Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Gesellschaftsvertrag, der ausschließlich zum Zweck einer Grundstücksübertragung abgeschlossen wird, ist als Scheingeschäft nichtig.

2. Nichtig ist ein Gesellschaftsvertrag wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten nur dann, wenn der verfolgte Gesellschaftszweck insoweit beanstandet werden kann. Ist dies nicht der Fall, kann eine einzelne ungesetzliche Betätigung in Form der Hinterziehung von Grunderwerbssteuer die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages als solchen nicht berühren.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist Alleinerbin ihres am 23. März 1971 verstorbenen Ehemannes H. S.. Dieser suchte für ein von ihm in Angriff genommenes, aber damals noch nicht fertiggestelltes großes Bauvorhaben (S.-Haus) einen Interessenten. Mit notariellem Vertrag vom 14. November 1969 gründeten er als Kommanditist und der Bankier W. H. als persönlich haftender Gesellschafter die Klägerin, in die der Erblasser der Beklagten nach § 11 des Gesellschaftsvertrages das Grundstück sowie die Verpflichtung zur Fertigstellung und Vermietung des Objekts einbrachte.

Am selben Tag vereinbarten der Erblasser und das Bankhaus K., L. & Co KG, dessen persönlich haftender Gesellschafter W. H. war, einen „Treuhandvertrag und Darlehnsvertrag”. Darin gewährte das Bankhaus dem Erblasser ein Darlehn von 5,2 Mio DM, nämlich „in Höhe des vorläufigen Wertes seiner Kommanditeinlage”. Ferner enthält der Vertrag ein bis zum 5. Januar 1970 unwiderrufliches Angebot des Erblassers, seinen Kommanditanteil zu übernehmen; die Vereinbarung einer Verwaltungstreuhand hinsichtlich des Anteils; die Ermächtigung für das Bankhaus zur Stückelung des Anteils und die Abrede, daß das Bankhaus die bis zum 5. Januar 1970 nicht veräußerten Stückelungen im ganzen unter Ausnutzung des Verkaufsangebots für eigene Rechnung übernehmen würde. Mit einem weiteren „Treuhandvertrag” bestellte der Erblasser das Bankhaus in Gemeinschaft mit dem Bankkaufmann J. H. zu Treuhändern an seinem Kommanditanteil und übertrug diesen in der Weise, daß J. H. einen Anteil von 100.000 DM, das Bankhaus den Rest der Kommanditeinlage laut Gründungsvertrag erwerben sollte. Am 1./2. Dezember 1969 meldeten die Beteiligten das Ausscheiden des Erblassers zum Handelsregister an. Das Bankhaus hat von dem zunächst übernommenen Treugeberkapital bis 31. Dezember 1969 Anteile im Wert von rund 3,7 Mio DM verkauft und im Laufe des Jahres 1970 alle weiteren Anteile in Form von Zertifikaten beim anlagesuchenden Publikum untergebracht. Die Einnahmen aus der Veräußerung des Kommanditanteils sollten nach dem „Treuhandvertrag und Darlehnsvertrag” vom 14. November 1969 zur Tilgung des Darlehns von 5,2 Mio DM dienen.

Bei der Fertigstellung des S.-Hauses traten Schwierigkeiten auf. In einer Vereinbarung vom 22. September 1970 wurde daher festgelegt (Ziff 1):

„Die durch Nichtfertigstellung bzw anderweitige Verwendung von Räumen und Parkflächen entstandenen Mietausfälle gehen für die Zeit ab 1. April 1970 zu Lasten des Herrn Sch. und werden dem bei der Hausverwaltungsabteilung des Bankhauses K., L. & Co geführten Verrechnungskonto zur Last geschrieben”.

Mit der Klage macht die Klägerin – soweit noch interessierend – folgende Mietausfälle geltend, zu deren Erstattung sie die Beklagte aufgrund der vom Erblasser eingegangenen Verpflichtung zur Fertigstellung des Objekts und der Vereinbarung vom 22. September 1970 für verpflichtet hält:

Mietzahlungen direkt an den Erblasser

1.020 DM

Mietzinsminderungen wegen Mängeln

1.400 DM

Ausfall wegen leerstehender Wohnungen ab 1. April 1970

7.965 DM

Ausfall wegen Läden, wie vor

43.244 DM

Ausfall wegen Garagen, wie vor

24.750 DM

78.379 DM.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten: Nach dem Ausscheiden des Erblassers könnten keine Ansprüche mehr aus seiner Gesellschafterstellung hergeleitet werden. Im übrigen sei mit den Verträgen vom November 1969 keine Gesellschaftsgründung, sondern nur ein steuerfreier Verkauf an das Bankhaus bezweckt gewesen, sie seien daher nach §§ 117, 134, 138 BGB nichtig. Außerdem hat sie mit einer Gegenforderung in der ursprünglichen Höhe von 711.230 DM aus einer Zahlung der V.bank N. an die Klägerin aufgerechnet, die dem Erblasser zugestanden habe.

Das Landgericht hat die Beklagte, soweit es um die hier noch interessierenden Posten geht, antragsgemäß verurteilt, das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung im wesentlichen zurückgewiesen.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klagabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Beklagte als Erbin nach H. Sch. aufgrund des Gesellschaftsvertrags und der Vereinbarung vom 22. September 1970 für verpflichtet, die jetzt noch im Streit befindlichen Mietausfallbeträge zu erstatten. Dem ist im Ausgangspunkt beizutreten.

1. Der Erblasser hatte nach § 11 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrags „seine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft” eingebracht, „die Aufbauten in allen Teilen schlüsselfertig herzustellen, die Außenanlagen fertigzustellen und das Anwesen voll zu vermieten”. Diese Einlageschuld ist durch sein Ausscheiden als Kommanditist nicht erloschen, denn in Ziffer 3 des „Treuhandvertrags” wurde zwischen dem Erblasser und den treuhänderischen Übernehmern seines Kommanditanteils – damit auch gegenüber der Klägerin – klargestellt, daß die Einlageverpflichtung beim Erblasser bleiben würde. Mit der Vereinbarung vom 22. September 1970 wurde diese Verpflichtung dahin konkretisiert, daß er die durch Nichtfertigstellung bzw anderweitige Verwendung von Räumen und Parkflächen entstandenen Mietausfälle für die Zeit ab 1. April 1970 zu tragen habe.

2. Die den Klaganspruch begründenden Vereinbarungen sind entgegen der Auffassung der Revision weder als Scheingeschäft oder wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten nichtig (§§ 117, 134, 138 BGB) noch gemäß § 779 BGB (Irrtum über die Vergleichsgrundlage) unwirksam.

a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, daß in jedem Fall die Gründung der Fonds-Gesellschaft und die Treuhänderbestellung von allen Beteiligten ernsthaft gewollt war, nicht aber ein verdeckter Kauf des Grundstücks durch das Bankhaus oder gar nur eine Abmachung ausschließlich für den Fall der Steuerfreiheit. Dies bedeute zugleich, daß sämtliche Abmachungen in ihrem wesentlichen Teil nicht als Scheingeschäft angesehen werden könnten, sondern voll wirksam seien. In der von der Revision herangezogenen Entscheidung RG JW 1930, 2655 war dagegen nach den tatrichterlichen Feststellungen der Wille der Parteien einzig und ausschließlich auf die Grundstücksübertragung gerichtet. Ein solcher Parteiwille verfolgt in der Tat keinen Gesellschaftszweck, sondern ausschließlich individuelle Ziele. Wird er unter allseitiger Zustimmung nur in die Form des Gesellschaftsvertrags gekleidet, so ist dieser als Scheingeschäft anzusehen. Gegenüber dem im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch auf Abschluß eines Gesellschaftsvertrags gerichteten Geschäftswillen spielt auch der Umstand keine Rolle, daß dem Erblasser ein Verkauf des Grundstücks lieber gewesen wäre. Denn er fand keinen geeigneten Käufer, wollte aber möglichst schnell aus dem Objekt Sch.-Haus „aussteigen” und die von dem „ungeheueren” Bauvorhaben ausgehende Belastung loswerden (Schriftstück d Bekl v 18.10.72, S 3). Ebenso ist ohne Belang, ob bereits bei Abschluß des Gesellschaftsvertrags das alsbaldige Ausscheiden des Erblassers feststand. Entscheidend ist, daß er die Errichtung der Gesellschaft ernstlich gewollt hat (vgl Fischer unter II. der Anmerkung zu LM GmbHG § 75 Nr 1 = BGHZ 21, 378). Eine Abweichung von dem in BStBl II 1973, 33 abgedruckten Urteil des Bundesfinanzhofs ergibt sich nicht. Denn er hat in dem dort entschiedenen, vergleichbaren Fall gerade nicht ein Scheingeschäft, sondern einen Mißbrauch von bürgerlich-rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 6 Steueranpassungsgesetz) angenommen.

b) Das Berufungsgericht läßt offen und trifft insoweit auch keine Feststellungen, ob die Parteien des Gesellschaftsvertrags mit der von ihnen gewählten Gestaltung die Grunderwerbsteuer für die Veräußerung des Grundstücks hinterziehen wollten; für die Revisionsinstanz ist deshalb von dieser Möglichkeit auszugehen. Dennoch wäre der Gesellschaftsvertrag nicht nach §§ 134, 138 BGB nichtig. Denn nichtig ist eine Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten nur dann, wenn der Vertrag als solcher – wegen des verfolgten Gesellschaftszwecks – verboten oder sittenwidrig ist (RG DR 1943, 806; Urt d Sen v 21.4.66 – II ZR 74/64 = WM 1966, 736; 26.9.66 – II ZR 56/65, LM EGBGB Art 7ff – Deutsches intern Privatrecht – Nr 31 unter 3 u 12.2.73 – II ZR 69/70 = WM 1973, 900 unter I). Der Gesellschaftszweck bestand aber nach § 3 des Vertrags in der Verwaltung, Vermietung, Verpachtung, Bebauung, dem Erwerb und der Veräußerung von Grundstücken und von Rechten an Grundstücken. Diese Zwecke können weder nach § 134 BGB noch § 138 BGB beanstandet werden. Eine einzelne ungesetzliche Betätigung in Form der Hinterziehung von Grunderwerbssteuer könnte die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrags als solchen nicht berühren.

c) Da die vom Erblasser nach dem Gesellschaftsvertrag eingegangenen Verpflichtungen mithin gültig waren, fehlt es auch an jedem Anhaltspunkt dafür, daß die Vereinbarung vom 22. September 1970 nach dem Willen der Beteiligten ein Vergleich war und dieser gemäß § 779 BGB unwirksam sein könnte.

3. Die Höhe der Ansprüche greift die Revision ebenfalls ohne Erfolg an. Sie führt hierzu unter anderem aus:

Nach Ziffer 1 der Vereinbarung vom 22. September 1970 könnte die Beklagte nur für die „durch Nichtfertigstellung bzw anderweitige Verwendung von Räumen und Parkflächen entstandenen Mietausfälle” in Anspruch genommen werden. Dazu gehöre von vorneherein nicht der die Ladenräume betreffende Mietausfall von 43.244 DM, da sie infolge ihrer Lage und des Mangels an Interessenten schwer vermietbar gewesen seien und die Beklagte insoweit keine Einstandspflicht treffe.

Mit dieser Rüge greift die Revision in unzulässiger Weise die tatrichterliche Auslegung der individualrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien an, die den Senat nach § 561 ZPO bindet (BU 10): „Unmißverständlich ist auch die Verpflichtung des Erblassers festgelegt worden, Mietausfälle infolge des zum 1.4.1970 nicht fertiggestellten Hochhauses zu erstatten”. Hiermit bejaht es die Verpflichtung hinsichtlich des gesamten Bauprojekts einschließlich der Ladenräume und allein wegen der fehlenden Fertigstellung, also ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Erblassers. Letzteres wird aus seinen unmittelbar anschließenden Ausführungen deutlich, daß der Erblasser für Mietausfälle durch insolvente Mieter allenfalls ersatzpflichtig gewesen wäre, wenn er sie schuldhaft in das Haus aufgenommen hätte.

Diese Auslegung verletzt weder Denkgesetze oder Erfahrungssätze noch läßt sie wesentlichen Prozeßstoff außer acht. Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit der von der Revision jetzt aufgeworfenen Frage war für das Berufungsgericht um so weniger geboten, als die Berufungsbegründung keine Ausführungen zur Höhe des Anspruchs enthält. Die Auslegung des Berufungsgerichts zum Umfang der Einstandspflicht wird auch durch den unstreitigen Schriftwechsel zwischen dem Erblasser und W. H. vom 18./29. Dezember 1970 gestützt, der sich gerade auf die Vermietung der Läden bezieht (Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 20. April 1972). W. H. vertrat darin ohne Widerspruch von seiten des Erblassers die Ansicht, daß dieser für die Vermietung verantwortlich sei und für die eingetretenen Mietausfälle einzustehen habe.

Grundsätzlich dieselben Erwägungen gelten, soweit die Revision bezweifelt, daß die Verpflichtung des Erblassers auch die „Mietzinsminderungen wegen Mängeln” (1.400 DM) und einen Teilbetrag von 620 DM aus der Position „Ausfall wegen leerstehender Wohnungen ab 1.4.1970” umfaßt.

II.

Die Revision ist indessen begründet, soweit das Berufungsgericht der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung keine Wirkung auf den Klageanspruch beimißt.

Nach § 14 des Gesellschaftsvertrags hat die Gesellschaft „zur Schuldbefreiung von Herrn Sch. (Erblasser)” eine auf dem eingebrachten Grundstück ruhende Hypothek von 5,3 Mio DM der V.-bank N. übernommen. Die Hypothek war noch nicht voll valutiert. Hinsichtlich des mit ca 700.000 DM bezifferten Auszahlungsanspruchs des Erblassers vereinbarten die Parteien des Gesellschaftsvertrags folgendes (§ 11 Ziffer 5):

„… Er tritt diesen Anspruch, und soweit der Anspruch derzeit der D. Bank S. zusteht, den Anspruch auf Rückübertragung gegen diese, hiermit an die Gesellschaft ab. Die Gesellschaft nimmt die Abtretung an. Sie dient als Sicherung für den Anspruch der Gesellschaft auf Einbringung des Grundstücks in vertragsmäßigem Zustand. Der der Gesellschaft von der Vereinsbank zufließende Betrag wird Herrn Sch. nach vertragsmäßiger Übergabe (§ 15) ausbezahlt”.

1. Insoweit hat das Berufungsgericht mit der Prüfung, ob die von der Beklagten erklärte Aufrechnung durchgreift, was es mangels Fälligkeit einer Gegenforderung verneint, den Prozeßstoff nicht erschöpft. Der Auszahlungsanspruch ist ausdrücklich zur Sicherung für den Anspruch der Klägerin auf Einbringung des Grundstücks in vertragsmäßigem Zustand abgetreten worden. Nach Ziffer 1 der Vereinbarung vom 22. September 1970 sollten Mietausfälle dem bei der Hausverwaltungsabteilung des Bankhauses geführten Verrechnungskonto zur Last geschrieben werden. Hierin kann – wozu es aber noch der tatrichterlichen Feststellungen bedarf – eine Verrechnungsabrede liegen, die entweder ohne besondere weitere Erklärung bis zur Höhe des Guthabens oder in Höhe der tatsächlichen dem Konto belasteten Beträge zur Tilgung der Schuld des Erblassers führte oder bis zur Höhe des Guthabens als pactum de non petendo einer Leistungsklage entgegensteht.

Die Höhe der Gegenforderung, die aufgrund einer Verrechnungsabrede zu berücksichtigen sein könnte, hat das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht festgestellt. Sie ist streitig; so hat die Beklagte vorgetragen, daß Anfang Dezember 1970 das Guthaben noch etwa 350.000 DM betragen habe, nach Behauptung der Klägerin ist es schon durch Inanspruchnahme für andere als die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche völlig aufgebraucht.

2. Die Sache mußte zurückgewiesen werden, damit das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen trifft, ob und mit welcher Wirkung der Klageforderung eine Verrechnungsabrede entgegensteht. Demgegenüber brauchte der Senat nicht auf die Revisionsrüge einzugehen, das Berufungsgericht habe verfahrenswidrig die Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung verneint.

 

Fundstellen

Haufe-Index 648003

DNotZ 1977, 416

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