Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Bauleiter unterzeichnete Stundenlohnnachweise kein Indiz für Stundenlohnvereinbarung. Vollmacht für nachträgliche Stundenlohnvereinbarung. Bestreiten von vom Auftragnehmer ermittelten Massen im Werklohnprozess. Beweislast des Auftraggebers bei unmöglich gewordener Überprüfungsmöglichkeit
Leitsatz (amtlich)
a) Enthält der Vertrag keine Vereinbarung über die Vergütung von Stundenlohnarbeiten, dann können die für eine nachträgliche konkludente Stundenlohnvereinbarung erforderlichen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen i. d. R. nicht allein aus der Unterzeichnung von Stundenlohnnachweisen durch den Bauleiter hergeleitet werden.
b) Eine nachträgliche Stundenlohnvereinbarung erfordert eine entsprechende Vollmacht desjenigen, der die Stundenlohnnachweise unterzeichnet.
c) Die Ermächtigung eines Bauleiters oder Architekten, Stundenlohnnachweise abzuzeichnen, ist keine Vollmacht zum Abschluss einer Stundenlohnvereinbarung.
d) Nimmt der Auftragnehmer ein einseitiges Aufmaß, ist es im Regelfall ausreichend, wenn der Auftraggeber die Richtigkeit der vom Auftragnehmer angesetzten Massen im Werklohnprozess erheblich bestreitet.
e) Hat der Auftraggeber die einseitig ermittelten Massen des Auftragnehmers bestätigt und ist auf Grund nachfolgender Arbeiten eine Überprüfung der Massen nicht mehr möglich, dann muss der Auftraggeber im Prozess vortragen und beweisen, welche Massen zutreffen oder dass die vom Auftragnehmer angesetzten Massen unzutreffend sind.
Normenkette
VOB/B § 2 Nr. 10 i.V.m. 14 Nr. 2, § 15 Nr. 1
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 17.01.2002) |
LG Neuruppin |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG v. 17.1.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn für Arbeiten an Außenanlagen des Büro- und Wohngebäudes des Beklagten in F. Der Beklagte beanstandet mehrere Positionen der Schlussrechnung und macht gegenüber der verbleibenden restlichen Werklohnforderung ein Zurückbehaltungsrecht wegen angeblicher Mängel geltend.
II.
1. Der Beklagte, ein Installateur- und Heizungsbaumeister, hatte ursprünglich einen Betrieb in Niedersachsen. Im Jahre 1990 gründete er zusammen mit seiner Tochter die BL Sanitär- und Heizungsbau GmbH mit Sitz in T.. Im Jahre 1993 verlegte die Gesellschaft ihren Sitz nach W. Unter der Anschrift in W. meldete der Beklagte im Juli 1993 einen selbstständigen Betrieb unter der Bezeichnung "Lieferung von Wärme aus Heizzentralen an verschiedene Abnehmer" an.
Der Beklagte ließ in F. ein Büro- und Wohngebäude einschließlich einer Betriebshalle errichten. Die Gewerberäume und die Betriebshalle vermietete er an die BL GmbH. Seit 1995 ist der Beklagte mit seinem Betrieb "Lieferung von Wärme aus Heizzentralen an verschiedene Abnehmer, Produktion von Komponenten für Heizungs- und Lüftungsbauapparatebau" dort gemeldet.
2. Der Beklagte beauftragte die Klägerin im September 1993 mit Tiefbauarbeiten. Nach Abschluss dieser Arbeiten beauftragte er die Klägerin mit Arbeiten an den Außenanlagen. Den mündlichen Auftrag für diese Arbeiten erteilte der Beklagte auf der Grundlage der Angebote der Klägerin v. 7.3.1993 und 2.5.1994. Die Parteien vereinbarten die VOB/B.
3. Am 23.1.1995 zeigte die Klägerin die Unterbrechung der Arbeiten unter Hinweis auf das Frostwetter an. Der Beklagte erwiderte, dass nur teilweise Frost im Boden sei, und er forderte die Klägerin unter Androhung des Auftragsentzugs auf, mit den Arbeiten spätestens bis zum 30.1.1995 zu beginnen. Am 13.2.1995 entzog der Beklagte der Klägerin den Auftrag und erteilte ihr Baustellenverbot.
Am 20.2.1995 vergab der Beklagte die noch offenen Arbeiten an einen Drittunternehmer. Am 1.3.1995 bestätigte der Beklagte unter dem Briefkopf der BL GmbH die Kündigung des Vertrages.
Mit Schreiben v. 14.3.1995 erklärte der Architekt des Beklagten die Abnahme der Arbeiten der Klägerin. Für die in diesem Schreiben aufgeführten Mängel wurde der Klägerin eine Mängelbeseitigungsfrist bis zum 31.3.1995 gesetzt. Die Klägerin erhielt dieses Schreiben am 20.4.1995. Sie teilte dem Beklagten am 21.4.1995 mit, dass sie auf Grund des Baustellenverbots die Mängelbeseitigungsarbeiten nicht durchführen könne. Sie bat um eine Erklärung bis zum 3.5.1995. Der Beklagte antwortete nicht.
Am 21.4.1995 erteilte die Klägerin ihre Schlussrechnung über 193.857,33 DM. Mit Schreiben v. 14.8.1995 forderte die Klägerin den Beklagten auf, den unter Abzug der Abschlagszahlung verbleibenden Rest von 120.074,94 DM bis zum 22.8.1995 zu zahlen.
Mit Schreiben v. 17.12.1997 setzte die Klägerin dem Beklagten eine erneute Frist bis zum 31.12.1997. Am 23.6.1998 erwirkte sie einen Mahnbescheid.
III.
1. Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Forderung sei gem. § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjährt, die Klägerin habe die Arbeiten nicht für den Gewerbebetrieb des Beklagten erbracht.
2. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung von 113.896,93 DM (= 58.234,58 EUR) nebst Zinsen verurteilt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
II.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Werklohnforderung sei nicht verjährt. Die Klägerin habe den Lauf der Verjährungsfrist von vier Jahren rechtzeitig durch Mahnbescheid unterbrochen. Die Werklohnforderung verjähre gem. § 196 Abs. 1 Nr. 1i.V. mit Abs. 2 BGB in vier Jahren, weil die Klägerin die Werkleistung für den Gewerbebetrieb des Beklagten erbracht habe.
2. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts, der Beklagte habe den Auftrag im eigenen Namen als Gewerbetreibender für seinen Gewerbebetrieb in F. und nicht als Geschäftsführer der BL. GmbH erteilt, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
III.
1. Das Berufungsgericht hat die folgenden Einwände des Beklagten gegen Positionen der Schlussrechnung der Klägerin für unerheblich erachtet:
a) Einen Nachlass von 5 %, den die Klägerin für die in der Leistungsbeschreibung v. 7.3.1993 genannten Positionen gewährt habe, könne der Beklagte für die Einheitspreise der Nachtragspositionen 1.1.2a (Rohrgrabenaushub) und 1.1.2. b (Füllmaterial für Rohrlagerung) nicht beanspruchen. Die Nachlassvereinbarung des Hauptvertrages erfasse nicht die nachträglich vergebenen Leistungen. Die in den Positionen 1.1.2a und 1.1.2b der Schlussrechnung beschriebenen Arbeiten habe der Beklagte erst auf Grund des Nachtragsangebots der Klägerin v. 30.5.1994 in Auftrag gegeben. Der Beklagte habe diese Leistung abgerufen, über einen Nachlass auf die in dem Nachtragsangebot genannten Einheitspreise hätten die Parteien nicht verhandelt.
b) Der Beklagte beanstande zu Unrecht den in der Position 1.1.6 (Kiestragschicht herstellen) angesetzten Einheitspreis von 59,57 DM pro Kubikmeter:
(1) Der Architekt D., der von dem Beklagten als Bauleiter eingesetzt worden sei, habe im Zuge der Auftragsvergabe unstreitig angeordnet, dass auf den Nebenflächen außerhalb der Straße als Tragschicht ein im Vergleich zu dem für die Straße vorgesehenen Kies billigerer Wand- und Rohkies zum Preis von 48,40 DM pro Kubikmeter eingebaut werde.
(2) Der Einwand des Beklagten, die Klägerin könne folglich für die Tragschicht außerhalb der Straße nur 45,98 DM pro Kubikmeter (48,40 DM abzgl. 5 % Nachlass) verlangen, sei unzutreffend.
Die Klägerin habe vorgetragen, sie sei mit dem Architekten des Beklagten übereingekommen, statt des billigeren Materials das ursprünglich für die Straße vorgesehene Material auf den Nebenflächen einzubauen, weil das billigere Material nicht hinreichend frostsicher sei. Sie habe mit dem Architekten für den Einbau des teureren Materials einen Einheitspreis von 62,70 DM pro Kubikmeter abzgl. 5 % Nachlass vereinbart, so dass der in der Rechnung ausgewiesene Einheitspreis von 59,57 DM pro Kubikmeter, 62,70 DM pro Kubikmeter abzgl. 5 %, gerechtfertigt sei.
Das Bestreiten der Absprache durch den Beklagten mit Nichtwissen und dessen Behauptung, der Architekt D. sei zu einer derartigen Vereinbarung nicht bevollmächtigt gewesen, sei unerheblich. Der Beklagte hätte sich bei seinem Architekten, seinem Sachwalter, über die für ein substanzielles Bestreiten erforderlichen Umstände informieren können und müssen.
Der Architekt sei bevollmächtigt gewesen, der Beklagte habe ihn als Vertreter bei dem Bauvorhaben eingesetzt. Hinsichtlich der Ausführung der Arbeiten habe der Beklagte die Klägerin an seinen Architekten verwiesen. Das ergebe sich aus einer handschriftlichen Kurzantwort auf einem Vermerk der Klägerin über den Ortstermin v. 10.5.1994, der den Einbau von Kies in den Nebenflächen außerhalb der Baustraße zum Gegenstand habe. Auf dem Vermerk, der u. a. den Hinweis enthalte, dass der Bauherr die Verantwortung für die Tragschicht außerhalb der Straße übernehme, habe der Beklagte folgende Kurzantwort formuliert:
"Ich verstehe von Kies nichts und übernehme keine Verantwortung für Bauschäden. Die Besprechung im Büro D. mit Herrn N. und Herrn W. ist ausschlaggebend."
Die Herren N. und W. seien Mitarbeiter des Architekten D. des Beklagten.
c) Die Vergütung der Position 1.1.6a (Wand-Kies in aufgeweichte Bodenbereiche einbauen) könne die Klägerin ebenfalls verlangen.
Die Klägerin habe den angelieferten Wand-Kies, der für die Tragschicht nicht verwendet worden sei, im Austausch gegen aufgeweichten Unterboden eingebaut. Die von der Klägerin als Planum vorbereiteten Flächen seien von anderen Unternehmen mit Baufahrzeugen befahren worden. Der Austausch des durchnässten Bodens sei zur Herstellung des Werkes der Klägerin erforderlich gewesen. Ohne den Austausch wären die Arbeiten der Klägerin über längere Zeit verzögert worden, was der Beklagte nicht gewollt habe. Der Einwand des Beklagten, die Durchfeuchtung des Bodens sei darauf zurückzuführen, dass die Klägerin ihre Arbeit nicht fristgerecht fertig gestellt habe, sei unerheblich, weil die Parteien keine Fristen vereinbart hätten. Der Beklagte habe diese Position gem. § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B zu vergüten.
d) Die von der Klägerin in Position 3 berechneten Stundensätze für Facharbeiter und den Einsatz von Baugeräten seien gem. § 15 VOB/B gerechtfertigt. Die Klägerin stütze ihre Schlussrechnung auf die vom Architekten D. gegengezeichneten Stundenlohnzettel. Sie habe vorgetragen, dass der Beklagte die Arbeiten angeordnet habe. Diesen Vortrag habe der Beklagte bestritten und behauptet, die Leistungen seien auf der Grundlage der vertraglichen Einheitspreise abzurechnen. Das pauschale Bestreiten des Beklagten sei nicht geeignet, die Vergabe und Ausführung von Stundenlohnarbeiten in Zweifel zu ziehen.
e) Der Beklagte habe die in den einzelnen Leistungspositionen angesetzten Massenansätze in rechtlich unerheblicher Weise beanstandet.
Die Klägerin habe dem Beklagten das Aufmaß mit ihrer Schlussrechnung übersandt. Der Beklagte habe die Massenansätze in einem Prüfvermerk als gerechtfertigt gekennzeichnet. Erst im Prozess habe er eine Aufstellung mit geringeren Massen eingereicht und die Massenansätze der Klägerin bestritten, ohne zu begründen, warum die ursprünglich von ihm akzeptierten Massenansätze der Klägerin falsch seien. Der Vortrag des Beklagten sei insoweit nicht schlüssig.
2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung teilweise nicht stand.
a) Die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Vertragsparteien eine Nachtragsvereinbarung über die Vergütung für die Nachtragspositionen 1.1.2a (Rohrgrabenaushub) und 1.1.2b (Auffüllmaterial für Rohrlagerung) getroffen haben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Nachtragspositionen sind zusätzliche Vertragsleistungen i. S. d. § 1 Nr. 4i.V. mit § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B, weil sie von dem ursprünglichen Auftrag nicht erfasst und zur Erfüllung des Vertrages erforderlich waren. Der Beklagte hat das ihm durch § 1 Nr. 4 VOB/B eingeräumte einseitige Leistungsbestimmungsrecht dadurch ausgeübt, dass er die mit dem Nachtragsangebot angekündigten Zusatzleistungen abgerufen hat. Auf Grund der Vereinbarung ist der Beklagte verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu bezahlen.
b) Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Klägerin verpflichtet ist, auf die Vergütung für die Nachtragspositionen jeweils einen Nachlass von 5 % zu gewähren, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft verneint. Es hat nicht alle Umstände gewürdigt, die für die Auslegung der Nachtragsvergütungsvereinbarung von Bedeutung sind.
(1) Die Tatsache, dass die Parteien über einen Nachlass auf die im Nachtragsangebot genannten Einheitspreise nicht verhandelt haben, rechtfertigt allein nicht das Ergebnis, dem Beklagten stehe ein Nachlass nicht zu.
(2) Vielmehr ist eine Auslegung der Vergütungsvereinbarung, wie sie sich aus dem Angebotsschreiben v. 7.3.1993 ergibt, notwendig. Danach wird ein Nachlass von 5 % auf alle Einheitspreise gewährt. Das deutet darauf hin, dass der Nachlass auch auf die nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B zu bildenden Einheitspreise gewährt werden soll. Das Berufungsgericht erhält durch die Zurückverweisung Gelegenheit, diese Frage zu klären.
b) Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Anspruch der Klägerin aus der Position 1.1.6 (Kiestragschicht außerhalb der Baustraße) halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand:
Die Klägerin stützt ihre Forderung auf einen Vertrag, durch den nach ihrem Vortrag die ursprüngliche Vereinbarung über die Qualität des Materials und die Höhe der Vergütung geändert worden sein soll. Das Berufungsgericht hat den Vortrag des Beklagten zu dieser behaupteten Änderungsvereinbarung zu Unrecht als nicht ausreichend erachtet.
(1) Der Beklagte war berechtigt, die nach der Behauptung der Klägerin zwischen ihr und dem Architekten D. in Abwesenheit des Beklagten geschlossene Änderungsvereinbarung mit Nichtwissen zu bestreiten.
Eine Prozesspartei ist nach § 138 Abs. 4 ZPO grundsätzlich berechtigt, Tatsachen mit Nichtwissen zu bestreiten, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung sind. Das Recht, derartige Tatsachen mit Nichtwissen zu bestreiten, wird durch die Pflicht der Partei eingeschränkt, die ihr möglichen Informationen von Personen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig sind (BGH, Urt. v. 7.10.1998 - VIII ZR 100/97, MDR 1999, 26 = NJW 1999, 53 = BauR 1999, 69 = ZfBR 1999, 35; Urt. v. 19.4.2001 - I ZR 238/98, BGHReport 2001, 986 = NJW-RR 2002, 612).
(2) Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte zur Erkundigung gegenüber dem Architekten D. nicht verpflichtet, er durfte die Änderungsvereinbarung mit Nichtwissen bestreiten.
(3) Für die erforderliche Vollmacht des Architekten D. fehlt es an den notwendigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts.
Die zitierte handschriftliche Anmerkung des Beklagten auf dem Vermerk v. 10.5.1994 bietet keine hinreichende tatsächliche Grundlage für die Annahme, er habe den Architekten D. zum Abschluss der Änderungsvereinbarung bevollmächtigt.
Der Vermerk betrifft ein Gespräch zwischen den Vertretern der Klägerin, dem Beklagten und dem Architekten D. während eines Ortstermins am 10.5.1994. Der Ortstermin stand im Zusammenhang mit der ursprünglichen Vereinbarung über die Minderung der Qualität v. 2.5.1994. Die Anmerkung des Beklagten enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte den Architekten D. bevollmächtigen wollte, die Vereinbarung v. 2.5.1994 zu ändern.
c) Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Pflicht des Beklagten, die Vergütung der mit der Position 1.1.6a (Wandkies in aufgeweichten Boden einbauen) in Rechnung gestellten Leistung zu bezahlen, halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
(1) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht einen Vergütungsanspruch aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B zubilligt, ist nicht tragfähig. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Klägerin nicht berechtigt, die Arbeiten längere Zeit liegen zu lassen. Es ist unerheblich, dass ein Fertigstellungstermin nicht vereinbart war. Haben die Parteien keine Fristen vereinbart, ist der Unternehmer im Zweifel verpflichtet, mit der Herstellung des geschuldeten Werkes alsbald nach Vertragsschluss zu beginnen und sie in angemessener Zeit zu Ende zu führen (BGH, Urt. v. 8.3.2001 - VII ZR 470/99, BGHReport 2001, 363 = MDR 2001, 864 = BauR 2001, 946 = ZfBR 2001, 322 = NZBau 2001, 389 = ZfIR 2001, 450m.Anm. Schwenker).
(2) Danach schuldete die Klägerin die zügige Fertigstellung des Unterbodens. Das Berufungsgericht erhält durch die Zurückverweisung Gelegenheit zu prüfen, inwieweit sie dazu ohne ihr Verschulden nicht in der Lage war und inwieweit sich unter Berücksichtigung der Regelungen zur Gefahrtragung ein Anspruch ergibt.
(3) Soweit ein Anspruch aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B in Betracht kommt, ist zu berücksichtigen, dass - sofern die VOB/B als Ganzes vereinbart sein sollte - eine unverzügliche Anzeige notwendig ist (vgl. BGH, Urt. v. 31.1.1991 - VII ZR 291/88, BGHZ 113, 315 = MDR 1991, 635 = ZfBR 1991, 146 = BauR 1991, 331).
d) Die Erwägungen des Berufungsgerichts zu der Verpflichtung des Beklagten, die von der Klägerin verlangten Stundenlohnvergütungen für Facharbeiter und den Einsatz von Baugeräten zu bezahlen, halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand:
(1) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht beurteilen, ob die mit der Stundenlohnvergütung abgerechneten Leistungen von der Klägerin bereits auf Grund des Hauptvertrages oder als zusätzliche Vertragsleistung gem. § 1 Nr. 4 VOB/B geschuldet waren.
(2) Für die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, für die abgerechneten Leistungen eine Stundenlohnvergütung zu zahlen, kommt es in beiden Konstellationen darauf an, ob eine solche vereinbart worden ist (§ 2 Nr. 10i. V. m. § 15 Nr. 1 VOB/B).
(3) Sieht der Vertrag Stundenlohnarbeiten nicht vor, so kann eine nachträgliche konkludente Vereinbarung derartiger Arbeiten für den VOB/B-Vertrag i. d. R. nicht allein aus der Unterzeichnung von Stundenlohnnachweisen hergeleitet werden, jedenfalls nicht ohne eine entsprechende Vollmacht desjenigen, der die Stundenlohnnachweise unterzeichnet hat. Die Ermächtigung etwa eines Bauleiters, Stundenlohnnachweise abzuzeichnen, ist dafür nicht ausreichend (BGH, Urt. v. 14.7.1994 - VII ZR 186/93, MDR 1995, 147 = BauR 1994, 760 = ZfBR 1995, 15).
Nach diesen Grundsätzen fehlt es an allen Voraussetzungen für eine nachträgliche konkludente Stundenvereinbarung. Die Abzeichnung von Stundenlohnzetteln bezieht sich regelmäßig nicht auf die Vereinbarung von Stundenlohnarbeiten, sondern sie bescheinigt nur Art und Umfang der erbrachten Leistung (BGH, Urt. v. 14.7.1994 - VII ZR 186/93, MDR 1995, 147 = BauR 1994, 760 = ZfBR 1995, 15).
Die Abzeichnung von Stundenlohnzetteln ist nur dann ein Angebot zum Abschluss einer Stundenlohnvereinbarung, wenn sich aus den besonderen Umständen ergibt, dass die Unterzeichnung ein konkludentes rechtsgeschäftliches Angebot zur Änderung der ursprünglichen Vergütungsvereinbarung und zum Abschluss einer Stundenlohnvereinbarung für die in den Stundenlohnzetteln genannten Leistungen ist.
(4) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vortrag der Parteien fehlt es an jedem Anhaltspunkt dafür, dass der Architekt D. des Beklagten ein derartiges Angebot abgegeben hat.
(5) Abgesehen davon fehlt es an den erforderlichen Feststellungen, dass der Architekt D. durch den Beklagten bevollmächtigt worden ist, nachträglich Stundenlohnvergütung zu vereinbaren. Die Vertretungsmacht des Architekten richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des BGB.
Danach ist es regelmäßig erforderlich, dass der Vertretene dem Architekten Vollmacht durch rechtsgeschäftliche Erklärung dem Vertreter oder dem Vertragspartner gegenüber erteilt. Es gibt keine Vermutung, dass der Architekt die Vollmacht besitzt, den Bauvertrag zu ändern und im Vertrag nicht vorgesehene Stundenlohnarbeiten zu vereinbaren. Fehlt es an einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht, dann kommt für die Stundenlohnvereinbarung eine Anscheins- und Duldungsvollmacht in Betracht.
(6) Nach dem derzeitigen Sachstand kommt eine nachträgliche Stundenlohnvereinbarung nicht in Betracht. Unter diesen Voraussetzungen kann die Klägerin die vereinbarten Leistungen nur nach Vertragspreisen abrechnen. Falls die Klägerin die Arbeiten nicht als ursprünglich vereinbarte Leistung schuldete, wird das Berufungsgericht prüfen müssen, ob die Voraussetzungen des § 1 Nr. 4i.V. mit § 2 Nr. 6 VOB/B vorliegen. Falls der Architekt D. des Beklagten die Leistungen i. S. d. § 1 Nr. 4 VOB/B angeordnet haben sollte, wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob der Architekt D. bevollmächtigt war, das rechtsgeschäftliche Leistungsbestimmungsrecht für den Beklagten auszuüben. Sollten die Voraussetzungen einer Vergütung gem. § 2 Nr. 6 VOB/B nicht vorliegen, kann die Klägerin die Leistung nur nach § 2 Nr. 8 VOB/B oder, wenn die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart sein sollte, aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherung abrechnen. Zu den Voraussetzungen dieser beiden Anspruchsgrundlagen fehlt es bisher an den erforderlichen Feststellungen.
e) Das Berufungsgericht hat das Bestreiten der Massenansätze in der Schlussrechnung der Klägerin durch den Beklagten rechtsfehlerhaft für unbeachtlich gehalten:
(1) Der Auftraggeber ist grundsätzlich auch dann nicht daran gehindert, die von dem Auftragnehmer einseitig ermittelten Massen im Prozess zu bestreiten, wenn er zuvor die in der Schlussrechnung des Aufragnehmers abgerechneten Massen durch einen Prüfvermerk bestätigt hat.
(2) Der Auftraggeber ist auf Grund eines derartigen Prüfvermerkes nur dann materiell-rechtlich mit Einwänden gegen die einseitig vom Auftragnehmer ermittelten Massen ausgeschlossen, wenn die Parteien auf der Grundlage des Prüfvermerks einen kausalen Schuldanerkenntnisvertrag abgeschlossen haben oder der Auftraggeber auf Grund des Prüfvermerks und weiterer Umstände etwaige Einwände verwirkt hat.
(3) Für ein kausales Schuldanerkenntnis fehlt es an jedem Anhaltspunkt im Sachvortrag der Parteien. Ein kausales Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Parteien sich über Streitpunkte oder Ungewissheiten geeinigt haben, die aus ihrer Sicht nach den Umständen des Einzelfalles klärungs- und regelungsbedürftig sind (st. Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1999 - VII ZR 120/98, MDR 1999, 1191 = BauR 1999, 1300 = ZfBR 1999, 337).
(4) Für eine Verwirkung der Einwände fehlt es ebenfalls an jedem Anhaltspunkt. Eine Verwirkung setzt voraus, dass zum Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen rechtfertigen, der Berechtigte würde seine Rechte nicht mehr geltend machen.
(5) Der Prüfvermerk begründet allein keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand für die Klägerin, dass der Beklagte später keine Einwände gegen die Massen erhebt. Der Umstand, dass der Beklagte im Prozess sich anfänglich auf den Prüfvermerk berufen hat, erfüllt den Verwirkungstatbestand schon deshalb nicht, weil es an dem für die Verwirkung erforderlichen Zeitablauf fehlt.
(6) Der Beklagte ist vorbehaltlich eines gerichtlichen Geständnisses nicht daran gehindert, die ursprünglich im Prozess unstreitigen Massen später zu bestreiten. Die Voraussetzungen eines gerichtlichen Geständnisses hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
(7) Im Falle eines einseitigen Aufmaßes durch den Auftragnehmer ist es grundsätzlich möglich und auch ausreichend, wenn der Auftraggeber die Richtigkeit der ermittelten Massen erheblich bestreitet (BGH, Urt. v. 22.5.2003 - VII ZR 143/02, BGHReport 2003, 991 = MDR 2003, 1174 = ZfBR 2003, 567 = BauR 2003, 1207 = NZBau 2003, 497).
(8) Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Auftraggeber, der unberechtigt einem Termin für ein gemeinsames Aufmaß fernbleibt, im Werklohnprozess darlegen und beweisen, welche Massen zutreffen und dass die vom Auftragnehmer angesetzten Massen unzutreffend sind, wenn ein neues Aufmaß oder eine Überprüfung des einseitig genommenen Aufmaßes nicht mehr möglich ist, etwa weil das Werk durch Drittunternehmer fertig gestellt worden oder durch nachfolgende Arbeiten verdeckt ist (BGH, Urt. v. 22.5.2003 - VII ZR 143/02, BGHReport 2003, 991 = MDR 2003, 1174 = ZfBR 2003, 567 = BauR 2003, 1207 = NZBau 2003, 497).
(9) Diese Grundsätze sind auf die Fallkonstellation übertragbar, in der der Auftraggeber die einseitig ermittelten Massen des Auftragnehmers bestätigt und später die Massen bestreitet, nachdem auf Grund nachfolgender Arbeiten eine Überprüfung der Massenermittlung nicht mehr möglich ist. Nur unter dieser Voraussetzung ist das Bestreiten der Massen durch den Beklagten nicht ausreichend. Er müsste dann vortragen und beweisen, welche Massen zutreffen oder dass die vom Auftragnehmer angesetzten Massen unzutreffend sind.
IV.
1. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten das Recht, wegen behaupteter Mängel ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Werklohn geltend zu machen, mit folgenden Erwägungen versagt:
Der Beklagte könne im Hinblick auf die behaupteten Mängel der Pflasterfläche kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, weil er sein Recht auf Nachbesserung durch sein Verhalten verloren habe. Der Beklagte habe der Klägerin im Februar 1995 den Auftrag unberechtigt entzogen und ihr zugleich verboten, die Baustelle zu betreten. Auf den Hinweis der Klägerin, dass sie den Mangel der Pflasterfläche nicht beseitigen könne, weil ihr das Betreten der Baustelle verboten worden sei, habe der Beklagte nicht reagiert. Damit habe der Beklagte der Klägerin gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass er weitere Arbeiten ablehne. Die von dem Beklagten zwei Jahre später, nach dem Verlust des Rechts auf Nachbesserung, übersandte Mängelanzeige mit der Aufforderung zur Mängelbeseitigung bis zum 10.1.1997 sei unberechtigt.
2. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
(1) Der Beklagte hat sein Recht auf Mängelbeseitigung und damit ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht nicht verloren. Die Voraussetzungen der Verwirkung, die für den Rechtsverlust allein in Betracht kommt, liegen nicht vor. Eine Verwirkung setzt voraus, dass zum Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH, Urt. v. 14.11.2002 - VII ZR 23/02, BGHReport 2003, 214 = MDR 2003, 207 = ZfBR 2003, 147 = BauR 2003, 379 = NZBau 2003, 213).
(2) Die vertragswidrige Weigerung des Beklagten, die Nachbesserung der Klägerin zuzulassen, erfüllt allein nicht die Voraussetzungen der Verwirkung. Dieses Verhalten kann, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen, dazu führen, dass der Beklagte in Gläubigerverzug geraten ist. In diesem Fall endete der Verzug mit dem Zugang der späteren Mängelanzeige und Nachbesserungsaufforderung.
Fundstellen
Haufe-Index 1050019 |
BGHR 2003, 1323 |
BauR 2003, 1892 |
NJW-RR 2004, 92 |
IBR 2003, 591 |
IBR 2003, 592 |
IBR 2003, 597 |
IBR 2003, 665 |
IBR 2003, 666 |
JurBüro 2004, 162 |
WM 2004, 88 |
ZfIR 2004, 563 |
MDR 2003, 1413 |
NJ 2004, 80 |
ZfBR 2004, 37 |
BTR 2003, 291 |
BTR 2003, 294 |
BrBp 2004, 76 |
NZBau 2004, 31 |
BauRB 2004, 1 |
BauRB 2004, 2 |
Englert / Grauvogl / Maurer 2004 2004, 930 |
FSt 2004, 665 |
IWR 2003, 77 |
JbBauR 2005, 343 |