Leitsatz (amtlich)
Solange rechtlich ungeklärt ist, ob der Notar aufgrund des Sachverhalts, den der Geschädigte kennt, unmittelbar oder nur subsidiär haftet, und der Geschädigte im letzteren Falle den Ausschluß einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nicht darzulegen vermag, fehlt ihm in der Regel die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis der Person des Ersatzpflichtigen.
Normenkette
BGB § 852 Abs. 1; BNotO § 19 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Aktenzeichen 1 U 69/97) |
LG Ellwangen (Aktenzeichen 3 O 60/97) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1997 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 14. Mai 1997 geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 95.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. Dezember 1996 zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt den beklagten Anwaltsnotar wegen dessen Mitwirkung an einem fehlgeschlagenen Kapitalanlagegeschäft auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger schloß am 30. April 1993 mit der E.O.F. C. (fortan: EOFC) einen Treuhandvertrag, in dem es unter anderem heißt:
- „Der Treugeber” (Kläger) „überträgt dem Treuhänder” (EOFC) „die Aufgabe, sein Kapital in Höhe von 100.000 DM … für zunächst ein Jahr garantiert verlustsicher anzulegen. Eine Rendite von 10 % per anno ist zu erbringen.
- Der Treuhänder verpflichtet sich, das Kapital gemäß dem vorgenannten Treuhandauftrag verlustsicher zu plazieren. Zusätzlich wird durch einen deutschen Rechtsanwalt und Notar eine Erklärung zu den hinterlegten Sicherheiten abgegeben, die ebenfalls die 10 %ige Renditeleistung beinhaltet.
- Der Treuhänder verpflichtet sich zur Rückzahlung von Kapital und 10 % Rendite = 110.000 DM am 01.05.1994 auf ein vom Treugeber zu benennendes Konto …”
Am 29. April 1993 zahlte der Kläger den Betrag von 100.000 DM an den Anlagevermittler B., der ihm sofort 5.000 DM zurückgab. B. leitete 95.000 DM an die EOFC weiter. Vor der Zahlung hatte der Kläger eine vom Beklagten unterzeichnete „Erklärung zu den hinterlegten Sicherheiten” erhalten, in der es heißt:
- „Hiermit bestätige ich als Treuhänder, Rechtsanwalt und Notar, daß zur Absicherung der an die …” (EOFC) „von Herrn …” (Kläger) … „übergebenen Anlagegelder in Höhe von 100.000 DM ausreichende Sicherheiten hinterlegt wurden.
- Die Sicherheiten stehen unwiderruflich zur Deckung des Anlagekapitals zuzüglich 10 % zur Verfügung und zwar für den Fall, daß, aus welchen Gründen auch immer, die …” (EOFC) „die Rückzahlung des Anlagekapitals zuzüglich 10 % = 110.000 DM nicht zum vereinbarten Termin, dem 2. Mai 1994 an den Anleger oder einen von ihm benannten Vertreter vornimmt.
- Ich erkläre ausdrücklich, daß ich beauftragt und bevollmächtigt wurde, bei Nichterfüllung des Anlagevertrages durch die …” (EOFC) „zum Auszahlungstermin unverzüglich aus den hinterlegten Sicherheiten die fällige Summe abzudecken. In Rechtsbeziehung zum Anleger trete ich damit nicht. …”
Danach folgt über dem in Klammern gesetzten Wort „Stempel” auf dem linken Teil der Seite ein Stempelabdruck, der mit den Worten beginnt: „Rechtsanwalt und Notar”. Auf dem rechten Teil der Seite befindet sich über den in Klammern befindlichen Worten: „Rechtsanwalt und Notar” die Unterschrift des Beklagten.
Das Original der Urkunde sandte der Beklagte dem Kläger per Einschreiben mit Rückschein zu. Die EOFC legte die vom Kläger erhaltenen Gelder bei der E. Inc. W. (nachfolgend: E.) an. DM-Barbeträge, die mindestens dem Nominalanlagekapital der Anleger zuzüglich einer Rendite von 10 % entsprachen, sollten in Schließfächern von Banken hinterlegt werden. Am 31. März 1993 mieteten der Beklagte und der Direktor der E., C. H., gemeinsam bei der Kreditbank in Antwerpen einen Safe. Dort wurde ein von H. mitgebrachter Betrag von 3,3 Mio DM – verteilt auf 33 Umschläge – eingelegt. Der laut Mietvertrag einzige Safeschlüssel blieb im Besitz des Beklagten. Dieser und H. erhielten von der Bank eine Zugangskarte zum Saferaum, aus deren farblicher Gestaltung sich ergab, daß nur beiden gemeinsam der Zugang zum Saferaum zu gewähren war.
Am 21. Oktober 1993 wurde durch Beschluß des Fürstlich Liechtensteinischen Landgerichts über das Vermögen der EOFC das Konkursverfahren eröffnet. Am 30. November 1993 wurde der Safe von der belgischen Staatsanwaltschaft geöffnet und festgestellt, daß er leer war. Nach H. wird von Interpol gefahndet.
Der Kläger verlangte vom Beklagten mit einer am 8. Oktober 1993 eingereichten Klage Schadensersatz. Diese Klage nahm er im Hinblick auf mehrere gegen den Beklagten anhängige Parallelprozesse noch vor Zustellung zurück.
Nach Abschluß der durch Senatsurteil vom 21. November 1996 (IX ZR 182/95 - BGHZ 134, 100) entschiedenen Sache hat der Kläger einen Mahnbescheid in Höhe von 95.000 DM beantragt, der dem Beklagten am 23. Dezember 1996 zugestellt wurde. Der Beklagte hat Widerspruch erhoben und sich im Klageverfahren auf Verjährung berufen. Das Landgericht hat die Klage aus diesem Grunde abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; die Klage ist im wesentlichen begründet.
I.
Der Beklagte haftet dem Kläger wegen der „Erklärung zu den hinterlegten Sicherheiten” aus einer schuldhaften Amtspflichtverletzung als Notar (§ 19 Abs. 1 BNotO). Der geltend gemachte Schaden ist auf diese Handlung zurückzuführen. Es kommt nicht darauf an, ob dem Kläger eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zur Verfügung steht. Die Tätigkeit des Beklagten betraf ein Amtsgeschäft nach Maßgabe der §§ 23, 24 BNotO, und die Adressaten der „Erklärung über die hinterlegten Sicherheiten” waren Auftraggeber im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BNotO. Das hat der Senat in dem den Parteien bekannten Urteil vom 21. November 1996 (BGHZ 134, 100, 104 ff) für einen Parallelfall im einzelnen begründet. Auf diese Ausführungen, gegen die sich der Beklagte nicht wendet, wird verwiesen.
II.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Ansprüche des Klägers jedoch verjährt. Dieser habe, wie die im Oktober 1993 eingereichte Klage zeige, bereits damals ausreichende Kenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers gehabt. Die Verjährungsfrist habe nicht etwa wegen einer besonders verwickelten Rechtslage erst zu einem späteren Zeitpunkt eingesetzt. Der zur Klärung der Rechtsfrage einzuschlagende Weg sei nicht zweifelhaft gewesen. Man habe lediglich nicht voraussehen können, wie die mit den damals schon anhängigen Prozessen befaßten Gerichte den Sachverhalt rechtlich beurteilen würden. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB sei daher im Oktober 1996 abgelaufen.
Dem ist aus Rechtsgründen nicht zu folgen. Der geltend gemachte Anspruch könnte nur dann verjährt sein, wenn die gemäß § 852 Abs. 1 BGB maßgebliche Kenntnis des Klägers für einen früheren Zeitpunkt als drei Jahre vor Klageerhebung anzunehmen wäre. Vor dem 23. Dezember 1993 hat die Verjährungsfrist jedoch nicht zu laufen begonnen.
1. Schadensersatzansprüche aus notarieller Amtspflichtverletzung verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 852 Abs. 1 BGB). Die danach erforderliche Kenntnis hat der Betroffene, sobald er die schädlichen Folgen dergestalt kennt, daß er eine Schadensersatzklage – zumindest in der Form der Feststellungsklage – mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg erheben kann, die Klageeinreichung ihm also zumutbar ist (BGHZ 102, 246, 248; BGH, Urt. v. 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92, NJW 1993, 648, 653). Erforderlich und genügend ist dafür im allgemeinen die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich der Schaden und die Person des Schädigers ergeben. Nicht vorausgesetzt wird die zutreffende rechtliche Würdigung des bekannten Sachverhalts. Daher kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Kläger die Rechtswidrigkeit des Geschehens, das Verschulden des Schädigers und den in Betracht kommenden Kausalverlauf richtig einschätzt (st.Rspr.: BGH, Urt. v. 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92, NJW 1993, 648, 653; v. 22. Juni 1993 - VI ZR 190/92, NJW 1993, 2614; v. 24. Juni 1993 - IX ZR 84/92, NJW 1993, 2741, 2743). Rechtlich fehlerhafte Vorstellungen des Geschädigten beeinflussen den Beginn der Verjährung in der Regel nicht, weil er die Möglichkeit hat, sich beraten zu lassen. Ist die Rechtslage dagegen unübersichtlich oder zweifelhaft, so daß sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht einzuschätzen vermag, kann der Verjährungsbeginn auch wegen Rechtsunkenntnis hinausgeschoben sein (BGHZ 6, 195, 202; BGH, Urt. v. 29. April 1982 - III ZR 163/80, VersR 1982, 898, 899; v. 15. Oktober 1992, aaO; v. 24. Februar 1994 - III ZR 76/92, NJW 1994, 3162, 3164), weil es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (vgl. BGHZ 122, 317, 325 f) fehlt.
2. Wurde die Amtspflichtverletzung lediglich fahrlässig begangen, stellt das Fehlen der anderweitigen Ersatzmöglichkeit – von den unten 3. zu erörternden Ausnahmen abgesehen – eine zur Klagebegründung gehörende Voraussetzung dar. Deshalb muß sich hier die gemäß § 852 Abs. 1 BGB erforderliche Kenntnis darauf erstrecken, daß der Schaden jedenfalls nicht vollständig auf andere Weise gedeckt werden kann (BGHZ 102, 246, 248 f; 121, 65, 71; BGH, Urt. v. 31. Oktober 1985 - IX ZR 13/85, NJW 1986, 1866, 1867; v. 21. März 1989 - IX ZR 155/88, BGHR BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2 Verjährung 2; v. 24. Juni 1993 - IX ZR 84/92, NJW 1993, 2741, 2744). Ob der Geschädigte mit Erfolg einen Dritten auf Leistung von Schadensersatz in Anspruch zu nehmen vermag, kann von tatsächlichen und rechtlichen Fragen abhängig sein. Der Kläger muß gegebenenfalls fähig sein, schlüssig darzulegen, daß die Haftung Dritter ausscheidet. Erst dann ist ihm die Erhebung einer Amtshaftungsklage zuzumuten. Ob das Wissen, daß eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ausscheidet, im allgemeinen die Einsicht in rechtliche Zusammenhänge voraussetzt, kann hier offenbleiben. Jedenfalls beginnt bei insoweit zweifelhafter oder unübersichtlicher Rechtslage die Verjährung erst dann, wenn hinreichend gesichert ist, daß der Schaden nur durch Inanspruchnahme des Amtsträgers ausgeglichen werden kann. Hätte der Geschädigte sich allerdings schon vorher im Prozeßwege oder auf andere Weise Klarheit verschaffen können, ob und in welcher Höhe Ansprüche gegen Dritte durchsetzbar sind, ist jener fiktive Zeitpunkt maßgebend (BGHZ 121, 65, 71; BGH, Urt. v. 17. Dezember 1992 - III ZR 114/91, NJW 1993, 933, 934; v. 24. Juni 1993, aaO).
3. Im Streitfall war der Anspruch gegen den beklagten Notar aus § 19 Abs. 1 BNotO, wie der Senat im Urteil vom 21. November 1996 ausgeführt hat (BGHZ 134, 100, 111 ff), unabhängig von einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit begründet, weil die Empfänger der „Erklärung zu den hinterlegten Sicherheiten” als Auftraggeber im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BNotO anzusehen waren. Gleichwohl kann hier die Verjährungseinrede nicht mit der Erwägung durchgreifen, der Kläger habe den Schaden und die Person des Ersatzpflichtigen schon im Oktober 1993 gekannt.
a) Kennt der Geschädigte die Tatsachen nicht, von denen abhängt, ob ihm der Träger der Amtspflicht subsidiär oder uneingeschränkt haftet, befindet er sich ebenso wie derjenige, der zwar weiß, daß er den Ausschluß anderweitiger Ersatzmöglichkeiten darlegen muß, aber noch nicht absehen kann, ob die Inanspruchnahme des Dritten gelingt, in Ungewißheit über die Person des Ersatzpflichtigen und ist daher verjährungsrechtlich jenem gleichzubehandeln. Eine Klage ist ihm erst dann zumutbar, wenn er entweder weiß, daß eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zumindest teilweise ausscheidet, oder er die Tatsachen kennt, die einen Ausnahmetatbestand – vorsätzliches Handeln, Beauftragung mit einem in §§ 23, 24 BNotO bezeichneten Amtsgeschäft – begründen. Bevor weder die eine noch die andere Voraussetzung erfüllt ist, verfügt der Geschädigte nicht über das Wissen, welches eine Klageerhebung hinreichend erfolgversprechend erscheinen läßt. Er muß vielmehr befürchten, schon deshalb mit seinem Begehren zu scheitern, weil er die anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht auszuräumen vermag.
b) Sind die Tatsachen geklärt und ergibt sich danach aus Rechtsgründen, daß es auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht ankommt, ist es im Regelfall angemessen, daß die Verjährung beginnt, sobald der Geschädigte die tatsächlichen Umstände kennt; denn die für eine zumutbare Klageerhebung erforderliche Rechtskenntnis kann er sich dann dadurch beschaffen, daß er Rechtsrat in Anspruch nimmt. Ist dagegen auf der Grundlage der bekannten Tatsachen gerade die Frage, ob der Amtshaftungsanspruch unabhängig von einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit begründet ist, rechtlich schwierig zu beantworten und durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt, fehlt dem Geschädigten somit die Möglichkeit, zu dem Problem hinreichend Aufschluß zu erhalten, besteht für ihn die gleiche Unsicherheit wie bei fehlender Kenntnis der rechtserheblichen Tatsachen. Solange er das zur rechtlichen Einordnung notwendige Wissen nicht erlangen kann, bei lediglich subsidiärer Haftung des Notars aber eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht auszuschließen vermag, weiß er nicht, ob der Notar zum Kreis der Ersatzpflichtigen gehört. Ist diese Frage aber zweifelhaft, fehlt es an einem Element der Kenntnis, das § 852 Abs. 1 BGB fordert (vgl. BGH, Urt. v. 11. Mai 1964 - VII ZR 177/62, VersR 1964, 927, 928). Daher beginnt in einem solchen Falle die Verjährung nicht, bevor rechtlich hinreichend zu erkennen ist, daß der Notar nicht lediglich subsidiär, sondern unmittelbar haftet.
4. Ein solcher Ausnahmefall bestand für den Kläger bis zum Senatsurteil vom 21. November 1996.
a) Der in § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO verwendete Begriff des Auftraggebers erfaßt bei wörtlichem Verständnis nur solche Personen, die sich selbst an den Notar mit dem Ersuchen um Vornahme des Amtsgeschäfts gewandt haben. Bei einer solchen Auslegung der Vorschrift war der Kläger, dessen Rechtsbeziehung zum Beklagten allein daraus erwachsen war, daß er auf Veranlassung der EOFC dessen „Erklärung zu den hinterlegten Sicherheiten” erhalten hatte, nicht dem Kreis der Auftraggeber zuzurechnen.
b) Vor dem Senatsurteil vom 21. November 1996 waren keine Urteile ergangen, auf die der Kläger die Auffassung hätte stützen können, er gehöre zu den Auftraggebern im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BNotO. Frühere Urteile des Bundesgerichtshofs hatten zwischen dem Auftraggeber und den sonstigen Beteiligten unterschieden, das materielle Interesse des begünstigten Dritten also nicht ausreichen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 6. Dezember 1963 - VI ZR 292/62, VersR 1964, 320; ebenso wohl Urt. v. 11. Februar 1983 - V ZR 300/81, WM 1983, 416, 417). Eine in der Literatur vertretene Auffassung rechnete zwar auch den mittelbar Beteiligten zu den Auftraggebern, jedoch nur, sofern der Notar ihm gegenüber selbständige Pflichten übernommen hatte (Haug, Die Amtshaftung des Notars Rdnr. 204; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 3. Aufl. § 19 Rdnr. 195). Ob die Übersendung einer Bestätigung wie im Streitfall derartige Pflichten begründete, war vor Erlaß des in die Amtliche Sammlung aufgenommenen Senatsurteils vom 21. November 1996 völlig unsicher. Nicht nur die Vorinstanzen in jenem Rechtsstreit, auch das OLG Hamm in weiteren, bei dem Senat anhängig gewesenen Parallelverfahren (z.B. Urt. v. 24. März 1995 - 11 U 155/94) hatten die Kläger nicht als Auftraggeber im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO angesehen.
Im Hinblick darauf fehlte dem Kläger vor Abschluß des durch das Senatsurteil vom 21. November 1996 entschiedenen Rechtsstreits eine geeignete Grundlage für die Annahme, er brauche wegen einer uneingeschränkten Haftung des Beklagten nach § 19 Abs. 1 BNotO anderweitige Ersatzmöglichkeiten nicht auszuschließen. Das diesem Urteil vorausgegangene Berufungsurteil hatte vielmehr die Klage gerade deshalb abgewiesen, weil Ansprüche gegen den Anlageberater und den ehemaligen Bevollmächtigten der EOFC in Betracht kämen. Daher war dem Kläger bis zum Erlaß des Senatsurteils vom 21. November 1996 eine Klage gegen den Beklagten mangels hinreichend wahrscheinlicher Erfolgsaussicht nicht zuzumuten.
5. Allerdings kann der Geschädigte den Beginn der Verjährungsfrist nicht durch eigene Untätigkeit beliebig hinausschieben. Nach ständiger Rechtsprechung beginnt für Amtshaftungsansprüche, bei denen der Ausschluß einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit zur Schlüssigkeit der Klage gehört, die Verjährungsfrist schon zu dem Zeitpunkt, in dem der Kläger sich hinreichende Klarheit hätte verschaffen können, daß ein Ersatzanspruch gegen andere Personen seinen Schaden nicht vollständig deckte (vgl. BGHZ 102, 246; 125, 65, 71). Ob dieser Grundsatz entsprechend gilt, wenn die Frage einer Primärhaftung des Amtsträgers rechtlich noch ungeklärt ist, der Geschädigte jedoch weder diesen noch eventuelle andere Ersatzpflichtige in Anspruch genommen hat, braucht nicht entschieden zu werden. Der Beklagte hat selbst nicht behauptet, daß der Kläger diese Kenntnis schon vor dem 23. Dezember 1993 erhalten hätte, wenn er sogleich zwar nicht gegen den Beklagten, aber gegen andere als Schädiger in Betracht kommende Personen vorgegangen wäre. Daher ist die Klage in jedem Falle vor Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden.
III.
Da alle übrigen Voraussetzungen des Anspruchs geklärt sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Schadensersatzanspruch ist aus § 19 Abs. 1 BNotO in der geltend gemachten Höhe begründet; Zinsen stehen dem Kläger jedoch erst seit Zustellung der Klage in diesem Rechtsstreit zu. Durch den Vorprozeß aus dem Jahre 1993 geriet der Beklagte nicht in Verzug, weil es an der Zustellung der Klage fehlt (vgl. § 284 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sonstige verzugsbegründende Tatsachen sind nicht vorgetragen.
Unterschriften
Paulusch, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.02.1999 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539312 |
DB 1999, 29 |
NJW 1999, 2041 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 974 |
WuB 1999, 1383 |
WuB 1999, 1421 |
MDR 1999, 963 |
VersR 1999, 981 |
MittRKKöln 1999, 235 |