Leitsatz (amtlich)
a) Werden gegen das Organ einer Gesellschaft Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend gemacht, so bilden den Gegenstand des Verfahrens nicht ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1 LugÜ I bzw. Art. 5 Nr. 1 Buchst. a LugÜ II. Eine internationale Zuständigkeit kann sich aus Art. 5 Nr. 3 LugGÜ I/II ergeben.
b) Beim Schweizer Nachlassverfahren handelt es sich um ein ausländisches Insolvenzverfahren im Sinne des deutschen internationalen Insolvenzrechts (Anschluss an BGH, Urt. v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rz. 32 ff.).
c) Die gerichtliche Bestätigung eines Schweizer Nachlassvertrages wird gem. § 343 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 InsO im Inland anerkannt.
d) Der Verlust der Rechte gegen Mitverpflichtete gem. Art. 303 Abs. 2 SchKG ist eine Wirkung, die als insolvenzrechtlich zu qualifizieren und daher gem. § 335 InsO nach Schweizer Recht zu beurteilen ist.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; KWG § 32 Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 3; Lugano-Abk I Art. 5 Nr. 3; Lugano-Abk II Art. 5 Nr. 3; InsO §§ 335, 343; Schweiz:SchKG Art. 303
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Urteil vom 27.06.2013; Aktenzeichen 8 U 118/12) |
LG Göttingen (Entscheidung vom 26.06.2012; Aktenzeichen 9 O 81/11) |
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Braunschweig vom 27.6.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger begehrt von den Beklagten zu 2) bis 4) (im Folgenden: Beklagte) Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags mit der in der Schweiz ansässigen M. AG. Die Klage gegen den Beklagten zu 1) wurde erstinstanzlich zurückgenommen. Bezüglich der M. AG ist die Klage in erster Instanz abgetrennt worden.
Rz. 2
Die M. AG verfügte nicht über eine Erlaubnis zur Erbringung von Finanzdienstleistungen gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG. Sie hatte sich aber auf die Akquise deutscher Anleger spezialisiert und kooperierte hierfür mit zwei Call-Centern, die durch unaufgeforderte Anrufe bei potentiellen Kunden Hausbesuche von Vertretern anbahnten. Der Beklagte zu 2) war seit Februar 2000 zum stellvertretenden Direktor der M. AG bestellt, die Beklagten zu 3) und 4) gehörten seit Januar 1999 als Vizepräsident bzw. Delegierter deren Verwaltungsrat an.
Rz. 3
Am 6.7.2000 wurde der Kläger, der nach einem vorausgegangenen Anruf eines Call-Centers ein Beratungsgespräch vereinbart hatte, an seinem Wohnsitz in Deutschland von H. aufgesucht. Dieser warb dafür, mit der professionellen Hilfe der M. AG Kapital gewinnbringend in der Schweiz anzulegen. Im Zuge dieser Beratung unterzeichnete der Kläger ein als "Zeichnungsschein mit Wiederanlageauftrag Schweizer Sicherheitspaket für den Mittelstand im Anspar- und Anlageprogramm (SSPA)" bezeichnetes Formular der M. AG. In diesem war die Zeichnungssumme mit 96.000 CHF, die Laufzeit mit 20 Jahren und der Anlagebeginn mit dem 1.12.2000 angegeben. Als Zahlungen waren im ersten Jahr 12.800 CHF sowie in den elf Folgejahren je 8.000 CHF vorgesehen. Das Formular enthielt die der M. AG erteilte Ermächtigung, "alle anfallenden Erträge einschließlich Kapitalrückzahlungen im Rahmen des erteilten Vermögensverwaltungsauftrags wieder anzulegen". Ferner hieß es, dass der Kläger "heute die Auslands-Bearbeitungsgebühr i.H.v. CHF 1.600 gegen Quittung an den M.-Vertriebsbeauftragten" zahle. Der Zeichnungsschein enthielt zudem eine von H. unterschriebene Quittung über die Auslands-Bearbeitungsgebühr, die mit 2.080 DM angegeben ist. Gemäß Ziff. 20 und 21 der beigefügten AGB sollten für alle Rechtsbeziehungen des Kunden mit der M. AG Schweizer Recht gelten und Gerichtsstand Zürich sein.
Rz. 4
Mit Schreiben vom 17.7.2000 teilte die M. AG dem Kläger mit, sie freue sich, für ihn als schweizerische Vermögensverwaltung tätig zu sein. Unter dem 14.5.2001, wobei als Ort der Unterschrift Zürich angegeben ist, unterzeichnete der Kläger ein als "Anlageauftrag - Schweizer Vermögensaufbauprogramm (SV)" überschriebenes Schriftstück der M. AG. In diesem beantragte er die "Erstanlage aufgrund des erteilten Vermögensverwaltungsauftrags" mit Anlagebeginn 1.5.2001. Depotsumme, Laufzeit und jährliche Zahlungen entsprachen im Übrigen dem Zeichnungsschein vom 6.7.2000. Ebenfalls unter dem 14.5.2001 und der Ortsangabe Zürich unterzeichnete der Kläger einen Vermögensverwaltungsauftrag an die M. AG bezüglich der Verwaltung eines näher bezeichneten Wertschriftendepots bei einer Schweizer Privatbank. Ferner unterschrieb der Kläger ein als "Antrag zur Absicherung des Schweizer Sicherheitspakets" überschriebenes Formular, welches tatsächlich einen Antrag auf Abschluss einer Kapitallebensversicherung zum Inhalt hatte. Zudem leistete der Kläger 16.500 DM an die M. AG.
Rz. 5
Mit Anwaltsschreiben vom 11.1.2007 widerrief der Kläger sämtliche Verträge und forderte die M. AG unter Fristsetzung - vergeblich - zur Rückzahlung der geleisteten Beträge i.H.v. 18.580 DM (= 9.499,81 EUR) auf. Das für den Kläger angelegte Depot bei der Schweizer Bank weist kein Guthaben auf; die Kapitallebensversicherung ist ohne Wert erloschen.
Rz. 6
Am 22.12.2010 gewährte das Bezirksgericht Zürich der M. AG eine vorläufige Nachlassstundung, die am 7.11.2011 zum Abschluss eines Nachlassvertrags mit Vermögensabtretung zwischen der M. AG und ihren Gläubigern führte. Der Nachlassvertrag wurde am 11.2.2012 vom Nachlassrichter beim Bezirksgericht Zürich bestätigt. Der Kläger stimmte ihm vorbehaltlos zu.
Rz. 7
Das LG hat die Beklagten zur Rückzahlung der geleisteten Anlagebeträge sowie zur Zahlung entgangenen Gewinns verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte lediglich hinsichtlich der Zahlung entgangenen Gewinns Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ I (Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16.9.1988, BGBl. II 1994, 2660) bejaht. Der Kläger habe schlüssig unerlaubte Handlungen der Beklagten in Deutschland vorgetragen, indem diese hier als Organe der M. AG verbotene Bankgeschäfte betrieben hätten. Mit dem Vortrag, die M. AG habe durch ihren Vertriebsbeauftragten H. den Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrages im Rahmen eines Besuchs am 6.7.2000 vorbereitet, sei eine unerlaubte Handlung im Gerichtsbezirk schlüssig behauptet. Sowohl Handlungs- als auch Erfolgsort befänden sich in Deutschland. Die M. AG habe ihre Bankgeschäfte bereits mit dem Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages am Wohnsitz des Klägers begonnen. Die späteren Aufträge hätten keine eigenständige Bedeutung, weil sie lediglich das bereits begründete Rechtsverhältnis modifiziert hätten und die unerlaubte Handlung im Betreiben eines Bankgeschäfts in Deutschland zu sehen sei. Auch der Erfüllungsort liege in Deutschland, weil der Kläger bereits bei Unterzeichnung des Vermögensverwaltungsauftrages eine Bearbeitungsgebühr erbracht habe. Die Gerichtsstandvereinbarung erfasse keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegenüber den Organen der M. AG und sei überdies unwirksam.
Rz. 9
Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folge aus Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, weil die für den Eintritt der Rechtsgutsverletzung maßgebenden Ursachen - erstes Beratungsgespräch und Antrag auf Abschluss eines Vermögensverwaltungsauftrags - in Deutschland durch das unerlaubte Betreiben von Bankgeschäften (Portfoliogeschäfte nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG) gesetzt worden seien. Der Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten ergebe sich aus § 823 Abs. 2 BGB, §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die Haftung der Beklagten folge aus Art. 1 EGStGB, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Der Beklagte zu 2) sei Vertreter, die Beklagten zu 3) und 4) seien Mitglieder eines vertretungsberechtigten Organs der M. AG gewesen. Die Beklagten hätten jedenfalls fahrlässig gehandelt.
Rz. 10
Die Beklagten könnten sich nicht auf einen Entfall der Haftung nach Art. 303 des Schweizer Gesetzes über die Schuldbetreibung und den Konkurs (SchKG) berufen. Diese Vorschrift finde keine Anwendung, weil nach Art. 40 EGBGB das Deliktsstatut gelte. Die Vorschriften des Schweizer Insolvenzrechts fänden auch nicht über § 343 InsO Anwendung, da die Anknüpfung für die Haftung der Beklagten nicht im Insolvenzrecht liege, sondern in einem Verstoß gegen Vorschriften des KWG.
II.
Rz. 11
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 12
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urt. v. 2.3.2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rz. 7; v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rz. 16 jeweils m.w.N.), für die gegen die Beklagten gerichtete Klage bejaht.
Rz. 13
a) Diese Zuständigkeit besteht nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ unabhängig davon, ob - wie das Berufungsgericht meint - das Lugano-Übereinkommen I oder das Lugano-Übereinkommen II (Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30.10.2007, ABl. EU Nr. L 339, 3, nachfolgend LuGÜ II) Anwendung findet.
Rz. 14
Im vorliegenden Fall erfolgte die Einreichung der Klageschrift, nicht jedoch deren Zustellung, vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Lugano-Übereinkommens II für die Europäische Gemeinschaft am 1.1.2010 (BGBl. I 2009, 2862; vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rz. 16; v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rz. 15; v. 23.10.2012 - VI ZR 260/11, BGHZ 195, 166 Rz. 7). Auf die umstrittene Frage, ob für eine Klageerhebung i.S.d. Art. 63 Abs. 1 LugÜ II entsprechend Art. 30 Nr. 1 LugÜ II - wie vom Berufungsgericht angenommen - auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage (so zu Art. 66 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - ABl. EG 2001 L 12 S. 1, nachfolgend: EuGVVO, jeweils zur Abgrenzung EuGVÜ/EuGVVO: BGH, Urt. v. 19.2.2004 - III ZR 226/03, NJW 2004, 1652 [1653]; v. 1.12.2005 - III ZR 191/03, BGHZ 165, 172 [175]; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 66 EuGVVO Rz. 2; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 66 EuGVO Rz. 2; jetzt auch Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., Art. 66 EuGVVO Rz. 2; offen gelassen von BGH, Urt. v. 30.3.2006 - VII ZR 249/04, BGHZ 167, 83 Rz. 10; BGH, Beschl. v. 16.11.2006 - IX ZR 206/03, DStRE 2007, 1000 Rz. 2) oder auf die lex fori des Gerichtsstaates und damit auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klage abzustellen ist (so Domej in Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art. 54 Rz. 4; inzident auch BGH, Urt. v. 23.10.2012 - VI ZR 260/11, a.a.O., Rz. 6 f.; zu Art. 66 Abs. 1 EuGVVO auch BGH, Urt. v. 16.12.2003 - XI ZR 474/02, BGHZ 157, 224 [228 f.]; v. 7.12.2004 - XI ZR 366/03, WM 2005, 339 [340]; zu Art. 54 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 - BGBl. II 1972, 774, im Folgenden: EuGVÜ bereits BGH, Urt. v. 28.2.1996 - XII ZR 181/93, BGHZ 132, 105 [107]; ebenso zu Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ EuGH, Urt. v. 7.6.1984, Slg. 1984, 2397 Rz. 10 ff. - Zelger/Salinitri), kommt es nicht an. Denn nach beiden Übereinkommen sind deutsche Gerichte nach den - soweit im Streitfall von Bedeutung - gleichlautenden Art. 5 Nr. 1, Nr. 3 LugÜ I und Art. 5 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 3 LugÜ II international zuständig.
Rz. 15
Die Übereinkommen finden gem. Art. 54b Abs. 2 Buchst. a LugÜ I bzw. Art. 64 Abs. 2 Buchst. a LugÜ II jeweils mit Vorrang vor dem nationalen Prozessrecht Anwendung (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, a.a.O., Rz. 16; v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rz. 9; v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
Rz. 16
Bei der Anwendung und Auslegung der Übereinkommen ist den Grundsätzen gebührend Rechnung zu tragen, die in maßgeblichen Entscheidungen von Gerichten der anderen Vertragsstaaten sowie in Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften entwickelt worden sind (vgl. - jeweils - Präambel und Art. 1 Protokoll Nr. 2 zu LugÜ I und LugÜ II).
Rz. 17
Die in den Übereinkommen verwendeten Begriffe sind grundsätzlich autonom, d.h. ohne Rückgriff auf die lex fori oder lex causae auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um die einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten; dies gilt insb. für die Begriffe des "Vertrags" in Art. 5 Nr. 1 LugÜ I/II und der "unerlaubten Handlung" in Art. 5 Nr. 3 LugÜ I/II (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, a.a.O., Rz. 17; v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342 Rz. 11; v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 13; v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, a.a.O., Rz. 17, 31; jeweils m.w.N.).
Rz. 18
b) Die Voraussetzungen für eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 5 Nr. 3 LugÜ I/II liegen vor.
Rz. 19
aa) Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist begründet, wenn der Kläger die erforderlichen Tatsachen für eine im Inland begangene unerlaubte oder dieser gleichgestellten Handlung des Beklagten schlüssig behauptet (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I BGH, Urt. v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, a.a.O.; v. 6.11.2007 - VI ZR 34/07, VersR 2008, 1129 Rz. 14, jeweils m.w.N.; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO BGH, Urt. v. 13.7.2010 - XI ZR 57/08, ZIP 2010, 2004 Rz. 19 und - XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rz. 21; v. 12.10.2010 - XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rz. 21; v. 15.11.2011 - XI ZR 54/09, BKR 2012, 78 Rz. 21; v. 12.12.2013 - I ZR 131/12, WRP 2014, 548 Rz. 17; jeweils m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Revision muss vom Kläger nicht eine unerlaubte Handlung im Sinne des deutschen Deliktsrechts schlüssig vorgetragen werden. Vielmehr kommt es auf den schlüssigen Vortrag einer unerlaubten Handlung im Sinne der autonom auszulegenden Vorschrift des Art. 5 Nr. 3 LugÜ I/II an (so zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I BGH, Urt. v. 6.11.2007 - VI ZR 34/07, a.a.O., Rz. 20; vgl. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO EuGH, Urt. v. 19.4.2012 - Rs. C-523/10, GRUR 2012, 654 Rz. 26 f. - Wintersteiger; BGH, Urt. v. 12.12.2013 - I ZR 131/12, a.a.O.; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ - bereits EuGH, Urt. v. 27.10.1998 - C-51/97, Slg.1998, I-6511 Rz. 22 f. - Réunion Européenne u.a.).
Rz. 20
bb) Für die Auslegung der Lugano Übereinkommen I und II gelten im Wesentlichen dieselben Auslegungsgrundsätze wie für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ) und der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (zukünftig: Gerichtshof) beziehen sich die Begriffe "unerlaubte Handlung" und "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist" im gleichlautenden Art. 5 Nr. 3 EuGVVO auf jede Klage, mit der eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft (vgl. EuGH, Urt. v. 18.7.2013 - Rs. C-147/12, RIW 2013, 617 Rz. 32 - ÖFAB; vom 13.3.2014 - Rs. C-548/12, ZIP 2014, 843 Rz. 20 - Brogsitter; jeweils m.w.N.; ebenso zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I BGH, Urt. v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, a.a.O.; v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, a.a.O., Rz. 32; jeweils m.w.N.; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO BGH, Urt. v. 8.5.2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rz. 13; BGH, Urt. v. 24.10.2005 - II ZR 329/03, NJW 2006, 689 Rz. 6; v. 13.7.2010 - XI ZR 57/08, a.a.O., Rz. 21 m.w.N., und - XI ZR 28/09, a.a.O., Rz. 23 m.w.N.; v. 12.10.2010 - XI ZR 394/08, a.a.O., Rz. 23 m.w.N.; v. 15.11.2011 - XI ZR 54/09, a.a.O., Rz. 23 m.w.N.; vom 29.1.2013 - KZR 8/10, GRUR-RR 2013, 228 Rz. 12 m.w.N.). Außerdem muss zwischen dem geltend gemachten Schaden und dem ihm zugrunde liegenden Ereignis ein ursächlicher Zusammenhang feststellbar sein (EuGH, Urt. v. 18.7.2013 - Rs. C-147/12, a.a.O., Rz. 34; vom 16.7.2009 - Rs. C-189/08, Slg. 2009, I-6917 Rz. 28 - Zuid-Chemie; jeweils m.w.N.).
Rz. 21
cc) Eine solche unerlaubte Handlung macht der Kläger geltend. Er nimmt die Beklagten mit der Begründung in Anspruch, diese hätten selbst als Organe seiner Vertragspartnerin - der M. AG - verbotene Finanzdienstleistungsgeschäfte betrieben, weil sie das zielgerichtete, auf einen rechtswidrigen Kundenfang unter Einsatz von Call-Centern und Kundenberatern in Deutschland ausgerichtete Geschäftsmodell der Gesellschaft als verantwortliche Geschäftsführungsorgane bewusst mitverantwortet und forciert, jedenfalls aber in Kauf genommen oder insoweit zumindest (grob) fahrlässig gehandelt und damit letztlich den Beklagten geschädigt hätten.
Rz. 22
dd) Im Streitfall knüpft die Klage nicht an einen Vertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1 LugÜ I bzw. Art. 5 Nr. 1 Buchst. a LugÜ II an.
Rz. 23
(1) Zwar hat der erkennende Senat auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG gestützte Schadensersatzansprüche gegen den Vertragspartner als Ansprüche aus einem Vertrag i.S.d. Art. 15 Abs. 1 LugÜ II qualifiziert. Für die Begründung des Verbrauchergerichtsstands ist danach nicht die Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs im engeren Sinn erforderlich. Vielmehr genügt es, dass sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (BGH, Urt. v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, a.a.O., Rz. 22; vgl. auch zu Art. 13 Abs. 1 LugÜ I BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 23; v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, a.a.O., Rz. 32; jeweils m.w.N.).
Rz. 24
Die erforderliche enge Verbindung war in den vom Senat entschiedenen Fällen gegeben, weil der Kläger geltend machte, ihm sei ein Vermögensschaden durch das Handeln seines Vertragspartners, gegen den sich damals die Klage richtete, entstanden, da dieser den Vertrag aufgrund eines gesetzlichen Verbots nicht habe abschließen dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 24 ff. m.w.N.; v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, a.a.O., Rz. 33; v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, a.a.O., Rz. 23).
Rz. 25
(2) So liegt es hier aber nicht. Bei der vorliegenden Fallgestaltung fehlt es an einer engen Verbindung der Klage gegen die Beklagten zu dem von der M. AG mit dem Kläger geschlossenen Vertrag. Denn die Beklagten sind nicht Vertragspartner des Klägers. Werden gegen das Organ der Vertragspartnerin Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend gemacht, so bilden den Gegenstand des Verfahrens nicht ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1 LugÜ I bzw. Art. 5 Nr. 1 Buchst. a LugÜ II.
Rz. 26
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum insoweit gleichlautenden Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO (EuGH, Urt. v. 14.3.2013 - C-419/11, RIW 2013, 292 Rz. 46 f. - Èeská spoøitelna; vom 18.7.2013 - C-147/12, a.a.O., Rz. 33; jeweils m.w.N.) kann der Begriff "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" nicht so verstanden werden, dass er eine Situation erfasst, in der es an einer von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt. Demnach setzt die Anwendung der besonderen Zuständigkeitsregel, die für einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag vorgesehen ist, voraus, dass eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung bestimmt werden kann, auf die sich die betreffende Klage stützt (vgl. zu Art. 5 Nr. 1 LugÜ I BGH, Urt. v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, a.a.O.; zu Art. 5 Nr. 1 EuGVVO BGH, Urt. v. 22.4.2009 - VIII ZR 156/07, NJW 2009, 2606 Rz. 13; vom 29.11.2011 - XI ZR 172/11, NJW 2012, 455 Rz. 14; vom 29.1.2013 - KZR 8/10, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
Rz. 27
Wird eine Klage gegen ein Organ einer Gesellschaft, mit dem dieses für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftbar gemacht werden soll, nicht auf eine von diesem freiwillig eingegangene Verpflichtung gestützt, sondern auf die Behauptung, das Organ sei seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, dann handelt es sich beim Gegenstand der Klage folglich nicht um einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag (EuGH, Urt. v. 18.7.2013 - Rs. C-147/12, a.a.O., Rz. 36 ff.). Bei auf ein Fehlverhalten von Organmitgliedern gestützten Klagen liegt vielmehr die erforderliche enge Verbindung nicht vor (vgl. EuGH, Urt. v. 18.7.2013 - Rs. C-147/12, a.a.O., Rz. 39 ff.).
Rz. 28
Damit fehlt es im vorliegenden Fall bei dem gegen die Beklagten gerichteten Anspruch an einem Vertrag oder Ansprüchen aus einem Vertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1 LugÜ I bzw. Art. 5 Nr. 1 Buchst. a LugÜ II als Klagegegenstand. Denn der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gründet nicht auf ein Handeln der Beklagten im Zusammenhang mit einer von ihnen eingegangenen freiwilligen Verpflichtung, sondern auf einen behaupteten Verstoß gegen eine Verbotsnorm als Organe der M. AG.
Rz. 29
ee) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO beruht die besondere Zuständigkeit am Ort der unerlaubten Handlung darauf, dass zwischen der Streitigkeit und anderen Gerichten als denen des Staates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt. Dabei ist der Begriff "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO so zu verstehen, dass er sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (Erfolgsort) meint. Beide Orte können demnach unter dem Aspekt der gerichtlichen Zuständigkeit eine signifikante Verknüpfung begründen, da jeder von beiden je nach Lage des Falles für die Beweiserhebung und für die Gestaltung des Prozesses einen besonders sachgerechten Anhaltspunkt liefern kann (EuGH, Urt. v. 16.7.2009 - Rs. C-189/08, a.a.O., Rz. 23 f. m.w.N.; vom 25.10.2011 - Rs. C-509/09 und C-161/10, Slg. 2011, I-10269 Rz. 40 f. m.w.N. - eDate Advertising u.a.; vom 19.4.2012 - Rs. C-523/10, a.a.O., Rz. 18 ff.; vom 25.10.2012 - Rs. C-133/11, NJW 2013, 287 Rz. 37 ff. m.w.N. - Folien Fischer und Fofitec; vom 16.5.2013 - Rs. C-228/11, 13, 555 = WM 2013, 1257 Rz. 25 ff. m.w.N. - Melzer; vom 18.7.2013 - Rs. C-147/12, a.a.O., Rz. 49 ff.; vom 3.10.2013 - Rs. C-170/12, NJW 2013, 3627 Rz. 26 f. - Pinckney; zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I bereits BGH, Urt. v. 6.11.2007 - VI ZR 34/07, a.a.O., Rz. 17, 24; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO BGH, Urt. v. 13.7.2010 - XI ZR 57/08, a.a.O., Rz. 19, 23, und - XI ZR 28/09, a.a.O., Rz. 21, 25; v. 12.10.2010 - XI ZR 394/08, a.a.O., Rz. 21, 25; v. 15.11.2011 - XI ZR 54/09, a.a.O., Rz. 21, 25; jeweils m.w.N.).
Rz. 30
Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob der Handlungsort in Deutschland liegt, da jedenfalls der Erfolgsort in Deutschland belegen ist.
Rz. 31
(1) Erfolgsort ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Ort, an dem aus einem Ereignis, das für die Auslösung einer Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung oder wegen einer gleichgestellten Handlung in Betracht kommt, ein Schaden entstanden ist. Gemeint ist damit der Ort, an dem das auslösende Ereignis seine schädigende Wirkung entfaltet, d.h. der Ort, an dem sich der durch das Ereignis verursachte Schaden konkret zeigt (EuGH, Urt. v. 16.7.2009 - Rs. C-189/08, a.a.O., Rz. 27 m.w.N.; vgl. auch Urt. v. 19.4.2012 - Rs. C-523/10, a.a.O., Rz. 21; zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I vgl. BGH, Urt. v. 6.11.2007 - VI ZR 34/07, a.a.O., Rz. 17 m.w.N.). Die Bestimmung des Erfolgsorts hat nach der Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, die entsprechend für die Auslegung der nahezu gleichlautenden Bestimmung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO (vgl. EuGH, Urt. v. 16.7.2009 - Rs. C-189/08, a.a.O., Rz. 18 f. m.w.N.; vom 25.10.2011 - Rs. C-509/09 und C-161/10, a.a.O., Rz. 39; vom 25.10.2012 - Rs. C-133/11, a.a.O., Rz. 31 f.; vom 18.7.2013 - Rs. C-147/12, a.a.O., Rz. 28) und damit auch von Art. 5 Nr. 3 LugÜ II herangezogen werden kann, losgelöst von nationalen Vorschriften über die außervertragliche zivilrechtliche Haftung zu erfolgen (so EuGH, Urt. v. 19.9.1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719 Rz. 18 f. - Marinari; vgl. auch EuGH, Urt. v. 16.5.2013 - C-228/11, a.a.O., Rz. 34 m.w.N.).
Rz. 32
(2) Der Begriff des Erfolgsortes i.S.d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO wird aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift in der Rechtsprechung des Gerichtshofs restriktiv ausgelegt. Der Schadenserfolg ist in diesem Zusammenhang an dem Ort verwirklicht, an dem das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen direkt schädigt. Die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" kann also nicht so weit ausgelegt werden, dass sie jeden Ort erfasst, an dem die schädigenden Folgen eines Umstands spürbar werden können, der bereits an einem anderen Ort einen primären Schaden bzw. eine primäre Rechtsgutsverletzung verursacht hat; lediglich mittelbare Schadensfolgen stellen keinen Erfolgsort i.S.d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO dar (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ EuGH, Urt. v. 11.1.1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49 Rz. 20 f. - Dumez France und Tracoba; vom 19.9.1995 - C-364/93, a.a.O., Rz. 14 f.; vom 27.10.1998 - Rs. C-51/97, a.a.O., Rz. 30 f. - Réunion Européenne u.a.; vom 10.6.2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Rz. 19 - Kronhofer; ebenso zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I BGH, Urt. v. 6.11.2007 - VI ZR 34/07, a.a.O., Rz. 17 m.w.N.; v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, a.a.O., Rz. 16).
Rz. 33
Die bloße Belegenheit des Vermögens des Geschädigten zum Zeitpunkt der Entstehung der Schadensersatzpflicht kann nach dieser Rechtsprechung für die Ermittlung des Erfolgsorts nicht maßgeblich sein, da es hier an einer Beziehung zu dem dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt und damit an der erforderlichen Sachnähe fehlen kann (EuGH, Urt. v. 19.9.1995 - Rs. C-364/93, a.a.O., Rz. 20). Auch bei Kapitalanlagedelikten kann der Erfolgsort demgemäß nicht schon deshalb am Klägerwohnsitz liegen, weil dort der Mittelpunkt von dessen Vermögen liegt, da dies dem Ziel der Rechtssicherheit für die Parteien hinsichtlich des Gerichtsstandes und der grundsätzlichen Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten zuwiderliefe (vgl. EuGH, Urt. v. 10.6.2004 - Rs. C-168/02, a.a.O., Rz. 20 f. - Kronhofer; BGH, Urt. v. 13.7.2010 - XI ZR 57/08, a.a.O., Rz. 29, und - XI ZR 28/09, a.a.O., Rz. 31; v. 12.10.2010 - XI ZR 394/08, a.a.O., Rz. 31; v. 15.11.2011 - XI ZR 54/09, a.a.O., Rz. 31; ebenso zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I BGH, Urt. v. 6.11.2007 - VI ZR 34/07, a.a.O., Rz. 21).
Rz. 34
(3) Dem vorstehend genannten Urteil des Gerichtshofs vom 10.6.2004 lag allerdings ein wesentlich anderer Sachverhalt als im vorliegenden Fall zugrunde, weil die unerlaubte Handlung erst nach Überweisung des Anlagekapitals von einem Konto am Wohnsitz des Anlegers auf ein im Ausland geführtes Konto verübt wurde (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2010 - XI ZR 57/08, a.a.O., und - XI ZR 28/09, a.a.O.; v. 12.10.2010 - XI ZR 394/08, a.a.O.; v. 15.11.2011 - XI ZR 54/09, a.a.O.; jeweils m.w.N.). Dieser - einen besonderen Fall betreffenden - Entscheidung kann aber auch entnommen werden, dass unter anderen Umständen der Erfolgsort durchaus im Wohnsitzstaat des Klägers gelegen sein kann (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2010 - XI ZR 57/08, a.a.O., und - XI ZR 28/09, a.a.O.; v. 12.10.2010 - XI ZR 394/08, a.a.O.; v. 15.11.2011 - XI ZR 54/09, a.a.O.; jeweils m.w.N.). So ist etwa bei einem Geschäftsmodell, das von vornherein bewusst darauf abzielt, uninformierte, leichtgläubige Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten zu bereichern, und das auf Seiten des Anlegers einen Kenntnisrückstand voraussetzt, ohne den ein vernünftig denkender Anleger sich auf die Geldanlage nicht eingelassen hätte, bereits die durch den Anleger veranlasste Überweisung des Anlagekapitals der Deliktserfolg, so dass der den Gerichtsstand begründende Erfolgsort i.S.d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO dann der Ort der Minderung des Kontoguthabens ist (BGH, Urt. v. 13.7.2010 - XI ZR 57/08, a.a.O., Rz. 30, und - XI ZR 28/09, a.a.O., Rz. 32; vom 12.10.2010 - XI ZR 394/08, a.a.O., Rz. 32; v. 15.11.2011 - XI ZR 54/09, a.a.O., Rz. 32; jeweils m.w.N.; vgl. auch Beschluss des Senats vom 15.2.2011 - VI ZR 189/10, juris, mit dem er sich der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats angeschlossen hat).
Rz. 35
(4) Im vorliegenden Fall ist - unabhängig vom Ort des Mittelpunkts des Vermögens des Klägers - von einem in Deutschland gelegenen Erfolgsort auszugehen.
Rz. 36
(a) Bei reinen Vermögensdelikten ist in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Primärschaden mangels einer primären Rechtsgutsverletzung der Ort des ersten unmittelbar verletzten Interesses maßgeblich (vgl. PG/Pfeiffer, ZPO, 6. Aufl., Art. 5 EuGVO Rz. 12; Wagner in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rz. 161). Ist schon die Herbeiführung oder Anbahnung eines Rechtsgeschäfts rechtswidrig, so stellt der Ort den Erfolgsort dar, an dem dieses Fehlverhalten des Schädigers die erste Wirkung entfaltet hat (sog. "Handlungswirkungsort", vgl. Huber, IPrax 2009, 134 [137]; Ten Wolde/Knot/Weller in Simons/Hausmann, Brüssel I-Verordnung, Art. 5 Nr. 3 Rz. 50).
Rz. 37
(b) Dieser Ort liegt nach dem Vortrag des Klägers in Deutschland. Danach haben die Beklagten hier den Tatbestand einer unerlaubten Handlung verwirklicht, weil sie als Organe der M. AG ohne Erlaubnis in Deutschland Finanzdienstleistungen erbrachten. Zudem hat der Kläger an seinem Wohnsitz den ersten Vermögensverwaltungsauftrag unterzeichnet, also die (Erst-)Anlageentscheidung getroffen, die Grundlage für seine Geldanlage war (ähnlich OLG Hamm, Urt. v. 18.7.2013 - 6 U 215/11, a.a.O.). Auch alle weiteren Vertragsunterzeichnungen erfolgten nach dem Klägervorbringen an seinem Wohnsitz. Darüber hinaus hat er mit Abschluss des ersten Vermögensverwaltungsauftrags dort auch die erste Zahlung in Gestalt der sog. Auslandsbearbeitungsgebühr an den Vertriebsmitarbeiter der M. AG entrichtet, wodurch bereits unmittelbar sein im Inland belegenes Vermögen geschädigt wurde (vgl. OLG Dresden, IPRspr. 2007, Nr. 140, 392, 395; OLG München, Urt. v. 30.10.2013 - 20 U 603/12, juris Rz. 24; dies übersieht Thole, AG 2013, 913 [916 f.]; für einen Erfolgsort am Ort des Erstvermögensschadens bei aufsichtsrechtlich unzulässigem Vertrieb auch Engert/Groh, IPrax 2011, 458 [463 f.]). Der Schwerpunkt seiner Interessenverletzung liegt demnach in Deutschland als Ort der ersten Anlageentscheidung und des Eintritts des Erstvermögensschadens.
Rz. 38
(5) Ein in Deutschland gelegener Erfolgsort wird den vom Gerichtshof angeführten Zielsetzungen der europäischen Zuständigkeitsvorschriften - und damit auch den Zielen der entsprechenden Bestimmungen der Lugano Übereinkommen - gerecht.
Rz. 39
Die geforderte Nähe zum Streitgegenstand und die Möglichkeit einer leichteren Beweisaufnahme (vgl. EuGH, Urt. v. 16.7.2009 - Rs. C-189/08, a.a.O., Rz. 24 m.w.N.; vom 16.5.2013 - Rs. C-228/11, a.a.O., Rz. 27) liegen bei einer Zuständigkeit deutscher Gerichte vor, da im Zentrum des Rechtsstreits das ohne die erforderliche Erlaubnis zur Erbringung von Finanzdienstleistungen gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erfolgte Handeln des Vertriebsbeauftragten in Deutschland und der vom Kläger dort unterschriebene Vermögensverwaltungsauftrag stehen. Auch der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften für beide Parteien und der Gewährleistung von Rechtssicherheit (EuGH, Urt. v. 25.10.2011 - Rs. C-509/09 und C-161/10, a.a.O., Rz. 50 m.w.N.; vom 19.4.2012 - Rs. C-523/10, a.a.O., Rz. 23; vom 25.10.2012 - Rs. C-133/11, a.a.O., Rz. 45 m.w.N.; vom 16.5.2013 - Rs. C-228/11, a.a.O., Rz. 28; vom 18.7.2013 - C-147/12, a.a.O., Rz. 52; vom 16.1.2014 - Rs. C-45/13, NJW 2014, 1166 Rz. 28 - Kainz) ist hierdurch Genüge getan. Denn der Ort, an dem durch die Erbringung unerlaubter Finanzdienstleistungen eine Auftragserteilung und eine (erste) Zahlung durch den Anleger vorgenommen wurden, wodurch das Interesse des Klägers zuerst unmittelbar verletzt worden ist, ist sowohl für den Kläger als auch für die Beklagten ersichtlich. Insbesondere führt ein in Deutschland gelegener Erfolgsort zur Zuständigkeit desjenigen Gerichts, das objektiv am besten in der Lage ist, die Begründetheit der geltend gemachten Verletzung zu beurteilen (vgl. EuGH, Urt. v. 3.10.2013 - Rs. C-170/12, a.a.O., Rz. 34 m.w.N.; vom 16.5.2013 - Rs. C-228/11, a.a.O., Rz. 28 m.w.N.; vom 16.1.2014 - C-45/13, a.a.O., Rz. 24). Denn der Kläger stützt seine Klage gerade auf die Verletzung einer inländischen Vorschrift des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts, die nach deutschem Deliktsrecht zu einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten führen soll.
Rz. 40
(6) Die Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen dem Kläger und der M. AG haben auf die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte hinsichtlich der vorliegenden Klage schon deshalb keinen Einfluss, weil sie das Verhältnis des Klägers zu seiner Vertragspartnerin, nicht jedoch zu deren Organen, betreffen.
Rz. 41
(7) Der erkennende Senat ist nicht gehalten, den Gerichtshof gem. Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV um eine Vorabentscheidung zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 LugÜ zu ersuchen. Für das LugÜ II besteht zwar eine Auslegungszuständigkeit des Gerichtshofs (Präambel zum Protokoll 2 nach Art. 75 LugÜ II über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den ständigen Ausschuss, ABl. EU 2007 L 339 S. 27; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rz. 28 m.w.N.; v. 23.10.2012 - VI ZR 260/11, BGHZ 195, 166 Rz. 22). Die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte der Mitgliedstaaten entfällt aber, wenn die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rz. 13 ff. - C.I.L.F.I.T/Ministero della Sinita; v. 15.9.2005 - Rs. C-495/03, Slg. 2005, I-8191 Rz. 33 und ständig; BGH, Urt. v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, a.a.O., m.w.N.; v. 23.10.2012 - VI ZR 260/11, a.a.O.; v. 25.2.2014 - VI ZR 144/13, VersR 2014, 593 Rz. 23; BGH, Beschl. v. 22.3.2010 - NotZ 16/09, BGHZ 185, 30 Rz. 33). Dies ist hier der Fall. Insbesondere ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt, dass die Entscheidung, ob finanzielle Verluste eines Klägers in seinem Heimatstaat eingetreten sind, den nationalen Gerichten obliegt (vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.2004 - C-18/02, Slg. 2004, I-1417, Rz. 43 - DFDS Torline, zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ; zu Art 5 Nr. 3 LugÜ I BGH, Urt. v. 6.11.2007 - VI ZR 34/07, VersR 2008, 1129 Rz. 22; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO BGH, Urt. v. 12.10.2010 - XI ZR 394/08, a.a.O., Rz. 36). Eine Auslegungszuständigkeit des EuGH für das LugÜ I besteht bereits nicht (BGH, Urt. v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, a.a.O., Rz. 9; v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rz. 10; v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, a.a.O.; v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rz. 17).
Rz. 42
2. a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass sich der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch im Ansatz nach deutschem Recht beurteilt (Art. 40 Abs. 1 EGBGB). Dagegen wenden sich die Parteien nicht.
Rz. 43
b) Die Beklagten können als Organe der M. AG an nicht erlaubter Finanzportfolioverwaltung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG) mitgewirkt haben und deshalb persönlich wegen Verletzung eines Schutzgesetzes haften (§ 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, Abs. 2 KWG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Rz. 44
aa) Handelt es sich bei dem Schutzgesetz um ein Strafgesetz, so kommt als Schadensersatzpflichtiger in Betracht, wer als Täter oder Teilnehmer gegen eine entsprechende Strafvorschrift verstoßen kann (BGH, Urt. v. 11.6.2013 - II ZR 389/12, NJW 2013, 3303 Rz. 13). Ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ist gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG strafbewehrt, wobei sich im Falle juristischer Personen die Verantwortlichkeit insb. nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB richtet, der darauf abstellt, dass jemand als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs handelt (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.2006 - VI ZR 339/04, VersR 2006, 1374 Rz. 25, - VI ZR 340/04, WM 2006, 1896 Rz. 23 und - VI ZR 341/04, EBE/BGH 2006, 302, 304; v. 19.3.2013 - VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1 Rz. 30).
Rz. 45
bb) Die Frage der Organstellung der Beklagten nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist, da es sich bei der M. AG um eine ausländische Gesellschaft handelt, nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen (vgl. nur BGH, Urt. v. 11.6.2013 - II ZR 389/12, a.a.O., Rz. 19).
Rz. 46
Dem ist das Berufungsgericht nachgekommen. Es hat - von der Revision unangegriffen - den Inhalt des Schweizer Rechts dahingehend ermittelt, dass der Beklagte zu 2) als stellvertretender Direktor Vertreter der M. AG war. Ebenso waren demnach die Beklagten zu 3) und 4) als Mitglieder des Verwaltungsrats der M. AG deren vertretungsbefugte Organe.
Rz. 47
cc) Indem die Beklagten als Organe der M. AG Finanzdienstleistungen ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis erbrachten, verstießen sie gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG; zugleich erfüllten sie den Straftatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, Abs. 2 KWG i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Für den von ihnen als Organe begangenen Verstoß haften sie persönlich (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.2006 - VI ZR 339/04, VersR 2006, 1374 Rz. 25, 28 m.w.N., - VI ZR 340/04, WM 2006, 1896 Rz. 23, 26 m.w.N., und - VI ZR 341/04, a.a.O.).
Rz. 48
3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht nicht geprüft, ob dem Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ein Einwand nach Schweizer Recht entgegen steht. Es kommt in Betracht, dass der Anspruch nach Art. 303 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) untergegangen ist.
Rz. 49
Diese Vorschrift bestimmt, dass ein Gläubiger, welcher dem Nachlassvertrag zugestimmt hat, seine Rechte gegen Mitschuldner und andere [nur dann] wahrt, sofern er ihnen mindestens zehn Tage vor der Gläubigerversammlung deren Ort und Zeit mitgeteilt und ihnen die Abtretung seiner Forderung gegen Zahlung angeboten hat.
Rz. 50
a) Im Streitfall stimmte der Kläger dem vom Nachlassrichter beim Bezirksgericht Zürich bestätigten Nachlassvertrag über das Vermögen der M. AG vorbehaltlos zu. Ob der Kläger dadurch zugleich seine Schadensersatzansprüche gegen die (mit-)haftenden Beklagten verlor, bestimmt sich gem. § 335 InsO nach Schweizer Recht (ebenso OLG Hamm, Urt. v. 18.7.2013 - 6 U 215/11, juris Rz. 31; OLG Brandenburg, Urt. v. 27.3.2014 - 12 U 182/12, juris Rz. 21; OLG München, Urt. v. 30.10.2013 - 20 U 603/12, juris Rz. 28 ff., - 20 U 605/12, juris Rz. 50 ff., und - 20 U 1699/13, ZInsO 2014, 785 [787]). Nach § 335 InsO unterliegen das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen, soweit nichts anderes bestimmt ist, dem Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet worden ist.
Rz. 51
b) Zwar findet grundsätzlich für alle Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer deliktischen Haftung - hier die Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG - das Deliktsstatut und damit deutsches Recht Anwendung (so bereits BGH, Urt. v. 14.6.1960 - VI ZR 81/59, VersR 1960, 990 [991]). Das Deliktsstatut umfasst im Regelfall alle Einreden und Einwendungen, die dem Anspruch entgegengehalten werden können, wie etwa eine Verjährung des Anspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 31.5.1983 - VI ZR 182/81, VersR 1983, 858 [859]), einen Verzicht (BGH, Urt. v. 10.2.2009 - VI ZR 28/08, VersR 2009, 558 Rz. 8, 15 ff.) oder eine Verwirkung (zum Ganzen Junker in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., Art. 40 EGBGB, Rz. 100; BeckOK-EGBGB/Spickhoff, Art. 40 Rz. 10 (Stand: 1.2.2013); Staudinger/von Hoffmann, BGB Neubearb. 2001, Vorbemerkung zu Art. 40 EGBGB Rz. 46 f.). Im vorliegenden Fall ist aber, worauf die Revision zu Recht hinweist, gem. § 335 InsO das Insolvenzstatut maßgeblich, da es sich bei einem etwaigen Untergang des Anspruchs gegen Mitschuldner nach Schweizer Recht um einen als insolvenzrechtlich zu qualifizierenden Erlöschensgrund handelt.
Rz. 52
c) Die gerichtliche Bestätigung des Schweizer Nachlassvertrages wird gem. § 343 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 InsO im Inland anerkannt.
Rz. 53
aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass es sich beim Schweizer Nachlassverfahren um ein ausländisches Insolvenzverfahren im Sinne des deutschen internationalen Insolvenzrechts handelt (Versäumnisurteil v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, a.a.O., Rz. 32 ff. m.w.N.). Die Eröffnung dieses ausländischen Insolvenzfahrens wird damit nach § 343 Abs. 1 Satz 1 InsO ebenso wie Sicherungsmaßnahmen nach dem Antrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Entscheidungen zur Durchführung oder Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 343 Abs. 2 InsO) im Inland anerkannt.
Rz. 54
bb) Eine solche Entscheidung i.S.d. § 343 Abs. 2 InsO stellt auch die gerichtliche Bestätigung des Nachlassvertrags gem. Art. 304 Abs. 2 SchKG dar, da hiermit - ähnlich wie im nationalen Recht nach § 254 Abs. 1 InsO - eine Forderungsmodifikation aufgrund des von den Gläubigern beschlossenen (Art. 302 Abs. 2 SchKG) und ggf. vom Gericht nach Art. 306 Abs. 3 SchKG geänderten Nachlassvertrags einhergeht (vgl. MünchKomm/InsO/Thole, 2. Aufl., § 343 Rz. 82 f.). Die Forderungsmodifikation ergibt sich daraus, dass der bestätigte Nachlassvertrag für alle Gläubiger - mit Ausnahme der Pfandgläubiger, soweit sie durch das Pfand gesichert sind - verbindlich ist, deren Forderungen vor der Bekanntmachung der Nachlassstundung oder seither ohne Zustimmung des Sachwalters entstanden sind (Art. 310 Abs. 1 SchKG). Im Falle des Nachlassvertrags mit Vermögensabtretung verzichten die Gläubiger dabei insb. auf den Forderungsbetrag, der nicht durch die Liquidation oder den Erlös aus der Abtretung des Vermögens gedeckt ist (Art. 318 Abs. 1 Nr. 1 SchKG).
Rz. 55
cc) Die für die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens erforderliche Voraussetzung, dass das ausländische Insolvenzverfahren eine extraterritoriale Geltung beansprucht, ist bei der Nachlassstundung ebenso wie beim Konkurs gegeben (BGH, Urt. v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, a.a.O., Rz. 37 m.w.N.).
Rz. 56
Zwar hat das Schweizerische Bundesgericht (Pra 66 (1977), 623, 625 f. = BGE 103 III 54) in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, die Wirkungen eines in der Schweiz bestätigten Nachlassvertrags beschränkten sich grundsätzlich auf das Gebiet der Schweiz. Es hat allerdings schon damals - weitergehend als beim Konkurs - eine Erfassung ausländischer Vermögenswerte durch den Nachlassvertrag als zulässig erachtet und ist von einer auch im Ausland zu beachtenden Verfügungsbefugnis der Liquidatoren ausgegangen (Schweizerisches Bundesgericht, a.a.O., 626 f.). Soweit hierin eine (teilweise) Absage an eine extraterritoriale Geltung des Nachlassverfahrens zu sehen sein sollte, ist diese Auffassung durch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts überholt. Denn zwischenzeitlich hat es sogar für den Konkurs ausdrücklich festgestellt, dass er Auslandswirkung beansprucht (BGE 130 III 620, 629). Auch die Schweizer Literatur geht von dieser sog. aktiven Universalität aus (vgl. zum Konkurs und zur Nachlassstundung KUKO SchKG-Kren Kostkiewicz, Art. 197 Rz. 22 ff.; BSK IPRG-Berti, 2. Aufl., Vor Art. 166 ff. Rz. 2; Kren Kostkiewicz, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Rz. 1152 ff.; Spühler/Dolge, SchKG II, 5. Aufl., Rz. 373, 408; Siehr, SJZ 95 (1999), 85, 88 ff.; ebenso Senat, Urt. v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11, a.a.O.). Soweit teilweise die Auslandswirkung eines in der Schweiz bestätigten Nachlassvertrags von der Anerkennung durch das ausländische Recht abhängig gemacht wird (vgl. etwa Kren Kostkiewicz, a.a.O., Rz. 1153; Siehr, a.a.O., 88 f.), stellt dies den grundsätzlich bestehenden Anwendungswillen des Schweizer Insolvenzrechts nicht in Frage (vgl. Siehr, a.a.O., 89) und ist dies im Hinblick auf § 343 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 InsO unerheblich.
Rz. 57
dd) Im Übrigen ergibt sich der Anspruch des Schweizer Nachlassverfahrens auf Auslandsgeltung auch aus dem am 1.1.1989 in Kraft getretenen schweizerischen Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG). Zwar regelt Art. 175 IPRG lediglich die Anerkennung ausländischer Nachlassverträge oder ähnlicher Verfahren in der Schweiz. Aus der nach Art. 175 Satz 2, Art. 166 Satz 1 Buchst. c IPRG erforderlichen Gegenseitigkeit ergibt sich aber, dass das Schweizer Nachlassverfahren auf extraterritoriale Geltung angelegt ist (ebenso Stadler, KTS 1995, 539, 555). Anderenfalls wäre die Vorschrift ohne Sinn. Dies gilt insb. auch für die schuldbefreiende Wirkung nach Versäumen der im Nachlassverfahren gesetzten Frist. So hat der BGH die restschuldbeschränkende Wirkung eines Schweizer Konkursverfahrens anerkannt, weil eine gesetzlich vorgesehene Restschuldbeschränkung - wie ein vereinbarter Schuldnachlass - die beabsichtigte Wirkung nur erreichen kann, wenn sie gegenüber allen Gläubigern wirkt. Zugleich diene dies der Gläubigergleichbehandlung (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.1993 - IX ZR 254/92, BGHZ 122, 373 [378]). Dieser Gedanke ist auf die schuldbefreiende Wirkung des Nachlassvertrages zu übertragen (Stadler, a.a.O., 556).
Rz. 58
d) Nach § 335 InsO unterliegen auch die materiell-rechtlichen Folgewirkungen des Insolvenzverfahrens (BGH, Urt. v. 14.11.1996 - IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79 [87]) grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist (sog. "lex fori concursus", vgl. BGH, Beschl. v. 30.4.2013 - VII ZB 22/12, WM 2013, 1225 Rz. 33; LSZ-Smid, Internationales Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 343 InsO Rz. 2; Reinhart in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 335 Rz. 9; FK-InsO/Wenner/Schuster, 7. Aufl., § 343 Rz. 36). Hiervon werden alle materiell-rechtlichen Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens erfasst, sofern diese nach deutschem internationalen Privatrecht als insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind (LSZ-Smid, a.a.O., § 335 InsO Rz. 6; Reinhart in MünchKomm/InsO, a.a.O., Rz. 8, 11; FK-InsO/Wenner/Schuster, a.a.O., § 335 InsO Rz. 1; Kreft/Stephan, InsO, 7. Aufl., § 335 Rz. 9; Hess, InsO, 2. Aufl., § 335 Rz. 3; Braun/Tashiro, 5. Aufl., § 335 InsO Rz. 6 f.; Gottwald/Kolmann, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 132 Rz. 2; Schluck-Amend in Pape/Uhländer, InsO, § 335 Rz. 12).
Rz. 59
e) Der Verlust der Rechte gegen Mitverpflichtete gem. Art. 303 Abs. 2 SchKG ist eine materiell-rechtliche Folgewirkung, die als insolvenzrechtlich zu qualifizieren und daher gem. § 335 InsO nach Schweizer Recht zu beurteilen ist, das insoweit keine Rückverweisung vorsieht.
Rz. 60
aa) Für die Qualifikation von Rechtsfragen, die sich an der Grenze zwischen Insolvenzrecht und anderen Rechtsgebieten befinden, ist zunächst die ausländische Rechtsvorschrift nach Sinn und Zweck zu erfassen, ihre Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts her zu würdigen und mit der deutschen Einrichtung funktional zu vergleichen. Auf dieser Grundlage ist sie den aus den Begriffen der deutschen Rechtsordnung aufgebauten Merkmalen der deutschen Kollisionsnorm zuzuordnen (BGH, Urt. v. 19.12.1958 - IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137 [139]; v. 22.3.1967 - IV ZR 148/65, BGHZ 47, 324 [332]; v. 21.9.1995 - VII ZR 248/94, NJW 1996, 54; Reinhart in MünchKomm/InsO, a.a.O., Vor §§ 335 ff. Rz. 37, 101; vgl. auch Gottwald/Kolmann, a.a.O., § 129 Rz. 24).
Rz. 61
Für eine insolvenzrechtliche Qualifikation sprechen solche Wirkungen, die auf dem Insolvenzverfahren als Gesamtabwicklung der Vermögens- und Haftungsverhältnisse eines Schuldners in einer Mangelsituation zugunsten seiner grundsätzlich gleich zu behandelnden Gläubiger beruhen und für die Aufgabenerfüllung eines Insolvenzverfahrens wesentlich sind (Gottwald/Kolmann, a.a.O., § 132 Rz. 9; LSZ-Smid, Internationales Insolvenzrecht, a.a.O.). Einen weiteren Anhaltspunkt vermag der Umstand zu geben, ob die fragliche Norm auch außerhalb der Insolvenz gilt oder eine spezielle Regelung für den Fall der Insolvenz aufstellt (Braun/Tashiro, a.a.O., Rz. 8). Anerkannt ist insb., dass sich die Wirkungen eines Insolvenzplanes oder (Zwangs-)Vergleichs gem. § 335 InsO nach der lex fori concursus richten (MünchKomm/InsO/Reinhart, a.a.O., § 335 Rz. 116; Gottwald/Kolmann, a.a.O., Rz. 103; FK-InsO/Wenner/Schuster, a.a.O., Rz. 5).
Rz. 62
bb) Art. 303 Abs. 2 SchKG regelt den Schutz von Mitschuldnern und das Schicksal der gegen diese bestehenden Forderungen. Der Schweizer Gesetzgeber erachtete es als ungerecht, wenn der Gläubiger dem Nachlassvertrag nur zustimmt, weil er den Mitschuldner für die ganze Schuld belangen kann, während der Mitschuldner sein Regressrecht nur bis zum Betrag der Nachlassdividende ausüben kann und somit letztlich den Forderungsbetrag trägt. Demzufolge sei es für den Gläubiger einfach, den Nachlassvertrag zu Lasten des Mitschuldners anzunehmen und ihm ein Opfer aufzuerlegen, zu welchem er sich selbst nicht bereit erklärt hatte (Schweizerisches Bundesgericht, Pra 85 (1996), 246, 247 = BGE 121 III 191; BSK SchKG II-Vollmar, 2. Aufl., Art. 303 Rz. 1). Das Schweizer Recht verlangt daher vom Gläubiger, dem Schuldner Ort und Zeit der Gläubigerversammlung rechtzeitig mitzuteilen und ihm das Angebot zu unterbreiten, seine Forderung gegen - volle (BSK SchKG II-Vollmar, a.a.O., Rz. 13; KUKO SchKG-Hardmeier, Art. 303 Rz. 3) - Zahlung an diesen abzutreten. Damit erhalten die Mitverpflichteten vor der Gläubigerversammlung Gelegenheit zum Studium der Akten und durch das Angebot der Forderungsabtretung die Möglichkeit, selbst zum Gläubiger zu werden und über den Nachlassvertrag mitzuentscheiden (BSK SchKG II-Vollmar, a.a.O., Rz. 11, 13; vgl. auch Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, SchKG, 4. Aufl., Art. 303 Rz. 3). Kommt der Gläubiger seiner Verpflichtung nicht nach, verliert er alle seine Rechte gegenüber dem Mitschuldner (Schweizerisches Bundesgericht, a.a.O., 251; BSK SchKG II-Vollmar, a.a.O., Rz. 10; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, a.a.O., Rz. 17; KUKO SchKG-Hardmeier, a.a.O., Rz. 2; Kren Kostkiewicz/Walder, SchKG, 18. Aufl., Art. 303 Rz. 6). Diese Folge tritt ein, wenn der Nachlassvertrag zustande kommt und rechtskräftig wird (BSK SchKG II-Vollmar, a.a.O., Rz. 5).
Rz. 63
cc) Damit regelt das Schweizer Konkursrecht in Art. 303 Abs. 2 SchKG eine als insolvenzrechtlich zu qualifizierende Fragestellung (ebenso OLG München, Urt. v. 30.10.2013 - 20 U 603/12, a.a.O., - 20 U 605/12, a.a.O., und - 20 U 1699/13, a.a.O., 788). Die Fragen der Einbeziehung von Mitverpflichteten in das Verfahren und der Folgerungen für die gegen sie gerichteten Forderungen der Gläubiger im Fall einer Insolvenz und eines sich anschließenden (Zwangs-)Vergleichs stellen sich aus autonomer Sicht typischerweise in dieser Mangelsituation und sind daher im Insolvenzrecht zu regeln. Darüber hinaus gilt Art. 303 Abs. 2 SchKG ausschließlich für den Fall des als insolvenzrechtlich zu qualifizierenden Nachlassverfahrens.
III.
Rz. 64
Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies gibt dem Berufungsgericht insb. Gelegenheit, die notwendigen Ermittlungen zum Schweizer Recht vorzunehmen und die hierzu erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 7191740 |
DB 2014, 8 |