Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung des rechtsgeschäftlichen Verhaltens des Schuldners, der bei der Abtretung einer Forderung mitwirkt.

 

Normenkette

BGB § 404

 

Verfahrensgang

OLG Hamm

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Mai 1972 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision an den 11. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Beide Parteien hatten im Juni 1970 Werklohnforderungen gegen Bauarbeiten an einer Bauprojekt mit mehreren Häusern gegen den Kaufmann K…, die Klägerin in Höhe von etwa 100.000 DM. Nachdem K… damals in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, verkaufte er am Sonntag, dem 28. Juni 1970, einen Teil der unfertigen Häuser an den Beklagten um 1,3 Millionen DM. Der Kaufvertrag wurde von dem Zeugen Notar B… beurkundet. § 3 Abs. 2 und 3 des Kaufvertrags lautet:

„Auf den Kaufpreis werden die von den Grundpfandgläubigern per 30. Juni 1974 ausgezahlten Teilvaluten nebst Zinsen und Nebenkosten und die von den Letzterwerbern an den Erschienenen an Erscheinen zu 1) erbrachten Leistungen (Zahlungen und reale Eigenleistungen) im geschätzten Gesamtbetrag von 1.100.000 DM angerechnet. Der Erschiene zu 1) (K…) ist verpflichtet, die vorgenannten Leistungen innerhalb von drei Wochen ab heute nachzuweisen. Der endgültige Abrechnungsbetrag wird sodann in einer Ergänzungsverhandlung festgelegt.

Sollte nach Festlegung des endgültigen Anrechnungsbetrages ein zu zahlender Betrag an Kaufpreis verblieben, ist dieser nach dem Vorliegen aller Gebrauchsabnahmescheine und Auszahlungen der Restvaluten, spätestens aber an 31. Dezember 1971 zur Zahlung fällig.”

In § 7 des Vertrags ist ausgeführt, der Käuferin (Beklagten) stehe gegen den Verkäufer (K…) eine Werkvertragsforderung von etwa 100.000 DM zu, die Käuferin sei berechtigt, diese Forderung vom Kaufpreis abzusetzen. Gleichzeitig wurden die Grundstücke aufgelassen und eine Vormerkung bewilligt.

Der Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin suchte am 30. Juni 1970 mit K… und dem Geschäftsführer der Beklagten den Zeugen B… auf, der folgende Urkunde aufnahm (in ihr ist K…, als der Erschienene zu 1), die Beklagte als die Vertretene zu 3) und die Klägerin als die Vertretene zu 2) bezeichnet):

„Die Erschienenen und Vertretenen zu 1) und 2) baten um die Beurkundung des nachstehenden Abtretungsvertrages und erklärten:

§ 1

Der Erschienene zu 1) und die Vertretene zu 3) haben am 28. Juni 1970 (Urk.-Rolle Nr. 223/70 des amtierenden Notars) einen Grundstückskaufvertrag mit Auflassung geschlossen. Aus diesem Kaufvertrag steht dem Erschienenen zu 1) gegen die Vertretene zu 3) einen in bar zu entrichtenden Teil an Kaufpreisforderung in vorläufig ermittelter Höhe von 200.000 DM zu, der spätestens am 31. Dezember 1971 zur Zahlung fällig ist. Der Erschienene zu 1) und die Vertretene zu 3) versichern, daß der vorgenannte Betrag mit bestmöglicher Genauigkeit ermittelt wurde.

§ 2

Von seiner im § 1 genannten Forderung tritt der Erschienene zu 1) hiermit an die Vertretene zu 2) im Hinblick auf deren fällige Forderung einen Betrag von 85.746,90 DM (in Worten Fünfundachtzigtausendsiebenhundertsechsundvierzig 90/100 Deutsche Mark) nebst den Kontokorrentzinsen ab, welche die Vertretene zu 2) jeweils an die Kreissparkasse H… zu zahlen hat. Dieser Zinssatz beträgt gegenwärtig 10,5% Jahreszinsen. Die Zinsverpflichtung beginnt mit dem 1. August 1970. Die Abtretung erfolgt erstrangig. Die Vertretene zu 3) hat aus dem Kaufpreisteil von 200.000 DM also bei Fälligkeit zuerst die Vertretene zu 2) zu befriedigen.

§ 3

Der Erschienene zu 1) und die Vertretene zu 3) sind darüber einig, daß der Betrag von 14.700 DM (in Worten Vierzehntausendsiebenhundert Deutsche Mark), den Frau Elisabeth T… geb. W…, S…, Bielefelder Str. …, an den Erschienenen zu 1) gezahlt hat, von der Vertretenen zu 3) als Zahlung an sich anerkannt wird.

§ 4

Die Vertretene zu 2) verpflichtet sich, gegen den Erschienenen zu 1) keine Zwangsmaßnahmen wegen der fälligen Forderung in Höhe von 85.746,90 DM nebst Zinsen zu ergreifen. Als Zwangsmaßnahmen im Sinn dieser Vereinbarung gelten Zahlungsbefehlsanträge, Klagen und Vollstreckungsmaßnahmen.

Der Erschienene zu 1) und die Vertretene zu 2) gehen übereinstimmend davon aus, daß die fällige Forderung der Vertretenen zu 2) grundsätzlich richtig ermittelt wurde, aber noch der üblichen Überprüfung durch den zuständigen Architekten bedarf.

§ 5

Die Vertretene zu 3) stimmt diesem Vertrag mit der Maßgabe zu, daß sie die Abtretung gewissenhaft beachten wird … .”

Nach Eintragung der Beklagten als Eigentümerin der verkauften Grundstücke am 16. Juli 1970 schlossen K… und die Beklagte in Ausführung des Kaufvertrages am 22. Juli 1970 einen „Ergänzungsvertrag”, in dem sie in § 1 niederlegten:

§ 1

„Der endgültige Anrechnungsbetrag gemäß § 3 des Vertrages vom 28. Juni 1970 beträgt 1.249.275 DM …. Da der Kaufpreis insgesamt 1.300.000 DM ausmacht, beträgt die Forderung des Erschienen zu 1) gegen die Vertretene zu 2) also 50.725 DM …

Die Werkvertragsforderung der Vertretenen zu 2) gegen den Erschienenen zu 1), die im § 7 der Vertrages vom 28. Juni 1970 mit etwa 100.000 DM … angegeben worden ist, beträgt insgesamt 200.500 DM … .”

Das am 28. Juli 1974 eröffnete Konkursverfahren gegen K… wurde später mangels Masse eingestellt. Am 31. Juli 1970 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß nach dem Abrechnungsvertrag durch die endgültige Aufrechnung zwischen K… und ihr festgestellt worden sei, ein Restkaufpreis zugunsten der Firma K… sei nicht mehr vorhanden.

Die Klägerin, die zuerst 85.786,90 DM verlangte, begehrt jetzt noch die Zahlung von 50.725 DM nebst Zinsen zum 31. Dezember 1971.

Das Landgericht hat entsprechend dem Klageantrag erkannt, das Oberlandesgericht dagegen die Klage abgewiesen.

Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

1. Den Einwand der Beklagten, die von ihr im Kaufvertrag übernommenen Verbindlichkeiten seien in Wirklichkeit 1,4 Millionen gewesen und bei genauer Nachrechnung habe sich endgültig herausgestellt, daß K… überhaupt keine Geldforderung mehr gegen sie gehabt habe, läßt das Berufungsgericht nicht gelten. Die Restkaufpreisforderung im Sinn des § 3 des Kaufvertrags habe entsprechend der Einigung zwischen den Kaufvertragsparteien am 22. Juli 1970 sonach 50.725 DM betragen. Diese Forderung sei jedoch, führt das Berufungsgericht weiter aus, erloschen, und zwar durch Aufrechnung seitens der Beklagten mit ihrer Werklohnforderung. Die Beklagte habe nach § 7 des Kaufvertrages ihre (jedenfalls 50.000 DM weit überschreitende) Werklohnforderung von der Restkaufpreisforderung „absetzen dürfen”.

Nicht eindeutig ist festgestellt, ob diese Aufrechnung vor der Abtretung (gegenüber dem Zedenten K…) oder nach der Abtretung (gegenüber der Klägerin als neue Gläubigerin, § 406) stattgefunden hat. Die Ausführungen auf S. 11 unter 1. erster Absatz, und auch auf Seite 12 erster Absatz am Ende deuten auf eine Aufrechnung vor der Abtretung. Nach den Feststellungen auf Seite 11 unten / 12 oben über die Restkaufpreisforderung gemäß dem Abrechnungsvertrag vom 22. Juli 1970 und auf Seite 14 oben über die „noch abzusetzende” Gegenforderung ist dagegen nach der Abtretung aufgerechnet worden. Das Berufungsgericht geht danach offensichtlich davon aus, daß die Aufrechnung nach der Abtretung der Restkaufpreisforderung erfolgt ist. Von einer (im übrigen nicht näher festgestellten) Aufrechnung nach der Abtretung geht auch die Revision aus.

2. Ferner sieht das Berufungsgericht die weiteren Behauptungen der Beklagten, vor der Abtretung sei davon gesprochen worden, daß ihre eigene Forderung auf jeden Fall von der noch offenen – auf 200.000 DM bestmöglich ermittelten – Restkaufsumme habe abgerechnet werden und die Zession sich nur auf den verbleibenden Teil der Kaufsumme habe beziehen sollen, und sie habe bei den Vertragsverhandlungen am 30. Juni 1970 offen erklärt, daß sie mit ihrer Werklohnforderung gegen die Kaufpreisforderung von K… (noch) aufrechnen könne, nicht als erwiesen an.

Es erhebt sich sonach die Frage, ob die Klägerin eine nach der Abtretung der Restkaufpreisforderung vollzogene Aufrechnung der Beklagten mit deren Werklohnforderung sich als Zessionarin (§ 406 BGB) entgegenhalten lassen muß oder ob der Beklagten eine solche Aufrechnung wegen ihrer Mitwirkung bei dem Abtretungsgeschäft gegenüber der Zessionarin versagt ist. Dazu bedarf es der Auslegung der in dar notariellen Urkunde vom 30. Juni 1970 abgegebenen Erklärungen in Bezug auf die Mitwirkung und das Verhalten der Beklagten.

3. a) Das Berufungsgericht prüft den unter Mitwirkung der Beklagten geschlossenen Abtretungsvertrag unter dem Gesichtspunkt der Übernahme einer Garantie des Inhalts, daß die Beklagte auf jeden Fall eine nach der vorgesehenen Abrechnung sich ergebende Restkaufpreisforderung zu zahlen habe. Diese Auslegung lehnt es ab, da dies dem Wortlaut des Vertrags nicht zu entnehmen sei. Mangels jeglichen Verpflichtungswillens auf seiten der Beklagten habe diese aber auch kein selbständiges Anerkenntnis abgegeben. Ein Verzicht auf die Aufrechnung mit der eigenen Forderung scheide aus, weil man sich doch darüber stillschweigend im klaren gewesen sei, daß die Beklagte ihre Werklohnforderung „von dem Kaufpreis absetzen werde”, wenn auch die Klägerin ihrerseits davon ausgegangen sei, daß bei den – im Abtretungsvertrag – genannten Zahlen diese Forderung bereits abgesetzt sei.

b) Die Revision vermißt bei dieser rechtlichen Würdigung die Überprüfung der seitens der Beklagten in dem Vertrag abgegebenen Erklärungen unter dem Gesichtspunkt des bestätigenden (deklaratorischen) Schuldanerkenntnisses (vgl. RG JW 1909, 48; BGH WM 1962, 742; LM BGB § 404 Nr. 11 mit Nachweisen; Marburger, Betrieb 1973, 2125, 2128 je zum „bestätigenden Anerkenntnis” des Schuldners gegenüber dem Zessionar; Reinicke, NJW 1970, 885; Möschel, Betrieb 1970, 913), durch welches ein bereits vorhandenes Schuldverhältnis durch Erklärung des Schuldners dem Streit der Parteien entrückt oder aber, wie im Zessionsfalle, nach dem Sinn und Zweck des Anerkenntnisses auch nur Ungewißheiten des neuen Gläubigers durch eine solche Erklärung behoben werden sollen. Das Berufungsgericht habe, macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, insbesondere nicht berücksichtigt, daß es der Klägerin nach ihrem unter Beweis gestellten Sachvortrag beim Abschluß des Abtretungsvertrags eben auf eine solch Schuldbestätigung angekommen sei.

Die Rüge ist begründet. Dazu kommt, daß bei der Auslegung des Abtretungsvertrags, an dem die Beklagte als Schuldnerin der abgetretenen Forderung mitgewirkt hat, nicht allein auf den (inneren) Willen eines Vertragspartners abgestellt werden darf, vielmehr der Vertrag so auszulegen ist, wie Treu und Glaube mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 ZPO).

Die Erklärungen der Beklagten müssen unter diesen Gesichtspunkten gewürdigt werden. Ein bestätigendes Schuldanerkenntnis kann angesichts der in dem Vertrag getroffenen Feststellungen, denen die Beklagte gemäß § 5 ausdrücklich zugestimmt hat, zur Folge haben, daß die Beklagte sich gegenüber der Klägerin nicht mehr auf eine nachfolgende Aufrechnung mit ihrer Werklohnforderung gegen die abgetretene Restkaufpreisforderung, wie sie unter Berücksichtigung des nach § 3 des Saufvertrags endgültig errechneten „Anrechnungsbetrags” bestimmt worden ist (50.725 DM), berufen kann. Die Besonderheit läge im vorliegenden Fall darin, daß nicht die Höhe der bestehenden Restkaufpreisforderung in einem absoluten DM-Betrag festgestellt worden ist, sondern dieser Betrag nach einem bestimmten, der Zessionarin aber nicht bekannt gegebenen Abrechnungsmodus festgestellt werden sollte und gleichzeitig die Beklagte (Schuldnerin) der Zessionarin versicherte (§ 1 Satz 3 in Verbindung mit § 5), daß ein bestimmter, vorläufig ermittelter und in bar zu entrichtender „Teil an Kaufpreisforderung”, nämlich 200.000 DM, „mit bestmöglicher Genauigkeit” – zwischen dem Zedenten und der Schuldnerin – ermittelt worden sei. In § 2 Satz 4 und 5 des Vertrags ist beigefügt, die Abtretung erfolge erstrangig, die Beklagte (Schuldnerin) habe also aus dem Kaufpreisteil von 200.000 DM bei Fälligkeit zuerst die Zessionarin zu befriedigen. Auf der andern Seite verpflichtete sich aber auch die Klägerin (Zessionarin); gemäß § 4 mußte sie in Höhe der abgetretenen Forderung gegenüber der Schuldnerin stillhalten. Hier ist maßgebend, ob die Beklagte der Klägerin bei einer solchen Art von „Schuldbestätigung” zum Ausdruck gebracht hat, sie werde gegenüber der abgetretenen Forderung in Anbetracht des Umstands, daß sie ihre Gegenforderung schon aufgerechnet habe, nicht mehr aufrechnen. Dabei ist insbesondere die Interessenlage des konkursgefährdeten Zedenten und der Beklagten, die durch den Grundstückskauf ihre Werklohnforderung einbringen wollte, auf der einen Seite und der Klägerin auf der andern Seite zu berücksichtigen (vgl. BGH LM BGB § 404 Nr. 11). Dazu gehört im vorliegenden Fall auch das Interesse, das die Beklagte an der Stillhaltung der Klägerin hatte, und das zusammen mit dem Interesse der Klägerin, über die zedierte Forderung Aufklärung zu erhalten, ein maßgebender Grund für die Zuziehung der Schuldnerin zu dem notariellen Akt gewesen sein konnte.

Das angefochtene Urteil kann daher mit der gegebenen Begründung nicht aufrecht erhalten werden. Die Sache ist zwecks Auslegung des Vertrags vom 30. Juni 1970 nach Maßgabe der aufgewiesenen Gesichtspunkte an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, und zwar unter Anwendung von § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Klägerin wird bei der erneuten Verhandlung Gelegenheit haben, ihre weiteren Rügen zur Frage der durch die Abtretung entstandenen Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien (vgl. S. 14 BU und dazu Strecker, BB 1975, 479; Marburger a.a.O. S. 2130 f.) zur Sprache zu bringen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609400

WM 1975, 1278

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?