Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsscheinhaftung wegen Fortlassung des nach GmbHG § 4 Abs 2 vorgeschriebenen Formzusatzes kann nicht nur den Geschäftsführer der GmbH treffen, sondern auch jeden anderen Vertreter des Unternehmens, der durch sein Zeichnen der Firma ohne den Formzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat.

 

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten, einen Architekten, Ansprüche wegen mangelhafter Planung des Umbaus seines Geschäftshauses geltend. Der Umbau umfaßte insbesondere die Herstellung einer Fahrstuhlanlage für eine im 1. Stock des Hauses zu betreibende Arztpraxis. Durch Vermittlung des Arztes, der die Praxis beziehen wollte, kam der Kläger in Kontakt mit dem Beklagten, der ihm mit Begleitschreiben vom 24. Januar 1986 den Entwurf eines Architektenvertrages nebst einer vorbereiteten Vollmacht übersandte. Das Begleitschreiben trägt als Briefkopf die Bezeichnung „A. … leitender Architekt: H. G. … ein Bereich der R. Unternehmensgruppe”. Es ist unterzeichnet „A. G. Dipl.-Ing. Architekt”. Der von dem Kläger am 28. Januar 1986 und von dem Beklagten am 4. Februar 1986 als „Architekt” ohne Zusatz eines Vertretungsverhältnisses unterzeichnete formularmäßige Einheits- Architektenvertrag bezeichnet ebenso wie die beigefügte Vollmacht als Architekten und Vertragspartner des Klägers die „A., P.straße 16, M.”. „A.” ist die firmeninterne Bezeichnung für einen rechtlich unselbständigen Bereich der A. GmbH (A.-GmbH).

Der Kläger, der den Beklagten für seinen Vertragspartner hält, hat beantragt, den Beklagten zur Rückzahlung des bereits entrichteten Architektenhonorars von 30.540,– DM nebst Zinsen zu verurteilen, sowie festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, den gesamten an dem Bauvorhaben durch fehlerhafte Architektenleistungen entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, nicht er, sondern die A.-GmbH sei Vertragspartner des Klägers geworden. Außerdem hat er bestritten, daß seine Architektenleistungen mangelhaft seien. Beide Vorinstanzen haben die Klage wegen fehlender Passivlegitimation des Beklagten abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine in den Vorinstanzen gestellten Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte nicht Vertragspartner des Klägers geworden. Als sog. unternehmensbezogenes Geschäft sei der Architektenvertrag vielmehr allein zwischen dem Kläger und der A.-GmbH zustande gekommen. Auch eine Haftung des Beklagten aus Rechtsschein wegen fehlender Führung des GmbH-Zusatzes komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Sie scheide schon deshalb aus, weil das aus §§ 35 Abs. 3, 4 Abs. 2 GmbHG folgende gesetzliche Gebot, das Fehlen einer unbeschränkten persönlichen Haftung des Unternehmensinhabers offenzulegen, nur den Geschäftsführer der GmbH, nicht aber auch einen Angestellten wie den Beklagten treffe. Bei dieser Sachlage bedürfe es keiner Entscheidung, ob eine Rechtsscheinhaftung des Beklagten im vorliegenden Fall auch an einer fehlenden Kausalität des Rechtsscheins für den Vertragsschluß scheitern würde. Aus demselben Grunde könne ferner offenbleiben, ob die Rechtsscheinhaftung des Handelnden Zahlungsunfähigkeit der GmbH voraussetze und ob die von dem Kläger in Anspruch genommenen Architektenleistungen tatsächlich die von ihm behaupteten Mängel aufweisen. Dies hält rechtlicher Prüfung im Ergebnis nicht stand.

I. Ohne Erfolg zieht die Revision allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts in Zweifel, daß es sich im vorliegenden Fall um ein sog. unternehmensbezogenes Geschäft (vgl. dazu zuletzt Senatsentscheidung vom 15. Januar 1990 – II ZR 311/88, WM 1990, 600 m.w.N.) handelt. Wenn der dem Kläger von dem Beklagten übersandte, von beiden Parteien des Rechtsstreits unterzeichnete Architektenvertrag als Architekt, d.h. Auftragnehmer und Vertragspartner des Klägers, die „A. …” benennt, die im Kopf des dem Kläger übermittelten Begleitschreibens vom 24. Januar 1986 als „ein Bereich der R.-Unternehmensgruppe” bezeichnet worden war, so war damit hinreichend kenntlich gemacht, daß der Beklagte den Vertrag für dieses Unternehmen und nicht für sich selbst in seiner Privatsphäre abschließen wollte. Die weitere Frage, ob durch die Bezeichnung des Klägers als „Leitender Architekt” der A. noch zusätzlich klargestellt wurde, daß der Beklagte nur Angestellter dieses Unternehmens war, wie das Berufungsgericht meint, oder ob der Kläger, wie die Revision vorträgt, trotz oder gerade wegen dieser Bezeichnung den Beklagten zugleich für den Inhaber des Unternehmens, in dessen Rahmen das Geschäft geschlossen wurde, ansehen durfte, ist für das Vorliegen eines unternehmensbezogenen Geschäfts ohne Bedeutung.

Die Möglichkeit, daß die Parteien trotz der ausdrücklichen Benennung der A. als Vertragspartner des Klägers im rechtlichen Sinne darüber einig gewesen sein könnten, daß der Beklagte im eigenen Namen verpflichtet werden sollte (vgl. dazu Sen.Urt. v. 15. Januar 1990 aaO sowie v. 12. Dezember 1983 – II ZR 238/82, WM 1984, 197), hat angesichts der bezeichneten Umstände außer Betracht zu bleiben. Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger (vgl. Sen.Urt. v. 12. Dezember 1983 aaO) hat in dieser Richtung nichts Erhebliches vorgetragen, was zu einer abweichenden Beurteilung Anlaß geben könnte.

II. Dagegen ist dem Berufungsgericht nicht zu folgen, wenn es mit der von ihm gegebenen Begründung auch eine Haftung des Beklagten aus Rechtsschein abgelehnt hat. Für die mögliche Rechtsscheinhaftung des Beklagten ist es ohne Bedeutung, ob der Kläger erkennen konnte, daß der Beklagte nur Angestellter des bei dem schriftlichen Vertragsschluß als Vertragspartner des Klägers bezeichneten Unternehmens war, oder ob er ihn für dessen Inhaber halten durfte. Hat der Beklagte als der für das Unternehmen Auftretende durch sein Verhalten den Eindruck erweckt, er selbst sei dessen Inhaber, so hat er für die Vertragserfüllung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einer Rechtsscheinhaftung schon aus diesem Grunde persönlich einzustehen. Hat der Kläger erkannt, daß der Beklagte nur Angestellter seines Vertragspartners war, so haftet der Beklagte unter denselben Voraussetzungen, wenn er das unbegründete Vertrauen hervorgerufen hat, der von ihm selbst verschiedene Inhaber desselben hafte persönlich. Ein solcher Vertrauenstatbestand kann nach ständiger Senatsrechtsprechung auch dadurch begründet werden, daß der für das Unternehmen Handelnde unter Verstoß gegen § 4 Abs. 2 GmbHG mit einer Firma – auch einer Sachfirma oder einer unzulässigen Firma – zeichnet, ohne den gesetzlich vorgeschriebenen Zusatz hinzuzufügen, der klarstellt, daß der Firmeninhaber eine GmbH ist (vgl. BGHZ 62, 216, 222f.; 64, 11, 16ff.; Urt. v. 1. Juni 1981 – II ZR 1/81, WM 1981, 873; v. 15. Januar 1990 aaO). Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts trifft diese Haftung nicht nur den Geschäftsführer der GmbH. Dies folgt vor allem aus Sinn und Zweck des § 4 Abs. 2 GmbHG und der Grundsätze über die Rechtsscheinhaftung.

Das Gebot, im Geschäftsverkehr grundsätzlich nur mit der Firma in unveränderter und unverkürzter Form zu zeichnen, richtet sich zwar in erster Linie an den Kaufmann (§ 17 Abs. 1 HGB), d.h. den Inhaber des Unternehmens, und bei der als solcher nicht handlungsfähigen GmbH an deren Geschäftsführer (§ 35 Abs. 2 und 3 GmbHG). Dies beruht jedoch lediglich darauf, daß dies die Personen sind, die das Unternehmen typischerweise nach außen hin vertreten. Die Firmenpflicht gilt aber darüber hinaus für den gesamten rechtsgeschäftlichen Verkehr des Unternehmens (s. statt aller Heymann/Emmerich, HGB § 17 Rdn. 111ff.) unabhängig davon, wer das Unternehmen im Einzelfall vertritt (vgl. etwa auch §§ 51, 57 HGB). Zur vollständigen Firma einer GmbH gehört, wie oben bereits dargelegt, nach den zwingenden Vorschriften des Gesetzes auch der GmbH-Zusatz. Sinn des Gebots zur Führung dieses Zusatzes ist es, im Rechtsverkehr offenzulegen, daß der Geschäftspartner es mit einer juristischen Person mit beschränkter Haftungsmasse zu tun hat, bei der ihm keine der beteiligten natürlichen Personen mit ihrem Privatvermögen haftet. Wird die Firma des Unternehmens gesetzwidrig ohne den klarstellenden GmbH-Zusatz gezeichnet, so kann dadurch u.U. das berechtigte Vertrauen hervorgerufen werden, der Firmeninhaber und Unternehmensträger sei keine Kapitalgesellschaft oder sonstige nur mit einer beschränkten Vermögensmasse haftende juristische Person, sondern ein Einzelunternehmer oder eine Personengesellschaft ohne Haftungsbeschränkung (so grundlegend BGHZ 64, 11, 17f.). Dieses Vertrauen entsteht unabhängig davon, wer im Einzelfall als Vertreter des Unternehmens auftritt, und ist deshalb auch unabhängig davon zu schützen. Es führt in entsprechender Anwendung des § 179 BGB zur eigenen Rechtsscheinhaftung desjenigen, der durch sein Handeln, d.h. durch die Weglassung des GmbH-Zusatzes, zurechenbar das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat (vgl. Sen.Urt. v. 1. Juni 1981, aaO). Dies wird bei der GmbH meist der Geschäftsführer sein; die Rechtsscheinhaftung kann aber auch jede andere Person treffen, die durch ihr Handeln als Vertreter des Unternehmens den Anschein erweckt hat, der Inhaber des Unternehmens (wer immer dies sei) hafte dem Geschäftsgegner unbeschränkt (im gleichen Sinne Hueck in Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 4 Rdn. 42; ähnlich wohl auch trotz der einleitenden Herausstellung des Geschäftsführers und Gesellschafters Hachenburg/Heinrich, GmbHG 8. Aufl. § 4 Rdn. 58).

Im vorliegenden Fall ist dies jedenfalls auch der Beklagte, weil er gegenüber dem Kläger als Vertreter der A. aufgetreten ist und in dieser Eigenschaft nicht spätestens bei Abschluß des von ihm unterzeichneten schriftlichen Vertrages mit dem Kläger Sorge dafür getragen hat, daß die Firma des Unternehmens entsprechend dem gesetzlichen Gebot des § 4 Abs. 2 GmbHG bezeichnet wurde. Die aus seinem Handeln als Vertreter des Unternehmens folgende eigene Verantwortung des Beklagten für die unterlassene Klarstellung, daß er als Vertreter einer GmbH auftrat, und für den dadurch bei dem Kläger hervorgerufenen Rechtsschein wird entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht dadurch beseitigt, daß sich der Beklagte beim schriftlichen Vertragsschluß eines ihm von seiner Geschäftsleitung zur Verfügung gestellten Formulars bedient hat, das die Rechtsverhältnisse des Unternehmens unrichtig wiedergibt.

III. Da die Haftung des Beklagten für den von ihm zurechenbar hervorgerufenen Rechtsschein, Vertragspartner des Klägers sei ein Unternehmen, bei dem mindestens eine natürliche Person unbeschränkt für die Vertragserfüllung einsteht, mithin davon abhängt, daß der Kläger die wahren Verhältnisse der A. nicht gekannt hat und auch nicht hätte kennen müssen und sich auf das Geschäft im Vertrauen auf die unbeschränkte Haftung seines Vertragspartners eingelassen hat, und das Berufungsgericht hierzu sowie zu den von dem Kläger geltend gemachten Ansprüchen als solchen von seinem Standpunkt folgerichtig bisher keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sollte das Berufungsgericht aufgrund der neuen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangen, daß die bisher offengebliebenen Tatbestandsmerkmale, an die sich eine Rechtsscheinhaftung des Beklagten gegenüber dem Kläger knüpft, erfüllt sind, so käme es auf die weitere, von dem Beklagten aufgeworfene und vom Berufungsgericht dahingestellt gelassene Frage, ob sich der Kläger Befriedigung seiner Ansprüche auch bei der GmbH verschaffen könnte, nicht an. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. Januar 1990 (aaO) ausgesprochen hat, ist die Rechtsscheinhaftung des Handelnden keine subsidiäre Ausfallhaftung für den wirklichen Unternehmensträger. Beide haften dem auf den Rechtsschein gutgläubig Vertrauenden vielmehr als Gesamtschuldner mit der Folge, daß dieser nach seiner Wahl die Leistung von dem einen oder dem anderen fordern kann, ohne Gefahr zu laufen, mit den Prozeßkosten belastet zu werden, nur weil er „den falschen Beklagten” in Anspruch genommen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649095

BB 1991, 1586

NJW 1991, 2627

ZIP 1991, 1004

GmbHR 1991, 360

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge