Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 21. Juli 1998 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Kaufvertrages über ein Gebäude.
Die Beklagten bewohnten aufgrund Mietvertrages ein Haus in B.. Das Haus ist auf einem ehemals volkseigenen Grundstück errichtet. Rechtsträger des Grundstücks war die Versorgungseinrichtung des Ministerrats der DDR (im folgenden: VEM).
Am 14. Dezember 1990 beschloß der Ministerrat, die Einfamilienhäuser, die sich in der Rechtsträgerschaft der VEM befanden, zu verkaufen. Der Leiter des Sekretariats des Ministerrats sollte darüber entscheiden, welchen Bewohnern die Häuser zum Kauf anzubieten seien. Der Beschluß wurde den Mitgliedern des Ministerrats und dem Leiter seines Sekretariats zugeleitet. Eine Veröffentlichung erfolgte nicht.
Durch Schreiben vom 10. Januar 1990 bevollmächtigte der Ministerrat durch das Ministerium der Finanzen und Preise die VEM zum Verkauf des von den Beklagten bewohnten Hauses an diese. Der Rat des Stadtbezirks B. -P. bat mit einem an den Leiter der Abteilung Recht- und Grundstücksverkehr der VEM, Herrn E., gerichteten Schreiben um den Verkauf des Hauses an die Beklagten. Der Kaufpreis sollte an den Rat zu bezahlen sein. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. Februar 1990 kauften die Beklagten das Haus und beantragten die Verleihung eines Nutzungsrechts an dem Grundstück. Auf Seiten des Verkäufers handelte Herr E.. Er erklärte, die (Vertrags)-„Erklärungen nicht im eigenen Namen, sondern als Leiter der Abteilung Recht und Grundstücksverkehr in der Versorgungseinrichtung des Ministerrats der DDR im Auftrag des Rates des Stadtbezirks B. -P. als künftiger Rechtsträger des Grund und Bodens abzugeben”.
Zur Begründung von Gebäudeeigentum und Verleihung eines Nutzungsrechtes an dem Grundstück kam es bis zum 3. Oktober 1990 nicht. Die Beklagten berühmen sich aufgrund des Kaufvertrages vom 20. Februar ihrer Anspruchsberechtigung nach § 3 Abs. 3 SachenRBerG und haben mit dem Ziel, das Grundstück zu kaufen, einen Antrag auf notarielle Vermittlung nach §§ 87 ff SachenRBerG gestellt.
Durch Bescheid vom 26. Januar 1995 wurde das Eigentum an dem Grundstück der Klägerin zugeordnet. Sie hält den Kaufvertrag vom 20. Februar 1990 für unwirksam. Sie hat beantragt, die Unwirksamkeit des Vertrages festzustellen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision erstreben sie die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Nachdem die Beklagten ihre im ersten Rechtszug gegen die Zulässigkeit der Klage erhobenen Einwendungen im Berufungsverfahren nicht mehr aufrechterhalten hätten, bestehe kein Anlaß, das Feststellungsinteresse der Klägerin zu verneinen. Der Vertrag vom 20. Februar 1990 sei nach dem Recht der DDR nichtig. Bei dem von den Beklagten gekauften Gebäude handele es sich zwar um ein Einfamilienhaus, das nach § 1 des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Eigenheime, Miteigentumsanteile und Gebäude für Erholungszwecke vom 19. Dezember 1973 (GBl. I, S. 578) an die Beklagten habe verkauft werden können. Nach § 8 der Durchführungsbestimmung zu dem Gesetz (GBl. I, S. 590) sei Voraussetzung hierfür jedoch gewesen, daß die Rechtsträgerschaft an dem betroffenen Grundstück zuvor auf den Rat der Stadt oder Gemeinde übertragen wurde. Dieser habe sodann nach § 3 der Durchführungsbestimmung den Kaufvertrag abzuschließen gehabt. Der Ministerratsbeschluß vom 14. Dezember 1989 habe hieran nichts geändert. Soweit der Kaufvertrag vom 14. Februar 1990 dahin auszulegen sei, daß der Rat des Stadtbezirks B. -P. als Verkäufer des Gebäudes gehandelt habe, fehle es an wirksamer Bevollmächtigung von Herrn E. .
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Die Klage ist zulässig.
Sie ist auf die Feststellung des Nichtbestehens eines rechtlichen Verhältnisses zwischen den Beklagten und einem Dritten gerichtet. Eine derartige Feststellung kann zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden, wenn die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Rechtsbeziehung der beklagten Partei zu einem Dritten für die Rechtsbeziehung der Prozeßparteien untereinander von Bedeutung ist (st. Rspr., vgl. BGHZ 69, 37, 40, 83, 125, 126; 123, 44, 46). Diese Voraussetzung ist gegeben. Wird die von der Klägerin beantragte Feststellung getroffen, steht zwischen den Parteien fest, daß der Kaufvertrag vom 20. Februar 1990 nichtig ist und damit eine Berechtigung der Beklagten zum Ankauf des Grundstücks nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz ausscheidet.
Ob ein Interesse an alsbaldiger Feststellung gegeben ist, ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BGHZ 18, 95, 105 f; BGH, Urt. v. 11. Oktober 1989, IVa ZR 208/87, NJW-RR 1990, 130; Urt. v. 23. April 1991, X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2708). Das Einverständnis des Beklagten mit der Prozeßführung oder das Fallenlassen einer Rüge sind insoweit ohne Bedeutung (Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 256 Rdn. 120). Das Interesse der Klägerin an alsbaldiger Feststellung folgt aus der Tatsache, daß die Beklagten sich aufgrund des Kaufvertrages vom 20. Februar 1990 ihrer Anspruchsberechtigung nach § 3 Abs. 3 SachenRBerG berühmen.
2. Eine vorherige Übertragung der Rechtsträgerschaft an dem Grundstück auf den Rat des Stadtbezirks B. -P. und die Vertretung des Rates beim Abschluß des Kaufvertrages mit den Beklagten sind entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht Voraussetzung der Wirksamkeit des Kaufvertrages vom 20. Februar 1990.
a) Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 1973 konnten volkseigene Eigenheime aus dem Volkseigentum an Bürger der Deutschen Demokratischen Republik verkauft werden. Die Befugnisse aus dem Volkseigentum wurden von dessen jeweiligem Rechtsträger wahrgenommen. Das hatte zur Folge, daß ein volkseigenes Eigenheim auch durch ein Ministerium, eine Massenorganisation, einen organisationseigenen Betrieb, ein Kombinat, einen produzierenden volkseigenen Betrieb oder eine Genossenschaft an einen Bürger verkauft werden konnte, sofern die verkaufende Organisation Rechtsträger des Volkseigentums war. Dem entgegenzuwirken, war Ziel der am 19. Dezember 1973 vom Minister der Finanzen der DDR erlassenen Durchführungsbestimmung zu dem Gesetz vom selben Tag. Im Interesse der Wohnraumlenkung und zur Stärkung der Wirtschaftskraft der Städte und Gemeinden war die Rechtsträgerschaft an den Grundstücken, auf denen die zu verkaufenden Eigenheime errichtet waren, vor Abschluß eines Kaufvertrages auf den Rat der Stadt oder der Gemeinde zu übertragen (§ 3 Abs. 1 der Verordnung). Voraussetzung des Verkaufes war die Zuweisung des verkauften Gebäudes an den Käufer als Wohnraum (§ 2 Abs. 1 der Verordnung). Der Kaufpreis mußte an den Rat der Stadt oder Gemeinde gezahlt werden (§ 5 Abs. 1 der Verordnung), dem dieser in voller Höhe als außerplanmäßige Einnahme verblieb (§ 5 Abs. 3 der Verordnung). Die Wahrung dieser Ziele wurde dadurch sicher gestellt, daß der Verkauf durch den Rat der Stadt oder Gemeinde zu erfolgen hatte. Die Eintragung des Rates oder der örtliche VEB Kommunale Wohnungsverwaltung bzw. VEB Gebäudewirtschaft im Grundbuch als Rechtsträger gewährleistete die Grundbuchklarheit (§ 8 der Verordnung).
b) Die Vertragsurkunde enthält die von den in der Notarverhandlung Erschienen abgegebenen Erklärungen, ohne die Vertragsparteien ausdrücklich zu benennen. Das Berufungsgericht hat den Vertrag dahin ausgelegt, daß Verkäufer des Gebäudes der Rat des Stadtbezirks B. -P. sei. Hiergegen wendet sich die Revision zu Recht.
Die Auslegung vertraglicher Regelungen kann vom Revisionsgericht daraufhin nachgeprüft werden, ob sie gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, die Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt (st. Respr., s. nur BGH, Urt. v. 31. Januar 1995, XI ZR 96/94, NJW 1995, 1212, 1213 m.w.N.). Zu den Grundsätzen der Auslegung gehört es, daß von der bestehenden Gesetzeslage und dem Wortlaut der abgegebenen Erklärungen auszugehen ist und diese grundsätzlich Bedeutung für das mit ihnen verfolgte Ziel haben sollen (BGH, Urt. v. 18. Mai 1998, II ZR 19/97, WM 1998, 1535). Hiergegen verstößt die Auslegung des Vertrages vom 20. Februar 1990 durch das Berufungsgericht.
Die Abgabe der Vertragserklärungen durch Herrn E. unter seiner Funktionsbezeichnung „als Leiter der Abteilung Recht und Grundstücksverkehr in der Versorgungseinrichtung des Ministerrates der DDR” ergibt nur Sinn, wenn die VEM Partnerin des Vertrages war. Für die Erwähnung der Zustimmung des Rates des Stadtbezirks B. -P. zum Erwerb des Grundstücks durch die Beklagten im Vertrag war kein Raum, wenn der Rat des Stadtbezirks selbst hätte Vertragspartner werden sollen. Ein Verkauf des Gebäudes durch den Rat des Stadtbezirks war am 20. Februar 1990 nicht möglich, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht Rechtsträger des Grundstücks war.
E. handelte daher nicht in Vertretung des Rates, sondern in Vertretung der VEM. Insoweit ist der Senat zur Auslegung selbst in der Lage, weil weiteres Vorbringen der Parteien hierzu nicht in Betracht kommt. Die notarielle Urkunde drückt das Einverständnis des Rates des Stadtbezirks mit dem Verkauf des Eigenheims durch die VEM aus, indem sie das Handeln von E. als „im Auftrag des Rates” bezeichnet. Dieser Auftrag war vom amtierenden Stadtbezirksbürgermeister Herrn E. erteilt. Der als höchstzulässiger Verkehrswert für das Gebäude ermittelte Kaufpreis war nach dem Vertrag vom 20. Februar 1990 an den Rat des Stadtbezirks zu bezahlen. Die Zuweisung des Hauses an die Beklagten nach der Wohnraumlenkungsverordnung war unstreitig erfolgt. Die von der Durchführungsbestimmung des Finanzministers verfolgten Ziele wurden durch den Vertrag vom 20. Februar 1990 gewahrt.
Die Übertragung der Rechtsträgerschaft auf den Rat des Stadtbezirks, dessen Eintragung in das Grundbuch und der Abschluß des Vertrages mit den Beklagten durch den Rat hätten nur zur Verzögerung des Vertragsabschlusses, nicht zu einer anderen Regelung geführt. Der Verkauf des Gebäudes durch die VEM mit Zustimmung des Rates des Stadtbezirks verkürzte nur das Verwaltungsverfahren und machte den Vertragsabschluß nicht unwirksam. Daher kann dahin gestellt bleiben, ob – für die Verwaltungsbehörden verbindlich (vgl. Senatsbeschl. v. 12. Mai 1999, V ZB 24/98, WM 1999, 486, 488, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) – durch den Beschluß des Ministerrats vom 14. Dezember 1990 ohne Veröffentlichung die Durchführungsbestimmung des Finanzministers für den Verkauf der Einfamilienhäuser in der Rechtsträgerschaft der VEM aufgehoben oder abgeändert werden konnte.
III.
Zur abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits ist der Senat nicht in der Lage, weil das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob Herr E. in seiner Eigenschaft als Leiter der Abteilung Recht und Grundstücksverkehr der VEM befähigt war, die VEM beim Verkauf des Gebäudes an die Beklagten zu vertreten, ohne daß es einer besonderen Vollmacht hierfür bedurfte (vgl. Senatsurt. v. 27. November 1998, V ZR 68/98, ZfIR 1999, 96, 97) oder, wie die Beklagten behaupten, in der Notarverhandlung aufgrund gesiegelter Vollmacht des Leiters der VEM zu deren Vertretung berechtigt war.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Schneider, Krüger, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.11.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen