Leitsatz (amtlich)
Betreibt eine Bank die Zwangsversteigerung eines Grundstücks aus einem ihr zustehenden Grundpfandrecht, macht sie sich wegen positiver Verletzung des Sicherungsvertrages gegenüber dem Schuldner schadensersatzpflichtig, wenn sie im Falle eines freihändigen Verkaufs den Kaufpreis durch die Vereinbarung einer Maklerprovision mit dem Käufer mindert.
Normenkette
BGB §§ 276, 1191
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 26.06.1996) |
LG Mainz |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 26. Juni 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 9. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen positiver Verletzung eines Sicherungsvertrages über eine Grundschuld.
Die Beklagte hatte dem Kläger einen Kredit gewährt, der durch eine Grundschuld gesichert war. Da er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam, beantragte sie Anfang Juni 1990 die Anordnung der Zwangsversteigerung. Der Kläger bemühte sich um Käufer für das Grundstück. Das Grundstück wurde schließlich wenige Stunden vor dem auf den 4. Juli 1991, 14.30 Uhr, angesetzten Versteigerungstermin an die Eheleute Schneider, denen das Grundstück von der Beklagten nachgewiesen worden war, für 1,1 Mio. DM verkauft.
Der Kläger behauptet, bereits Anfang Juni 1991 habe er der Beklagten den Zeugen B. als Kaufinteressenten genannt. Dieser sei bereit gewesen, für den lastenfreien Erwerb des Grundstücks 1,5 Mio. DM zu zahlen. B. habe den Kaufpreis über die W. Volksbank finanzieren wollen. Ein von dieser bestätigter Scheck über 1,5 Mio. DM habe noch am Versteigerungstag überreicht werden können. Die Beklagte sei daran jedoch nicht interessiert gewesen, weil sie durch Vermittlung eines von ihr präsentierten Käufers eine Provision habe verdienen wollen, die den Kaufpreis zu Lasten des Klägers vermindert habe. Deshalb habe die Beklagte ihn am Versteigerungstag um 11.00 Uhr anrufen lassen und zur Beurkundung eines Kaufvertrages mit den Eheleuten S. zum Notar bestellt. Die Käufer seien bereit gewesen, 1,2 Mio. DM zu bezahlen. Nachdem der Notar die entsprechend vorbereitete Urkunde verlesen habe, habe die Beklagte von den Käufern überraschend eine Provision gefordert und mit der Fortsetzung der Zwangsversteigerung gedroht, falls nicht der Kaufvertrag zu ihren Bedingungen geschlossen werde. Wegen der Provisionsforderung hätten die Käufer, die schließlich an die Beklagte 63.250 DM gezahlt hätten, nur noch einen Kaufpreis von 1,1 Mio. DM akzeptiert. Dem habe er notgedrungen zugestimmt, um bei der Versteigerung nicht einen noch größeren Nachteil zu erleiden.
Der Kläger hat seine Teilklage über 100.000 DM in erster Linie auf seinen Vortrag zu den Umständen beim Zustandekommen des Kaufvertrages, hilfsweise auf die Ablehnung des von ihm benannten Kaufinteressenten durch die Beklagte gestützt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger keine Pflichten verletzt; wegen des Risikos eines unter dem Verkehrswert liegenden Versteigerungserlöses dürfe eine Bank zwar den freihändigen Verkauf eines zu ihren Gunsten belasteten Grundstücks nicht verhindern, wenn der Erlös zur Befriedigung ausreiche; sie sei jedoch nicht verpflichtet, Kaufinteressenten zu suchen und brauche deshalb auf den – mit derartigen Bemühungen üblicherweise verbundenen – Maklerlohn für einen von ihr geförderten Verkauf nicht zu verzichten, selbst wenn sie dem Käufer den Kaufpreis finanziere und dieser zu Ablösung ihrer Grundpfandrechte diene. Weder das Verlangen von Maklerlohn unter den vom Kläger behaupteten Umständen noch die Tatsache, daß die Beklagte den angeblich möglichen Verkauf an den Zeugen B. nicht gefördert habe, könne Ersatzansprüche gegen sie begründen.
II.
Diese Begründung hält rechtlicher Überprüfung in den entscheidungserheblichen Punkten nicht stand. Das Berufungsgericht irrt in der Annahme, die Beklagte habe ihre Pflichten gegenüber dem Kläger beim freihändigen Verkauf des Grundstücks auch dann nicht verletzt, wenn der Vortrag des Klägers zu den Umständen dieses Verkaufs zuträfe, und hat infolgedessen zu Unrecht eine Beweisaufnahme unterlassen.
1. Eine Bank, die die Verwertung eines zu ihren Gunsten belasteten Grundstücks betreibt, hat die berechtigten Belange des Sicherungsgebers in angemessener und zumutbarer Weise zu berücksichtigen, soweit nicht ihre Sicherungsinteressen entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1997 – IX ZR 1/96, NJW 1997, 1063, 1064 m.w.Nachw.). Dieser sich aus dem Sicherungsvertrag ergebenden Pflicht entspricht die Regelung in Nr. 20 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken a.F., die zwischen den Parteien vereinbart worden sind. Danach hat die Verwertung unter tunlichster Rücksichtnahme auf den Kunden zu erfolgen, d.h. die Bank hat dessen Interessen, soweit diese nicht ihren Sicherungsinteressen zuwiderlaufen, zu wahren. Sie muß deshalb auch für den Fall, daß die Verwertung der Sicherheit einen Erlös verspricht, der über dem Betrag der gesicherten Ansprüche liegt, bestrebt sein, das bestmögliche Verwertungsergebnis im Interesse ihres Kunden zu erzielen (vgl. Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 90 Rdn. 432). Wird ihr vom Kunden eine günstige Verkaufsmöglichkeit nachgewiesen, hat sie durch ihre Mitwirkung eine solche Verwertung zu fördern. Findet sie selbst einen Käufer, der bereit ist, das Grundstück zu einem höheren Preis als den von ihr erwarteten Zwangsversteigerungserlös zu erwerben, darf sie die Gelegenheit nicht dazu benutzen, einen Teil des Betrages, den der Erwerber insgesamt zu zahlen bereit ist, ohne Anrechnung auf die gesicherte Schuld als Entgelt für ihre eigenen Verwertungsbemühungen zu vereinnahmen.
Wegen der institutionell bedingten Interessenkollision (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1986 – IV a ZR 87/85, NJW 1987, 1008 f.), in die eine die Zwangsversteigerung aus einem Grundpfandrecht betreibende Bank notwendig kommt, ist es rechtlich ausgeschlossen, daß ihr ein Provisionsanspruch wegen Vermittlung eines freihändigen Verkaufs des Grundstücks gegen ihren Schuldner oder einen Dritten zusteht (vgl. dazu Zopfs, Das Maklerrecht in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung 3. Aufl. Rdn. 47 a.E.; ferner Glaser/Warncke, Das Maklerrecht in der Praxis 7. Aufl. S. 479). Betreibt die Bank die Zwangsversteigerung, kann sie nicht gleichzeitig ihre Verpflichtung aus dem Sicherungsvertrag, tunlichst die Belange ihres Schuldners an einem möglichst günstigen Verkauf zu berücksichtigen, die Interessen dessen, für den sie vermittelnd tätig wird, an einem möglichst niedrigen Kaufpreis und ihre eigenen Interessen an einer den Kauferlös ihres Schuldners notwendig mindernden Maklerprovision wahrnehmen, gleichgültig, ob sie die Provision von ihrem Schuldner, oder – wie vorliegend – von dem Erwerber verlangt. Diese notwendig auftretende Interessenkollision, die auch Grundlage der Rechtsprechung zur sog. unechten Verflechtung ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 1992 – IV ZR 154/91, NJW 1992, 2818, 2819 m.w. Nachw. und Zopfs a.a.O. Rdn. 45 ff.), hindert das Entstehen eines Makleranspruchs der Bank (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1992, 1266 f.; LG Berlin NJW-RR 1990, 1272).
2. Gegen diese Grundsätze hat die Beklagte in schwerwiegender Weise verstoßen.
a) Folgt man dem Vortrag des Klägers, hat die Beklagte kurz vor dem auf den 4. Juli 1991, 14.30 Uhr, angesetzten Versteigerungstermin den Kläger um 11.00 Uhr zum Notar bestellt und ihm dort Käufer präsentiert, die zunächst bereitwaren, einen Kaufpreis von 1,2 Mio. DM zu zahlen. Dieser Kaufpreis war in die notarielle Urkunde aufgenommen, und die Urkunde wurde mit diesem Inhalt verlesen. In dieser Situation überraschte die Beklagte die Kaufvertragsparteien mit ihrem Verlangen nach Provision, ohne die sie nach ihrer Erklärung die Zwangsversteigerung fortsetzen wollte. Da die Provision zu Lasten der Käufer gehen sollte, waren diese zum Kauf nur noch bei Senkung des Kaufpreises bereit. Dem Kläger blieb nichts anderes übrig, als den um 100.000 DM ermäßigten Kaufpreis zu akzeptieren, wollte er nicht Gefahr laufen, bei der unmittelbar bevorstehenden Zwangsversteigerung deutlich weniger zu bekommen.
Damit hat die Beklagte über ihr Sicherungsinteresse hinaus einen finanziellen Vorteil, auf den sie keinen Anspruch hatte, verfolgt, bei dem freihändigen Verkauf unter schuldhafter Verletzung des Sicherungsvertrages auf die Belange des Klägers keine Rücksicht genommen und dadurch dem Kläger Schaden zugefügt. Sie hat sich daher nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung ersatzpflichtig gemacht.
Der Kläger begehrt die Zahlung der Differenz zwischen dem Kaufpreis, den die Käufer ursprünglich zu zahlen bereit waren, und dem infolge des Provisionsverlangens der Beklagten verminderten endgültigen Kaufpreis. Daß die Beklagte als Provision nur 63.250 DM erhalten hat und 36.750 DM den Käufern wirtschaftlich zugute gekommen sind, beeinflußt die Höhe des von der Beklagten verursachten Schadens nach dem vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt nicht.
b) Sollte sich dieser Sachverhalt aufgrund einer Beweisaufnahme nicht feststellen lassen, vielmehr davon auszugehen sein, daß den Käufern die Provisionsforderung der Beklagten bekannt war und sie im Notartermin von Anfang an deshalb nur 1,1 Mio. DM als Kaufpreis zahlen wollten, besteht der Schaden des Klägers jedenfalls in Höhe von 63.250 DM. Um diesen Betrag nämlich ist die Summe, welche die Käufer insgesamt zu zahlen bereit waren, durch das den Sicherungsvertrag schuldhaft verletzende Provisionsverlangen der Beklagten vermindert worden.
3. Der Hilfsvortrag des Klägers kann dagegen nicht zum Erfolg führen.
Wenn der Kläger auch bereits Anfang Juni 1991 der Beklagten einen Käufer benannt und erklärt hat, dieser sei bereit, 1,5 Mio. DM zu zahlen, der Kaufpreis werde über die W. Volksbank finanziert, bestand gleichwohl keine Verpflichtung der Beklagten, an den benannten Interessenten heranzutreten oder durch Rückfrage bei der genannten Bank dessen Bonität zu überprüfen. Es war vielmehr Sache des Klägers, mit dem Interessenten die Verhandlungen zu führen, einen Kaufvertrag mit gesicherter Finanzierung abschlußreif vorzubereiten und dann die Beklagte zur Mitwirkung an diesem Vertrag aufzufordern. Auf die bloße Benennung eines Interessenten und die Ankündigung am Versteigerungstag, dieser werde einen bankbestätigten Scheck über 1,5 Mio. DM beibringen, brauchte die Beklagte sich nicht einzulassen.
III.
Das angefochtene Urteil war aus diesen Gründen aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat dabei von der Möglichkeit nach § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Schramm, Nobbe, Dr. van Gelder, Dr. Müller
Fundstellen
Haufe-Index 1760251 |
NJW 1997, 2672 |
Nachschlagewerk BGH |
WuB 1998, 117 |
ZIP 1997, 1448 |
ZMR 1998, 573 |
MDR 1997, 959 |
IPuR 1998, 46 |
ZBB 1997, 273 |