Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das am 22. Januar 1999 verkündete Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben, soweit die Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von mehr als 6.229,34 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Der Rechtsstreit wird insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin bestellte bei der Beklagten eine Bandkantenbearbeitungsanlage mit Blockstrehler unter Bezugnahme auf ein schriftliches Angebot der Beklagten. Die Beklagte bestätigte diese Bestellung mit schriftlicher Auftragsbestätigung.
Die Maschine wurde geliefert. Die Klägerin machte in der Folgezeit Mängel geltend. Sie legte ein von ihr eingeholtes Sachverständigengutachten vor, wonach die Beseitigung von Mängeln der Maschine einen Aufwand von 785.310,– DM erfordere. Ihre Klage, mit der sie die Zahlung dieses Betrages und die Feststellung verlangt hat, daß die Beklagte auch weiteren noch nicht bezifferbaren Aufwand zur Beseitigung von Mängeln zu tragen habe, hat das Landgericht abgewiesen, weil die Forderung der Klägerin verjährt sei. Insoweit ist das landgerichtliche Urteil rechtskräftig geworden.
Die Beklagte macht widerklagend ihren der Höhe nach unstreitigen Anspruch auf Zahlung des restlichen Werklohns geltend. Hiergegen hat die Klägerin mit einem Teil ihrer Klageforderung aufgerechnet.
Das Landgericht hat der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Zwar leide das erstinstanzliche Urteil an einem Verfahrensfehler, weil die von ihm angenommene Verjährung der Gewährleistungsansprüche die Aufrechnung mit der Widerklageforderung nicht ausgeschlossen habe. Das angefochtene Urteil beruhe jedoch nicht auf diesem Verfahrensfehler. Die Aufrechnung gegen den restlichen Werklohnanspruch der Beklagten scheitere nämlich daran, daß gemäß III. 3 der „Bedingungen für die Lieferung von Werkzeugmaschinen für Inlandsgeschäfte” (im folgenden VDW-Bedingungen) die Aufrechnung mit streitigen Gegenansprüchen gegen den Werklohnanspruch der Beklagten nicht statthaft sei.
Mit der Revision erstrebt die Klägerin die vollständige Abweisung der Widerklage. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Der Senat hat die Revision angenommen, soweit die Klägerin zur Zahlung von mehr als 6.229,34 DM (für Nachschulung und Überprüfungsaufwand) nebst Zinsen verurteilt worden ist, im übrigen hat er die Revision nicht angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat in dem Umfang, in dem sie angenommen worden ist, Erfolg. Sie führt in diesem Umfang zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die VDW-Bedingungen seien Vertragsbestandteil geworden. Das Angebot der Beklagten habe ausdrücklich den Hinweis enthalten „nach VDW-Bedingungen, Bl. 502”. Die Klägerin habe sich in ihrer Bestellung auf dieses Angebot der Beklagten bezogen. Zwar seien auch in der Bestellung der Klägerin Geschäftsbedingungen aufgeführt. Die Frage der Aufrechnung werde in diesen Geschäftsbedingungen aber nicht behandelt. Allerdings sei unter dem Stichwort „anderslautende Bedingungen” folgender Text vorgesehen:
„Anderslautende Bedingungen – soweit sie nicht in dieser gesamten Bestellung festgelegt sind – gelten nicht.”
Die Beklagte habe aber mit ihrer Auftragsbestätigung sich wiederum auf die VDW-Bedingungen bezogen. Es sei zweifelhaft, könne aber unentschieden bleiben, ob die VDW-Bedingungen Vertragsbestandteil geworden seien, weil sie zuletzt von der Beklagten in Bezug genommen worden seien und die Klägerin dem nicht widersprochen habe, oder ob sie nur insoweit Geltung hätten, wie sie zu den Bedingungen der Klägerin nicht in Widerspruch stünden. Da die Frage des Aufrechnungsausschlusses nicht Gegenstand des Regelungswerks der Klägerin sei, bestehe kein Widerspruch zu den VDW-Bedingungen. Es handele sich deshalb nicht um „anderslautende Bedingungen” im Sinne der wiedergegebenen Abwehrklausel in der Bestellung der Klägerin.
2. Dies rügt die Revision. Das Berufungsgericht habe die Erklärungen der Parteien insoweit unvollständig und damit verfahrensfehlerhaft gewürdigt. Die Abwehrklausel der Klägerin in ihrer Bestellung bringe unmißverständlich den Widerspruch der Klägerin gegen die VDW-Bedingungen zum Ausdruck. Es komme entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob das Regelwerk der Klägerin in einzelnen Punkten in Widerspruch zu den VDW-Bedingungen stünde, Vertragsbestandteil seien allenfalls die übereinstimmenden Regelungen geworden.
3. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die VDW-Bedingung, die das Aufrechnungsverbot vorsah, ist nicht Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages geworden.
a) Mit Recht ist allerdings das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin gemäß §§ 639 Abs. 1, 478 Abs. 1 Satz 1, 479 Satz 1 BGB mit ihren Ansprüchen aufrechnen konnte, weil die Klägerin die Mängel, auf die sie ihre Klageforderung gestützt hat, in unverjährter Zeit gerügt hatte.
Die vom Landgericht festgestellte Verjährung der Gewährleistungsrechte der Klägerin schloß weder die Einbehaltung des noch offenen restlichen Werklohns (§§ 639 Abs. 1, 478 Abs. 1 Satz 1, 479 BGB) noch die Aufrechnung mit einem Vorschußanspruch auf die Mängelbeseitigungskosten nach § 633 Abs. 3 BGB oder einen Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB aus.
b) Das Berufungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, daß die zur Aufrechnung gestellte Forderung der Klägerin hinreichend bestimmt ist. Es hat jedoch die Aufrechnung deshalb nicht durchgreifen lassen, weil diese durch die VDW-Bedingungen ausgeschlossen seien.
c) Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist daher ausschlaggebend, ob das Aufrechnungsverbot gemäß VDW-Bedingungen Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien geworden ist. Ist es Vertragsbestandteil geworden, so steht § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG der Wirksamkeit nicht entgegen, denn das Aufrechnungsverbot bezog sich nur auf streitige Forderungen, die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Forderungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach Grund und Höhe streitig.
Die Bezugnahme auf die VDW-Bedingungen war sowohl in dem Angebot der Beklagten als auch in ihrer Auftragsbestätigung enthalten. Aus der Bestellung der Klägerin ergab sich jedoch ihr Widerspruch gegen die VDW-Bedingungen insgesamt.
Das Berufungsgericht hat die Bestellung der Beklagten nicht als einen vorweggenommenen Widerspruch angesehen, weil das Regelwerk der Klägerin zur Frage des Aufrechnungsverbots des Auftraggebers gegen den Werklohnanspruch des Auftragnehmers keine widersprechende Regelung enthalte. Es handele sich damit auch nicht um „anderslautende Bedingungen”, die aufgrund des ausdrücklichen Hinweises der Klägerin in ihrer Bestellung nicht hätten gelten sollen.
Die Vertragsauslegung gehört zwar grundsätzlich mit in den Bereich der Tatsachenfeststellung. Sie ist aber nicht ausschließlich dem Tatrichter vorbehalten. Sie kann in der Revisionsinstanz – eingeschränkt – unter anderem darauf überprüft werden, ob etwa wesentliches Auslegungsmaterial außer acht gelassen wurde (Sen.Urt. v. 25.02.1992, X ZR 88/90, NJW 1992, 1967 unter Hinweis auf die st. Rspr.).
Danach erweist sich die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung als rechtsfehlerhaft, denn sie erfaßt nicht den gesamten Inhalt der Erklärung der Klägerin. Diese erschöpft sich nämlich nicht darin, daß „anderslautende Bedingungen”, mithin solche, die den von der Klägerin aufgestellten Bedingungen ausdrücklich widersprachen, nicht gelten sollten. Sie lautet vielmehr vollständig, „anderslautende Bedingungen – soweit sie nicht in dieser gesamten Bestellung festgelegt sind – gelten nicht”. Daraus folgt aber, daß die Klägerin im Sinne einer allgemeinen Abwehrklausel nur die eigenen Bedingungen, nicht aber andere, die nicht in ihrem Regelwerk festgelegt waren, also auch nicht solche, die überhaupt nicht ausdrücklich erwähnt waren, gelten lassen wollte. Die Klägerin hat damit auch für die Beklagte unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß ihre Bedingungen für sämtliche Bestellungen gelten sollten und für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Lieferanten kein Raum sei; daraus ergibt sich der Wille der Klägerin, die Verkaufsbedingungen ihrer Lieferanten auszuschließen (BGH, Urt. v. 19.06.1991 – VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633, 2634/2635). Durch eine allgemein gehaltene Abwehrklausel sollen grundsätzlich nicht nur widersprechende, sondern auch zusätzliche ergänzende Klauseln ausgeschlossen werden (BGH, Urt. v. 20.03.1985 – VIII ZR 327/83, NJW 1985, 1838, 1840; vgl. auch Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 2 Rdn. 80).
Die Bestellung der Klägerin enthielt insoweit ein modifiziertes Angebot an die Beklagte, das diese allerdings durch ihre Auftragsbestätigung nicht angenommen, sondern durch die Wiederholung ihres früheren Angebots wiederum modifizieren wollte. Allein in der widerspruchslosen Hinnahme der modifizierten Auftragsbestätigung liegt grundsätzlich keine stillschweigende Annahmeerklärung (BGHZ 61, 282, 287 f.; BGH, Urt. v. 22.03.1995 – VIII ZR 20/94, NJW 1995, 1671 unter Hinweis auf die st. Rspr. d. BGH). Offengelassen wird in der letztgenannten Entscheidung die Frage, ob ausnahmsweise etwas anderes zu gelten hat, wenn die Auftragsbestätigung nicht nur der Vertragsannahme, sondern auch zu Beweiszwecken der Niederlegung von Vertragsmodalitäten dient, über die bereits für den Fall des Zustandekommens des Vertrages Einigung erzielt worden ist. Ein solcher Fall liegt, wie in dem dort entschiedenen, so auch hier nicht vor. Wie in derselben Entscheidung weiter ausgeführt wird, kann unter Umständen auch in der widerspruchslosen Entgegennahme der vertragsgemäßen Leistung eine Annahme des geänderten Angebots der Gegenseite gesehen werden. Eine solche Annahme verbietet sich jedoch im vorliegenden Fall in bezug auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sowohl wegen der großen zeitlichen Distanz der Abnahme zur Auftragserteilung der Beklagten (knapp 2 Jahre), als auch wegen der Eindeutigkeit der oben erörterten Abwehrklausel der Klägerin.
II. Da somit die Auffassung des Berufungsgerichts, das Aufrechnungsverbot sei nicht Vertragsbestandteil geworden, nicht von seinen tatsächlichen Feststellungen getragen wird, kommt es darauf an, ob und in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Forderung, die nach Grund und Höhe streitig ist, besteht. Die Sache ist deswegen nicht zur Entscheidung reif.
Das Berufungsgericht mag bei der erneuten Verhandlung auch dem in der Revisionsinstanz in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin erhobenen Einwand nachgehen, der Vertrag sei nicht erst durch den vom Berufungsgericht herangezogenen Schriftwechsel der Parteien, sondern schon früher zustande gekommen.
Bei der erneuten Verhandlung werden die Parteien und das Berufungsgericht auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob die aus Einzelpositionen zusammengesetzte Aufrechnungsforderung ausreichend individualisiert ist und in welcher Reihenfolge mit den Einzelpositionen gegen die Klageforderung aufgerechnet worden ist.
Unterschriften
Rogge, Melullis, Keukenschrijver, Mühlens, Meier-Beck
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.10.2000 durch Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512709 |
BauR 2001, 997 |
NJW-RR 2001, 484 |
LL 2001, 473 |