Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob ein von einem Unternehmensberater erworbenes, noch zu errichtendes Wohnhaus, dessen Keller zu Büroräumen ausgebaut werden sollte, mit einem Fehler behaftet ist, der die Tauglichkeit des Werkes zu dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch erheblich mindert, wenn der für den Unternehmensberater selbst bestimmte Büroraum nicht ganztägig genutzt werden darf.

 

Normenkette

BGB §§ 633-634

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 10.06.1987; Aktenzeichen 11 U 31/87)

LG Bonn (Urteil vom 15.11.1985; Aktenzeichen 10 O 348/85)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Juni 1987 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 15. November 1985 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat auch die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger, der als selbständiger Unternehmensberater in K. tätig ist, verlangt die Rückabwicklung eines Vertrages, durch den er vom Beklagten ein im Bau befindliches Wohnhaus erworben hatte. Die Parteien streiten darüber, ob die vertraglich vereinbarte gewerbliche Nutzung der Kellerräume durch eine teilweise Absenkung des Kellerfußbodens erreicht werden kann.

Im Jahre 1983 errichtete der Beklagte in N.-S. fünf Einfamilienhäuser, die er während der Bauzeit zum „Verkauf” anbot. Der Kläger, der sich für das später von ihm erworbene Eigenheim interessierte, äußerte dem Beklagten gegenüber, daß er die Kellerräume als Büroräume für seine berufliche Tätigkeit nutzen wolle. Im Juli 1983 übersandte der Beklagte dem Kläger ein „Angebot zur Erstellung eines schlüsselfertigen Einfamilienwohnhauses mit Gewerberäumen” zum Preis von 440.645 DM sowie eine Baubeschreibung für den „Neubau eines Wohnhauses mit Vollunterkellerung und PKW-Garage sowie Kellerausbau mit Büroräumen”. Die Baubeschreibung enthält die Angaben für die Ausgestaltung eines Kopierraums, eines Büros und eines Besprechungsraumes sowie eines WC im Keller des Hauses.

Am 19. Juli 1983 schlossen die Parteien einen notariellen Vertrag über das Grundstück Sch.-Straße 10 und ein zu errichtendes Eigenheim (Wohnhaus mit Büroräumen) ab. Das Formular des Vertrages, das von dem Beklagten in mehreren Fällen verwendet wurde, sieht für die Gewährleistung die Geltung des § 13 VOB/B vor. § 1 Abs. 2 lit. a Satz 2 des notariellen Vertrages nimmt auf die Baupläne und die Baubeschreibung Bezug, die der Beklagte dem Kläger bereits übersandt hatte. Bestandteil der Anlagen zu dem notariellen Vertrag ist eine vom Beklagten aufgestellte „Berechnung der Gewerbenutzflächen”, die folgende Räume umfaßt: Archiv, Büro, Besprechung, WC, Flur und Kopieren/Telex. In der Bauzeichnung für den Keller sind diese Räume ebenfalls enthalten.

Das Gebäude wurde dem Kläger Ende 1983 übergeben, den Kaufpreis hat er bezahlt. Die Schlußabnahme durch die Bauaufsichtsbehörde des R.-S.-Kreises im April 1984 verlief aufgrund verschiedener Beanstandungen fruchtlos; sie ist bisher nicht durchgeführt. Der Kläger nutzt die im Keller vorhandenen Räume zur Ausübung seines Berufes.

Im Juni 1984 beantragte der Beklagte bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde die erforderliche Baugenehmigung für die Nutzung der in der Bauzeichnung als gewerbliche Räume ausgewiesenen Kellerräume für Bürozwecke. Das Bauaufsichtsamt erteilte dem Beklagten am 23. Oktober 1984 die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung eines Büros im Kellergeschoß mit folgender Auflage:

„Im Bürobereich ist der Fußboden um mindestens 0,20 m abzusenken, so daß eine lichte Höhe von mindestens 2,37 vorhanden ist. Die übrigen Räume im Kellergeschoß sind keine Aufenthaltsräume”.

Das Angebot des Beklagten, den Fußboden des Büros in dem vom Bauaufsichtsamt geforderten Umfang abzusenken, lehnte der Kläger ab. Im Juli 1986 erteilte das Bauaufsichtsamt dem damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers u. a. folgende Auskunft:

„Mit Datum vom 23. Oktober 1984 wurde Herrn V. … (Beklagter) die Baugenehmigung zur Errichtung eines Büroraumes mit Nebenräumen erteilt. Grundlage der Genehmigung war die Einrichtung eines Büroraumes für eine freiberufliche Tätigkeit, die weder die ganztägige Nutzung des Büros noch die Beschäftigung von Arbeitnehmern beinhaltet. Die Genehmigung wurde unter der Auflage erteilt, die lichte Höhe des Raumes zu vergrößern. Die von Ihrem Mandanten beabsichtigte Nutzung ist durch diese Genehmigung jedoch nicht abgedeckt, da sie über den Rahmen der wohnartigen Nutzung hinausgeht …. Eine Genehmigung der beabsichtigten Nutzung kann daher nicht in Aussicht gestellt werden …”.

Das Landgericht hat der Wandelungsklage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.

Mit seiner – angenommenen – Revision, deren Zurückweisung der Beklagte erbittet, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Wandelung mit im wesentlichen folgenden Erwägungen verneint:

Es könne dahinstehen, ob § 13 VOB/B wirksam vereinbart worden sei, weil die für einen Anspruch auf Wandelung nach § 13 VOB/B oder nach § 634 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BGB erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Der Kläger habe seine Aufforderungen zur Mängelbeseitigung nicht mit einer Ablehnungsandrohung verbunden. Diese Erklärung sei deshalb erforderlich, weil eine Mängelbeseitigung möglich sei.

Nachbesserung sei nur dann unmöglich, wenn die vertraglich vereinbarte Funktion des Werkes durch Nachbesserungsmaßnahmen nicht erreichbar sei. Das sei hier „jedoch nur scheinbar” der Fall, denn bei sachgerechter Auslegung des Vertrages müsse der Anspruch auf die gewerbliche Nutzung der Kellerräume den tatsächlich gegebenen Möglichkeiten in der Weise angepaßt werden, daß die vom Beklagten angebotene Absenkung des Bodens im Büroraum als geeignete Nachbesserungsmaßnahme anzusehen sei. Dem Kläger sei die mit der Bodenabsenkung um etwa 20 cm auf einer Länge von 5,2 m verbundene weitgehende Umgestaltung des Büroraumes zuzumuten, weil ihm bekannt gewesen sei, daß das im Bau befindliche Gebäude im Kellerbereich habe umgeplant werden müssen. Die vom Bauaufsichtsamt mit der Baugenehmigung für die Kellerräume erteilte Auflage, daß die Nutzung der Büroräume weder den ganztägigen Aufenthalt des Klägers noch die Beschäftigung von Arbeitnehmern umfasse, beeinträchtige die Berufsausübung des Klägers nicht. Bei einem Unternehmensberater sei davon auszugehen, daß er einen Teil seiner Arbeitszeit in den Betrieben seiner Mandanten verbringe.

II.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

Der Anspruch des Klägers auf Wandelung des Werkvertrages ist gemäß § 634 Abs. 2 1. Alternative BGB begründet, weil zumindest die Nachbesserung des Büroraumes unmöglich ist.

1. Für den Wandelungsanspruch des Klägers sind gemäß § 6 Abs. 1 u. 2 AGB-Gesetz die §§ 633 f BGB maßgeblich, weil die Vereinbarung der Parteien, daß die Gewährleistungsregelung des § 13 VOB/B gelten solle, nach § 11 Nr. 10 f AGB-Gesetz unwirksam ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die isolierte Vereinbarung der Gewährleistungsregelung der Verdingungsordnung für Bauleistung Teil B insgesamt unwirksam, wenn sie auf eine vom Unternehmer/Auftragnehmer/Bauträger gestellte Vertragsbedingung zurückgeht (Senatsurteile BGHZ 96, 129, 132 f; 100, 391, 397 f; NJW 1987, 2373, 2374 u. vom 29. September 1988 – VII ZR 186/87 – zur Veröffentlichung bestimmt – jeweils m.w.N.). Hier kommt hinzu, daß die Bestimmungen der VOB/B von vornherein nicht die vom Beklagten übernommenen Architekten- und Ingenieurleistungen erfassen können, um deren Mängel es allein geht (vgl. Senatsurteil BGHZ 101, 369).

2. Die vom Berufungsgericht im Wege der Auslegung vorgenommene Anpassung der vertraglichen Verpflichtungen des Beklagten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Anpassung der nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzung an die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit des Büroraumes auf der Grundlage vom Beklagten angebotenen Nachbesserung verstößt gegen die im Rahmen des § 242 BGB entwickelten Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage und gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Auslegung des Vertrages mit der Möglichkeit der Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verknüpft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der ganz herrschenden Meinung in Schrifttum kommt eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die gegebenen tatsächlichen Umstände dann nicht in Betracht, wenn der Vertrag, dessen Inhalt gegebenenfalls durch Auslegung oder ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln ist, Regeln für die eingetretene Leistungsstörung enthält (vgl. etwa BGHZ 81, 135, 143; 90, 69, 74; BGH NJW 1985, 313, 314 jeweils m.w.N.; Jauernig/Vollkommer, BGB, 4. Aufl., § 242 Anm. V 3 d; Soergel/Teichmann, BGB, 11. Aufl., § 242 Rdn. 223-227; Roth in MünchKomm, 2. Aufl., § 242 Rdn. 519; Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl., § 242 Anm. 6 B b; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 2. Aufl., Seite 282-286 jeweils m.w.N.).

Das ist hier der Fall. Die Art und der Umfang der gewerblichen Nutzung der Büroräume im Keller des Hauses ist mit der Folge Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung geworden, daß auf Mängel der Werkleistung des Beklagten, die zur Beeinträchtigung der Nutzung der Büroräume führen, die gesetzlichen Gewährleistungsregeln der §§ 633 ff BGB anzuwenden sind.

3. Der vertraglich vorausgesetzte Umfang und die Art der Nutzung der Büroräume durch den Kläger ist hier durch Auslegung zu ermitteln, weil die in dem Vertrag enthaltenen Hinweise auf die vertraglich vorausgesetzte Nutzung nicht eindeutig sind. Das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, die durch das Bauaufsichtsamt verfügte Nutzungsbeschränkung für den Büroraum entspreche der vertraglichen Vereinbarung der Parteien, ist mit den gesetzlichen Auslegungsregeln und den Erfahrungssätzen unvereinbar. Der Vertragstext und die für die Auslegung maßgeblichen Begleitumstände lassen nur die Deutung zu, daß jedenfalls der Büroraum durch den Klägerunbeschränkt nutzbar sein sollte. Der Senat kann hier den Vertrag selbst auslegen, weil das Berufungsgericht die hierzu erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen (Senatsurteil BGHZ 65, 107, 112 m.w.N.).

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft (§§ 133, 157 BGB) sein Auslegungsergebnis auf den vermeintlichen Erfahrungssatz gestützt, ein Unternehmensberater verbringe regelmäßig einen Teil seiner täglichen Arbeitszeit in den Betrieben seiner Mandanten, Der Vertragstext enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien eine beschränkte Nutzung des Büroraumes entsprechend den Auflagen des Bauaufsichtsamtes vorausgesetzt haben. Die Planung eines Büroraumes mit den für die Tätigkeit des Klägers erforderlichen Funktionsräumen (einschließlich eines WC's) ist ein gewichtiger Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger jedenfalls den Büroraum ohne jede Einschränkung sollte beruflich nutzen können. Die Auslegung des Berufungsgerichts wäre nur dann möglich, wenn sich aus maßgeblichen Begleitumständen ergäbe, daß die Parteien entgegen den deutlichen Anhaltspunkten des Vertrages eine eingeschränkte Nutzung des Büroraumes vorausgesetzt hätten. Die maßgeblichen Begleitumstände lassen das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts nicht zu, sie sprechen vielmehr dafür, daß zumindest der Büroraum uneingeschränkt nutzbar sein sollte. Schon die vom Kläger für den Ausbau des Kellers mit den Büroräumen aufgewandten Kosten und der Umfang des Ausbaus sprechen gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe die genannten Nutzungsbeschränkungen des Büroraumes in Kauf genommen. Auch der vom Berufungsgericht genannte Erfahrungssatz ist nicht geeignet, die von ihm angenommene einvernehmliche Nutzungsbeschränkung zu stützen, denn einen derartigen Erfahrungssatz gibt es nicht. Die Lebenserfahrung spricht vielmehr dafür, daß ein Unternehmensberater ein uneingeschränkt nutzbares Büro benötigt, weil Zeit und Ort seiner Tätigkeit weitgehend von nicht vorhersehbaren Gegebenheiten des Auftrags im jeweiligen Einzelfall abhängt, so daß er möglicherweise seinen Beruf auch ganztägig in seinen Büroräumen ausüben muß.

In Hinblick auf diesen von beiden Parteien vertraglich vorausgesetzten Gebrauch des Büroraumes ist das Werk mit einem wesentlichen Mangel behaftet, dessen Beseitigung unmöglich ist (§ 634 Abs. 2 BGB). Eine Nachbesserung ist dann unmöglich, wenn der Mangel durch die technisch und rechtlich möglichen Maßnahmen nicht behoben werden kann oder wenn die zur Beseitigung der Mangelfolgen geeignete Maßnahme die Grundsubstanz oder die Konzeption des Werkes nicht unwesentlich verändert (vgl. etwa Senatsurteil NJW 1981, 1448; Ingenstau/Korbion, VOB, 10. Aufl., B § 13 Rdn. 190 m.w.N.).

Das ist hier der Fall. Das Werk war von Anfang an mit einem Mangel i.S.d. § 633 Abs. 1 BGB behaftet, dessen Nachbesserung objektiv nicht möglich ist, weil die Parteien eine tatsächliche Ausführung des Kellers vereinbart haben, die für die vertraglich vorausgesetzte Nutzung ungeeignet ist. Auf einen derartigen Fall sind nach der Rechtsprechung des Senats die Gewährleistungsregeln der §§ 633 ff BGB und nicht die §§ 306 f BGB anzuwenden, weil die werkvertraglichen Gewährleistungsvorschriften insoweit Sonderregeln sind, die die §§ 306 ff BGB ausschließen (Senatsurteil BGHZ 54, 236, 238 m.w.N.). Eine Nachbesserung des Mangels ist nicht möglich. Der vertragsgemäße Zustand ist mit der geplanten Absenkung des Bodens – der einzig möglichen Nachbesserungsmaßnahme – nicht zu erreichen. Es steht fest, daß der Büroraum aufgrund der vom Bauaufsichtsamt erteilten Auflage auch nach der Absenkung des Bodensnicht ganztägig genutzt werden darf. Überdies ist die Maßnahme, das Absenken des Bodens, keine geeignete Nachbesserungsmaßnahme i.S.d. § 634 Abs. 1 BGB, weil sie eine wesentliche Veränderung der vertraglich vereinbarten Bauausführung zur Folge hat und im Hinblick auf die bautechnischen und bauphysikalischen Risiken für den Kläger unzumutbar ist. Diese Risiken bestehen in den mit der Maßnahme unvermeidbar verbundenen Problemen der Statik, der Wärmedämmung und der Abdichtung gegen Bodenfeuchtigkeit.

III.

Das angefochtene Urteil kann danach nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts mit der Kostenfolge aus den §§ 91, 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

G, B, Q, T, H

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 24.11.1988 durch Werner Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512617

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1989, 761

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