Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 16. Februar 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Abänderung eines zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs mit dem Ziel, keinen nachehelichen Unterhalt mehr bezahlen zu müssen. Das Amtsgericht – Familiengericht – hat der Klage teilweise stattgegeben. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist auf dem Briefbogen der Rechtsanwälte H. abgefaßt und von Rechtsanwältin L. unterschrieben. Diese Unterschrift ist mit dem maschinenschriftlichen Zusatz „i.V. Rechtsanwalt M. K. Fachanwalt für Familienrecht” versehen. Unmittelbar unter diesem Zusatz wird Rechtsanwältin L. durch einen Stempelaufdruck „als oberlandesgerichtlich bestellte Vertreterin von Rechtsanwalt S.” aufgeführt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufung nicht von einem bei ihm zugelassenen Anwalt eingelegt worden sei. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
Das Oberlandesgericht geht zutreffend davon aus, daß Rechtsanwältin L. die Berufung weder im Rahmen ihrer eigenen Zulassung als Anwältin noch als Vertreterin des beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalts K. einlegen konnte. Für die erste Alternative fehlt es an der eigenen Zulassung der Anwältin beim Oberlandesgericht, für die zweite an einer Bestellung nach § 53 Abs. 2 Satz 2 BRAO, die sie berechtigen könnte, unmittelbar auch für Rechtsanwalt K. zu handeln. Die – weitere – Möglichkeit, daß Rechtsanwältin L. die Berufung als Vertreterin des ebenfalls beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalts S. eingelegt hat, wird vom Oberlandesgericht verneint, weil Rechtsanwältin L. ausdrücklich nur als Vertreterin des Rechtsanwalts K. gehandelt habe. Diese Annahme hält einer Überprüfung nicht stand.
Die Auslegung von Prozeßhandlungen unterliegt freier revisionsrechtlicher Nachprüfung (BGH Urteil vom 14. Dezember 1990 - V ZR 329/89 - NJW 1991, 1175, 1176). Sie orientiert sich an dem Grundsatz, daß im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht (BGH Beschluß vom 8. Oktober 1991 - XI ZB 6/91 - NJW 1992, 243 = BGHR ZPO § 577 Auslegung 1; BGH Beschluß vom 9. Februar 1993 - XI ZB 2/93 - NJW 1993, 1925). Die Anwendung dieses Grundsatzes führt vorliegend zu dem Ergebnis, daß Rechtsanwältin L. die Berufungsschrift in Vertretung des Rechtsanwalts S. unterzeichnet hat.
Rechtsanwalt S. konnte für die Beklagte wirksam Berufung einlegen und dabei auch von Rechtsanwältin L. vertreten werden. Rechtsanwalt S. ist beim Berufungsgericht zugelassen; seine Vertretung durch eine oberlandesgerichtlich bestellte Vertreterin umfaßt die Wahrnehmung von Prozeßhandlungen vor dem Oberlandesgericht auch dann, wenn die Vertreterin selbst nicht beim Oberlandesgericht zugelassen ist (BGH Urteil vom 9. Dezember 1974 - III ZR 134/72 - NJW 1975, 542, 543; BGH Beschluß vom 11. März 1981 - VIII ZB 18/81 - NJW 1981, 1740, 1741). Rechtsanwalt S. war auch bevollmächtigt, für die Beklagte Berufung einzulegen: Die für die Beklagte eingereichten Schriftsätze ergeben unmißverständlich, daß sämtliche im Briefkopf genannten Mitglieder der Sozietät H.
Prozeßbevollmächtigte der Beklagten waren; sie werden deshalb zutreffend auch als solche im Rubrum des Berufungsurteils aufgeführt. Der auf die Vertretung des Rechtsanwalts S. hinweisende Stempelzusatz läßt sich dahin verstehen, daß die Berufung von Rechtsanwalt S. – in Ausübung des ihm selbst erteilten Mandats und vertreten durch Rechtsanwältin L. – eingelegt worden ist. Der Umstand, daß Rechtsanwältin L. die Berufung ausdrücklich auch „i.V. Rechtsanwalt M. K.” gezeichnet hat, steht diesem Verständnis nicht entgegen. Sind sämtliche Mitglieder einer Sozietät von der Partei mandatiert, ist davon auszugehen, daß ein die Berufungsschrift ausdrücklich für seinen Sozius zeichnender Anwalt zumindest auch in Ausführung des ihm selbst erteilten Mandats der Partei tätig geworden ist (BGH Beschluß vom 27. Mai 1993 - III ZB 9/93 - NJW 1993, 2056, 2057). Hätte Rechtsanwalt S. deshalb die Berufungsschrift selbst „i.V. des Rechtsanwalts M. K.” gezeichnet, wäre dieser Zusatz als ein Hinweis auf die sozietätsinterne Zuständigkeitsverteilung anzusehen und schlösse die Annahme nicht aus, daß Rechtsanwalt S. die Berufungsschrift zumindest auch in Wahrnehmung der ihm selbst erteilten Prozeßvollmacht zeichnen wollte. Für die mit einem inhaltsgleichen Vermerk versehene Unterzeichnung durch seine oberlandesgerichtlich bestellte Vertreterin kann nichts anderes gelten. Die in der Berufungsschrift gewählte Form und Aufeinanderfolge der Vertretungshinweise lassen diese Zuordnung des Vertreterhandelns zwar nicht ohne weiteres deutlich werden; eine rechtliche Betrachtung macht die gewollten Zusammenhänge jedoch sichtbar und ermöglicht eine Auslegung, die der Berufungseinlegung zur Wirksamkeit verhilft.
Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, daß die Beklagte bei der Einlegung der Berufung gerade und nur von Rechtsanwalt K. vertreten werden wollte oder sollte. Eine wirksame Einlegung der Berufung war – bei Zeichnung durch Rechtsanwältin L. – dann nur möglich, wenn Rechtsanwalt K. durch seinen Sozius Rechtsanwalt S. und dieser wiederum durch seine oberlandesgerichtlich bestellte Vertreterin, Rechtsanwältin L., vertreten wurde. Die Zulässigkeit einer solchen Weitervertretung ist in der Rechtsprechung anerkannt, sofern – wie hier – beide Vertretene bei demselben Gericht zugelassen sind (BGH Beschluß vom 11. März 1981 - VIII ZB 18/81 - aaO; OLG München MDR 1995, 318). Es ist deshalb davon auszugehen, daß Rechtsanwältin L. bei der Unterzeichnung der Berufungsschrift eine solche Weitervertretung zum Ausdruck bringen wollte. Die tatsächliche Form der Unterzeichnung der Berufungsschrift hindert diese Annahme nicht: Zwar wäre der Wille zu einer Weitervertretung klarer erkennbar geworden, wenn man die Reihenfolge der beiden Zusätze zur Unterschrift in ihr Gegenteil verkehrt, wenn sich Rechtsanwältin L. also zunächst – durch Stempelaufdruck – als Vertreterin des Rechtsanwalts S. und dieser sich sodann – maschinenschriftlich – als „i.V. des Rechtsanwalts M. K.” handelnd ausgewiesen hätte. Die tatsächlich gewählte umgekehrte Reihenfolge der Zusätze mag auch insoweit den Blick für das rechtlich Gewollte erschweren. Sie läßt jedoch keineswegs den Schluß zu, daß Rechtsanwältin L. bei der Unterzeichnung der Berufungsschrift ausschließlich und nur für Rechtsanwalt K. handeln, eine mehrstufige Vertretung also ausschließen wollte.
Mithin war die Berufung wirksam – nämlich von Rechtsanwältin L. als Vertreterin des Rechtsanwalts S. – eingelegt. Auf die Frage, ob die Berufung dabei unmittelbar im Namen des Rechtsanwalts S. eingelegt werden sollte oder ob dieser seinerseits nur als Vertreter für Rechtsanwalt K. handelte, kommt es dabei nicht an. Das die Berufung verwerfende Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Blumenröhr, Hahne, Sprick, Weber-Monecke, Wagenitz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.11.1999 durch Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541444 |
NJW-RR 2000, 1446 |