Leitsatz (amtlich)
›Die Grundsätze zur gesteigerten Darlegungslast des Prozeßgegners, sich zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei zu äußern, wenn sich die maßgeblichen Vorgänge in seinem Wahrnehmungsbereich abgespielt haben, gelten auch für die Voraussetzungen eines auf Veruntreuung gestützten Aufrechnungsverbotes aus § 393 BGB.‹
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
LG Düsseldorf |
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht der TIS GmbH auf Zahlung von 93.235,26 DM in Anspruch. Der Beklagte zu 1 war bis zum Frühjahr 1995 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der T. GmbH, der früheren Beklagten zu 2, über deren Vermögen im Laufe des Revisionsverfahrens der Konkurs unter Bestellung des jetzigen Beklagten zu 2 als Konkursverwalter eröffnet worden ist.
Die TIS GmbH, der Beklagte zu 1 und die Gemeinschuldnerin sind bzw. waren auf dem Gebiet der Teleinformation tätig. Die Abrechnung der von der TIS GmbH genutzten Premium-Rate-Telefonnummern erfolgte über die D. GmbH, die der TIS GmbH monatlich einen entsprechenden Verrechnungsscheck übersandte. Danach rechnete die TIS GmbH ihrerseits gegenüber ihren Anschlußkunden ab.
1994 schlossen die TIS GmbH und der Beklagte zu 1 unter Beteiligung weiterer Unternehmen einen Zusammenarbeitsvertrag. Auf der Grundlage dieses Vertrages zog der Erstbeklagte auf die TIS GmbH ausgestellte Verrechnungsschecks der D. GmbH über das Konto der Gemeinschuldnerin ein, und zwar mit der gegenüber der TIS GmbH übernommenen Verpflichtung, daraus deren Verbindlichkeiten gegenüber Anschlußkunden zu begleichen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte zu 1 habe bei den Scheckeinziehungen Beträge für sich verwandt. So habe er von dem Konto der Gemeinschuldnerin Barabhebungen vorgenommen und private Schulden beglichen. Insgesamt beliefen sich die vom Erstbeklagten zweckentfremdet verwendeten Beträge auf über 93.000 DM.
Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat, nachdem der Erstbeklagte im Berufungsrechtszug hilfsweise mit einer angeblich am 11. September 1995 ihm abgetretenen titulierten, den Klageanspruch übersteigenden Forderung des J. gegen die TIS GmbH aufgerechnet hat, die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klagansprüche gegen den Beklagten zu 1 weiter. Gegen den Beklagten zu 2 hat sie zunächst Feststellung zur Konkurstabelle beantragt; schließlich haben die Klägerin und der Beklagte zu 2 jedoch übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich des letzteren für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin aufgrund des mit dem Beklagten zu 1 geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages, in den auch die Gemeinschuldnerin einbezogen gewesen sei, von beiden Beklagten die Zahlung der eingeklagten Beträge verlangen. Es sei deren Sache darzulegen, daß die TIS-Gelder ordnungsgemäß verwendet und nicht in die eigene Tasche gesteckt worden seien. Dazu hätten die Beklagten jedoch nichts vorgetragen.
Die Klageforderung sei indessen durch die im Berufungsrechtszug hilfsweise erklärte Aufrechnung des Erstbeklagten erloschen. Auf das Aufrechnungsverbot nach § 393 BGB könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sie die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung des Beklagten zu 1 nicht dargetan habe. Bei dem auf Untreue gestützten Anspruch müsse die Klägerin nämlich konkret und im einzelnen nachvollziehbar vortragen, daß der Beklagte zu 1 die Gelder der TIS GmbH nicht für deren Zwecke, sondern für eigene Angelegenheiten verwendet habe. Diesen Anforderungen genüge der Klagevortrag nicht. So habe die Klägerin die Art und Weise der Verwendung der Bar- und der Privatentnahmen nicht näher konkretisiert, so daß sich nicht beurteilen lasse, ob es sich tatsächlich um Privatentnahmen oder unberechtigte Barentnahmen handele. Vor allem aber könne der Beklagte zu 1, der an sich mit den Geldern der Gemeinschuldnerin nach Gutdünken habe verfahren dürfen, eine unerlaubte Handlung nur dann begangen haben, wenn er Beträge von Schecks, die er für die TIS-GmbH eingezogen habe, zweckentfremdet und für eigene Belange verbraucht habe. Dazu hätte die Klägerin aufzeigen müssen, wohin der nach ihrer Auffassung veruntreute Scheckbetrag zur Tilgung welcher konkreten Schuld geflossen sei oder wozu ihn der Erstbeklagte sonst verwendet habe.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings einen vertraglichen Anspruch des Beklagten zu 1 aus § 667 BGB bejaht. Dies wird von der Revisionserwiderung auch nicht in Frage gestellt.
Zu Recht beanstandet die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht die vom Beklagten zu 1 erklärte Hilfsaufrechnung hat durchgreifen lassen.
Zwar kann sie keinen Erfolg haben, soweit sie geltend macht, die Aufrechnung sei schon mangels Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 387 BGB) unzulässig. Gemäß § 406 BGB hätte der Beklagte zu 1 gegen die von der TIS GmbH an die Klägerin abgetretene Forderung auch dieser neuen Gläubigerin gegenüber aufrechnen können. Eine dem entgegenstehende Kenntnis des Beklagten zu 1 von der Abtretung an die Klägerin beim Erwerb der gegen die TIS GmbH gerichteten Gegenforderung hat die Klägerin entgegen der Auffassung der Revision nicht dargetan. Es trifft zwar zu, daß diese geltend gemacht hat, die Abtretung sei nur zum Schein erfolgt und habe nur dem Zweck gedient, in diesem Prozeß aufrechnen zu können. Doch impliziert dieser Vortrag keineswegs zwingend die Behauptung, der Beklagte zu 1 habe bei Erwerb der zur Aufrechnung gestellten Forderung Kenntnis vom Übergang der mit der Klage geltend gemachten Forderung auf die Klägerin gehabt.
Mit Recht wendet sich die Revision aber dagegen, daß das Berufungsgericht das Aufrechnungsverbot aus § 393 BGB wegen mangelnder Substantiierung des Klagevortrags zur deliktischen Haftung des Beklagten zu 1 nicht hat durchgreifen lassen. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht den Aufrechnungsausschluß nicht verneinen. § 393 BGB kommt im übrigen auch gegenüber dem vertraglichen Anspruch zum Zuge, wenn die anspruchsbegründende Handlung nicht nur eine Vertragsverletzung darstellt, sondern zugleich die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung erfüllt (Senatsurteil vom 20. Juni 1967 - VI ZR 201/65 - NJW 1967, 2012, 2013; BGH, Urteil vom 12. Oktober 1993 - XI ZR 155/92 - NJW 1994, 252, 253).
1. Zwischen der TIS GmbH und dem Beklagten zu 1 bestand, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ein Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB, aus dem sich für den Beklagten zu 1 die Verpflichtung ergab, die für die TIS GmbH bestimmten Schecks einzuziehen und aus den auf dem Konto der Gemeinschuldnerin gutgeschriebenen Beträgen die Verbindlichkeiten der TIS GmbH gegenüber deren Kunden zu begleichen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß derartige Vertragsbeziehungen ein Treueverhältnis im Sinne des § 266 StGB begründen (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1985 - 2 StR 383/85 - NStZ 1986, 361; vom 15. Januar 1991 - 5 StR 435/90 - wistra 1991, 218 m.w.N.). Der Erstbeklagte kann daher eine zum Schadensersatz verpflichtende Untreue begangen haben, wenn er, wie die Klägerin geltend macht, einen Teil der ihm anvertrauten Gelder vorsätzlich für sich oder sonstwie zweckentfremdet verwandt hat.
2. Ob dies der Fall ist, steht zur Beweislast der Klägerin. Sie muß infolgedessen alle Umstände darlegen und beweisen, die den Tatbestand einer Untreue in objektiver und subjektiver Hinsicht begründen (BGHZ 100, 190, 195) und das Aufrechnungsverbot aus § 393 BGB auslösen. Das hat die Klägerin jedoch, zumindest was die objektiven Voraussetzungen des Treubruchtatbestandes anlangt, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts getan.
Unstreitig sind dem Konto der Gemeinschuldnerin, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Beklagte zu 1 war, aufgrund des mit der TIS GmbH abgeschlossenen Zusammenarbeitsvertrages Schecks, die auf diese Gesellschaft ausgestellt waren, in Höhe von 1.639.120,83 DM gutgeschrieben worden. Diese Gelder waren zweckgebunden und sollten zur Tilgung der Verbindlichkeiten der TIS GmbH verwandt werden. Nach dem Vortrag der Klägerin hat der Beklagte zu 1 davon 93.035,76 DM durch Barabhebungen, Privatentnahmen oder sonstwie für eigene Zwecke ausgegeben.
Zu Unrecht hält das Berufungsgericht diesen Vortrag für unsubstantiiert, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, wohin die Beträge geflossen seien und wofür der Beklagte zu 1 sie verwendet habe. Damit verkennt das Berufungsgericht die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zur sekundären Darlegungslast entwickelt hat. Danach ist es in bestimmten Fällen Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei zu äußern. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich die maßgeblichen Vorgänge im Wahrnehmungsbereich des Prozeßgegners abgespielt haben und es diesem zumutbar ist, dazu nähere Angaben zu machen (BGHZ 86, 23, 29 f.; 100, 190, 196; BGH, Urteil vom 15. Oktober 1986 - IV b ZR 78/85 - NJW 1987, 1201; vom 11. Juni 1990 - II ZR 159/89 - VersR 1990, 1254, 1255; vgl. zur gesteigerten Erklärungslast auch die Senatsurteile vom 23. Januar 1979 - VI ZR 103/78 - VersR 1979, 424, 425 und vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89 - VersR 1991, 437, 438).
Diese Grundsätze kommen, wie der Senat in dem bereits mehrfach erwähnten Urteil BGHZ 100, 190 entschieden hat, insbesondere bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden. Desgleichen haben sie für die Darlegung der Voraussetzungen eines Aufrechnungsverbots nach § 393 BGB zu gelten. Im vorliegenden Fall haben sich die Vorgänge auf dem Konto der Gemeinschuldnerin im Wahrnehmungsbereich des Beklagten zu 1, der als geschäftsführender Gesellschafter allein dieses Konto verwaltete, abgespielt. Es ist daher - ungeachtet der Beweislast der Klägerin - in erster Linie seine Sache, über den Verbleib des vereinnahmten Scheckbetrages nähere Angaben zu machen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Klägerin ihren Substantiierungspflichten in ausreichender Weise nachgekommen.
a) So hat die Klägerin behauptet, der Erstbeklagte habe von dem Konto der Zweitbeklagten mindestens 6.665,83 DM in bar abgehoben und für sich verbraucht. Das genügt hinsichtlich der objektiven Voraussetzungen des § 266 StGB für einen schlüssigen, auf § 823 Abs. 2 BGB gestützten Klagevortrag. Angaben dazu, wofür der Beklagte zu 1 diese Beträge verwandt hat, waren nicht erforderlich.
b) Das gleiche gilt für anderweitige Privatentnahmen in der behaupteten Höhe von 54.528,83 DM. Die Klägerin hat dazu unter Vorlage einer detaillierten Aufstellung (Anlage K 12) dargelegt, daß der Erstbeklagte zur Begleichung privater Rechnungen Beträge in der genannten Gesamtsumme abgezweigt habe. Aus der Aufstellung ergibt sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts klar, für welche Zwecke die Gelder im einzelnen verwandt worden und wohin sie geflossen sein sollen. Mehr brauchte die Klägerin nicht vorzutragen. Träfen ihre Darlegungen nämlich zu, hätte der Beklagte zu 1 den objektiven Tatbestand der Untreue erfüllt. Der Umstand, daß er über das Konto der Gemeinschuldnerin uneingeschränkt verfügen konnte und durfte, ändert daran nichts, da er nach dem Klagevortrag jedenfalls nicht berechtigt war, die ihm anvertrauten Gelder für eigene Zwecke zu verwenden, zumal er einen Anspruch auf Gehalt oder eine andere Entschädigung nach den insoweit nicht angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts nicht hatte.
c) Ausreichend substantiiert sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Verbleib eines Betrages von 31.841,10 DM. In Höhe dieses Betrages hatte die M. GmbH - anstelle einer stornierten Überweisung von 42.841,10 DM an die TIS GmbH - dem Beklagten zu 1 einen Scheck ausgestellt, den dieser auf das Konto der Gemeinschuldnerin einzahlte. Zu Unrecht hält das Berufungsgericht auch insoweit die Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 1 habe diesen Betrag für sich verbraucht, für unsubstantiiert, weil völlig offen bleibe, wozu dieser den Betrag verwendet habe. Dies zu erklären war vielmehr Sache des Beklagten zu 1.
3. Das Berufungsgericht hat danach die vom Beklagten zu 1 erklärte Hilfsaufrechnung mit rechtsfehlerhafter Begründung durchgreifen lassen. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung entfällt das Aufrechnungsverbot aus § 393 BGB hier auch nicht deshalb, weil der Beklagte zu 1 als Inhaber der rechtskräftig titulierten Gegenforderung die Klageforderung nach Titelumschreibung pfänden lassen und sich auf diesem Wege die ihm sonst verschlossene Aufrechnungsmöglichkeit doch verschaffen könnte (vgl. dazu RG JW 1938, 2399, 2400; Soergel-Zeiss, BGB 12. Aufl., § 393 Rn. 6; MünchKomm-von Feldmann 3. Aufl., BGB § 393 Rn. 3 a.E.). Eine derartige Aufrechnung kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil eine Pfändung der Klageforderung durch den Erstbeklagten, wie auch von der Revisionserwiderung nicht behauptet wird, nicht stattgefunden hat. Die bloße Möglichkeit, sich im Vollstreckungswege eine solche Aufrechnungslage zu verschaffen, vermag das materielle Aufrechnungsverbot aus § 393 BGB nicht zu beseitigen.
III. Das angefochtene Urteil ist danach hinsichtlich des Beklagten zu 1 aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit über den Ausschluß der Aufrechnung gemäß § 393 BGB, zu dessen Voraussetzungen die Parteien weiter vorzutragen Gelegenheit haben, neu entschieden werden kann. Dabei wird das Berufungsgericht beachten müssen, daß der Betrag von 75.614,39 DM, den der Beklagte zu 1 von einem Scheck der D. GmbH abgezweigt haben soll und zu dessen Verwendung das Berufungsgericht nähere Angaben der Klägerin vermißt, nicht Gegenstand der Klageforderung ist.
Hinsichtlich des Beklagten zu 2 ist der Rechtsstreit aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen beendet worden. In diesem Umfang sind die Urteile der Vorinstanzen gegenstandslos. Das Berufungsgericht wird insoweit gemäß § 91 a ZPO noch über die Kosten zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 2993590 |
NJW 1999, 714 |
BGHR BGB § 393 Darlegungslast 1 |
BGHR BGB § 823 Abs. 2 StGB § 266 1 |
DRsp I(128)233a |
JR 1999, 329 |
KTS 1999, 111 |
ZAP 1999, 55 |
ZIP 1999, 105 |
MDR 1999, 228 |
VersR 1999, 774 |