Leitsatz (amtlich)
Das Formerfordernis des § 34 GWB a. F. greift bereits dann ein, wenn ein Vertrag eine Ausschließlichkeitsbindung im Sinn des § 18 GWB a. F. enthält, und nicht erst dann, wenn die Ausschließlichkeitsbindung tatsächlich die Eingriffsvoraussetzungen des § 18 GWB a. F. erfüllt.
Normenkette
GWB § 18 a.F., § 34 a.F.
Verfahrensgang
Thüringer OLG (Urteil vom 28.11.2000) |
LG Gera |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das am 28.11.2000 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des 8. Zivilsenats des Thüringer OLG im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als in ihm zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 4.9.1998 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Gera wird zurückgewiesen.
Die Klage wird auch hinsichtlich der in der Berufungsinstanz erfolgten Klageerweiterung insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin in vollem Umfang auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte betreibt ein Stahlwerk, in dem größere Mengen kontaminierter, insbesondere stark zinnhaltiger Filterstäube anfallen, deren Entsorgung erhebliche Kosten verursachte. Im Jahr 1996 erfuhr sie, dass eine kostengünstigere Entsorgung durch Bergversatz in stillgelegten Kaligruben möglich sei, und dass sich die Klägerin, ein Entsorgungsunternehmen, mit dieser Entsorgungsart befasse. Nach Verhandlungen kam es am 1./2.8.1996 zum Abschluss folgender schriftlicher Vereinbarung:
"1. Es ist beabsichtigt, dass die bei S. anfallenden NE-metallhaltigen Filterstäube (ASN 31217) von SK. zur Verwertung in einer dafür genehmigten Anlage nach erfolgreicher Durchführung des Genehmigungsverfahrens übernommen werden.
2. Es wird vereinbart, dass S. gegenüber SK. eine Zusammenarbeit dahingehend garantiert, dass eine Verwertung der oben benannten Filterstäube im Rahmen von Bergversatz in Kaligruben ausschließlich über SK. vorgenommen wird.
Bei Verstoß gegen diese Vereinbarung verpflichten sich beide Parteien zum Schadensersatz in voller Höhe."
Das zuständige Bergamt erteilte am 15.11.1996 der N.-GmbH (im Folgenden: N.), mit der die Klägerin bereits im Juli 1996 einen Verwertungsvertrag geschlossen hatte, die Zulassung zur Verwertung der Filterstäube. In der Zwischenzeit hatte die Beklagte mit einer Gesellschafterin der N. , der M. GmbH & Co. KG, einen Entsorgungsvertrag geschlossen, auf Grund dessen bis Oktober 1997 insgesamt 9.652,167t Filterstäube entsorgt wurden. Die Klägerin sieht in diesem Verhalten eine die Beklagten zur Leistung von Schadensersatz verpflichtende Verletzung der aus der Vereinbarung v. 1./2.8.1996 folgenden Ausschließlichkeitsbindung. Das LG hat die zunächst auf Zahlung von 93.600 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Klage erweitert; die Beklagte hat Widerklage erhoben, der das Berufungsgericht auf Grund Anerkenntnisses stattgegeben hat und die nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist. Das Berufungsgericht hat der im Übrigen von ihm abgewiesenen Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils in Höhe eines Betrags von 480.108,35 DM nebst Zinsen stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter. Die Klägerin verteidigt insoweit das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision führt zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG sowie zur Abweisung der in der Berufungsinstanz erweiterten Klage, soweit dies nicht bereits durch das Berufungsgericht geschehen ist, so dass die Klägerin mit ihrem Klagebegehren insgesamt ohne Erfolg bleibt.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Vereinbarung v. 1./2.8.1996 enthalte eine schadensersatzbewehrte "Garantie" der Beklagten, eine Verwertung ihrer Filterstäube durch Bergversatz in Kaligruben ausschließlich über die Klägerin vorzunehmen. Diese sei unabhängig vom Zustandekommen eines Entsorgungsvertrags abgegeben worden. Der Klägerin habe zudem bei der Unterzeichnung ein Vertragsentwurf v. 23.7.1996 vorgelegen, den sie damit gebilligt habe. Der Inhalt dieses Entwurfs ergibt sich durch die Bezugnahme des Berufungsurteils auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils, die wiederum auf den Vertragsentwurf verweisen. Darin heißt es u. a.: "Unter den vorstehend genannten Bedingungen für die regionale und technologische Verwertung garantiert S. , dass die Verwertung seiner Filterstäube grundsätzlich über SK. erfolgt". Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen die beiden Garantieerklärungen unabhängig nebeneinander; während die eine Erklärung die Verwertung von Filterstäuben insgesamt über die Klägerin garantiere, sofern ein Entsorgungsvertrag zu Stande komme, betreffe die Zweite die Verwertungsmethode des Bergversatzes gerade auch im Fall des Scheiterns der Zusammenarbeit. Die damit abgeschlossene Vereinbarung habe, wie das Berufungsgericht weiter ausführt, deswegen nicht dem Schriftformgebot nach § 34 GWB in der bis 31.12.1998 geltenden Fassung (nachfolgend: A.F.) unterlegen, weil sie keine unter § 18 GWB a. F. fallende Beschränkung zum Inhalt habe. Sie habe die Beklagte nämlich nur darin beschränkt, die Entsorgung durch Bergversatz in Kaligruben von Dritten zu beziehen.
II. 1. Die Revision macht demgegenüber geltend, die Vereinbarung sei nicht wirksam geworden, weil es bereits an einer Einigung fehle. Insbesondere habe sich das Berufungsgericht nicht damit auseinander gesetzt, dass die Klägerin den früheren Entwurf nicht unterzeichnet habe.
2. Diesem Angriff muss der Erfolg versagt bleiben. Die Auslegung, die das Berufungsgericht der Vereinbarung v. 1./2.8.1996 gegeben hat, orientiert sich an deren Wortlaut und ist auch hinsichtlich der Auslegungsmethode nicht zu beanstanden. Dabei ist die Auslegung, dass beide Garantieerklärungen nebeneinander stehen, ersichtlich auf deren Inhalt und nicht auf ihr Zustandekommen bezogen. Sie ist denkgesetzlich möglich und verstößt nicht gegen Erfahrungssätze. Für die Entscheidung über die Revision ist sie deshalb hinzunehmen. Daraus, dass das Berufungsgericht Überlegungen dazu angestellt hat, woraus die Einbeziehung des früheren Entwurfs in die Vereinbarung folgt, ergibt sich, dass es deren fehlende Unterzeichnung gesehen und berücksichtigt hat. Soweit sich die Revision weiter darauf bezieht, dass das Berufungsgericht erkannt habe, das Interesse der Beklagten habe gegen eine Einbeziehung des Entwurfs gesprochen, zeigt sie allenfalls auf, dass die vom Berufungsgericht gefundene Auslegung nicht zwingend ist. Ein revisionsrechtlich beachtlicher Rechtsfehler liegt hierin nicht.
III. 1. Die Revision macht jedoch mit Erfolg geltend, dass die Wirksamkeit der Vereinbarung jedenfalls an der Nichtbeachtung von Formvorschriften scheitere. Nr. 2 der unterzeichneten Vereinbarung beschränke in Form einer Ausschließlichkeitsbindung die Beklagte in der Möglichkeit, Entsorgungsleistungen als gewerbliche Leistungen im Bergversatz von Dritten in Anspruch zu nehmen. Damit habe die Vereinbarung dem nicht eingehaltenen Formerfordernis des § 34 GWB a. F. unterlegen.
2. a) Nach § 34 GWB a. F., der auf den vorliegenden Fall weiterhin anzuwenden ist (vgl. BGH, Urt. v. 2.2.1999 - KZR 51/97, CR 1999, 420 = MDR 1999, 951 = GRUR 1999, 776 - Coverdisk; Urt. v. 9.3.1999 - KZR 23/97, MDR 1999, 950 = NJW-RR GRUR 1999, 602 - Markant; Urt. v. 11.12.2001 - KZR 13/00, BGHReport 2002, 609 = GRUR 2002, 647 - Sabet/Massa; Urt. v. 3.6.2003 - X ZR 215/01, BGHReport 2003, 1085 = WRP 2003, 1129 - chirurgische Instrumente; zum Übergangsrecht Schulze, WRP 1999, 158), waren Verträge, die Beschränkungen der in § 18 GWB a. F. bezeichneten Art enthalten, schriftlich abzufassen; andernfalls waren sie nichtig (§ 125 S. 1 BGB). Dass die Vereinbarung der Parteien solche Beschränkungen enthält, hat das Berufungsgericht zu Unrecht verneint. Bereits aus Nr. 2 der Vereinbarung v. 1./2.8.1996 folgt, dass die Beklagte die gewerbliche Leistung, die Verwertung von Filterstäuben im Rahmen von Bergversatz in Kaligruben, nur über die Klägerin vornehmen durfte. Hierbei handelt es sich um eine Vertikalvereinbarung, die in den Anwendungsbereich des § 18 GWB a. F. fällt. Nach dieser Bestimmung kann die Kartellbehörde Verträge zwischen Unternehmen über Waren oder gewerbliche Leistungen verbieten, soweit sie einen Vertragsbeteiligten darin beschränken, andere Waren oder gewerbliche Leistungen von Dritten zu beziehen oder an Dritte abzugeben (Abs. 1 Nr. 2), soweit durch das Ausmaß solcher Beschränkungen der Wettbewerb auf dem Markt für diese oder andere Waren oder gewerbliche Leistungen wesentlich beeinträchtigt wird (Abs. 1 Buchst. c). Die zwischen den Parteien getroffene Regelung stellt dabei jedenfalls eine Bezugsbeschränkung für die Entsorgungsleistung, möglicherweise zugleich auch eine Absatzbeschränkung für die Ware Filterstaub dar, soweit dieser einen Marktwert haben sollte. Sie beschränkt die Abschlussfreiheit der Beklagten (vgl. Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 16 Rz. 35) in Bezug auf die Entsorgung von Filterstäuben und fällt damit in den Anwendungsbereich des § 34 GWB a. F.
Dabei kommt es für die Beachtlichkeit des Formerfordernisses des § 34 GWB a. F. nicht darauf an, ob die in dem Vertrag enthaltene Ausschließlichkeitsbindung tatsächlich die Eingriffsvoraussetzungen des § 18 Abs. 1 Buchst. a - c GWB a. F. erfüllte. Angesichts des Zwecks der Regelung des § 34 GWB a. F. greift das Formerfordernis nämlich bereits dann ein, wenn ein Vertrag eine Ausschließlichkeitsbindung im Sinn des § 18 GWB a. F. enthält (vgl. - zu § 20 Abs. 1 GWB a. F. BGH, Urt. v. 3.6.2003 - X ZR 215/01, BGHReport 2003, 1085 = WRP 2003, 1129 - chirurgische Instrumente).
b) Die Anwendbarkeit von § 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB a. F., der Verträge erfasst, soweit sie einen Vertragsbeteiligten darin beschränken, andere Waren oder gewerbliche Leistungen von Dritten zu beziehen oder an Dritte abzugeben, wird auch nicht durch das Merkmal "andere" ausgeschlossen, denn hierbei kann es sich auch um gleiche oder gleichartige Waren oder Leistungen handeln, was sogar meistens der Fall sein wird (Klosterfelde/Metzlaff in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 8. Aufl., § 18 GWB Rz. 48m. w. N.).
c) Die Beschränkung führt selbst dann zur Anwendung der Bestimmung, wenn sie - wie hier dadurch, dass sie nur eine bestimmte Entsorgungsart betrifft und der Beklagten andere Entsorgungsmöglichkeiten grundsätzlich offen lässt - in sachlicher Hinsicht beschränkt ist, solange nur innerhalb dieser sachlichen Grenze der Vertragspartner in seiner Entschließungsfreiheit nicht nur beengt, sondern rechtlich gebunden ist (Fikentscher/Straub in Gemeinschaftskommentar GWB, 4. Aufl., § 18 Rz. 135). Das ist hier der Fall, denn die Beklagte ist durch die Vereinbarung rechtlich und schadensersatzbewehrt gehindert, einen nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kostengünstigen und damit ersichtlich wirtschaftlich besonders attraktiven Entsorgungsweg mit einem anderen Vertragspartner als der Klägerin zu beschreiten.
3. a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Verträge, die dem Schriftformerfordernis des § 34 GWB a. F. unterliegen, grundsätzlich mit ihrem gesamten Inhalt einschließlich aller Nebenabreden schriftlich abgefasst sein müssen, weil nur die schriftliche Abfassung des gesamten Vertragsinhalts den Kartellbehörden und Gerichten die vollständige Erfassung des Ausmaßes, der Tragweite und der Auswirkungen der abgesprochenen Wettbewerbsbeschränkungen gestattet und damit eine sichere Grundlage für die Prüfung unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten bietet (vgl. BGH v. 14.11.1978 - KZR 24/77, BGHZ 72, 371 [377] - Butaris; Urt. v. 9.11.1982 - KZR 26/81, MDR 1983, 376 = WuW/E BGH 1980 = GRUR 1983, 138 [139] - Ingenieurvertrag; v. 7.7.1992 - KZR 28/91BGHZ 119, 112 [114] = MDR 1993, 334 = CR 1993, 205 - Änderungsvertrag; Urt. v. 11.3.1997 - KZR 44/95, MDR 1997, 867 = WuW/E 3110, 3111 = GRUR 1997, 482 - Magic Print; Urt. v. 17.3.1998 - KZR 42/96, WuW/E DE-R 138, 140 = GRUR 1998, 838 - Lizenz- und Beratungsvertrag, jew. m. w. N.; Urt. v. 9.3.1999 - KZR 23/97, MDR 1999, 950 = GRUR 1999, 602 Markant). Lediglich völlig unbedeutende Nebenabreden, die schlechterdings keinen Einfluss auf die Entscheidung der Kartellbehörden oder der Gerichte haben können, brauchen nicht schriftlich niedergelegt zu werden (BGH BGHZ 54, 145 [148 f.] - Biesenkate; Urt. v. 12.5.1976 - KZR 17/75, WuW/E 1426 - Celler Imbiss; Urt. v. 17.3.1998 - KZR 42/96, WuW/E DE-R 138, 140 = GRUR 1998, 838 - Lizenz- und Beratungsvertrag, jew. m. w. N.). Aus diesem Gesetzeszweck ergibt sich die Notwendigkeit der vollständigen Wiedergabe des Vereinbarten, was insbesondere bei der Niederlegung der Regelungen in mehreren Urkunden deren Bezugnahme erfordert.
b) Ob die danach einzuhaltende Schriftform gewahrt ist, hat das Berufungsgericht offen gelassen. Die Revision macht mit Recht geltend, dass dies nicht der Fall ist. Dies kann der Senat auf Grund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen, insbesondere der mittelbaren Verweisung auf den Entwurf v. 23.7.1996, selbst abschließend beurteilen.
Zutreffend verweist die Revision darauf, dass dann, wenn auch der Entwurf v. 23.7.1996 Vertragsinhalt geworden ist, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und für das Revisionsverfahren bindend festgestellt hat, nicht der gesamte Vertragsinhalt, sondern nur der am 1./2.8.1996 schriftlich niedergelegte Inhalt der Vereinbarung durch Unterschrift der Vertragsparteien gedeckt ist. Der Revision ist auch darin beizutreten, dass es an jeglicher Bezugnahme auf den Entwurf v. 23.7.1996 fehlt. Nach der revisionsrechtlich bindenden Auslegung der Vereinbarung insgesamt enthält diese neben der durch die Unterschriften der Parteien gedeckten Ausschließlichkeitsbindung eine weitere, inhaltlich selbständige und über die erste hinausgehende Absprache. Auch diese musste deshalb entweder von der Unterschrift der Vertragsparteien gedeckt oder in der unterzeichneten Urkunde in Bezug genommen sein. Weder das eine noch das andere ist hier der Fall.
c) Dass es in der Folgezeit nicht zum Abschluss eines Entsorgungsvertrags zwischen den Parteien gekommen ist, ist schon deshalb ohne Bedeutung, weil der Regelungsgehalt bei Abschluss der Vereinbarung v. 1./2.8.1996 maßgebend ist; zu diesem Zeitpunkt bestand aber die nahe liegende Möglichkeit des Abschlusses eines Entsorgungsvertrags, der von den Parteien angestrebt war. Aus der demgegenüber von der Revisionserwiderung angeführten "Auflockerungsrechtsprechung" (BGH, Urt. v. 23.2.2000 - XII ZR 251/97, NJW-RR 2000, 744m. w. N.) kann schon deshalb nichts Anderes hergeleitet werden, weil sie nur nachträgliche Änderungen einmal formwirksam abgeschlossener Vereinbarungen betrifft. An einem solchen formwirksamen Abschluss fehlt es hier bereits.
Fundstellen
Haufe-Index 1070885 |
DB 2004, 1147 |
BGHR 2004, 172 |
GRUR 2004, 73 |
WM 2004, 346 |
MDR 2004, 404 |
Mitt. 2004, 92 |
WuW 2004, 53 |