Leitsatz (amtlich)
1. Bei Erlaß eines Endurteils und eines Ergänzungsurteils zu diesem läuft die Revisionsfrist erst von Zustellung des Ergänzungsurteils an. §517 ZPO ist rechtsähnlich anzuwenden (vgl. RGZ 151, 306).
2. Aus §164 Abs. 1 BGB ergibt sich: Beim Abschluß eines Vertrages werden im allgemeinen für die Erklärenden persönliche Rechte und Pflichten aus dem Vertragsabschluß begründet. Aus einer Erklärung, die nur für einen Vertretenen wirksam werden soll, wird dieser nur berechtigt oder verpflichtet, soweit derjenige, der lediglich im Namen dieses Dritten Erklärungen abgeben will, dies ausdrücklich erklärt oder wenn die Umstände dies der Gegenseite erkennbar ergeben. Für eine ausdrückliche Erklärung dieses Inhalts oder für die Umstände, aus denen sich ergeben soll, daß die Erklärung im Namen eines anderen erfolgt, trifft den Erklärenden die Beweislast. Kann er den Beweis nicht führen, so ist er persönlich Vertragspartei.
Die Bestimmung des §164 Abs. 2 hat nur die Bedeutung, daß derjenige, der als Vertreter handeln wollte, nach Vorstehendem aber Vertragspartei ist, seine Erklärungen nicht wegen des Mangels eines eigenen Geschäftswillens anfechten kann (BGB §119).
Normenkette
ZPO § 517; BGB § 164
Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 08.02.1952) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin-Charlottenburg vom 8. Februar 1952 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte betreibt in B. den Handel mit Musikinstrumenten. Er kaufte in der zweiten Hälfte 1948 vom Kläger eine Geige, die Professor K. gespielt hatte und angeblich eine Camillus-Camilli-Geige sein soll. Die Parteien streiten darum, ob der Kaufpreis mit 10.000 DM-West oder mit 2.500 sfr vereinbart wurde. Der Kläger trägt vor, der Kaufpreis habe 10.000 DM-West betragen. Darauf habe der Beklagte bar 250 DM gezahlt, ferner eine neue Geige im Wert von DM 350 in Zahlung gegeben, außerdem 2.000 sfr gezahlt, die der Kläger mit 2.400 DM-West anrechnet, so daß der Kaufpreis in Höhe von 3.000 DM getilgt sei. Die Zahlung des Restes von 7.000 DM nebst Zinsen fordert der Kläger mit der Klage. Der Beklagte behauptet, er habe nur als Vertreter seines Bruders, des Professors Aldo F. in N., die Geige gekauft, sein Bruder habe ihm in der Schweiz 2.500 sfr zur Verfügung gestellt; ersatzweise hätte der Kaufpreis auch in DM-West gezahlt werden können. Damals im Jahre 1948 habe der Kurs des schweizer Franken 4,- DM-West betragen, so daß durch die Zahlung von 2.500 sfr auch der auf 10.000 DM-West berechnete Wert der Geige beglichen gewesen sein würde. Im übrigen sei der Vertrag schwebend unwirksam, da die Devisengenehmigung weder nachgesucht noch erteilt sei. Das Landgericht hat durch Versäumnisurteil vom 21. Dezember 1950 den Beklagten nach dem Klagantrag verurteilt, auf Einspruch des Beklagten Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, sowie Einziehung einer Auskunft des Preisamts B., und alsdann durch Urteil vom 17. September 1951 unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage kostenfällig abgewiesen. Auf die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Kammergericht ergänzend zu der Beweisaufnahme des ersten Rechtszuges die Zeugin H. vernommen und sodann durch das angefochtene Urteil vom 8. Februar 1952 das Urteil des Landgerichts abgeändert und das Versäumnisurteil vom 21. Dezember 1950 aufrechterhalten unter Aufbürdung der weiter entstandenen Kosten der Berufung auf den Beklagten. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den letzten Anträgen des Beklagten, in der Berufungsinstanz zu erkennen, hilfsweise die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
1.
Das Kammergericht hat zwei Urteile erlassen: Das sachliche Urteil vom 8. Februar 1952 und das Ergänzungsurteil wegen Abwendung der Zwangsvollstreckung vom 28. März 1952. Das erste Urteil ist am 4. April, das zweite am 23. April 1952 zugestellt. Nach §517 ZPO beginnt bei Erlaß eines Ergänzungsurteils die Berufungsfrist mit der Zustellung des Ergänzungsurteils von neuem zu laufen, auch wenn das Haupturteil vorher schon zugestellt war. Eine dem §517 ZPO entsprechende Vorschrift fehlt für das Revisionsverfahren. Nach fester Rechtsansicht wird indes §517 ZPO im Revisionsverfahren entsprechend angewendet (vgl. Stein-Jonas-Schönke ZPO 17. Aufl. zu §552 Anm. I; Baumbach-Lauterbach ZPO 21. Aufl. §552 Anm. 1). In RGZ 151, 306 ff ist diese Auslegung des Gesetzes gebilligt und ihre Berechtigung anhand der Entstehungsgeschichte des §517 ZPO eingehend begründet. Der Senat sieht keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzuweichen und tritt ihr bei.
Infolgedessen begann die Revisionsfrist im vorliegenden Fall erst am 23. April 1952 zu laufen und endete am 23. Mai 1952. Die am selben Tag eingegangene Revisionsschrift ist somit rechtzeitig.
2.
Unstreitig ist zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über eine Camillus-Camilli-Geige abgeschlossen worden. Der Beklagte hat eingewendet, er habe bei diesem Kaufabschluß nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter seines Bruders, Prof. Aldo F. gehandelt. Der Kläger hat dies bestritten. Das Berufungsgericht kommt auf Grund einer Würdigung der Beweisaufnahme zu der Folgerung, der Kläger habe den ihm obliegenden Nachweis erbracht, daß der Beklagte sich nicht ausdrücklich als Vertreter seines Bruders bezeichnet habe. Dann aber treffe den Beklagten gemäß §164 Abs. 2 BGB die Beweislast, daß seine Vertretereigenschaft sich aus den Umständen ergebe. Da dieser Beweis dem Beklagten nicht geglückt sei, hafte der Beklagte gemäß §433, 164 Abs. 2 BGB dem Kläger für den Kaufpreis.
Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis, wenn auch mit einer anderen Beurteilung der Beweislastfrage, beizustimmen. Rechtsgeschäftliche Erklärungen binden im allgemeinen die Erklärenden persönlich als Geschäftspartner. Der Wille, im Namen eines Dritten zu handeln, ist nur dann zu beachten, wenn ein entsprechender Wille der Gegenseite ausdrücklich erklärt ist oder wenn dieser Wille ihr erkennbar aus den Begleitumständen erhellt. Ist das nicht der Fall, so gilt der Erklärende selbst als Vertragspartei. Wendet der Vertragschließende ein, die Wirkungen seiner rechtsgeschäftlichen Erklärung träfen nicht ihn, sondern einen Dritten, in dessen Namen er die Erklärung abgegeben habe, so ergibt sich bereits aus §164 Abs. 1 BGB, daß ihn im vollen Umfang die Beweislast für diejenigen Voraussetzungen trifft, von denen diese Bestimmung die Wirkung einer Willenserklärung für und gegen einen Vertretenen abhängig macht. Der Beklagte hat somit zu beweisen, entweder, daß er ausdrücklich im Namen des Vertretenen gehandelt hat oder, daß sein Vertreterwille, der Gegenseite erkennbar, aus den Umständen zu entnehmen war. Dem Kläger den Beweis der negativen Tatsache aufzubürden, der Beklagte sei nicht ausdrücklich als Vertreter aufgetreten, besteht kein Anlaß, da der Beklagte, der sich auf den besonderen Rechtssatz des §164 Abs. 1 beruft, die Voraussetzungen dieser Norm zu beweisen hat (Rosenberg, Die Beweislast, 3. Aufl. S. 262/63, 311-312; Betzinger, Beweislast, S. 160; Endemann 9. Aufl. I S. 499; Oortmann 3. Aufl. §164 BGB Anm. 6 gegen RGRKomm Anm. 5; Staudinger-Riezler 10 Anm. 22; Planck Anm. 9, sämtlich zu §164 BGB, RGZ 2, 194; OLG 22, 153). Absatz 2 von §164 BGB hat nur die Bedeutung, den einen Eigenabschluß entgegenstehenden, aber nicht erkennbar hervorgetretenen Willen des Erklärenden von jedem Einfluß auszuschließen, insbesondere eine Anfechtung der Erklärung wegen des Mangels eines eigenen Geschäftswillens zu versagen (§119 BGB). Da nun das Berufungsurteil festgestellt hat, daß eine ausdrückliche Erklärung des Vertreterwillens nicht erwiesen ist und auch dem Kläger erkennbare Umstände nicht feststellbar seien, aus denen die bloße Vertretereigenschaft des Beklagten zu entnehmen sei, so ist der Beklagte als Vertragspartei zu behandeln.
Die Rügen der Revision aus ZPO §286 und 139 betreffen sämtlich nicht den nach Vorstehendem allein rechtserheblichen Sachverhalt. Sie liegen daher neben der Sache. Sie sind insoweit auch in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt worden.
3.
Das Kammergericht stellt fest, der Kaufpreis sei auf 10.000 DM vereinbart gewesen. Ob bei Erfüllung des Kaufpreises einzelne Leistungen in Schweizer Währung bewirkt wurden, stehe der Gültigkeit des schuldrechtlichen Vertrages nicht entgegen. Da beide Parteien Deviseninländer gewesen seien, habe es einer Devisengenehmigung nicht bedurft. Eine Genehmigung der Preisbehörde sei unnötig gewesen, weil die Geige ein altes Instrument gewesen sei, das als Kunstwerk gelte und den Preisbestimmungen nicht unterliege. Die Revision trägt dazu vor, die 2.500 sfr, über die der Beklagte durch die Zeugin H. verfügt habe, seien in Wahrheit von Prof. Aldo F. zur Verfügung gestellt und also dessen Geld gewesen. Das Kammergericht stellt indes fest, daß der Beklagte selbst über diesen Betrag habe verfügen dürfen, und stützt sich dabei auf die aus der Bekundung der Zeugin H. entnommenen Beweisanzeichen sowie auf den Briefwechsel zwischen dem Beklagten und seinem Anwalt, Rechtsanwalt L., der ebenfalls ergebe, daß der Beklagte 10.000 DM erwartet habe und über diesen Betrag habe verfügen wollen. Danach stellt das Kammergericht fest, daß der Kaufpreis in deutscher Währung mit 10.000 DM-West vereinbart worden sei. Hierzu verwertet es ferner die Bekundungen der vor dem Landgericht gehörten Zeugen, mit denen es sich ausreichend auseinandersetzt. Es bedurfte nicht der Heranziehung jeder einzelnen Aussage, vielmehr genügt es, daß das Urteil die gesamte Beweiswürdigung erkennen läßt und damit den §286 ZPO beachtet (BGHZ 3, 162 [175]). Die Revision rügt, daß Aldo F. nicht als Zeuge zu der Behauptung gehört worden sei, die Geige sei in seinem Auftrag zum Preise von 2.500 sfr gekauft worden. Dieser Umstand ist nach den vorstehenden Ausführungen ohne Bedeutung, soweit es sich um die Vertragspartnereigenschaft des Beklagten handelt. Sie könnte dagegen, was die Höhe des vereinbarten Kaufpreises angeht, als Indiz in Betracht kommen. Auch in dieser Eigenschaft bezieht sie sich jedoch nicht auf einen Umstand, der gegenüber dem sonst verwendeten Material (Aussage M. und Frau H.) mit Sicherheit zu anderer Beurteilung zu führen geeignet war (BGH Urteil vom 20. Oktober 1952 - IV ZR 68/52 -; 24. Februar 1953 - I ZR 54/52 -). Denn Aufträge von Prof. Aldo F. an seinen Bruder und diesem in gewisser Höhe eröffnete Konten schließen noch nicht aus, daß bei der Verkaufshandlung ein solcher Preis, wie er vom Berufungsgericht aus den auf die Preisvereinbarung bezüglichen Bekundungen von M. und Frau H. erschlossen worden ist, vereinbart worden ist. Die Nichterhebung des Beweises ist insofern nicht entscheidungserheblich. Die von der Revision gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin H. vorgebrachten Gründe liegen im übrigen im Gebiet der Beweiswürdigung und sind im Revisionsverfahren nicht zu beachten.
4.
Der weitere Angriff der Revision, §139 ZPO sei verletzt, weil das Gericht dem Beklagten nicht durch geeignete Nachfrage die Möglichkeit verschafft habe, den von der Zeugin H. erwähnten Musiker M. als Zeugen anzugeben, geht ebenfalls fehl. Nach dem Inhalt der Beweisaufnahme handelt es sich um vier Brüder M., die in einer Kapelle in Zürich tätig sind. Nur einer von ihnen spielt nach den Angaben der Zeugin H. und des Beklagten selbst Violine. Aufgabe des Beklagten war es daher, den Vornamen desjenigen der Brüder zu ermitteln, der als Zeuge in Betracht kam und ihn sodann im Prozeß zu benennen. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den Parteien die Beweismittel zu beschaffen. Das verstieße gegen den Grundsatz des Parteibetriebs und geht weit über den Sinn des §139 ZPO hinaus. Der Beklagte war bei der Vernehmung der Zeugin H. durch seinen Prozeßbevollmächtigten vertreten. Dieser hätte im damaligen Verhandlungstermin den Vornamen des Zeugen M. durch Befragen der Zeugin H. ermitteln können. Vom Kläger konnte der Beklagte die Angabe des Vornamens des Zeugen M. nicht begehren. Auch war das Gericht nicht verpflichtet, im Rahmen des Beweisverfahrens von Amts wegen die Parteien, hier den Beklagten, zur Ermittlung des Namens und Benennung des Zeugen anzuregen (RGZ 160, 338 [348]).
5.
Der letzte Angriff der Revision richtet sich gegen die Bewertung der schweizer Währung. Das Kammergericht hat angenommen, der Kurs von 100 DM-West sei = 110 sfr, der offizielle Kurs von 95,60 DM-West = 100 sfr komme nicht in Betracht. Auch dies liegt auf tatsächlichem Gebiet. Das Vorbringen der Revision, ein offizieller Kurs bestehe nicht, greift nicht durch, da bei den Zentralbanken, besonders der Bank Deutscher Länder, die Kurse der fremden Währungen festgelegt werden, auch wenn an den Börsen eine offizielle Notierung nicht stattfinden sollte.
6.
Hiernach war die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus §97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3018509 |
DB 1953, 322 |