Leitsatz (amtlich)
Dem Schiffseigner oder dem Schiffer kann die konstruktiv fehlerhafte Ausgestaltung einer elektrisch-hydraulischen Ruderanlage (hier: unzureichender Schutz eines Stromverteilerkastens gegen überkommendes Wasser infolge Wellenschlags) grundsätzlich nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn die Anlage von einem Fachunternehmen geliefert und eingebaut sowie von der Schiffsuntersuchungskommission (und/oder einer anerkannten Klassifikationsgesellschaft) geprüft und nicht beanstandet worden ist.
Tankschiff-Transportbedingungen des Bundesverbands der deutschen Binnenschiffahrt (TTB) Nr. 15 TTB betrifft nicht die Kosten, die zwecks Errettung von Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr (große Haverei) von einem Beteiligten aufgewendet werden.
Normenkette
BinSchG §§ 8, 58, 79
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schiffahrtsobergerichts Karlsruhe vom 28. Juni 1988 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin hatte den Transport von 1.236 t Gasöl mit TMS „H.” (1.341 t) von Vlissingen nach Karlsruhe versichert. Die Beklagten sind die Eigner des Fahrzeugs.
TMS „H.” trat die Frachtreise am Morgen des 14. April 1985 unter der verantwortlichen Führung des Beklagten zu 2 an. Der Tiefgang des Schiffes betrug vorn 2,8 m und achtern 2,65 m. Nach Verlassen des Hafens fuhr das Schiff auf der Westerschelde zu Berg. Es wehte ein nordwestlicher Wind mit Stärken von 6 bis 7 Bft. Der Wellengang war stark. Nach einer Fahrt von etwa 1,5 km fiel die elektrischhydraulische Ruderanlage aus. Das Schiff legte sich quer zum Wind. In einzelne Räume drang überkommendes Wasser ein. Schießlich sah sich der Beklagte zu 2 veranlaßt, die Hilfe von zwei Schleppern anzunehmen. Sie verbrachten TMS „H.” zurück nach Vlissingen.
Die Klägerin hat als Beitrag der Ladung zu den Kosten der großen Haverei 74.714,35 DM gezahlt. Diesen Betrag sowie weitere an einen Sachverständigen geleistete 1.727,55 DM fordert sie – nebst Zinsen – von den Beklagten. Ihnen wirft sie vor, die Gefahr für Schiff und Ladung schuldhaft herbeigeführt zu haben. Insbesondere sei das Schiff bei Antritt der Reise fahruntüchtig gewesen. Insoweit ist folgendes unstreitig:
Ursache des Ausfalls der Ruderanlage war ein Kurzschluß in einem Verteilerkasten des elektrischen Leitungssystems der Anlage. Diese war im Jahre 1983 von einem Fachunternehmen für Schiffselektrik und Schiffselektronik auf den elektrisch-hydraulischen Betrieb umgebaut und die geänderte Anlage am 13. September 1983 von der Schiffsuntersuchungskommission Duisburg (SUK) abgenommen worden. Der Verteilerkasten befand sich im Ruderquadrantenkasten in Bodennähe. Letzterer war im Hinterschiff bei einer Tiefe von ca. 45 cm unter Deck versenkt angeordnet. Er lag bei voll abgeladenem Schiff weitgehend unter der Wasserlinie. Im Boden wies er drei bis vier Bohrlöcher (Durchmesser jeweils 1 cm) auf. Durch sie konnte Wasser aus dem Ruderquadrantenkasten in die Achterpiek ablaufen. Auf Deck war der Kasten mit lose liegenden Platten abgedeckt. Diese enthielten mehrere kleinere Öffnungen. Durch sie war während der Fahrt des TMS „H.” Wasser in den Ruderquadrantenkasten gekommen, das zuvor infolge Wellenschlags auf das Deck im Hinterschiffsbereich gelangt war. In dem Kasten drang es mangels einer raschen Abflußmöglichkeit in den nur spritzwassergeschützten Verteilerkasten ein und bewirkte den Kurzschluß.
Nach der Behauptung der Klägerin haben die Beklagten die ungenügende Sicherung des Verteilerkastens gegen überkommendes Wasser gekannt; zumindest hätten sie den Mangel erkennen können und müssen; schon deshalb treffe sie ein Verschulden an der Gefahr, in die Schiff und Ladung nach Antritt der Reise geraten seien.
Demgegenüber meinen die Beklagten, daß die von einem Fachunternehmen umgebaute, von der SUK abgenommene und auch vom G. L. nicht beanstandete Ruderanlage den geltenden technischen Vorschriften entsprochen habe. Von einer Fahruntüchtigkeit des Schiffes oder einem Verschulden auf ihrer Seite könne deshalb keine Rede sein.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Schiffahrtsobergericht hat ihr bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Die Beklagten erstreben mit der Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Entgegen der Ansicht der Revision fehlt es im Streitfall nicht an einer Abrede zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und den Beklagten dahin, daß diese verpflichtet sind, beim Vorliegen eines Verschuldens im Sinne von § 79 Abs. 2 BinSchG den Havarie-grosse-Beitrag der Ladung zurückzuzahlen. Die Abrede ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, aus den Erklärungen der Beteiligten im Dispachebestätigungsverfahren (vgl. hierzu die Niederschrift über die dortige mündliche Verhandlung vom 14. Juli 1986 in Verbindung mit dem nachfolgenden Schriftsatz der Ladungsbeteiligten vom 30. Juli 1986 – SchiffG Mannheim, Az. C 4/86 BSch S. 49/50, 53). Das läßt die Revision außer Betracht.
2. Ohne Erfolg muß die Rüge der Revision bleiben, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 551 Nr. 7 ZPO. Zwar hat sich dieses nicht mit dem Einwand der Beklagten auseinandergesetzt, daß der Klageforderung Nr. 15 Abs. 4 Buchst. a) der dem Frachtverhältnis zugrundeliegenden Tankschiff-Transportbedingungen des Bundesverbandes der deutschen Binnenschiffahrt (TBB) entgegenstehe, wonach „der Frachtführer nicht für Schäden haftet, die aus Gefahren oder Unfällen der See oder anderer schiffbarer Gewässer entstehen”. Dennoch greift die Rüge nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist § 551 Nr. 7 ZPO aus prozeßwirtschaftlichen Gründen nicht heranzuziehen, wenn – wie hier – das nicht erörterte Verteidigungsmittel zur Abwehr der Klage ungeeignet ist (BGHZ 39, 33, 339; BGH, Urt. v. 26. Januar 1983 – IV b 351/81, NJW 1983, 2318, 2320). Nr. 15 Abs. 4 TTB entspricht wörtlich § 608 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 HGB und ist ersichtlich dieser Vorschrift nachgebildet. Diese gilt aber nur für Schäden aus Verlust oder Beschädigung der Güter, jedoch nicht für sonstige Schäden der Ladungsbeteiligten (Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht 2. Aufl. § 608 Anm. A 3). Dafür, daß der Anwendungsbereich der Nr. 15 Abs. 4 TTB weiter gehen, insbesondere die Regelung in Buchst. a) auch den Ladungsbeitrag zur großen Haverei betreffen soll, besteht kein Anhalt. Im Gegenteil macht der sonstige Inhalt von Nr. 15 TTB, der mit § 606 Satz 2, § 607, § 608 Abs. 2 und 3 sowie § 609 HGB nahezu wörtlich übereinstimmt, deutlich, daß die Vorschrift ingesamt nur die Haftung des Frachtführers für Schäden aus Verlust oder Beschädigung der Güter im Auge hat. Hierfür spricht außerdem Nr. 12 TTB, die ausdrücklich festlegt, daß „Havarie und Havarie-grosse nach den Vorschriften des Deutschen Binnenschiffahrts-Gesetzes geregelt werden”. Überdies müßte eine Anwendung der Nr. 15 Abs. 4 Buchst. a) TTB vorliegend auch daran scheitern, daß als „Gefahren der See oder anderer schiffbarer Gewässer” jedenfalls solche Wind- und Wasserverhältnisse nicht anzusehen sind, die, wie sich aus den Ausführungen des Berufungsgerichts ergibt, für das Gebiet der Westerschelde nicht ungewöhnlich sind, ferner bereits bei Antritt der Reise des TMS „H.” in Vlissingen vorgelegen haben und denen ein fahrtüchtiges Schiff widerstehen konnte (vgl. auch Prüßmann/Rabe a.a.O. Anm. B 1; Schaps/Abraham, Seerecht 4. Aufl. Seehandelsrecht § 608 Rn. 10).
3. Nicht zu folgen ist ferner der Auffassung der Revision, § 79 Abs. 2 BinSchG sei bei einem Besatzungsverschulden nicht anwendbar. Das Gegenteil ergibt sich bereits aus § 79 Abs. 3 BinSchG, der bestimmt: „Ist die Gefahr durch eine Person der Schiffsbesatzung verschuldet, so trägt die Folgen dieses Verschuldens auch der Schiffseigner nach Maßgabe der §§ 3 und 4.” Im übrigen läßt die Revision außer Betracht, daß der Beklagte zu 2 nicht nur Schiffsführer, also Angehöriger der Besatzung (vgl. § 3 Abs. 2 BinSchG) gewesen ist, sondern auch einer der beiden Eigner des TMS „H.”.
4. Zu Unrecht zieht die Revision die Ansicht des Berufungsgerichts in Zweifel, TMS „H.” sei bei Antritt der Reise fahruntüchtig gewesen. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn ein Schiff nicht fähig ist, die gewöhnlichen Gefahren der geplanten Reise zu bestehen (Senatsurt. v. 21. April 1975 – II ZR 164/73, LM § 8 BinnSchG Nr. 3; Senatsurt. v. 15. Oktober 1979 – II ZR 80/77, LM a.a.O. Nr. 5). Hier hat das Berufungsgericht diese Unfähigkeit zutreffend damit begründet, daß die Ruderanlage des TMS „H.” „schon nach einer Fahrtstrecke von nur 1,5 km durch Kurzschluß ausgefallen ist, hervorgerufen durch das durch Wellenschlag an das Deck gelangte, durch die Aussparungen in den nur lose aufgelegten Abdeckplatten in den versenkten Ruderquadrantenkasten gelaufene und dort in den nicht wasserdicht verschlossenen Verteilerkasten des elektrischen Steuerungssystems der Ruderanlage eingedrungene Wasser”.
5. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten zu 2 vorgeworfen, die Gefahr verschuldet zu haben, in die TMS „H.” und dessen Ladung durch den Ausfall der Ruderanlage alsbald nach Antritt der Reise geraten sind. Insoweit hat es für entscheidend gehalten:
Dem Beklagten zu 2 seien die Lage, die Beschaffenheit und die Art der Abdeckung des Ruderquadrantenkastens sowie die geringe Abflußmöglichkeit von dort eingedrungenen Wassermengen durch die wenigen Bodenlöcher bekannt gewesen, desgleichen die Anordnung des Verteilerkastens für die elektrisch-hydraulische Ruderanlage. Ferner sei für ihn bei Fahrtantritt im Hinblick auf die Witterungsbedingungen und das bei der Fahrt auf der Westerschelde durch Wellenschlag an Deck gelangende Wasser erkennbar gewesen, daß der Verteilerkasten durch in den Ruderquadrantenkasten eindringendes Wasser unter Wasser gesetzt werde, dadurch ein Kurzschluß bewirkt werden und zum Ausfall der Ruderanlage und damit zu einer Notlage für das Schiff führen könne. Das hätte ihn im Rahmen der Prüfung, ob er bei den gegebenen Witterungsverhältnissen die Fahrt ohne Gefahren für Schiff und Ladung aufnehmen kann, von einem Antritt der Reise abhalten müssen. Daß der Beklagte zu 2 geglaubt habe, die elektrischen Anlagen seien wasserdicht gewesen, könne schon mangels näherem Tatsachenvortrag nicht angenommen werden. Allein daraus, daß eine Fachfirma die Anlage installiert und der G. L. bei einer Besichtigung des Schiffes keine Beanstandungen erhoben habe, lasse sich für eine solche Annahme nichts herleiten.
Mit diesen Ausführungen des Berufungsgerichts läßt sich, wie die Revision mit Erfolg rügt, ein Verschulden des Beklagten zu 2 im Sinne des § 79 Abs. 2 BinSchG nicht begründen.
a) Nach dem Schiffsattest der SUK vom 20. März 1979 war die TMS „H.” zur Fahrt auf den Bundeswasserstraßen der Fahrtbereiche 2 bis 4 (vgl. zu diesen Bereichen § 1.02 BinSchUO 1977) zugelassen. Davon umfaßte der Fahrtbereich 2 Reviere, denen, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, das der Westerschelde entspricht. Das macht übrigens nunmehr auch die Binnenschiffs-Untersuchungsordnung vom 17. März 1988 – BGBl. I 238 deutlich. Sie zählt in ihrer Anlage 1 die Bundeswasserstraßen der Zonen 1 und 2 auf. Von ihnen sind die der Zone 2 mit jenen des Fahrtbereiches 2 des § 1.02 BinSchUO 1977 identisch. Zugleich entsprechen ihnen nach der Anlage 2 der BinSchUO 1988 die „Wasserstraßen der Zone 2 im Gebiet der Europäischen Gemeinschaften außerhalb der Bundesrepublik Deutschland”, zu denen nach dem Inhalt der Anlage die Westerschelde gehört.
b) Nach § 1.08 Nr. 1 der RheinSchPV 1983, der BinSchStrO 1971 (vgl. auch § 1.08 Nr. 1 BinSchStrO vom 1. Mai 1985) und der MoselSchPV 1984 müssen Fahrzeuge so gebaut und ausgerüstet sein, daß die Sicherheit der Schiffahrt gewährleistet ist und die Verpflichtungen aus den einzelnen Polizeiverordnungen erfüllt werden können. Diese Voraussetzungen liegen nach § 1.08 Nr. 3 dieser Verordnungen vor, wenn das Fahrzeug mit einem Schiffsattest (Schiffszeugnis) versehen ist, außerdem Bau, Ausrüstung und Besatzung des Fahrzeuges den Angaben des Attests (Zeugnisses) entsprechen und dieses nach den Vorschriften der einschlägigen Untersuchungsordnungen betrieben wird. Ist das der Fall, so können Eigner und Besatzung grundsätzlich darauf vertrauen, daß die Konstruktion des Schiffes keine Fehler aufweist, die es fahruntauglich machen könnten (Bemm/Kortendick, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1983 § 1.08 Rn. 8).
c) Hier liegt es nun so, daß Lieferung und Montage der elektrisch-hydraulischen Ruderanlage des TMS „H.” durch ein Fachunternehmen für Schiffselektrik und Schiffselektronik erfolgt sind und die Anlage sodann von der SUK am 13. September 1983 untersucht, gebilligt sowie das Schiffsattest entsprechend ergänzt worden ist. Außerdem hat der G. L. am 4. April 1985 die Ruderanlage besichtigt. Auch von ihm ist die Anordnung des lediglich spritzwassergeschützten Verteilerkastens nahe am Boden des Ruderquadrantenkastens nicht beanstandet worden. Ferner muß davon ausgegangen werden, daß zumindest den Prüfern der SUK und des G. L. nicht unbekannt gewesen sein dürfte, daß TMS „H.” auch für den Fahrtbereich 2, also für Fahrten im Mündungsgebiet von Binnenwasserstraßen in die offene See, zugelassen war und dort erfahrungsgemäß nicht selten Wasser durch Wind oder Wellenschlag auf Deck kommen kann.
d) Zieht man diese Gesichtspunkte in Betracht, so kann dem Beklagten zu 2 entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht vorgeworfen werden, die Gefahr eines möglichen Kurzschlusses im Verteilerkasten nicht erkannt zu haben. Dieser brauchte als Miteigner und Schiffsführer des TMS „H.” nicht klüger und kenntnisreicher zu sein als die den Umbau der Ruderanlage planenden und durchführenden Mitarbeiter eines Fachunternehmens (vgl. auch Senatsurt. v. 29. Oktober 1979 – II ZR 127/77, LM § 58 BinnSchG Nr. 10) oder die besonders sachkundigen Prüfer der SUK oder des G. L.. Hinzu kommt, daß die SUK noch nach dem Unfall in einem Schreiben vom 4. Februar 1986 an den Versicherer des TMS „H.” ausgeführt hat, daß die Ruderanlage des Schiffes den Bestimmungen entsprochen habe. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Da bei diesem Fahrzeug durch den Ausfall der Ruderanlage klar geworden ist, daß hier die Schutzart IP 55 nicht ausreichend war, habe ich vom Art. 6 der EinführungsVO zur RheinSchUO Gebrauch gemacht und eine entsprechend höhere Schutzart gefordert”. Demgemäß ist der Verteilerkasten an Ort und Stelle verblieben, aber nunmehr mit einer 2-Komponenten-Masse vergossen und die Kabeleinführung mit Silikonmasse abgedichtet worden (vgl. das Schreiben des Schiffsversicherers vom 15. Januar 1986 an das Wasser- und Schiffahrtsamt Duisburg-Rhein).
6. Das Berufungsgericht hat im Zusammenhang mit der Frage eines Verschuldens des Beklagten zu 2 außerdem ausgeführt, daß dieser die Reise mit TMS „H.” angetreten habe, obwohl das Schiff kaum Freibord aufgewiesen und dieser unter 30 cm gelegen habe, wie er nach dem Schiffsattest für Fahrten im Fahrtbereich 2 vorgeschrieben gewesen sei. Es meint, schon deshalb und wegen der herrschenden Witterungsverhältnisse hätte sich der Beklagte zu 2 die Frage stellen müssen, ob er den Antritt der Reise bis zu einer Besserung der Wetterlage nicht aufschieben solle, zumal bei einem praktisch fehlenden Freibord nicht unerhebliche Wassermengen an Deck und von dort in den Schiffskörper gelangen konnten (wie es jedenfalls nach dem Ruderausfall bei TMS „H.” auch geschehen ist und den Beklagten zu 2 nach seinem Bericht vom 21. April 1985 an den Schiffsversicherer veranlaßt hat, Schlepperhilfe in Anspruch zu nehmen). Indes hat das Berufungsgericht diesen Punkt nicht weiter verfolgt, offenbar wegen seiner oben (eingangs Nr. 5) wiedergegebenen Ausführungen. Das wird es nunmehr nachzuholen und insbesondere prüfen müssen, wie ein sorgsamer Schiffsführer sich verhalten hätte und ob danach ein Verschulden des Beklagten zu 2 im Sinne des § 79 Abs. 2 BinSchG anzunehmen ist. Dabei wird es zu beachten haben, daß – entgegen der von der Revision in der Revisionsverhandlung dargelegten Ansicht – die TTB, insbesondere deren Nr. 15, keine Freizeichnung des Schiffers oder des Frachtführers von der Haftung für ein nautisches Verschulden vorsehen, durch das eine gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung herbeigeführt worden ist (vgl. auch oben Nr. 2). Die Parteien werden in der neuen Berufungsverhandlung Gelegenheit haben, ihrerseits zur Freibordfrage vorzutragen, wozu nach einer von den Beklagten erhobenen Verfahrensrüge mangels eines entsprechenden Hinweises seitens des Berufungsgerichts im ersten Berufungsverfahren kein Anlaß bestanden haben soll.
Unterschriften
Boujong, Dr. Bauer, Dr. Hesselberger, Röhricht, Stodolkowitz
Fundstellen
Haufe-Index 1778305 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |