Leitsatz (amtlich)
a) Ein Nachlaßgegenstand ist auch dann im Sinne des § 1477 Abs. 2 Satz 2 BGB durch Erbfolge erworben, wenn er einem Miterben im Zuge der Erbauseinandersetzung zugefallen ist und der Miterbe Ausgleichszahlungen an die übrigen Erben leisten mußte.
b) Das Recht eines Ehegatten, bei der Auseinandersetzung einer ehelichen Gütergemeinschaft ein durch Erbfolge erworbenes Grundstück zu übernehmen, wird durch eine nach dem Erwerb durchgeführte Flurbereinigung nicht beeinträchtigt.
Normenkette
BGB § 1477 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien heirateten am 15. Dezember 1961. Am 28. Mai 1963 schlossen sie einen notariellen Ehevertrag, mit dem sie Gütergemeinschaft vereinbarten. Mit notarieller Urkunde ebenfalls vom 28. Mai 1963 übertrugen die Eltern der Klägerin ihr mehrere Grundstücke. Am 7. August 1965 starb die Mutter der Klägerin. Sie wurde von ihrem Ehemann – dem Vater der Klägerin – zu 1/2 und von der Klägerin und ihren beiden Geschwistern zu je 1/6 beerbt.
Am 28. Juni 1966 schlossen die Parteien sowie der Vater und die Geschwister der Klägerin einen notariellen Vertrag, mit welchem sie die Übertragung der erwähnten Grundstücke an die Klägerin rückgängig machten und zugleich die Erbauseinandersetzung nach der Mutter der Klägerin durchführten. Die erwähnten Grundstücke wurden dem Vater zu 5/8 und den drei Kindern zu je 1/8 übertragen. Die Grundstücke waren allerdings im Zuge der Flurbereinigung neu geschnitten und im Grundbuch neu bezeichnet worden.
Am 14. Dezember 1966 starb der Vater der Klägerin. Er wurde zu je 1/3 beerbt von der Klägerin und ihren beiden Geschwistern. Zur teilweisen Erbauseinandersetzung nach dem Vater wurden der Klägerin durch notariellen Vertrag vom 14. März 1972 die erwähnten Grundstücke übertragen gegen eine Ausgleichszahlung von 13.698,66 DM an ihre beiden Geschwister. Die 13.698,66 DM erhielt die Klägerin von der Mutter des Beklagten. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin das Geld als Darlehen erhielt oder als Entgelt für geleistete Dienste. Im Zusammenhang mit der Fortsetzung des Flurbereinigungsverfahrens sind den Grundstücken Flächen hinzugeschlagen worden. Außerdem wurde die Grundbuchbezeichnung teilweise erneut geändert.
Bezüglich weiterer Grundstücke aus dem Nachlaß des Vaters der Klägerin besteht die ungeteilte Erbengemeinschaft zwischen der Klägerin und ihren Geschwistern fort.
Die Ehe der Parteien wurde durch Urteil des Familiengerichts vom 16. Oktober 1987, das insoweit seit dem 27. November 1987 rechtskräftig ist, geschieden. Ein Verfahren zur Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft nach § 99 FGG blieb erfolglos und wurde durch Beschluß vom 6. März 1992 eingestellt.
Die Klägerin verlangt mit der Klage im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Gesamtgutes die Übernahme der Grundstücke, die ihr durch notariellen Vertrag mit ihren Geschwistern vom 14. März 1972 übertragen worden sind, und bezüglich der übrigen Grundstücke die Übernahme des Miteigentums in ungeteilter Erbengemeinschaft.
Das Familiengericht hat der Klage wegen der Grundstücke, die die Klägerin durch notariellen Vertrag mit ihren Geschwistern vom 14. März 1972 erworben hat, stattgegeben, im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht durch das angefochtene Teilurteil das Urteil des Familiengerichts abgeändert, soweit das Familiengericht der Klage stattgegeben hat. Insofern hat es die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie bezüglich dieses Teils der Klageforderung die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht führt aus, nach § 1477 Abs. 2 BGB könne jeder Ehegatte im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft Gegenstände gegen Ersatz des Wertes übernehmen, die er während der Gütergemeinschaft (u.a.) durch Erbfolge erworben habe. Die Grundstücke, die der Klägerin durch den notariellen Vertrag vom 14. März 1972 übertragen worden seien, habe die Klägerin aber nicht im Sinne dieser Vorschrift „durch Erbfolge” erworben, weil es für den Erwerb noch des Auseinandersetzungsvertrages mit ihren Geschwistern und der Zahlung einer Abfindung an diese bedurft hätte. Daß eine Anteilsberechtigung an den Grundstücken in Form der Beteiligung an der zunächst bestehenden Erbengemeinschaft erworben worden sei, reiche nicht aus, um den Anspruch aus § 1477 Abs. 2 BGB zu begründen. Zwar stehe im Rahmen dieser Vorschrift der Erwerb „durch Erbfolge” dem Erwerb „mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht” gleich und der Bundesgerichtshof habe entschieden, ein Erwerb mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht könne auch dann vorliegen, wenn der Erwerber an erbberechtigte Geschwister Ausgleichszahlungen zu leisten habe (Senatsurteil vom 18. Juni 1986 – IVb ZR 56/85 – FamRZ 1986, 883 = BGHR BGB § 1477 Abs. 2 Erwerb 1). Der im vorliegenden Fall gegebene Erwerb sei aber anders zu beurteilen, weil bei ihm zwei voneinander zu trennende Erwerbstatbestände vorlägen: Zunächst im Wege der Erbfolge die Beteiligung an einer Erbengemeinschaft und dann – davon getrennt – ein Vertrag über die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Der zweite Erwerbstatbestand sei durch § 1477 Abs. 2 BGB nicht privilegiert. Dagegen habe in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Eigentumserwerb der Gütergemeinschaft durch einen einzigen Erwerbstatbestand stattgefunden, nämlich durch eine Veräußerung mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, die nach § 1477 Abs. 2 BGB privilegiert sei.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
2. In der vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Senatsentscheidung vom 18. Juni 1986 (aaO), nach der ein Erwerb mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht im Sinne der §§ 1477 Abs. 2, 1478 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch dann vorliegen kann, wenn der Erwerber an erbberechtigte Geschwister Ausgleichszahlungen zu leisten hat, hat der Senat zur Begründung ausgeführt, Grund für die Gewährung des Übernahmerechts nach § 1477 Abs. 2 BGB sei die Tatsache, daß der Erwerb auf besonderen persönlichen Beziehungen des Ehegatten zum früheren Rechtsinhaber beruhe. Auf diese Weise sollten Vermögenswerte, die aus der Familie des bedachten Ehegatten stammten, diesem nach Beendigung der Gütergemeinschaft erhalten bleiben. Es gebe keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß der Gesetzgeber das Übernahmerecht davon abhängig gemacht habe, daß der Erwerb unentgeltlich erfolgt sei.
Diese Argumentation gilt uneingeschränkt ebenso, wenn ein in Gütergemeinschaft lebender Ehegatte einen Gegenstand gegen Zahlung einer Abfindung an seine Geschwister von seinen Eltern nicht zu deren Lebzeiten mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, sondern – wie hier – nach deren Tod durch Erbfolge und einen Erbauseinandersetzungsvertrag mit seinen Geschwistern erlangt hat. Dem Berufungsgericht kann nicht darin zugestimmt werden, daß ein privilegierter Erwerb durch Erbfolge i.S. des § 1477 Abs. 2 BGB nicht vorliegt, wenn der bedachte Ehegatte zunächst nur Miterbe war und das Alleineigentum erst im Zuge der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erworben hat. Es trifft zwar zu, daß ein Übernahmerecht des bedachten Ehegatten nur dann gegeben ist, wenn dieser den ganzen Gegenstand mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Erbfolge erworben hat, nicht nur eine Teilberechtigung an dem Gegenstand (Senatsurteil vom 18. Juni 1986 FamRZ aaO S. 884 m.N.). Es ist jedoch nicht gerechtfertigt, bei mehreren Erben nur die Beteiligung an der Erbengemeinschaft als „durch Erbfolge erworben” i.S. des § 1477 Abs. 2 BGB anzusehen. „Erbfolge” ist in diesem Zusammenhang in einem weiteren Sinne zu verstehen. Als durch Erbfolge erworben müssen auch solche Gegenstände gelten, die zunächst in den Nachlaß gefallen und im Zuge der Erbauseinandersetzung einem Miterben zugefallen sind.
Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts würde zu unerträglichen Ergebnissen führen. Im Falle gesetzlicher Erbfolge könnte ein in Gütergemeinschaft lebender Ehegatte einen von seinen Eltern hinterlassenen Gegenstand nur dann i.S. des § 1477 Abs. 2 BGB privilegiert erwerben, wenn er ein Einzelkind wäre. Ein Ehegatte, der Geschwister hat, könnte auch im Wege gewillkürter Erbfolge nur dann privilegiert erwerben, wenn die Eltern seine Geschwister durch letztwillige Verfügung enterbt hätten. Es liegt auf der Hand, daß dieses Ergebnis nicht der Regelungsabsicht des Gesetzes entsprechen würde.
Außerdem stellt § 1477 Abs. 2 Satz 2 BGB den Erwerb mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht dem Erwerb durch Erbfolge gleich. Würde man der Ansicht des Berufungsgerichts folgen, würde er nicht gleichgestellt, sondern stärker privilegiert als ein Erwerb durch Erbfolge (im Ergebnis wie hier: Soergel/Gaul, BGB 12. Aufl. § 1477 Rdn. 9; Staudinger/Thiele, BGB 13. Bearbeitung 1994, § 1477 Rdn. 12).
3. Das angefochtene Teilurteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Es erweist sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig. Der Annahme, die Klägerin habe die Grundstücke im Wege der Erbfolge erworben, steht nicht entgegen, daß der Zuschnitt der Grundstücke durch die inzwischen durchgeführte Flurbereinigung verändert worden ist. Zwar besteht nach allgemeiner Auffassung kein Übernahmerecht an den Surrogaten eines Gegenstandes, der selbst dem Übernahmerecht unterlegen hätte (OLG Bamberg, FamRZ 1983, 72 m.N.; Staudinger/Thiele aaO; Palandt/Diederichsen, BGB 57. Aufl. § 1477 Rdn. 2). Wenn die Grenzen eines Grundstücks im Wege der Flurbereinigung neu gezogen werden, kann man jedoch nicht davon ausgehen, daß der Eigentümer als Surrogat für das alte Grundstück ein neues Grundstück erhalten hat. Jedenfalls im Sinne des Übernahmerechts nach § 1477 Abs. 2 BGB handelt es sich nach wie vor um ein und dasselbe Grundstück. Die Flurbereinigung kann nicht dazu führen, daß der Ehegatte sein Übernahmerecht verliert (OLG Bamberg aaO; Staudinger/Thiele aaO; Soergel/Gaul aaO Rdn. 9; MünchKomm-BGB/Kanzleiter, 3. Aufl. § 1477 Rdn. 6; Palandt/Diederichsen aaO).
4. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Die Klägerin kann bezüglich der Grundstücke ein Übernahmerecht nur dann vorab geltend machen, wenn abzusehen ist, daß diese Grundstücke nicht verwertet werden müssen, um Gesamtgutsverbindlichkeiten berichtigen zu können (Senatsurteil vom 18. Juni 1986 aaO). Der Beklagte macht geltend, daß Gesamtgutsverbindlichkeiten bestehen. Hierzu hat das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus zu Recht – keine Feststellungen getroffen. Ebenso hat es keine Feststellungen dazu getroffen, ob weiteres Gesamtgutsvermögen vorhanden ist, mit dem bestehende Gesamtgutsverbindlichkeiten abgegolten werden könnten. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes kann auch nicht beurteilt werden, ob und wenn ja in welcher Höhe die Klägerin Zug um Zug gegen Übernahme der Grundstücke zum Ersatz ihres Wertes (§ 1477 Abs. 2 BGB) eine Zahlung zu leisten hat. Die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es die notwendigen Feststellungen nachholen kann.
Fundstellen