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer aus übergegangenem Recht die Erstattung von Leistungen, die er an seine Versicherte (Geschädigte) aufgrund eines Verkehrsunfalls erbracht hat.
Rz. 2
Die Geschädigte wurde bei einem Verkehrsunfall im August 2001 mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug, für dessen Folgen die Beklagte dem Grunde nach zu 100 % haftet, schwer verletzt, insbesondere am linken Bein. Aufgrund einer Beinverkürzung links wurde ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Die Geschädigte verlor unfallbedingt ihren Arbeitsplatz als Bürokauffrau.
Rz. 3
Nach dem Unfall holten beide Parteien Gutachten zum Gesundheitszustand der Geschädigten ein. Ein von der Klägerin eingeholtes orthopädisches Gutachten vom 5. November 2004 stellte fest, dass die Erwerbsfähigkeit der Geschädigten bis zum 31. Dezember 2005 aufgehoben sei. Der Gutachter erwartete allerdings, sollten keine Komplikationen auftreten, dass die Geschädigte Anfang 2006 wieder eine sitzende Tätigkeit vollschichtig werde aufnehmen können. Nach einem von der Beklagten eingeholten Gutachten wurden im Mai 2006 die unfallbedingten Beeinträchtigungen der Geschädigten in dem vormals ausgeübten Beruf als Bürokauffrau mit 10 % und für den allgemeinen Arbeitsmarkt mit 20 % bewertet. Im Dezember 2006 nahm das Arbeitsamt die Geschädigte aus der Vermittlung heraus, da sie - nach Begutachtung durch einen Arzt - nicht mehr für vermittlungsfähig erachtet wurde. Anschließend wurde Anfang des Jahres 2007 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt.
Rz. 4
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der von ihr an die Geschädigte erbrachten Leistungen im Zeitraum von Januar 2005 bis August 2018 (u.a. Rentenzahlungen wegen Erwerbsminderung, Beiträge zur Krankenversicherung, Aufwendungen für Rehabilitationsmaßnahmen) in Höhe von insgesamt 218.830,64 € abzüglich bereits geleisteter Zahlungen der Beklagten in Höhe von 32.981,39 €, insgesamt also 185.849,25 €. Demgegenüber rügt die Beklagte die Verletzung der der Geschädigten obliegenden Schadensminderungspflicht, weil diese sich nicht bemüht habe, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.
Rz. 5
Das Landgericht hat der Klage vollständig stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage bis auf einen Betrag von 1.303,80 € nebst Zinsen abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in r+s 2021, 361 ff. veröffentlichten Entscheidung unter anderem ausgeführt, der Anspruch der Klägerin gemäß §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB i.V.m. § 3 PflVG aF, §§ 116, 119 SGB X sei nur in geringem Umfang begründet. Für die Jahre 2004 bis 2005 sei ein Anspruch der Klägerin zwar zunächst entstanden, weil der Anspruch der Geschädigten für diesen Zeitraum aufgrund der unstreitigen Kompensation der Klägerin gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf diese übergegangen und nicht durch ein Mitverschulden der Geschädigten gemäß § 254 Abs. 2 BGB gemindert worden sei. Für die Geschädigte habe bis Ende 2005 keine Veranlassung bestanden, sich um eine Arbeit zu bemühen, weil ihr gutachterlich eine Erwerbsunfähigkeit attestiert worden sei. Die auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche seien durch Zahlungen der Beklagten jedoch bereits erfüllt worden.
Rz. 7
Ersatzansprüche der Klägerin für die Jahre 2006 bis 2018 bestünden nicht. Die Geschädigte und die Klägerin hätten in diesen Jahren gegen ihre Schadensminderungspflichten verstoßen. Es könne nicht festgestellt werden, ob und in welcher Höhe ein Anspruch entstanden sei, der auf die Klägerin übergegangen sei. Gemäß § 254 Abs. 2 BGB müsse sich der Geschädigte ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens zurechnen lassen. Es obliege dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten. Dies gelte nicht nur für das Bemühen, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden, sondern auch für die Teilnahme an Schulungen bzw. Umschulungen. Die Begründung der Klägerin, das Arbeitsamt habe die Geschädigte bereits 2006 aus der Vermittlung genommen, entlaste sowohl die Geschädigte als auch die Klägerin nicht, ihrer Obliegenheit nachzukommen, sich um eine Arbeitsstelle für die Geschädigte zu bemühen, die nach dem unstreitigen Vortrag jedenfalls nicht vollständig in ihrem Beruf körperlich eingeschränkt gewesen sei. Nur wenn derartige Bemühungen gescheitert wären, könne die Klägerin sich mit Erfolg darauf berufen, dass der Arbeitsmarkt der Geschädigten verschlossen gewesen sei. Der Große Senat des Bundessozialgerichts fordere insoweit, dass der Rentenversicherungsträger der beruflichen Rehabilitation Vorrang vor einer Rente zu geben habe und aus eigener Verpflichtung - wenngleich mit Anspruch auf das Mittätigwerden anderer Stellen, insbesondere des Jobcenters - alle Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation des Versicherten ausschöpfen müsse. Dazu gehöre das Bemühen, einem behinderten Versicherten den für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz zu beschaffen. Diese Aufgabe verpflichte den Rentenversicherungsträger zu der Prüfung, ob dem leistungsgeminderten Rentenbewerber der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei oder nicht. Dahingehende Schlüsse seien am ehesten daraus zu ziehen, ob es dem Rentenversicherungsträger im Zusammenwirken mit dem für den Versicherten zuständigen Jobcenter gelinge, diesem innerhalb einer bestimmten Zeit einen seinem Leistungsvermögen und seinen beruflichen Fähigkeiten entsprechenden Teilzeitarbeitsplatz anzubieten. Als zeitlicher Maßstab sei dabei in der Regel die Zeit von einem Jahr seit der Stellung des Rentenantrages anzusehen. Dieser Zeitraum reiche im Regelfall aus, um das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geeigneter Arbeitsplätze festzustellen.
Rz. 8
Nach diesen Maßgaben reiche es im Rahmen der sekundären Darlegungslast der Klägerin nicht aus, allgemein zu behaupten, es hätten geeignete Arbeitsplätze für die Geschädigte gefehlt. Erst wenn die Klägerin vorgetragen bzw. unter Beweis gestellt hätte, dass der Geschädigten von ihr bzw. vom Jobcenter oder einer anderen Stelle, derer sich die Klägerin bedient hätte, erfolglos eine Tätigkeit, Qualifizierungsmaßnahme oder Umschulungsmaßnahme angeboten worden sei, hätte angenommen werden können, dass die Geschädigte keine Aussicht mehr auf eine erfolgreiche Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt gehabt hätte. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass etwaige Bemühungen der Klägerin von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen wären und der Arbeitsmarkt für die Geschädigte praktisch verschlossen gewesen wäre.
Rz. 9
Es verbleibe demnach lediglich ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für Rehabilitationsmaßnahmen in Höhe von 1.303,80 €, der mit der Berufung nicht angegriffen worden sei.
II.
Rz. 10
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG aF, §§ 116, 119 SGB X nicht verneint werden. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach Ersatzansprüche der Klägerin wegen auf sie übergegangener Ansprüche der Geschädigten auf Ersatz des Verdienstausfallschadens aufgrund des unfallbedingten Verlustes ihres Arbeitsplatzes für die Jahre 2006 bis 2018 nicht bestünden, weil die Geschädigte und die Klägerin in diesen Jahren gegen ihre Schadensminderungspflichten verstoßen hätten, ist rechtsfehlerhaft.
Rz. 11
1. Soweit das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin wegen eines Verstoßes der Geschädigten gegen ihre Schadensminderungspflicht in Form unzureichender Anstrengungen zur Aufnahme einer erneuten Erwerbstätigkeit verneint hat, ist allerdings im Ausgangspunkt zutreffend, dass eine Kürzung des aus übergegangenem Recht des Geschädigten hergeleiteten Erstattungsanspruchs des Sozialversicherungsträgers bei einem Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) in Betracht kommt, weil sich der Sozialversicherungsträger ein solches Mitverschulden seines Versicherten anrechnen lassen muss (vgl. Senatsurteile vom 16. Dezember 1980 - VI ZR 92/79, VersR 1981, 347, 348 f., juris Rn. 8 und Rn. 16; vom 23. Januar 1979 - VI ZR 103/78, VersR 1979, 424, juris Rn. 8 mwN; vom 18. Februar 1969 - VI ZR 2/68, VersR 1969, 538, 539). Die Vorschrift des § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB setzt voraus, dass es der Geschädigte schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Dieses Verschulden bedeutet nicht die vorwerfbare Verletzung einer gegenüber einem anderen bestehenden Leistungspflicht, sondern ein Verschulden gegen sich selbst, also die Verletzung einer im eigenen Interesse bestehenden Obliegenheit. Von der Verletzung einer Obliegenheit kann nur ausgegangen werden, wenn der Geschädigte unter Verstoß gegen Treu und Glauben diejenigen Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch an der Stelle des Geschädigten zur Schadensabwehr oder -minderung ergreifen würde. Entscheidender Abgrenzungsmaßstab ist also der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Senatsurteil vom 21. September 2021 - VI ZR 91/19, VersR 2021, 1583 Rn. 10 mwN). Im Falle einer die Arbeitskraft beeinträchtigenden Gesundheitsverletzung obliegt es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats als Ausfluss der Schadensminderungspflicht dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten (Senat aaO Rn. 11 mwN). Auch ist der Verletzte aus seiner Schadensminderungspflicht gegenüber dem Schädiger grundsätzlich gehalten, im Rahmen der Zumutbarkeit an Umschulungsmaßnahmen teilzunehmen (vgl. Senatsurteil vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89, VersR 1991, 437, 438, juris Rn. 18 mwN).
Rz. 12
Ferner ist es im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine Kürzung der Erstattungsansprüche der Klägerin auch wegen unzureichender eigener Bemühungen, der Geschädigten die Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit zu ermöglichen, in Betracht gezogen hat. Nach der Senatsrechtsprechung kann der Sozialversicherungsträger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) den auf ihn übergegangenen Ersatzanspruch billigerweise insoweit nicht geltend machen, als er darauf beruht, dass er selbst eine in seine Zuständigkeit fallende, mögliche Maßnahme der Schadensminderung verabsäumt hat (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 1980 - VI ZR 92/79, VersR 1981, 347, 349, juris Rn. 17 f. mwN).
Rz. 13
Richtig ist schließlich auch die Annahme des Berufungsgerichts, den Geschädigten treffe im Hinblick auf den grundsätzlich vom Schädiger darzulegenden und zu beweisenden Einwand aus § 254 Abs. 2 BGB eine sekundäre Darlegungslast, wenn er einen Verdienstausfall als Schaden geltend macht und die Frage der verbleibenden Möglichkeit des Einsatzes seiner Arbeitskraft in Rede steht. Nach der Senatsrechtsprechung hat der Verletzte, wenn er wieder arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, den Schädiger in der Regel über die für ihn zumutbaren Arbeitsmöglichkeiten und seine Bemühungen um einen angemessenen Arbeitsplatz zu unterrichten (vgl. Senatsurteile vom 21. September 2021 - VI ZR 91/19, VersR 2021, 1583 Rn. 21; vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89, VersR 1991, 437, 438, juris Rn. 16; vom 23. Januar 1979 - VI ZR 103/78, VersR 1979, 424, 425, juris Rn. 13). Macht der Sozialversicherungsträger aus übergegangenem Recht Ansprüche des Geschädigten geltend, trifft ihn eine entsprechende Darlegungslast, auch hinsichtlich der eigenen Bemühungen um die berufliche Rehabilitation seines Versicherten.
Rz. 14
2. Das Berufungsgericht hat jedoch die Reichweite der im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB bestehenden Obliegenheiten des Geschädigten um Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht richtig erfasst und in der Folge auch die Anforderungen an die insoweit bestehende sekundäre Darlegungslast der Klägerin überspannt.
Rz. 15
a) Von einem Geschädigten, der vom Arbeitsamt aufgrund seines Gesundheitszustandes für nicht mehr vermittlungsfähig gehalten wird, kann grundsätzlich keine weitere Eigeninitiative hinsichtlich der Aufnahme von Erwerbstätigkeit erwartet werden, da nach einem solchen Urteil einer fachkundigen Stelle aus Sicht des Geschädigten weitere Bemühungen um eine Tätigkeit regelmäßig aussichtlos erscheinen werden. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht ist dann schon im Ansatz nicht gegeben. Unter diesen Umständen besteht grundsätzlich auch keine weitere Darlegungslast dazu, was der Geschädigte unternommen hat, um einen angemessenen Arbeitsplatz zu erhalten, weil die Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz vom Arbeitsamt übernommen worden ist und deshalb in berufenen Händen gelegen hat (vgl. Senatsurteil vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89, VersR 1991, 437, 438, juris Rn. 15 f.).
Rz. 16
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügte die Klägerin deshalb ihrer sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Erfüllung der die Geschädigte treffenden Obliegenheit, sich um eine zumutbare Erwerbsmöglichkeit zu bemühen, durch ihren Hinweis darauf, dass das Arbeitsamt im Dezember 2006 die damals 53 Jahre alte Geschädigte aus der Vermittlung herausnahm, da sie - nach Begutachtung durch einen Arzt - nicht mehr für vermittlungsfähig erachtet wurde.
Rz. 17
Ausnahmsweise mag zwar eine Obliegenheit zur Bemühung um Erwerbstätigkeit und eine entsprechende Darlegungslast des Geschädigten trotz Herausnahme aus der Vermittlung bestehen, etwa wenn sich danach Umstände ergeben, die das Urteil der Vermittlungsunfähigkeit aus Sicht des Geschädigten in Frage stellen. Dafür ergeben sich jedoch im Streitfall aus den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts keine ausreichenden Anhaltspunkte. Im ärztlichen Entlassungsbericht nach der im Anschluss an die Herausnahme aus der Vermittlung Anfang des Jahres 2007 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme, auf den das Berufungsgericht Bezug nimmt, wird ausgeführt, die Entlassung erfolge arbeitsunfähig und mit aufgehobenem Leistungsvermögen in der letzten beruflichen Tätigkeit und mit ebenfalls aufgehobenem Leistungsvermögen in allen anderen beruflichen Tätigkeiten. Sowohl aus ärztlicher als auch aus psychologischer Sicht sei die Patientin zurzeit nicht ausreichend psychisch belastbar für eine berufliche Tätigkeit. Es bestehe eine körperliche Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen. Neben den festgestellten körperlichen Beschwerden werde das Vorliegen einer posttraumatischen Anpassungsstörung vermutet. In dem vom Berufungsgericht weiter herangezogenen Gutachten des Dr. L. vom 18. September 2008 wird zwar ausgeführt, dass bei ausschließlicher Bewertung der Befunde an den Bewegungsorganen ein körperliches Leistungsvermögen für leichte, ganz überwiegend sitzend zu verrichtende Tätigkeiten, also auch für die zuletzt ausgeübte Büroarbeit bestehe. Quantitativ sei das Leistungsvermögen dabei auf drei bis sechs Stunden arbeitstäglich einzuschätzen. Es wurde jedoch vom - orthopädischen - Gutachter zugleich darauf hingewiesen, dass neben den Störungen an dem Bewegungsorgan nach Aktenlage eine neurologisch-psychiatrisch zu bewertende "posttraumatische Anpassungsstörung" bestehe. Auf dieses Gutachten des Dr. L. bezieht sich wiederum die vom Berufungsgericht zitierte beratungsärztliche Stellungnahme vom 20. September 2010. Aus Sicht der Geschädigten mussten diese eine teilweise körperliche Leistungsfähigkeit attestierenden ärztlichen Stellungnahmen nicht die fachliche Einschätzung des Arbeitsamtes zur fehlenden Vermittlungsfähigkeit und das ärztliche Urteil bei Beendigung der letzten Rehabilitationsmaßnahme in Frage stellen, wonach die Geschädigte aufgrund psychischer Beeinträchtigungen für - jedwede - berufliche Tätigkeit nicht ausreichend belastbar sei. Aus den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben sich daher keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Geschädigte Anlass bestanden hätte, sich nach Abschluss der letzten Rehabilitationsmaßnahme erneut um eine Arbeitsstelle oder eine Umschulungsmaßnahme zu bemühen und den Schädiger insoweit zu informieren.
Rz. 18
3. Entsprechendes gilt, soweit das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin zur Ausschöpfung aller ihr selbst zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Förderung einer beruflichen Rehabilitation der Geschädigten für ungenügend hält. Nachdem das zuständige Arbeitsamt die schon seit mehreren Jahren Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehende Geschädigte Ende des Jahres 2006 nach ärztlicher Begutachtung als nicht vermittlungsfähig angesehen hat und auch eine weitere Rehabilitationsmaßnahme - wie oben ausgeführt - nicht zur Wiederherstellung auch nur einer Teilarbeitsfähigkeit der Geschädigten führte, ergeben sich aus den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte dafür, warum aus Sicht der Klägerin - auch unter Berücksichtigung der vom Berufungsgericht herangezogenen Maßstäbe des Bundessozialgerichtes für die dem Rentenversicherungsträger gegenüber seinem Versicherten obliegenden Pflichten (vgl. BSGE 43, 75 ff., juris Rn. 69 ff.) - weitere Bemühungen um eine berufliche Rehabilitation Aussicht auf Erfolg hätten haben können.
Rz. 19
4. Unabhängig davon ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, eine nicht hinreichende Erklärung der Klägerin im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast führe ohne weiteres zur Klageabweisung, weil nicht festgestellt werden könne, ob und in welcher Höhe ein Anspruch entstanden und auf die Klägerin übergegangen sei. Damit verkennt das Berufungsgericht die Wirkung der sekundären Darlegungslast des Anspruchstellers im Falle eines vom Inanspruchgenommenen behaupteten Obliegenheitsverstoßes hinsichtlich der Schadensminderung.
Rz. 20
a) Genügt der Anspruchsteller seiner oben beschriebenen sekundären Darlegungslast nicht, gilt nach allgemeinen Regeln die Behauptung des Gegners (hier: eine Obliegenheitsverletzung liege vor) gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 37 mwN). Steht damit ein Verstoß des Geschädigten gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht in Form unzureichender Erwerbsbemühungen fest, führt dies entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts jedoch nicht dazu, dass der Anspruch des Geschädigten - und in der Folge der Erstattungsanspruch aus übergegangenem Recht - nicht bezifferbar ist. Vielmehr sind nach der Rechtsprechung des Senats die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den - zunächst unter Beachtung der insoweit beim Anspruchsteller liegenden Darlegungs- und Beweislast festzustellenden - Verdienstausfallschaden anzurechnen. Eine quotenmäßige Anspruchskürzung kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil sie im Einzelfall zu sachwidrigen Ergebnissen führen kann. Die Höhe der erzielbaren Einkünfte des Geschädigten hängt nämlich nicht quotenmäßig von der Höhe des ihm entgangenen Verdienstes, sondern vielmehr davon ab, welches Einkommen er in der konkreten Situation unter Berücksichtigung aller Umstände, d.h. seiner Lebenssituation, seiner Ausbildung, einer eventuell früher ausgeübten Tätigkeit und der jeweiligen Lage auf dem Arbeitsmarkt in zumutbarer Weise erzielen könnte und von welchem Zeitpunkt an ihm eine Aufnahme der Erwerbstätigkeit zumutbar war. Inwieweit dies der Fall ist, unterliegt im Einzelfall der tatrichterlichen Würdigung (vgl. Senatsurteil vom 21. September 2021 - VI ZR 91/19, VersR 2021, 1583 Rn. 14 mwN).
Rz. 21
Entsprechend der Darlegungslast hinsichtlich des Obliegenheitsverstoßes an sich ist auch die Höhe der fiktiven Einkünfte bei hinreichenden Erwerbsbemühungen des Geschädigten grundsätzlich vom Schädiger darzulegen. Wie substantiiert der Schädiger insoweit vorzutragen hat, lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, welche Erkenntnismöglichkeiten dem Schädiger hinsichtlich des Umfangs der Arbeitsfähigkeit des Geschädigten - etwa aus ihm vorliegenden ärztlichen Gutachten - zur Verfügung stehen. Eine hinreichend substantiierte Behauptung des Schädigers wird zwar gegebenenfalls eine sekundäre Darlegungslast des Geschädigten auch hinsichtlich der Höhe der fiktiven Einkünfte begründen können. Etwaige Versäumnisse bei der Erfüllung dieser Darlegungslast würden aber wiederum nur dazu führen, dass die Behauptung des Schädigers als zugestanden gilt und auf dieser Grundlage die Anrechnung der fiktiven Einkünfte auf den Verdienstausfallschaden durchzuführen ist. Dies mag im Einzelfall dazu führen, dass der Anspruch des Geschädigten auf null reduziert und deshalb die Klage vollständig abgewiesen wird. Das liegt dann aber nicht daran, dass der Anspruch des Geschädigten nicht bezifferbar wäre.
Rz. 22
b) Im Streitfall hätte das Berufungsgericht nach Feststellung eines Obliegenheitsverstoßes also zunächst weiter feststellen müssen, in welcher Höhe der Geschädigten - ohne Berücksichtigung etwaiger entgangener fiktiver Einkünfte aufgrund unzureichender Erwerbsbemühungen - ein Verdienstausfallschaden entstanden ist. Anschließend wären auf der Grundlage einer entsprechenden Behauptung der Beklagten nach den oben dargelegten Grundsätzen Feststellungen dazu zu treffen gewesen, in welcher Höhe die Geschädigte bei zumutbarem Einsatz ihrer Arbeitskraft Einkünfte hätte erzielen können, die auf den Schaden anzurechnen sind.
III.
Rz. 23
Die angegriffene Entscheidung ist daher im ausgesprochenen Umfang aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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