Leitsatz (amtlich)
Zur Unzulässigkeit eines unbezifferten Leistungsantrags, wenn die Angabe der tatsächlichen Grundlagen für die Feststellung des Schadensumfangs fehlt.
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Entscheidung vom 20.12.1972) |
LG Koblenz |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. Dezember 1972 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Tatbestand
Die Kläger erwarben im Jahre 1963 ein Grundstück in der Gemarkung S. Auf diesem außerhalb der Ortschaft liegenden Grundstück wollten sie einen Bauhof für ein von ihnen damals gemeinsam betriebenes Bauunternehmen errichten. Das Grundstück liegt im Schnittwinkel zwischen zwei Feldwegen (Parzellen Nr. 115 und 116). Der Weg Nr. 115 mündet nach etwa 50 m auf freier Strecke in die Landesstraße Nr. 300. Der Weg Nr. 116 führt parallel zu dieser Landesstraße zu einer Ortsstraße, die am Ortsrand von S. in die Landesstraße einmündet.
Im Jahre 1964 beantragten die Kläger die Baugenehmigung für ein Baulager mit Maschinenhallen auf ihrem Grundstück, das als Baugrundstück "an einem ausgebauten Feldweg" beschrieben wurde. Damals war nur der Weg Nr. 115, nicht aber der Weg Nr. 116 ausgebaut.
Das zuständige Landratsamt in W. lehnte am 23. Dezember 1965 den Bauantrag ab und führte zur Begründung aus, daß die geplante Erschließung über den Feldweg Nr. 115 den Verkehr auf der schnell befahrenen Landesstraße gefährde.
Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein und trugen vor, das Gelände solle über den Feldweg Nr. 116 erschlossen werden. Der Kreisrechtsausschuß wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, daß sowohl eine Zuwegung über den Weg Nr. 115 als auch eine Zuwegung über den am Ortsrand entlangführenden Weg (= Nr. 116) die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden würde.
Die Kläger erhoben darauf Klage zum Verwaltungsgericht Koblenz (1 K 158/66) und trugen vor, das Gelände solle über den Feldweg Nr. 115 erschlossen werden.
Das Verwaltungsgericht verpflichtete das beklagte Land zur Erteilung der Bauerlaubnis. Es führte aus, daß eine Zuwegung über den Weg Nr. 115 die Sicherheit des Straßenverkehrs auf der Landesstraße Nr. 300 nicht gefährde.
Auf die Berufung des beklagten Landes wies das Oberverwaltungsgericht Koblenz die Klage mit der Begründung ab, daß die Straßenbaubehörde ihre Zustimmung zur Benutzung des Weges Nr. 115 zu Recht verweigert habe. Es ließ offen, ob die Errichtung des Bauhofes mit einer anderen Zufahrt genehmigt werden könne. Die Kläger legten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein.
Unter dem 1. März 1968 stellten die Kläger einen neuen Bauantrag mit der Erklärung, das Grundstück solle über den Weg Nr. 116 erschlossen werden. Das landratsamt ertellte am 11. November 1968 die Baugenehmigung u.a. mit der Auflage, daß die Zuwegung ausschließlich über die Wegeparzelle Nr. 116 erfolgen dürfe.
Daraufhin erklärten die Parteien vor dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Die Kläger haben im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragen:
Die im Jahre 1968 erteilte Baugenehmigung hätte ihnen schon auf das im Jahre 1964 eingereichte Baugesuch erteilt werden müssen. Durch die amtspflichtwidrige Ablehnung des Gesuchs habe sich der geplante Bau um Jahre verzögert. Dadurch sei ihnen ein erheblicher Schaden erwachsen, den ein vom Gericht zu bestellender Wirtschaftssachverständiger feststellen müsse. Dem Sachverständigen würden
"nachstehende Schadensfaktoren zur Begutachtung vorgegeben:
1.
Erhöhte Baukosten zur Erstellung der geplanten Halle unter Abzug der nach den Verhältnissen der Kläger in ihrem Unternehmen zu erreichenden Verzinsung des seinerzeit zur Verfügung stehenden Kapitalbetrages.
2.
Berechnung des Schadens, der infolge der Möglichkeit, Baustoffe größeren Umfanges zu lagern, in der Form eingetreten ist, als Händlerrabatte nicht ausgenutzt werden konnten.
3.
Ausfallschaden infolge fehlender Produktionsmöglichkeiten z.B. von Betonstürzen während der Wintermonate in der geplanten Halle.
4.
Zusätzliche Unterstellkosten für Lastkraftwagen und entsprechende Anfahrtkosten zu der angemieteten Garage in einem Nachbarort.
5.
Sonderabnutzung von Maschinen und Geräten, die im Freien überwintern mußten".
"Weitere Anhaltspunkte" würden dem Sachverständigen mitgeteilt werden.
Die Kläger haben beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an sie den durch ein Sachverständigengutachten festgestellten Schadensbetrag zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und u.a. geltend gemacht:
Die Klage sei unzulässig, weil der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt sei.
Das Landgericht hat den Klageantrag als zulässig angesehen, die Klage jedoch als unbegründet abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und ausgeführt, die Klage sei unzulässig, weil der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt sei.
Die Kläger haben Revision eingelegt.
Sie beantragen,
das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Das beklagte Land bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt erfolglos.
I.
Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß der von den Klägern gestellte Verurteilungsantrag den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht genügt.
Die Kläger begehren mit diesem Antrag Ersatz des vom Gericht zu ermittelnden, gegebenenfalls nach § 287 ZPO zu schätzenden Schadens, hilfsweise eine Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs, wobei sich das Gericht nach dem Antrag der Kläger der Mithilfe eines Sachverständigen für die Schadensermittlung bedienen soll.
Das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags bedeutet nicht, daß die klagende Partei den geforderten Geldbetrag notwendig beziffern müßte (vgl. das vom Berufungsgericht angeführte Senatsurteil in NJW 1952, 382). Unter besonderen Voraussetzungen kann auch ein unbezifferter Klageantrag genügend bestimmt sein, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat. Die klagende Partei muß jedoch bei jeder Klage, die auf eine Verurteilung gerichtet ist, Art und Umfang der begehrten Leistung so genau bezeichnen, daß hierüber keine Ungewißheit für die beklagte Partei und das Gericht besteht. Insbesondere muß die beklagte Partei zu ihrer sachgerechten Verteidigung und zur Vorbereitung der erforderlichen Entschließungen dem Klagebegehren Ausmaß und Umfang der in Anspruch genommenen Rechtsfolge entnehmen können. Ein nicht bezifferter Klageantrag, der auf Ersatz des vom Richter festzustellenden Schadens oder auf eine vom Richter festzusetzende Enteignungsentschädigung gerichtet ist, genügt daher nur, wenn die Klage zugleich die erforderlichen ausreichenden Grundlagen für die Feststellung oder Schätzung des Schadens enthält. Die klagende Partei kann auch bei dem unbezifferten Klageantrag nicht von der Last entbunden werden, die tatsächlichen Feststellungs- oder Schätzungsgrundlagen und den Größenbereich des geltend gemachten Anspruchs so genau wie möglich anzugeben (BGH in MDR 1964, 831 = VersR 1964, 850 = LM § 253 ZPO Nr. 39; BGHZ 45, 91, 93; BGH in NJW 1970, 281 = VersR 1970, 127 = LM § 253 ZPO Nr. 46; BGH in VersR 1972, 98; vgl. auch Schumann/Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 19. Aufl., § 253 Anm. III 2 a).
Die Kläger haben in dem zur Entscheidung stehenden Fall weder in der Klageschrift noch im späteren Verlauf des Rechtsstreits die tatsächlichen Umstände, die für die Feststellung der Höhe des Schadens wesentlich sind, genau genug bezeichnet. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß das Vorbringen der Kläger nicht erkennen läßt, auf Grund welcher konkreten Tatsachen Umfang und Ausmaß des Schadens (der Entschädigung) ermittelt werden sollen. Die Kläger haben nur vorgetragen, daß Vermögensschäden wegen erhöhter Baukosten, entgangener Händlerrabatte, fehlender Produktionsmöglichkeiten, zusätzlicher Unterstell- und Anfahrtkosten sowie erhöhter Abnutzung eingetreten sind. Die tatsächlichen Grundlagen für die Feststellung, Berechnung oder wenigstens Schätzung des Schadensumfangs haben sie nicht dargelegt. Es fehlt jede - auch nur ungefähre - Angabe über die Höhe der tatsächlich aufgewandten Baukosten, die Höhe der Händlerrabatte und den Umfang der Lagermöglichkeiten für Baustoffe, den Produktionsumfang für Betonteile, über Zahl, Art und Wert der Lastkraftwagen, Maschinen und Geräte und über die Garagenmiete. Der Vorbehalt der Kläger, die für die Schadensfeststellung erforderlichen tatsächlichen Grundlagen im Verlaufe des Rechtsstreits einem gerichtlichen Sachverständigen mitzuteilen, und ihr Wille, durch ein vom Gericht anzuforderndes Sachverständigengutachten die Voraussetzungen für eine Ermittlung der Schadenshöhe zu schaffen, vermag die erforderliche Darlegung der Ermittlungsgrundlagen (Berechnungs- und Schätzungsgrundlagen) nicht zu ersetzen. Ohne diese Darlegung können weder die zu Entschließungen über ihr prozessuales Verhalten genötigte beklagte Partei noch das zur Entscheidung über die Schadenshöhe berufene Gericht beurteilen, welchen Umfang der geltend gemachte Schaden erreicht. Der Vortrag der für die Schadensermittlung erheblichen Tatsachen ist nicht deshalb entbehrlich, weil ein Sachverständiger die Ermittlungsgrundlagen für die Höhe des Schadens feststellen kann. Denn das Gericht ist nicht gehalten, sich für die Feststellung dieser Grundlagen eines Sachverständigen zu bedienen. Das Gericht, das gegebenenfalls den Schaden unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu ermitteln hat (§ 287 ZPO), kann vielmehr die zur Beurteilung der Schadenshöhe erforderlichen Tatsachen auch auf andere Weise als durch ein Sachverständigengutachten - bei einer Schadensschätzung etwa durch die Vernehmung der klagenden Partei (§ 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO) - feststellen.
II.
1.
Die Revision rügt, daß das Berufungsgericht die Kläger nicht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit des Klageantrags hingewiesen und ihnen so die Möglichkeit abgeschnitten habe, die Klage zu vervollständigen; ein Hinweis im Verhandlungstermin sei zwecklos gewesen.
Die Rüge ist nicht berechtigt.
Es trifft zwar zu, daß weder der Vorsitzende noch ein von ihm bestimmtes Mitglied des Berufungsgerichts eine nach § 272 b ZPO zulässige Aufklärungsanordnung erlassen und darin auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage aufmerksam gemacht haben. Das Unterlassen dieser Aufklärungsmaßnahme zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung stellt jedoch keinen Mangel des vom Berufungsgericht eingeschlagenen Verfahrens dar.
Das Berufungsgericht hat nach seinen der Beurteilung zugrundezulegenden Feststellungen im maßgeblichen Verhandlungstermin auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit des Klageantrags hingewiesen. Die anwaltlich vertretenen und beratenen Kläger mußten schon vor diesem Hinweis und ohne ihn damit rechnen, daß das Berufungsgericht ihre unbezifferte Leistungsklage für unzulässig halten würde, weil sie die Darlegung der tatsächlichen Grundlagen für die Feststellung des Schadens unterlassen haben. Zwar hat das Landgericht in seinem ohnedies klageabweisenden Urteil die Zulässigkeit ihres unbestimmten Klageantrags in Verkennung der Tragweite der von der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes entwickelten Grundsätze für den unbezifferten Leistungsantrag bejaht. Die Prozeßbevollmächtigten der Kläger konnten indessen nicht davon ausgehen, daß auch das Berufungsgericht dieser - nicht eingehend begründeten - Auffassung des Landgerichts - folgen werde, da der Klageantrag, gemessen an den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch nicht annähern genügt. Sie mußten daher ihr prozessuales Vorgehen hierauf einstellen. Dies gilt umsomehr, als das beklagte Land schon im ersten Rechtszug zutreffend geltend gemacht hatte, daß der unbezifferte Leistungsantrag nicht hinreichend bestimmt sei.
2.
Den Klägern war die erforderliche Angabe der tatsächlichen Grundlagen für die Feststellung des Schadensumfangs weder unmöglich noch unzumutbar. Ihr unzulässiger Leistungsantrag kann daher nicht als zulässiger Feststellungsantrag aufgefaßt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 3018700 |
DB 1975, 1746-1747 (Volltext mit amtl. LS) |
JZ 1975, 448-449 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1975, 741 (Volltext mit amtl. LS) |