Leitsatz (amtlich)
›Auch im Rahmen der Vertragsverletzung wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers ist die Feststellung, daß der Fehler des Arztes zu einer Gesundheitsbeschädigung des Patienten geführt hat, nach § 286 ZPO zu treffen, soweit es um den ersten Verletzungserfolg geht. Erst die Weiterentwicklung der Schädigung gehört zur haftungsausfüllenden, nach § 287 ZPO festzustellenden Kausalität (Einschränkung von BGH, Urt. v. 2. März 1965 - VI ZR 269/63 - VersR 1965, 583).‹
Verfahrensgang
LG Heilbronn |
OLG Stuttgart |
Tatbestand
Der Kläger erlitt am 13. Mai 1978 bei einem Treppensturz eine schwere Fraktur am rechten Unterschenkel mit Sprunggelenksbeteiligung. Noch am Unfalltag begab er sich zu stationärer Behandlung in die chirurgische Klinik der Städtischen Krankenanstalten der Drittbeklagten. Chefarzt der Klinik ist der Zweitbeklagte und Oberarzt der Erstbeklagte.
Nach Anfertigung von Röntgenaufnahmen wurde die Fraktur des Klägers in Vollnarkose manuell eingerichtet. Alsdann versuchten die Ärzte, diese Stellung mit einem durch das Fersenbein geschossenen Extensionsdraht und einem Gipsverband zu halten. Als sich die Frakturstellung jedoch verschlechterte, wurde am 29. Mai 1978 eine erneute Reposition in Vollnarkose vorgenommen, deren Ergebnis am folgenden Tag in der Krankengeschichte des Klägers wie folgt dokumentiert ist:
"Röntgenkontrolle nach Reposition zeigt gerade noch ausreichende gute Stellung der Fraktur. Wenn die Stellung nicht gehalten werden kann, ist Operation vorgesehen."
Vor der Reposition hatte der Kläger am 29. Mai 1978 einen Vordruck unterzeichnet, in dem niedergelegt war, er sei über sein Leiden und die zu dessen Heilung notwendigen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen sowie Operationen hinreichend aufgeklärt worden und mit deren Durchführung einverstanden.
Am 3. Juni 1978 verließ der Kläger die Klinik auf eigenen Wunsch gegen ärztlichen Rat. Der Erstbeklagte behandelte ihn jedoch ambulant weiter bis zum 20. September 1978 und entfernte auch den Extensionsdraht und den Gipsverband.
Trotz der Behandlung ist eine Versteifung des rechten Sprunggelenks bei dem Kläger eingetreten, die auch schmerzhaft ist. Der Kläger leidet deshalb an einer Gehbehinderung. Er ist dadurch in der Erwerbsfähigkeit behindert.
Der Kläger hat behauptet, der Erst- und der Zweitbeklagte hätten eine fristgebundene operative Frakturbehandlung (Osteosynthese) verhindert. Er hat die Auffassung vertreten, durch eine rechtzeitige Operation wären die jetzt vorhandenen Beschwerden vermieden, in jedem Falle aber gemildert worden.
Mit seiner Klage hat der Kläger Ersatz seines materiellen Schadens und Schmerzensgeld verlangt sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagten verpflichtet sind, auch seine Zukunftsschäden zu ersetzen.
Die Beklagten haben behauptet, der Kläger habe durch das vorzeitige Verlassen der Klinik selbst die bereits vorgesehene operative Behandlung des Bruches vereitelt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg (das Berufungsurteil ist in MedR 1985, 175 abgedruckt). Mit seiner Revision verfolgt er seine Klageansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht verneint einen Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der konservativen Frakturbehandlung. Es hat sich auch nicht davon überzeugen können, daß der Erst- und der Zweitbeklagte eine Operation abgelehnt haben; es vertritt allerdings die Auffassung, diese beiden Beklagten seien verpflichtet gewesen, den Kläger über die Fristgebundenheit eines operativen Eingriffes zu belehren (sogenannte therapeutische Aufklärung). In der unterbliebenen Unterrichtung sieht es deshalb einen Behandlungsfehler. Das Berufungsgericht geht jedoch davon aus, der Kläger habe nicht den Beweis dafür erbracht, daß durch eine Operation die Versteifung vermieden worden wäre.
II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, es sei verfehlt, daß das Berufungsgericht geprüft habe, ob die behandelnden Ärzte sich geweigert hätten, die operative Frakturbehandlung durchzuführen; entscheidend sei vielmehr, ob sie dem Kläger (noch während seines Krankenhausaufenthaltes) eine derartige Behandlung empfohlen hätten.
Das Berufungsgericht hatte keine Veranlassung, auch insoweit Feststellungen zu treffen. Es geht zwar - ebenso wie die Revision - aufgrund des von ihm verwerteten Schrifttums und des vom Kläger vorgelegten Sachverständigengutachtens davon aus, daß nach mißlungener konservativer Therapie operiert werden muß (vgl. auch OLG Schleswig, VersR 1981, 242). Der Kläger hatte jedoch, worauf das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang hinweist, unwidersprochen vorgetragen, daß die Osteosynthese der distalen Tibiafraktur innerhalb einer Frist von 10-12 Wochen nach dem Unfall erfolgen mußte, so daß dafür bis Mitte August 1978 Zeit war (Urteilsausfertigung S. 15). Der Kläger hat aber bereits am 3. Juni 1978 die Klinik verlassen, fünf Tage nach dem zweiten Versuch einer Reposition in Vollnarkose. Bis zu diesem Tage brauchten die beklagten Ärzte ihm noch keine operative Frakturbehandlung vorzuschlagen. Sie konnten, wie in der Krankenblatteintragung vom 30. Mai 1978 niedergelegt ist, nach diesem Versuch zunächst einmal abwarten, ob die "Stellung gehalten werden kann", und brauchten erst dann eine Operation vorzusehen, wenn das nicht möglich war.
2. Die Revision beanstandet jedoch mit Recht, daß das Berufungsgericht dem Kläger die Beweislast dafür auferlegt hat, daß eine frist- und ordnungsgemäß vorgenommene Osteosynthese der Tibiafraktur die jetzt beim Kläger vorhandenen Beeinträchtigungen vermieden oder verbessert hätte.
a) Auszugehen ist mit dem Berufungsgericht davon, was auch die Revisionserwiderung nicht beanstandet, daß bei irreponiblen Gelenkfrakturen die operative Frakturbehandlung geboten ist. Sie war, wie selbst die Revisionserwiderung hervorhebt, daher auch eine naheliegende Möglichkeit, den Zustand des Klägers zu verbessern, nachdem die konservative Therapie endgültig gescheitert war. Da die Operation überdies, um Erfolg haben zu können, innerhalb einer Frist von 10-12 Wochen nach dem Unfall erfolgen mußte und dem Kläger deshalb gesundheitliche Gefahren bei Unterlassung der fristgebundenen Operation drohten, waren die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet, ihm beim Verlassen der Klinik eine therapeutische Beratung zu erteilen, d.h. ihn eindringlich über die Folgen der Fristversäumnis zu belehren. Durch den unterlassenen Hinweis haben sie, wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend ausführt, einen Behandlungsfehler begangen (vgl. Senatsurteil vom 16. November 1971 - VI ZR 76/70 - VersR 1972, 153, 154 unter A II 2 und Senatsbeschluß vom 1. April 1980 - VI ZR 238/79 - VersR 1980, 854; Giesen, JZ 1982, 391, 402). Der Annahme eines Behandlungsfehlers stand nicht entgegen, daß die Beklagten im Streitfalle nicht ihre Pflicht zur Aufklärung über schädliche Folgen eines ärztlichen Eingriffs oder von ihnen verordneter Arzneimittel verletzt haben, sondern ihre Pflicht zum Hinweis auf eine fristgebundene ärztliche Behandlungsmaßnahme zur Sicherung des Heilerfolges. Die Warnung vor Gefahren, die durch unterbleibende ärztliche Behandlungen oder diagnostische Maßnahmen entstehen (zu letzteren vgl. Beschluß vom 1. April 1980 - aaO.), gehört ebenso zur therapeutischen Beratung wie der Hinweis auf schädliche Folgen ärztlicher Eingriffe oder Neben- bzw. Wechselwirkungen von Medikamenten.
Auf die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob die Behandlungsmaßnahme, auf welche die Beklagten den Kläger nicht hingewiesen haben, etwa "zwingend" oder "absolut" indiziert war, kommt es nicht an.
Vom Berufungsgericht festgestellt ist weiterhin, daß weder der Erstbeklagte noch der Zweitbeklagte dem Kläger einen Hinweis auf die Fristgebundenheit der Operation gegeben hat und daß dieser sich bei entsprechendem Hinweis vor Fristablauf in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik in T. hätte operieren lassen.
b) Zutreffend weist das Berufungsgericht ferner darauf hin, daß ein Patient allerdings auch dann, wenn ihm gegenüber ein Arzt seine Pflicht zur therapeutischen Beratung verletzt, wie bei jedem anderen Behandlungsfehler grundsätzlich den Beweis der Ursächlichkeit der unterlassenen Aufklärung für seinen Schaden zu führen hat, es sei denn, der Behandlungsfehler ist als "grob" zu qualifizieren (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 1981 - VI ZR 38/80 - VersR 1981, 954, 956 [unterlassener Hinweis auf Infektionsgefahr bei vorzeitigem Verlassen der Klinik nach Herzkatheteruntersuchung]; OLG Celle, VersR 1985, 346 [Unterlassen einer dringlichen Empfehlung zur Klinikeinweisung bei Herzinfarktverdacht]).
aa) Dieser Beweis ist, wovon das Berufungsgericht weiterhin rechtsfehlerfrei ausgeht, entgegen der Ansicht der Revision gemäß § 286 ZPO zu erbringen, da die Frage, ob zwischen dem unterlassenen ärztlichen Hinweis auf die Fristgebundenheit der Osteosynthese und der heute bei dem Kläger bestehenden Gelenksarthrose ein ursächlicher Zusammenhang besteht, den Bereich der sogenannten haftungsbegründenden Kausalität betrifft. Hierunter ist die Verbindung der einzelnen, zum gesetzlichen Haftungsgrund gehörenden Elemente tatsächlicher Art zu verstehen (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 1975 - VI ZR 129/73 - VersR 1975, 540, 541). Eines dieser Elemente ist, gleichgültig ob der Kläger seine Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB oder aus positiver Vertragsverletzung herleitet, die körperliche Beeinträchtigung aufgrund des Behandlungsfehlers.
Bezüglich der Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, daß der Zusammenhang zwischen dem Tun und Lassen des Schädigers und dem ersten Verletzungserfolg, hier also einer etwaigen Körperschädigung, nach § 286 ZPO zu beweisen ist (BGHZ 4, 192, 196; Senatsurteile vom ll. Juni 1968 - VI ZR 116/67 - VersR 1968, 850, 851 = NJW 1968, 2291 mit Anm. Hanau und vom 20. Februar 1975 - VI ZR 129/73 - aaO., jeweils m.w.N.; vgl. auch Kleinewefers/Wilts, VersR 1967, 617, 618; Stoll, RabelsZ 1972, 578, 582; a.A. Hanau, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971, S. 94; Maassen, Beweismaßprobleme im Schadensersatzprozeß, 1975, S. 87 ff). Diese Auffassung liegt (entgegen Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung, 1979, S. 53) ersichtlich auch der Entscheidung des III. Zivilsenats in BGHZ 7, 198, 203 zu einem rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch zugrunde, wenn dies dort auch nicht klar zum Ausdruck gekommen ist. Denn dort war der erste Verletzungserfolg bereits in dem rechtswidrigen Eingriff, spätestens aber in den eingetretenen Komplikationen zu sehen.
Der neuerdings im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. Deutsch, Arztrecht und Arzneimittelrecht, S. 60 f. und NJW 1986, 1541), Haftungstatbestand bei der Arzthaftung sei grundsätzlich bereits der Behandlungsfehler, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Das Deliktsrecht bezweckt den Schutz von Rechtsgütern und sieht die Sanktion des Schadensersatzes nur für den Fall vor, daß ein individuelles Rechtsgut verletzt ist (vgl. Stoll, aaO. gegenüber der von Hanau, aaO. vertretenen Auffassung, die Rechtsverletzung liege bereits in der Pflicht zur Respektierung des fremden Rechtskreises).
Aber auch soweit sich die Schadensersatzansprüche des Klägers aus der Verletzung vertraglicher oder nachvertraglicher Pflichten des Behandlungsvertrages ergeben können, gilt nichts anderes. Bei Vertragsverletzungen hat der Bundesgerichtshof zwar im allgemeinen die Auffassung vertreten, daß die Schadensentstehung keine haftungsbegründende Tatsache sei, sich der Bereich des Haftungsgrundes, der nach § 286 ZPO zu beweisen ist, vielmehr nur bis zur Feststellung erstreckt, der Vertragspartner sei von dem Verstoß so betroffen worden, daß nachteilige Folgen für ihn eintreten können. Er hat deshalb für den Beweis der Ursächlichkeit der Vertragsverletzung für den eigentlichen Schadenseintritt die Beweiserleichterung des § 287 ZPO für anwendbar erklärt (Senatsurteil vom 20. Februar 1975 - VI ZR 129/73 - aaO. m.zahlr.w.N.; BGH, Urteil vom 28. April 1982 - IVa ZR 8/81 - VersR 1982, 756, 757). Dies gilt uneingeschränkt in allen Fällen von Vermögensschäden aus der Verletzung vertraglich geschützter Vermögensinteressen (BGH, Urteil vom 28. April 1982 - IVa ZR 8/81 - aaO.; Arens, ZZP 88, 1, 26; a.A. Hainmüller, ZZP 90, 326, 353 f und Stoll aaO.). Ob abweichend davon beim Eintritt von Personen- oder Sachschäden infolge einer Vertragsverletzung der erste Verletzungserfolg, der noch nach § 286 ZPO zu beweisen ist, die Rechtsgutverletzung ist, hat bisher nur der VIII. Zivilsenat (Urteil vom 18. Juni 1969 - VIII ZR 148/67 - VersR 1969, 834) ausdrücklich bejaht (offengelassen sowohl im Urteil des erkennenden Senats vom 20. Februar 1975 - VI ZR 129/73 - aaO. als auch im Urteil des IVa-Senates vom 28. April 1982 - IVa ZR 8/81 - aaO.). Der erkennende Senat hat sogar früher (Urteil vom 2. März 1965 - VI ZR 269/63 - VersR 1965, 583, 584) die Auffassung vertreten, über den Ursachenzusammenhang zwischen einer unrichtigen ärztlichen Diagnose und einer etwaigen Verschlechterung des Krankheitsverlaufes habe sich der Richter eine Überzeugung gemäß § 287 ZPO zu verschaffen. Hieran kann jedoch nicht undifferenziert festgehalten werden. Vielmehr ist immer dann, wenn eine Haftung für die Schädigung der in § 823 Abs. 1 geschützten Rechtsgüter (und nicht nur die Verursachung eines Vermögensschadens durch die Verletzung bloßer Vermögensinteressen) in Frage steht, wie bei der Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB die Verletzung des Rechtsguts selbst im Sinne des ersten Verletzungserfolgs dem Bereich der haftungsbegründenden Kausalität zuzuordnen; erst die Weiterentwicklung der Schädigung gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität. Die vertragliche Haftung des Arztes für Behandlungsfehler knüpft an die Verletzung von Verhaltenspflichten an, die in gleicher Weise und mit demselben Inhalt auf den Schutz der Gesundheit des Patienten bezogen sind wie die Pflichten, deren Verletzung zur deliktischen Arzthaftung führen. Stimmen aber vertragliche und deliktische Verhaltenspflicht völlig überein bzw. besteht "Strukturgleichheit" von vertraglichen und deliktischen Sorgfaltspflichten, dann muß auch der Haftungsgrund in gleicher Weise abgegrenzt werden (vgl. Gottwald, aaO., S. 88 unter Bezugnahme auf Stoll, AcP 176, 145, 192 f; vgl. auch Messer in Kullmann/Pfister, Handbuch "Produzentenhaftung", Kennzahl 1426, S. 22 zur vertraglichen und deliktischen Produzentenhaftung). Eine Differenzierung würde jedenfalls in diesem Bereich zu unhaltbaren Ergebnissen führen (vgl. Hainmüller, aaO., S. 334 Fn. 22).
bb) Die besondere Interessenlage von Patient und Arzt erfordert es entgegen der Auffassung der Revision auch nicht, daß der Arzt generell, d.h. ohne Rücksicht auf die Schwere eines Behandlungsfehlers, das Risiko der Unaufklärbarkeit des Erfolges der infolge unterlassener therapeutischer Aufklärung nicht ausgeführten Operation zu tragen hat, falls diese medizinisch indiziert war. Dies gilt selbst dann, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestand, daß dieser Erfolg auch erreicht worden wäre. Dem erkennenden Senat ist bewußt, daß sich die Patienten in derartigen Fällen in einer echten Beweisnot befinden. Diese ist aber durchaus vergleichbar mit den Beweisschwierigkeiten, die für Patienten bestehen, wenn ein Arzt eine gebotene Behandlung unterläßt, und mit vielen anderen Gestaltungen, in denen Patienten nach ärztlichen Eingriffen gesundheitlich geschädigt werden. In allen diesen Fällen muß es dabei bleiben, daß der Patient grundsätzlich auch den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und seiner Gesundheitsschädigung zu beweisen hat. Allein die Beweisnot kann nicht dazu führen, ihm Beweiserleichterungen einzuräumen.
cc) Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, in dem unterlassenen Hinweis auf die Fristgebundenheit der Osteosynthese könne kein zur Beweiserleichterung führender "grober" Behandlungsfehler gesehen werden. Die Beurteilung der Frage, ob ein solcher Fehler vorliegt, richtet sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls und ist deshalb weitgehend dem Tatrichter vorbehalten (vgl. Senatsurteil vom 10. Mai 1983 - VI ZR 270/81 - VersR 1983, 729, 730). Die Würdigung muß jedoch erkennen lassen, daß der Tatrichter hierbei die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgezeigten Maßstäbe zugrundegelegt, insbesondere geprüft hat, ob ein Fehlverhalten des Arztes vorliegt, das aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint, weil ein solcher Fehler dem Arzt aus dieser Sicht "schlechterdings nicht unterlaufen darf" (Senatsurteil vom 10. Mai 1983 aaO.). Die Würdigung des ärztlichen Verhaltens des Erst- und des Zweitbeklagten durch das Berufungsgericht wird diesem Grundsatz nicht gerecht. Es verneint nur deshalb einen "groben" Behandlungsfehler, weil der Kläger die Klinik entgegen ärztlichem Rat verlassen hat. Abgesehen davon, daß der Kläger weiterhin in der Behandlung des Erstbeklagten verblieben ist, kann das Patientenverhalten bei der vorliegenden Gestaltung auf die Bewertung des ärztlichen Verhaltens keinen Einfluß haben. Denn die Pflicht zur therapeutischen Beratung entstand überhaupt nur, weil der Kläger nicht zur weiteren Behandlung in der Klinik geblieben ist.
III. Bei dieser Sachlage muß das Berufungsurteil aufgehoben werden.
Der erkennende Senat ist jedoch nicht in der Lage, abschließend in der Sache zu erkennen, da die Beklagten in den Tatsacheninstanzen nicht darauf hingewiesen wurden, daß ihnen möglicherweise die Beweislast für den Mißerfolg der Operation obliegt und das Berufungsgericht bisher auch zu Gunsten des Klägers das Gutachten von Prof. Dr. C. vernachlässigt hat, der davon ausgegangen ist, die jetzt beim Kläger bestehende Sprunggelenksarthrose wäre auch durch eine operative Versorgung mit Wahrscheinlichkeit nicht vermeidbar gewesen.
Die Sache war deshalb zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sollte das Berufungsgericht dem Gutachten von Prof. C. Bedeutung zukommen lassen, dann wird es sich auch damit auseinandersetzen müssen, daß der Sachverständige Prof. B. ausgeführt hat, bei dem Kläger, bei dem es zu einer geschlossenen Fraktur gekommen sei, habe nur eine sehr geringe Infektionsgefahr bestanden.
Fundstellen
Haufe-Index 2992860 |
NJW 1987, 705 |
BGHR BGB § 823 Abs. 1 Arzthaftung 1 |
BGHR BGB § 823 Abs. 1 Beweislast 2 |
BGHR BGB vor § 1 Kausalität 1 |
BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweislast 1 |
BGHR ZPO vor §§ 286 287 Beweismaß 1 |
MDR 1987, 43 |
DfS Nr. 1994/391 |