Leitsatz (amtlich)
a) Für die Berechnung des – hier: von den Hinterbliebenen des getöteten Dienstverpflichteten an den Dienstberechtigten abgetretenen – Anspruchs aus § 844 Abs. 2 BGB ist entscheidend, welchen Unterhalt die Hinterbliebenen von ihrem Ernährer bei dessen Fortleben hätten fordern können.
b) Über die Erstattungsfähigkeit der vom Dienstberechtigten an die Hinterbliebenen eines Unfallgetöteten gezahlten Beträge.
Normenkette
BGB § 844 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 16.10.1967) |
LG Essen |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm (Westf) vom 16. Oktober 1967 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Bernhard E. war bei der Klägerin angestellt. Am … 1964 verunglückte er durch einen vom Beklagten vor schuldeten Verkehrsunfall tödliche. Daraufhin zahlte die Klägerin für die folgenden 2 1/2 Monate an die Ehefrau und die minderjährige Tochter des Getöteten insgesamt 2.750 DM. Diese Leistung beruhte auf § 8 Abs. 3 des Rahmentarifvertrages für Angestellte im Groß- und Einzelhandel im Ruhrgebiet vom 9. August 1963, nach dem die Klägerin verpflichtet ist, im Falle des Todes eines Angestellten, der ihrem Betrieb länger als 10 Jahre angehört, das Gehalt für drei Monate einschließlich des Sterbemonats an die versorgungsberechtigten Angehörigen weiterzuzahlen. Die Hinterbliebenen des tödlich Verunglückten erhielten außerdem für denselben Zeitraum von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) für entgangenen Unterhalt insgesamt 1.157,25 DM.
Die Klägerin hat vom Beklagten Erstattung der 2.750 DM verlangt. Dessen Haftpflichtversicherer zahlte jedoch nur 217,75 DM.
Mit der Klage hat die Klägerin in erster Instanz die Zahlung des Restbetrages von 2.532,25 DM nebst Zinsen gefordert. Sie hält den Beklagten zur Erstattung auch dieses Betrages für verpflichtet und hat den Klageanspruch aus eigenem und aus abgetretenem Recht begründet. Dazu hat die Klägerin eine Abtretungsurkunde vorgelegten der die Witwe E. zugleich für ihre Tochter gegen den Beklagten bestehende Ansprüche in Höhe der von der Klägerin an sie geleisteten Zahlungen an die Klägerin abgetreten hat. Die Klägerin ist der Ansicht, es entspreche einem allgemeinen Grundsatz, daß der Schädiger für den gesamten Schaden auch dann aufkommen müsse, wenn dieser teilweise aus vertraglichen oder gesetzlichen Gründen von dritten Personen ausgeglichen worden sei. Das habe die Rechtsprechung in den Fällen ausgesprochen, in denen dem verletzten Arbeitnehmer der lohn fortgezahlt werde. Bei Tötung des Arbeitnehmers liege es aber genauso. Jedenfalls sei der Beklagte nach § 426 BGB zum Ausgleich verpflichtet.
Der Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Er meint, die Klägerin habe keine Ansprüche aus eigenem Recht gegen ihn. Die von ihr vorgelegte Abtretungsurkunde ergebe ebenfalls keinen Anspruch, weil die Hinterbliebenen des Getöteten selbst nicht mehr Inhaber eines Schadenersatzanspruchs seien, den sie hätten abtreten können. Sie hätten nur den Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz wegen entgangenen Unterhalts. Von dem Einkommen des Getöteten hätten der Witwe Even nur monatlich 400 DM und der Tochter monatlich 150 DM zugestanden, beiden insgesamt auf 2 1/2 Monate umgerechnet 1.375 DM. Dieser Anspruch sei in Hohe von 1.157,25 DM auf die Bundesversicherungsanstalt übergegangen und in Höhe des Restbetrages von 217,75 DM durch Zahlung erloschen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit der erfolglosen Berufung hat die Klägerin nur noch Zahlung von 1.160 DM nebst Zinsen gefordert, indem sie bei ihrem Ersatzanspruch nicht nur die Zahlung von 217,75 DM, sondern auch die Leistung der Bundesversicherungsanstalt in Höhe von 1.157,25 DM berücksichtigt hat.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Anträge des Berufungsrechtszuges weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht erachtet die Klage nicht aus eigenen Recht der Klägerin, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) für begründet. Diese rechtsirrtumsfreie Auffassung sieht die Revision nicht in Zweifel.
II. Das Berufungsgericht hält die Klage auch nicht aus abgetretenem Recht für gerechtfertigt.
1. Eigene Ansprüche des Verunglückten auf Ersatz der mit der Klage geltend gemachten Beträge, die er – wie die Klägerin meint – vor seinem Tode stillschweigend an sie hätte abtreten oder vererben können, verneint das Berufungsgericht. Mit der Klage werden, wie das Berufungsurteil ausführt, erst nach dem Tode E. und damit erstmals in den Personen seiner Hinterbliebenen entstandene Schäden geltend gemacht. Hiergegen erhebt die Revision im einzelnen keine Beanstandungen.
2. Ohne Rechtsirrtum hält daß Berufungsgericht das Klagebegehren auch nicht auf Grund der Abtretung eigener Schadenersatzansprüche der Hinterbliebenen vom 31. Mai 1965 für begründet.
a) Hierbei geht das Berufungsgericht davon aus, daß durch die Abtretung vom 31. Mai 1965 grundsätzlich Schadenersatzansprüche der Hinterbliebenen auf die Klägerin übertragen worden sind. Solche Ansprüche standen ihnen aus § 10 Abs. 2 StVG und § 844 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten zu. Er hat nach der zutreffenden Annahme des Berufungsgerichts insoweit Schadensersatz zu leisten, als der getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen wäre. Diesen Schadensersatzanspruch haben Frau und Tochter E. nach Auffassung des Berufungsgerichts insoweit an die Klägerin abgetreten, als sie auf Grund des § 8 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages Zahlungen von der Klägerin erhalten haben.
b) Dieser Beurteilung liegt die zutreffende Auffassung zugrunde, daß die von der Klägerin erbrachte Leistung nicht auf den Unterhaltsschaden der Hinterbliebenen anzurechnen ist. Die Leistungen der Klägerin dienten der wirtschaftlichen Besserstellung der Hinterbliebenen beim Tode ihres Ernährers. Nach ihrem Sinn sollte ein anderer, hier der zum Schadensersatz verpflichtete Beklagte, aus der Erfüllung dieser Verpflichtung keinen Vorteil gewinnen (vgl. BGHZ 10, 107; 13, 360, 363; BGH Urteil vom 5. Februar 1963 – VI ZR 33/62 = LM BGB § 249 (Cb) Nr. 11 m.w.N.; Selb, Karlsruher Forum 1964 S. 9). Daß die Leistungspflicht der Klägerin hier auf tarifvertraglicher Bestimmung beruht, erheischt keine andere Wertung (vgl. RGZ 153, 264, 265; BGHZ 10, 107; Thiele AcP 167, 193, 228/229). Die Ansicht des Berufungsgerichts beruht des weiteren auf der Annahme, daß die Hinterbliebenen ihre Ansprüche gegen den Schädiger für den Zeitraum, für den die Leistungen der Klägerin bestimmt waren, trotz des § 400 BGB wirksam abgetreten haben, was die Klägerin verlangen konnte (vgl. BGHZ 13, 360, 366; über die gebotene Einschränkung vgl.: Marschall von Bieberstein, Reflexschäden und Regreßrechte 1967 S. 228).
c) Selbst wenn man dem folgt, ist mit dem Berufungsgericht das Klagebegehren nicht gerechtfertigt.
Entscheidend ist, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe den Hinterbliebenen Ansprüche gegen den Beklagten zustanden, die sie an die Klägerin abzutreten vermochten. Der zu ihren Gunsten nach § 844 Abs. 2 BGB begründete Anspruch auf Ersatz ihres wegen Unterhaltsverlusts entstandenen Schadens bemißt sich in der Höhe danach, welche Beträge seines Einkommens der Ernährer, wenn er am Leben geblieben wäre, hätte auf wenden müssen, um seinen unterhaltsberechtigten Angehörigen denjenigen Lebensunterhalt zu verschaffen, auf den sie nach den familienrechtlichen Vorschriften des Unterhaltsrechts Anspruch gehabt hätten (BGH Urteil vom 14. April 1961 – VI ZR 147/60 = VersR 1961, 543). Hierzu stellt das Berufungsgericht unangefochten fest, daß der Ehemann E. unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten für seine Ehefrau und Tochter monatlich 550 DM, für den hier in Frage stehenden Zeitraum von 2 1/2 Monaten mithin 1.375 DM hätte aufwenden müssen. Für den in Frage stehenden Zeitraum belief sich der Unterhaltsschaden der Hinterbliebenen somit auf diesen Betrag. Ein höherer Schadensersatzanspruch stand ihnen nicht zu.
Diese Schadensersatzforderungen der Hinterbliebenen sind in Höhe von 1.157,25 DM kraft Gesetzes auf die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übergegangen (§ 77 Abs. 2 AVG, § 1542 RVO); davon geht auch die Klägerin aus. Die den Hinterbliebenen verbliebene, allein der Abtretung zugängliche Restforderung von 217,75 DM ist durch Zahlung an die Klägerin erloschen.
d) Zu Unrecht fordert die Klägerin darüber hinaus Ersatz ihrer weiteren Aufwendungen in Höhe eines. Teilbetrages von 1.160 DM. Sie übersieht, daß sie mangels eigener Forderungen auf die Kraft Abtretung übergegangenen Ansprüche der Hinterbliebenen beschränkt ist (vgl. BGHZ 43, 378, 382). Eine darüber hinausgehende Schadensersatzforderung der Hinterbliebenen gegen den Beklagten bestand aus den gegebenen Gründen aber nicht. Dagegen kann die Klägerin mit Erfolg nicht geltend machen, daß ihr Schaden höher liege. Ersatz des Schadens eines Dritten können die Hinterbliebenen nach §§ 10 Abs. 2 StVG, 844 Abs. 2 BGB nicht fordern (BGHZ a.a.O.).
e) Ohne Erfolg meint die Revision, bei Berücksichtigung der Rechtsprechung, insbesondere des erkennenden Senats, zu § 616 BGB müßte die Klage durchdringen. Ihr wesentlicher Gehalt geht im Ergebnis dahin, daß die Lohnfortzahlung trotz vorübergehender Arbeitsunfähigkeit des Dienstverpflichteten – oder andere Leistungen des Dienstberechtigten bei haftungsbegründetem Ausfall des Dienstverpflichteten – nicht zur Verneinung eines Schadens und damit eines Ersatzanspruchs des Verletzten gegen den Schädiger führt, solche Zuwendungen vielmehr unberücksichtigt bleiben, insbesondere nicht angerechnet werden. Des weiteren ist entwickelt worden, daß der leistende Dienstberechtigte – sofern es an einer Überleitung kraft Gesetzes mangelt – grundsätzlich Abtretung der Schadensersatzansprüche des Dienstverpflichteten verlangen kann.
Diese rechtlichen Gesichtspunkte sind berücksichtigt, wie die Ausführungen oben zeigen. Sie sind gerade Voraussetzung der Erwägungen zu c), die zur Verneinung des Klagebegehrens führen.
f) Dieses Ergebnis weist auch keinen ungerechtfertigten Unterschied zu den Fällen auf, in denen der Verletzte nicht ums Leben kommt und der Drittleistende (Dienstberechtigte) während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit seine Entlohnung weiterzahlt. Auch bei solcher Gestaltung ist der Regreß des Drittleistenden (Dienstberechtigten) gegen den Schädiger mangels eigener Recht immer nach Grund und Höhe beschränkt durch den Anspruch des Verletzten gegen den Schädiger – bei dieser Gestaltung: auf Ersatz des Erwerbsschadens –, der dem Dienstberechtigten abgetreten oder auf ihn kraft Gesetzes übergegangen ist (BGHZ 43, 378, 382). Auch solcher Regreß ist immer nur anerkannt als übergegangener Schadenersatzanspruch des Verletzten gegen den Schädiger und daher von ihm abhängig. Die Höhe der vom Dritten (Dienstberechtigten) dem Verletzten (Dienstverpflichteten) gewährten Leistungen, die den Schaden des leistenden ausweist, zeigt nur eine weitere Grenze an, bis zu welcher der Drittleistendte – unter Berücksichtigung der Kongruenz – allenfalls Rückgriff gegen den Schädiger nehmen kann.
Im übrigen wird nach der Auffassung des Berufungsgerichts der Schädiger gerade nicht dadurch entlastet, daß die Klägerin den Hinterbliebenen die Versorgungsleistungen erbringt. Auch geschieht dem Anliegen, das mit der Leistung der Klägerin verfolgt wird, nämlich die Hinterbliebenen eines Angestellten günstig zu stellen, gerade kein Abbruch. In Frage steht lediglich, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang diese Leistungen endgültig den Drittleistenden (Klägerin) oder den Schädiger belasten. Die Abgrenzung folgt hier aus dem Umfang der Ersatzpflicht des Schädigers gegenüber den Hinterbliebenen. Nach §§ 844 Abs. 2, 249 BGB hat er deren Unterhaltsschaden zu er setzen. Er hat Schadensersatz insoweit zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen wäre. Abzustellen ist somit darauf, welche Ansprüche sie gegen ihren Ernährer bei dessen Fortleben gehabt hätten. Auf dieser Grundlage berechnet sich der Unterhaltsschaden der Hinterbliebenen nach den Ausführungen zu c). Die Hinterbliebenen können nur Ersatz dieses Unterhaltsschadens, nicht aber in ihrer Person etwa später erwachsener Schäden fordern.
Auch im Bereich der Legalzession kommt es für Grund und Höhe des Rechtsübergangs darauf an, welche Ansprüche den Hinterbliebenen nach § 844 Abs. 2 BGB gegen den Schädiger zustehen. Nur sie gehen – bis zur Höhe der kongruent erbrachten oder zu erbringenden Leistungen – auf den Drittleistenden über und bestimmen damit aus der Person der geschädigten Hinterbliebenen und nicht des Regreßberechtigten den Umfang des Übergangs (vgl. BGH Urteil vom 13. Juni 1966 – VI ZR 8/66 – zu II 3 d = VersR 1967, 902; Wussow UHR 9. Aufl. Tz 1596).
III.
Nach alledem war die Revision unbegründet und mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Engels, Dr. Weber, Nüßgens, Sonnabend, Dunz
Fundstellen
Haufe-Index 1502222 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1969, 998 |