Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstücksverkehr
Leitsatz (amtlich)
Behält sich der Eigentümer eines Hofes im Übergabevertrag das Eigentum an (erst wegzuvermessenden) Grundstücken mit darauf errichtetem Altenteilerhaus bzw. Landarbeiterhaus vor, so liegt darin i. d. R. eine unwirtschaftliche Verkleinerung oder Aufteilung i. S. von § 9 I Nr. 2 GrdstVG.
Normenkette
GrdStVG § 9 Abs. 1 Nr. 2
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind Eigentümer eines in den Grundbüchern von J. verzeichneten Ehegattenhofes von ca. 81 ha. Der Einheitswert des Hofes beträgt 140.500 DM, er verfügt über eine Milchquote von 672.769 kg.
Mit Vertrag vom 30. Dezember 1991 überließen sie den Hof ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 3. Ausgenommen von der Überlassung sind drei Grundstücke, nämlich eine Waldparzelle von 1.1893 ha und zwei erst wegzuvermessende je mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstücke von ca. 2.500 (Altenteilerhaus) und 1.000 qm (Landarbeiterhaus). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des Hofübergabevertrages Bezug genommen.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Hofübergabevertrag genehmigt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 4 hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 4, deren Zurückweisung die Beteiligten zu 1 bis 3 beantragen.
II.
Das Beschwerdegericht verneint - entsprechend dem Angriff des Beschwerdeführers allein mit Blick auf die zurückbehaltenen Hausgrundstücke - den Versagungsgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG. Zwar sehe die bisherige Rechtsprechung in der Zurückbehaltung von Hofgrundstücken insbesondere Altenteilerhausgrundstücken in der Regel eine unwirtschaftliche Verkleinerung. Hieran könne aber mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht festgehalten werden. Danach sei allein entscheidend, ob nachteilige Folgen für die Agrarstruktur einträten. Bestimmte Tatsachen, aus denen dies folge, lägen hier nicht vor.
Das Landarbeiterhaus werde vom Hof aus nicht mehr genutzt, sondern sei seit 1928 ununterbrochen, mithin auf Dauer, an betriebsfremde Leute vermietet, wodurch die Hofzugehörigkeit aufgehoben worden sei. Es werde auch zur Zeit für den auf dem Hof befindlichen Landarbeiter nicht benötigt. Unerheblich sei, ob dessen Wohnraum im Betriebsleiterhaus ausreichend sei, falls er eine Familie gründen sollte, denn jedenfalls fehlten gegenwärtig jegliche Anhaltspunkte dafür, daß in absehbarer Zeit das Landarbeiterhaus wieder vom Hof aus genutzt werden müßte. Ein unsichere Zukunftsprognose könne aber die Versagung der Genehmigung nicht rechtfertigen.
Mit der Abtrennung des Altenteilerhausgrundstücks werde der Betrieb nicht unwirtschaftlich verkleinert. Ein Hof der vorliegenden Größenordnung und Ausstattung vertrage die Abtrennung des bebauten Grundstücks von 2.500 qm. Mit Rücksicht auf das Alter des Hofübernehmers von 32 Jahren benötige der Hof erst in ferner Zukunft ein Altenteilerhaus. Nach der gegenwärtigen Wirtschaftskraft des Hofes könne davon ausgegangen werden, daß erforderlichenfalls die für den Bau eines neuen Hauses erforderlichen Geldmittel aus dem Hof entnommen werden könnten. Selbst wenn insoweit Zweifel bestünden, könne die unsichere Zukunftsprognose nicht zur Versagung der Genehmigung führen, denn letztlich sei entscheidend, daß gegenwärtig keine nachteiligen Folgen auf die Agrarstruktur erkennbar seien.
III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde (§ 1 Abs. 1 HöfeVfO; § 24 Abs. 1 Satz 1; §§ 25, 26 und 29 LwVG) ist begründet. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten einer Rechtskontrolle nicht stand.
Im Ausgangspunkt zutreffend beurteilt das Beschwerdegericht allerdings die Genehmigungsfähigkeit des Übergabevertrages in erster Linie und vorwiegend nach den Bestimmungen des Grundstückverkehrsgesetzes (§ 17 Abs. 1 und 3; § 16 Abs. 1 HöfeO; vgl. auch Senatsbeschl. v. 11. Dezember 1969, V BLw 23/69, RdL 70, 68; OLG Köln AgrarR 1981, 171 ff; Lange/Wulf/Lüdke-Handjery, HöfeO, 9. Aufl., § 17 Rdn. 111 und aaO § 16 Rdn. 22). Es stellt unangegriffen fest, daß eine Pflicht zur Genehmigung (§ 8 GrdstVG) nicht gegeben sei, weil eine geschlossene Hofübergabe nach § 8 Nr. 2 GrdstVG wegen der vorgesehenen Abtrennung von Landarbeiter- und Altenteilerhaus nicht vorliege. Diese Frage konnte im übrigen dahinstehen, weil § 8 Nr. 2 GrdstVG für Höfe im Sinne der Höfeordnung ohnehin nicht gilt (§ 31 Abs. 1 GrdstVG).
Soweit das Beschwerdegericht die Hofzugehörigkeit des Landarbeiterhauses verneint, weil dies vom Hof aus derzeit nicht genutzt werde und seit 1978 ununterbrochen an betriebsfremde Leute vermietet sei, kann schon zweifelhaft sein, ob allein eine langjährige Vermietung wegen eines derzeit nicht vorhandenen Bedarfs eine definitive und auf Dauer angelegte Ausgliederung aus dem Hof (§ 2 Buchst. a HöfeO; Faßbender/Hötzel/van Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 2. Aufl., § 2 Rdn. 21; Lange/Wulf/Lüdke-Handjery, HöfeO, 9. Aufl., § 2 Rdn. 2 und 3) begründet (vgl. auch OLG Stuttgart, RdL 1985, 323 m.w.N.). Die langfristige Vermietung des Landarbeiterhauses allein kann jedenfalls nicht dazu führen, daß das zweifelsfrei zum Hof gehörige Grundstück, auf dem es gebaut ist, seine Hofzugehörigkeit verliert. Haus und ungeteiltes Grundstück bilden eine rechtliche Einheit (§§ 93, 94 BGB), die es auch höferechtlich ausschließt, sie rechtlich unterschiedlich zu behandeln. Das Beschwerdegericht hat nicht festgestellt, daß das einschlägige Grundstück auf Dauer an Betriebsfremde vermietet ist.
Wie auch das Beschwerdegericht nicht verkennt, kommt nur der Versagungsgrund der unwirtschaftlichen Verkleinerung oder Aufteilung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG) in Betracht. Insoweit steht auch nach der Zielrichtung der Rechtsbeschwerde außer Frage, daß allein bezogen auf die abzutrennenden Grundstücksflächen der genannte Versagungstatbestand wohl nicht gegeben wäre, weil der relativ große Hof den Verlust allein der entsprechenden Flächen vertragen könnte. Demgemäß gehen weder der angefochtene Beschluß noch die Rechtsbeschwerde auf die abzutrennende Waldfläche ein; im Vordergrund steht die Frage, ob wegen der Funktion der hofnahen und bebauten Grundstücke (Landarbeiterhaus und Altenteilerhaus) eine unwirtschaftliche Verkleinerung oder Aufteilung angenommen werden muß.
Zutreffend legt die Rechtsbeschwerde dar, daß nach Wortlaut und Gesetzessystematik (vgl. § 9 Abs. 6 GrdstVG) sowie der Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. Bericht des Ernährungsausschusses, zitiert nach Lange, Grundstückverkehrsgesetz, 2. Aufl., S. 169) der Begriff der unwirtschaftlichen Verkleinerung sowohl unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten (abstrakt generell vgl. BVerfGE 26, 215, 223) als auch nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben (individuell konkret) beurteilt werden muß. Dies bezweifeln auch die Beschwerdegegner nicht. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundstückverkehrsgesetz folgt weiter, daß die Versagung der Genehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG nur dann mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar ist, wenn durch das Veräußerungsgeschäft nachteilige Folgen für die Agrarstruktur eintreten (BVerfGE 26, 215, 224 ff), weil das Genehmigungsverfahren nicht generell der Lenkung des landwirtschaftlichen Grundstücksverkehrs, sondern der Abwehr von Gefahren für die Agrarstruktur dient (BVerfGE aaO S. 223).
Diesem Prüfungsmaßstab wird das Beschwerdegericht nicht gerecht. Seine Sicht beschränkt sich sowohl in bezug auf das Landarbeiterhaus als auch hinsichtlich des Altenteilerhauses auf eine rein betriebswirtschaftliche Momentaufnahme, indem es für beide Häuser feststellt, es bestehe gegenwärtig keine Notwendigkeit ihrer Nutzung für den Hof oder für den Hofübernehmer. Unsichere Zukunftsprognosen könnten eine Versagung der Genehmigung nicht begründen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist eine solche Beschränkung des Prüfungsmaßstabs nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht geboten, ja mit einer richtig verstandenen Abwehr von Gefahren für die Agrarstruktur nicht vereinbar. Das Genehmigungserfordernis muß im Zusammenhang mit dem größeren wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziel gesehen werden, die Landwirtschaft als einen Teil der gesamten Volkswirtschaft den wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Forderungen der modernen Zeit anzupassen (BVerfGE aaO S. 223). Es sollen sich in diesem Rahmen leistungsstarke Betriebe entwickeln, die einen rationellen Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital in der Landwirtschaft ermöglichen (BVerfGE aaO S. 224/225). Eine solche Betrachtungsweise bedingt sowohl unter betriebswirtschaftlichen als auch aus volkwirtschaftlich-agrarstrukturellen Aspekten zwangsläufig die Verwertung gewisser Zukunftsprognosen und kann sich für die Wirtschaftlichkeitsüberlegungen von § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG nicht mit einer Momentaufnahme begnügen. Mit Recht verweist die Rechtsbeschwerde auf die Bedeutung von Altenteilerhäusern und Landarbeiterwohnhäusern als Voraussetzung für die Möglichkeit eines geordneten Generationenwechsels und einer ausreichenden Versorgung des Betriebs mit Personal. Das Zusammenleben mehrerer Generationen unter einem Dach ist unüblich geworden und wird vielfach als Belastung empfunden. Das Vorhandensein eines Altenteilerhauses ist deshalb generell für die Fortführung des Betriebes von erheblicher Bedeutung, und zwar auch gerade dann, wenn es - wie die Beschwerdeerwiderung meint - einer agrarpolitischen Zielsetzung entspricht, den Generationenwechsel vorzuverlegen und zu erleichtern. Auch die Gewährung von Landarbeiterwohnstellen ist von zentraler Bedeutung für die ausreichende Versorgung der Betriebe mit Personal. Es ist auch bei ausreichender Unterbringungsmöglichkeit wegen der fortschreitenden Veränderung der Arbeits- und Siedlungsstrukturen schwierig genug, die erforderlichen Arbeitskräfte für Landarbeit zu finden. Ohne entsprechenden Wohnraum würde sich diese Schwierigkeit noch bedeutend vergrößern.
Auch insoweit ist es eine unzulässige Verengung des Blickwinkels, nur auf die derzeitige Bedarfslage eines Hofes abzustellen, weil er aufgrund der europaweiten und nationalen Agrarentwicklung unter Umständen kurzfristig zur Umstellung seiner Betriebsart und die zusätzliche Beschäftigung weiterer Arbeitskräfte gezwungen sein kann.
Die Rechtsbeschwerde verweist mit Recht auf eine weitere Gefahr als Folge der Abschreibung inmitten des Hofes liegender Grundstücke mit Landarbeiter- und Altenteilerhaus. Sie werden damit verselbständigt und einem vom Hof getrennten rechtlichen Schicksal unterworfen. Wäre die Auffassung des Beschwerdegerichts zutreffend, so müßte es im Generationenwechsel jedem Hofeigentümer entsprechend der jeweiligen Momentaufnahme zur betriebswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seines Betriebes möglich sein, Altenteiler- und Landarbeiterhäuser abzutrennen. Bei eintretendem Bedarf müßten dann entsprechende Neubauten errichtet werden. Dies würde schon im Verlaufe weniger Generationen zu einer agrarstrukturell unerwünschten Zersplitterung des Umfelds der Hofstelle führen, die die Entwicklungsmöglichkeiten des Hofes nachhaltig beschränken kann.
Es bleibt entsprechend dem oben ausgeführten Maßstab deshalb grundsätzlich daran festzuhalten, daß die Abtrennung von Grundstücken mit Landarbeiter- und Altenteilerhäusern eine unwirtschaftliche Verkleinerung und Aufteilung des Hofes darstellt. Dies entspricht auch der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. OLG München RdL 1965, 266 ff), die insbesondere zeitlich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Oberlandesgericht Stuttgart (RdL 1985, 323 ff; RdL 1987, 294 ff; RdL 1993, 20 ff) aufrechterhalten und weiter ausgebaut wurde. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Soweit die Beschwerdeerwiderung für die Beteiligten zu 1 bis 3 geltend macht, diese Auffassung verhindere einen agrarpolitisch erwünschten frühen Generationenwechsel auf den Höfen, weil sie dem Sicherungsbedürfnis der Altenteiler hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nicht Rechnung trage, trifft dies nicht zu. Dieses Sicherungsbedürfnis kann hinsichtlich der Wohnnutzung ohne weiteres durch die Einräumung eines Nießbrauchrechts Rechnung getragen werden. Soweit die Beteiligten zu 1 bis 3 auch auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Verfügungsbefugnis "für die Wechselfälle des Lebens" hinweisen, läßt sich auch dieses Bedürfnis durch eine entsprechende Vertragsgestaltung (z.B. Zustimmung des Übernehmers zur Absicherung entsprechender Kredite der Altenteiler auf dem Hof) befriedigen, ohne daß die genannten Grundstücke vom Hof getrennt und einem gesonderten rechtlichen Schicksal unterworfen werden müssen. Unerheblich ist, ob die Hofübergeber durch eine "Erbregelung" sichergestellt haben, daß die abgetrennten Grundstücke im Erbgang auf den Hofübernehmer übergehen, denn dies schließt ein rechtlich selbständiges Schicksal der abgetrennten Grundstücke mit den aufgezeigten nachteiligen Folgen für den Hof nicht aus (vgl. auch OLG Celle RdL 1967, 12, 13). Die Hofübergeber können insbesondere auch nach entsprechender Erbeinsetzung über die Trenngrundstücke zu ihren Lebzeiten verfügen und haben sich nach ihrem eigenen Vortrag gerade wegen dieser Möglichkeit diese Grundstücke zurückbehalten.
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Das Beschwerdegericht wird unter Beachtung der obengenannten Grundsätze selbst prüfen müssen, ob dem Hofübergabevertrag die Genehmigung versagt werden muß (vgl. auch § 9 Abs. 7 GrdstVG) oder ob er unter Bedingungen (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG; OLG Celle RdL 1967, 12) genehmigt werden kann.
Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 20 Abs. 1 Buchst. a HöfeVfO in Verbindung mit § 20 Abs. 2 HöfeVfO und § 19 Abs. 4 KostO.
Fundstellen