Leitsatz (amtlich)
Der zur Errichtung eines Gebäudes Verpflichtete ist dann zeitlich unbefristet zur Gewährleistung verpflichtet, wenn diejenige (Teil-)Leistung, bei deren Erbringung in grober Weise gegen die Pflicht zur qualitätsgerechten Leistung verstoßen wurde, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine ihrer Art angemessene Lebensdauer oder Haltbarkeit hat. Eine Beeinträchtigung der Lebensdauer des gesamten Gebäudes ist nicht erforderlich.
Normenkette
VertragsG § 93 Abs. 1
Verfahrensgang
KG Berlin (Aktenzeichen 4 U 1615/95) |
LG Berlin (Aktenzeichen 2 O 47/94) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 14. Oktober 1997 aufgehoben, soweit nicht das Wohngebäude H. Straße 31 betroffen ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine Wohnungsbaugesellschaft, nimmt die Beklagten aus Garantieforderungen wegen nicht qualitätsgerechter Leistung bei der Errichtung einer Neubausiedlung in Berlin-H. in Anspruch.
I.
Die Klägerin ist durch Umwandlung des VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin-H. (im folgenden: KWV H.) entstanden. Die Beklagte zu 2 und die Firma OBUG, die Rechtsvorgängerin der jetzigen Beklagten zu 1 (im folgenden: die Beklagte zu 1), sind durch Spaltung aus dem VEB Wohnbaukombinat „Georgi Dimitroff” Gera (im folgenden: GAN Gera) hervorgegangen. Der GAN Gera schloß mit dem VEB Investitionsbüro Gera als Hauptauftraggeber (im folgenden: HAG Gera) den langfristigen Wirtschaftsvertrag vom 29. April/30. Oktober 1986, wonach er als Generalauftragnehmer (GAN) die Durchführung des Investitionsvorhabens Wohnkomplex 3.3 Berlin-H. übernahm. Mit Überleitungsvertrag vom 20. Dezember 1990 übernahm der Magistrat von Berlin mit Wirkung ab 1. Januar 1991 die Rechte und Pflichten des HAG Gera aus diesem Wirtschaftsvertrag.
Die Wohngebäude, die Gegenstand des Revisionsverfahrens sind, sind im wesentlichen 1987 bis 1989, teilweise auch 1990 und 1991 fertiggestellt, abgenommen und von der KWV H. bzw. zuletzt von der Klägerin in Rechtsträgerschaft übernommen worden. Die Klägerin macht aus übergangenem Recht des HAG Gera bzw. zuletzt des Magistrats von Berlin Garantieansprüche wegen von ihr behaupteter wesentlicher Baumängel an diesen Wohngebäuden geltend. Sie hat vorgetragen, die Außenwände sämtlicher Gebäude seien unter grober Mißachtung der staatlichen Qualitätsvorschriften nicht ausreichend gegen Feuchtigkeit geschützt. Die Klägerin hat, soweit in den Rechtsmittelinstanzen von Interesse, wegen der Mängel an den bis zum 18. Mai 1990 abgenommenen Wohngebäuden von den Beklagten als Gesamtschuldnern und wegen der Mängel an den danach abgenommenen Wohngebäuden von der Beklagten zu 1 allein Kostenvorschuß und zu einem kleineren Teil Aufwendungsersatz gefordert.
II.
Das Landgericht und das Kammergericht haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche, soweit sich diese nicht auf das am 8. Dezember 1992 abgenommene Gebäude H. Straße 31 beziehen, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1. Das Berufungsgericht läßt im Ergebnis offen, ob der Klägerin die geltend gemachten Garantieansprüche zustehen, da die Klage aus sonstigen Gründen unbegründet sei (hierzu unten III.-V.). Zur Anspruchsberechtigung führt das Berufungsgericht folgendes aus:
Es meint, die geltend gemachten Garantieansprüche seien durch die Umwandlung der KWV H. in die Klägerin auf diese übergegangen. Die Klägerin habe eine Übersicht im Sinne von § 52 UmwandlungsG a.F. zwar nicht vorlegen können. Der Text der Umwandlungserklärung vom 28. Juni 1990 rechtfertige jedoch diese Annahme. Auf die Wirksamkeit späterer rechtsgeschäftlicher Übertragungen brauche deshalb nicht eingegangen zu werden (hierzu 2.b). Die von der Klägerin geltend gemachten Garantieansprüche seien nach dem Gesetz über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft – Vertragsgesetz – vom 25. März 1982 (GBl. I S. 293, im folgenden: VertragsG) zu beurteilen (hierzu 2.a). Demnach sei das Vorhandensein einer sogenannten „Kooperationskette” Anspruchsvoraussetzung. Deren Annahme verbiete sich nicht schon deshalb, weil nach dem Vorbringen der Klägerin mit dem Hauptauftraggeber Komplexer Wohnungsbau, Aufbauabteilung II, Berlin (im folgenden: HAG Berlin) und dem HAG Gera mehrere Hauptauftraggeber tätig geworden seien. Das sei nach den maßgeblichen Vorschriften zulässig gewesen. Die Klägerin habe jedoch weder einen Aufgabenwahrnehmungsvertrag zwischen der KWV H. als Investitionsauftraggeber (IAG) und dem HAG Berlin noch einen Wirtschaftsvertrag zwischen dem HAG Berlin und dem HAG Gera vorlegen können. Das Vorhandensein solcher Verträge lasse sich ohne eine Beweiserhebung nicht verläßlich beurteilen (hierzu 2.c).
2. Diese Erwägungen halten, soweit sie der Klägerin nachteilig sind, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß auf die von der Klägerin geltend gemachten Garantieansprüche das VertragsG und die dazu ergangenen Verordnungen anwendbar ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, BauR 1998, 391 = ZfBR 1998, 150, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, unter I.1.; Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, BauR 1998, 620 = ZfBR 1998, 196, unter I.2.b).
b) Ob die geltend gemachten Garantieansprüche bereits durch die Umwandlung der KWV H. in die Klägerin auf diese übergegangen sind, kann ohne die Anlagen zur Umwandlungserklärung nicht verläßlich geprüft werden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, aaO, unter I.2.a (1.)). Diese Frage kann dahinstehen, weil die Garantieansprüche jedenfalls aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 20. Januar/14. Februar 1994, die das Land Berlin mit der Klägerin geschlossen hat, auf die Klägerin übergegangen sind. Falls die Klägerin nicht aufgrund der Umwandlung mit ihrer Eintragung in das Handelsregister Inhaberin der Forderungen geworden sein sollte, dann hätten diese Ansprüche dem Land Berlin zugestanden. Das Land Berlin ist aufgrund des Art. 22 Abs. 4 EV Inhaber der Garantieansprüche geworden, die auf die KWV H. infolge der Übernahmen von Bauinvestitionen vor dem 3. Oktober 1990 gemäß Art. 232 § 1 EGBGB i.V.m. § 22 Abs. 3 der 2. DVO zum VertragsG übergegangen sind. Soweit die KWV H., die mit der Wiedervereinigung ein nicht rechtsfähiger Eigenbetrieb des Landes Berlin wurde, nach dem 3. Oktober 1990 Investitionsvorhaben übernommen hat, ist das Land Berlin gemäß Art. 232 § 1 EGBGB i.V.m. § 22 Abs. 3 der 2. DVO zum VertragsG Inhaber der Garantieforderungen geworden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, aaO, unter I.2.a (2.)). Zweifel an der Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung vom 20. Januar/14. Februar 1994 sind nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht begründet.
c) (1) Nach den zwingenden Vorschriften des DDR-Rechts zu Investitionsvorhaben konnte nur eine Wirtschaftseinheit die Funktion des HAG ausüben (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, aaO, unter II.2.d). Es ist deshalb für das Vorhandensein einer „Kooperationskette” ohne Bedeutung, ob zwischen dem HAG Berlin und dem HAG Gera ein Wirtschaftsvertrag geschlossen wurde und welche Funktionen der HAG Berlin bei der Realisierung des Wohnkomplexes 3.3 im Einzelnen hatte.
(2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist direkt zwischen der KWV H. und dem HAG Gera ein Aufgabenwahrnehmungsvertrag zustande gekommen. Nach dem Beschluß des Magistrats von Berlin vom 7. Juli 1986 waren die Hauptauftraggeber Komplexer Wohnungsbau der Bezirke verantwortlich für die Durchführung des Komplexen Wohnungsbaus innerhalb der Bezirke. Der HAG Gera hat den Wirtschaftsvertrag vom 29. April/30. Oktober 1986, mit dem sich der GAN Gera, der Rechtsvorgänger der Beklagten, als GAN zur Durchführung des Investitionsvorhabens bis zur funktionsfähigen Übergabe der Objekte verpflichtet hatte (§ 4 dieses Vertrages), als Hauptauftraggeber geschlossen. Aus dem Überleitungsvertrag vom 20. Dezember 1990, an welchem nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch die Beklagte zu 1 als „verbleibender Auftragnehmer” beteiligt war, ergibt sich, daß der HAG Gera bis zum damaligen Zeitpunkt als „HAG Bezirk” tätig gewesen war. Abnahmeprotokolle, die vor diesem Überleitungsvertrag unterzeichnet wurden, weisen ebenfalls den HAG Gera als Hauptauftraggeber aus. Die KWV H. hat diese Protokolle als „Rechtsträger/Investträger” unterzeichnet und die Bauleistungen auch tatsächlich übernommen. Bei dieser Sachlage ist spätestens mit der Abnahme der ersten Objekte zwischen der KWV H. und dem HAG Gera ein konkludenter Aufgabenwahrnehmungsvertrag geschlossen worden. Ob dieser Vertrag zuvor schriftlich geschlossen wurde, ist unerheblich (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, aaO, unter II.2.; Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, aaO, unter I.2.c).
(3) In diesen Aufgabenwahrnehmungsvertrag ist dann mit Wirkung vom 1. Januar 1991 der Magistrat von Berlin bzw. das Land Berlin als dessen Rechtsnachfolger eingetreten. Der Magistrat von Berlin hat durch den Überleitungsvertrag vom 20. Dezember 1990 mit Zustimmung der Beklagten zu 1 die Rechte und Pflichten des HAG Gera aus dem Wirtschaftsvertrag vom 29. April/30. Oktober 1986 übernommen. Er hat damit ab dem 1. Januar 1991 in der Kooperationskette mit der KWV H. bzw. der Klägerin als maßgeblicher HAG fungiert. Dem hat die Klägerin bzw. die KWV H. jedenfalls durch Übernahme der nach diesem Zeitpunkt fertiggestellten Wohnblöcke zugestimmt (§ 81 Abs. 2 Satz 2 VertragsG).
II.
1. Das Berufungsgericht geht im Grundsatz davon aus, daß die beiden Beklagten der Klägerin als Gesamtschuldner für die geltend gemachten Garantieansprüche haften. Es läßt offen, welche der beiden Beklagten nach dem notariellen Vertrag vom 22. Juni 1990 diese Verbindlichkeiten habe übernehmen sollen. Es meint, die gesamtschuldnerische Haftung der beiden Beklagten ergebe sich im Verhältnis zur Klägerin aus dem Rechtsgedanken des § 440 Satz 2 ZGB. Demnach bedürfe eine Umwandlung oder Aufspaltung einer Schuldnergesellschaft, die zu einer Verringerung der dem Gläubiger verbleibenden Haftungsmasse führe, im Außenverhältnis der Zustimmung der Gläubiger. Die demnach erforderliche Zustimmung der Klägerin fehle.
2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Daß die beiden Beklagten der Klägerin im beantragten Umfang als Gesamtschuldner haften, ergibt sich aus § 12 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen (SpTrUG) vom 5. April 1991 (BGBl. I 854). Auf eine etwaige Zustimmung der Klägerin kommt es demnach nicht an.
a) Die beiden Beklagten sind aus einem Spaltungsvorgang im Sinne von § 12 Abs. 1 SpTrUG hervorgegangen. Ihr Rechtsvorgänger war als Wohnbaukombinat eine Wirtschaftseinheit im Sinne von § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (GBl. I 107; im folgenden: UmwandlungsVO). Er sollte gemäß Ziff. 1 der „Umwandlungserklärung” vom 22. Juni 1990 auf der Grundlage der UmwandlungsVO in die beiden Beklagten, die gleichzeitig als GmbH's errichtet wurden, umgewandelt werden. Gemäß Ziff. 2 dieser Urkunde sollte das Vermögen ihres Rechtsvorgängers auf die beiden Beklagten übertragen werden. Beabsichtigt war demnach die Aufspaltung eines VEB in zwei neu gegründete Kapitalgesellschaften. Diese auf der Grundlage der UmwandlungsVO durchgeführte Realteilung des Rechtsvorgängers der Beklagten war zunächst unwirksam, da die UmwandlungsVO, ebenso wie das Treuhandgesetz, keine Regelungen für die Spaltung volkseigener Wirtschaftseinheiten enthält (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1994 - II ZR 174/93, ZIP 1995, 322, 323 = BGHR SpTrUG § 10 Abs. 3 Satz 1 Altfälle 1). Als aus einer derartigen Realteilung hervorgegangene Kapitalgesellschaften genießen die beiden Beklagten jedoch Bestandsschutz. Sie sind am 24. Juli 1990 in das Handelsregister eingetragen worden und sonstige Gründungsmängel sind nicht ersichtlich (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. Dezember 1994 - II ZR 174/93, aaO, und eingehend Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, 2. Aufl., § 18 Rdn. 210 ff.). Vermögensgegenstände ihres Rechtsvorgängers können die beiden Beklagten durch Einzelübertragung erworben haben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. Dezember 1994 - II ZR 174/93, aaO). Soweit hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen wie etwa die notarielle Beurkundung von Grundstücksübertragungen oder die Zustimmung von Vertragspartnern ihres Rechtsvorgängers fehlten, ist in § 12 Abs. 1 Satz 1 SpTrUG die Heilung der im Rahmen der Spaltung beabsichtigten Vermögensübertragung angeordnet (vgl. Horn, aaO, Rdn. 213, 218).
b) Demnach haften die beiden Beklagten gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 SpTrUG als Gesamtschuldner für die Erfüllung der vor ihrer Eintragung in das Handelsregister am 24. Juli 1990 entstandenen Verbindlichkeiten ihres Rechtsvorgängers. Die Klägerin nimmt die beiden Beklagten nur wegen der Mängel an den bis zum 18. Mai 1990 abgenommenen Wohnblöcken als Gesamtschuldner in Anspruch. Die Garantieansprüche an den bereits abgenommenen Wohnblöcken werden von § 12 Abs. 2 Satz 1 SpTrUG erfaßt, da insoweit sämtliche Grundlagen der Garantiehaftung vom Rechtsvorgänger der Beklagten gesetzt wurden. Daß die Mängel erst nach der Eintragung der beiden Beklagten in das Handelsregister entdeckt worden sind, ändert hieran nichts. § 12 Abs. 2 Satz 1 SpTrUG gilt auch für noch nicht fällige Forderungen (vgl. BR Drucks. 71/91, S. 39, 35).
III.
1. Das Berufungsgericht läßt offen, ob das VertragsG überhaupt einen Anspruch auf Kostenvorschuß gewährt. Ein solcher Anspruch setze jedenfalls ein Selbstnachbesserungsrecht des Auftraggebers voraus. Hierzu habe die Klägerin nicht ausreichend vorgetragen. Gemäß § 94 Abs. 6 Satz 1 VertragsG müßten bei einer Selbstnachbesserung die volkswirtschaftliche Belange gewahrt werden. Statt auf die volkswirtschaftlichen Belange sei nach den Grundsätzen einer marktwirtschaftlichen Ordnung auf die wirtschaftlichen Belange des Auftraggebers abzustellen. Demnach komme eine Selbstnachbesserung nur in Betracht, wenn diese aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers geboten sei. Hierzu trage die Klägerin nichts Substantielles vor.
2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, aaO, unter I.2.b; Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, aaO, unter II.2.b) steht dem Inhaber eines Nachbesserungsrechts nach § 94 Abs. 6 VertragsG ein Anspruch auf Kostenvorschuß jedenfalls dann zu, wenn sich der Leistungserbringer mit der Nachbesserung in Verzug befindet oder diese ernsthaft und endgültig verweigert.
b) An die Stelle der „volkswirtschaftlichen Belange” des § 94 Abs. 6 VertragsG treten die wirtschaftlichen Interessen der an dem Austauschverhältnis beteiligten Vertragsparteien (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, aaO, unter I.2.a; Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, aaO, unter II.2.a). Diesen Auslegungsgrundsatz hat das Berufungsgericht verkannt, denn es stellt allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin als Auftraggeberin ab. Sein Auslegungsergebnis hat zur Folge, daß dem Auftraggeber dann kein Selbstbeseitigungsrecht zu Lasten des Auftragnehmers zusteht, wenn er die Kosten der Selbstnachbesserung selbst aufbringen kann. Auch dann liegt es in seinem wirtschaftlichen Interesse, daß die Kosten der Selbstnachbesserung vom Auftragnehmer getragen werden, der seine Pflicht zur qualitätsgerechten Leistung verletzt hat (§ 88 Abs. 1 VertragsG). § 94 Abs. 6 VertragsG ist deshalb unter Berücksichtigung der Grundsätze einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsverfassung so auszulegen, daß eine Selbstnachbesserung auf Kosten des Auftragnehmers regelmäßig nur dann ausscheidet, wenn diese mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre. Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtslage in der ehemaligen DDR. Hier mußten die Kosten der Selbstnachbesserung den Umständen nach gerechtfertigt sein (Kommentar zum VertragsG, herausgegeben vom Staatlichen Vertragsgericht, 2. Aufl. 1989, § 94 Anm. 2.4.).
IV.
1. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin sei mit Garantieansprüchen wegen nicht qualitätsgerechter Leistung (§§ 88, 92 Abs. 1 Satz 1 VertragsG) ausgeschlossen, soweit die jeweiligen Wohngebäude vor dem 1. August 1991 abgenommen worden seien. Die Klägerin habe insoweit die zweijährige Garantiefrist ab Abnahme (§ 18 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 der 2. DVO zum VertragsG) und die sich an diese Frist anschließende einmonatige Anzeigefrist (§ 92 Abs. 1 Satz 1 VertragsG) nicht eingehalten. Diese Fristen blieben auch nach dem Beitritt maßgeblich. Art. 231 § 6 EGBGB sei nicht anwendbar, da zwischen den Garantieansprüchen nach dem VertragsG und der Gewährleistung nach dem Werkvertragsrecht des BGB grundsätzliche Unterschiede bestünden (hierzu 2.a). Hinsichtlich zweier am 29. Oktober und am 18. November 1991 abgenommener Wohngebäude dürfe zwar einer fristgerechte Mängelanzeige vorliegen; insoweit sei aber das Vorbringen der Klägerin zu den behaupteten Verstößen gegen die Pflicht zur qualitätsgerechten Leistung unzureichend, da an diesen Gebäuden von dem vom Landgericht im selbständigen Beweisverfahren hinzugezogenen Sachverständigen keine Durchfeuchtungen in den betreffenden Kellerräumen festgestellt worden seien (hierzu 2.b).
2. Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, aaO, unter V.2.; Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, aaO, unter VI.2.) ist Art. 231 § 6 EGBGB auf Garantieforderungen nach dem VertragsG anwendbar. Damit unterfallen die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nicht mehr der Garantiefrist des Vertragsgesetzes, sofern sie am 3. Oktober 1990 noch nicht ausgeschlossen waren. Für die nicht ausgeschlossenen Ansprüche gilt gemäß Art. 231 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 EGBGB die fünfjährige Verjährungsfrist des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß im Streitfall ein Ausschluß oder eine Verjährung von Garantieansprüchen nur bei solchen Gebäuden in Betracht kommt, die vor dem 2. Quartal des Jahres 1989 abgenommen wurden. Insoweit kommen Ansprüche der Klägerin gemäß § 93 Abs. 1 VertragsG in Betracht (vgl. unten V.).
b) Die Klägerin hat vorgetragen, daß die beiden Ende 1991 abgenommenen Gebäude die gleichen Mängel aufweisen wie die zuvor abgenommenen Gebäude. Ihr Vorbringen zu den Mängeln reicht aus, um die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 VertragsG, eine grobe Verletzung der Pflicht zur qualitätsgerechten Leistung, auszufüllen (vgl. unten V.). Es reicht auch aus, um die weniger strengen tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 88 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 VertragsG, die Verletzung der Pflicht zur qualitätsgerechten Leistung, darzulegen. Dem steht der Umstand, daß der Sachverständige im Jahr 1995 keine Durchfeuchtungen an den beiden Ende 1991 abgenommenen Gebäuden festgestellt hat, schon deshalb nicht entgegen, weil nach dem Vorbringen der Klägerin auch an den im Jahr 1987 abgenommenen Gebäuden erstmals Mitte 1993 Durchfeuchtungen in den Kellern festgestellt wurden.
V.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin könne ihre Ansprüche nicht auf § 93 VertragsG stützen. Ob gegen die Fortgeltung dieser Anspruchsgrundlage durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, könne offenbleiben (hierzu 2.a). Die Haftung der Beklagten scheitere jedenfalls daran, daß die Klägerin die besonderen Voraussetzungen dieser Norm nicht dargelegt habe. Für das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung i.S.d. § 93 VertragsG sei entscheidend auch auf subjektive Kriterien abzustellen. Dieses Kriterium stimme mit den von der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland zur groben Fahrlässigkeit entwickelten Grundsätze überein (hierzu 2.b). Gemessen an diesen Anforderungen habe die Klägerin die besonderen Voraussetzungen einer groben Pflichtverletzung nicht dargetan. Der Sachverständige habe im selbständigen Beweisverfahren zwar zahlreiche, zum Teil auch gravierende Mängel festgestellt und diese auf Verstöße gegen die maßgeblichen Qualitätsvorschriften zurückgeführt (hierzu 2.c). Mängel, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Lebensdauer des Bauwerks insgesamt führten, habe der Sachverständige aber nicht festgestellt. Dies sei aus objektiver Sicht Voraussetzung für eine Inanspruchnahme der Beklagten aus § 93 VertragsG. Die Beeinträchtigung der Lebensdauer oder der Funktions- und Nutzungsfähigkeit einzelner Einbauteile oder Teilbereiche des Gesamtbauwerks reiche nicht aus (hierzu 2.d). Die den Beklagten anzulastende Pflichtverletzung sei auch subjektiv nicht als schlechthin unentschuldbar zu beurteilen. In der ehemaligen DDR sei aus Gründen des Vorrangs der Planerfüllung über Jahre hinweg ein reduzierter Standard geduldet worden. Demnach hätten die Auftragnehmer von Bauleistungen zu der Annahme gelangen kommen können, die vorgegebenen Standards nicht erreichen zu müssen, um ihre vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß zu erfüllen. Diese allgemeinen Grundsätze könnten auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden, denn die mangelhafte Ausführung der Drainage sei nach den Feststellungen des Sachverständigen bereits während der Bauausführung, also ab dem Jahr 1986, für jeden Bauleiter erkennbar gewesen. Sie sei gleichwohl nicht gerügt worden (hierzu 2.e).
2. Auch diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Gegen die weitere Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 VertragsG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, aaO, unter V.1.b; Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, aaO, unter V.2.b).
b) Für die Auslegung des § 93 VertragsG ist das Vertragsstatut der DDR maßgeblich, nicht hingegen das Recht der Bundesrepublik Deutschland oder die Rechtsprechung deren Gerichte (BGH, Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, aaO, unter V.2.a (1.)). Das Berufungsgericht zieht rechtsfehlerhaft die von den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland zur groben Fahrlässigkeit entwickelten Grundsätze zur Auslegung der groben Pflichtverletzung i.S.d. § 93 VertragsG heran. Entscheidend ist vielmehr die in der DDR praktizierte Rechtsauffassung, nach der unter anderem grobe Verstöße gegen elementare Grundsätze der Konstruktion, der Fertigstellung, der Montage sowie gegen anerkannte Regeln der Technik als Kriterien einer groben Verletzung der Pflicht zur qualitätsgerechten Leistung galten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, aaO, unter V.1.a.aa; Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, aaO, unter V.2.a (1.)).
c) Das von den Beklagten bestrittene Vorbringen der Klägerin genügt, um diese tatbestandlichen Voraussetzungen auszufüllen. Sie zitiert mehrere staatliche Gütevorschriften, gegen die der Rechtsvorgänger der Beklagten verstoßen haben soll. Aufgrund dieser Verstöße seien die erforderlichen Drainagen entweder überhaupt nicht vorhanden oder funktionsuntüchtig und die getroffenen Abdichtungsmaßnahmen unzureichend oder wirkungslos. Die Klägerin wirft den Beklagten damit nicht nur Nachlässigkeiten im Einzelfall, sondern gravierende Verstöße gegen die maßgeblichen Qualitätsvorschriften im großem Umfang vor (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, aaO, unter V.1.a.bb; Urteil vom 26. März 1998 - VII ZR 41/97, aaO, unter V.2.a (2.)).
d) (1) Nach § 93 Abs. 1 VertragsG ist der Leistende dann zeitlich unbefristet zur Gewährleistung verpflichtet, wenn durch den Mangel, welcher auf eine grobe Verletzung der Pflicht zur vertragsgerechten Leistung zurückzuführen ist, die Leistung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine ihrer Art angemessene Lebensdauer oder Haltbarkeit hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist mit Leistung im Sinne dieser Vorschrift nicht das gesamte Bauvorhaben, sondern diejenige (Teil-)Leistung gemeint, bei deren Erbringung in grober Weise gegen die Pflicht zur qualitätsgerechten Leistung verstoßen wurde. Die Vorschrift des § 93 VertragsG regelt eine Erweiterung der Rechte des Auftraggebers; sie darf deshalb nicht einengend verstanden werden (Kommentar zum VertragsG, § 93 Anm. 2.2.). Das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts führt zu einer derartigen Beschränkung der Vorschrift. Es hat zur Folge, daß die zeitlich unbefristete Haftung des Leistenden gemäß § 93 Abs. 1 VertragsG bei einer Vielzahl von Gewerken von vornherein nicht eingreift. Dieses Auslegungsergebnis ist vom Wortlaut der Vorschrift nicht geboten und widerspricht ihrem Sinn, die Rechte des Auftragnehmers im Falle grober Pflichtverletzungen zu erweitern (Kommentar zum VertragsG, aaO). Hinzu kommt, daß die beiden Vorläuferbestimmungen des § 93 VertragsG, nämlich § 22 Abs. 2 der 6. DVO und § 36 Abs. 1 der 8. DVO zum VertragsG von 1965 (GBl. 1972 II S. 515; GBl. 1978 I S. 397), die Einschränkung, daß eine zeitlich unbefristete Haftung des Leistenden nur im Falle einer Beeinträchtigung der Lebensdauer oder Haltbarkeit der Leistung in Betracht kommt, nicht kannten. Nach diesen Vorschriften mußten also die Erbringer sämtlicher Gewerke im Falle grober Pflichtverletzungen mit ihrer zeitlich unbefristeten Inanspruchnahme rechnen. Durch § 93 Abs. 1 VertragsG wurden die genannten Vorläuferbestimmungen verallgemeinert (Kommentar zum VertragsG, § 93 Anm. 1.) und nicht in erheblichem Umfang eingeschränkt.
(2) Die Klägerin wirft den Beklagten einen groben Verstoß gegen die Pflicht zur vertragsgerechten Leistung im Zusammenhang mit der Abdichtung der Gebäude gegen das Erdreich vor. Daß die Bauwerksabdichtung keine ihrer Art angemessene Lebensdauer oder Haltbarkeit hat, hat die Klägerin vorgetragen. Auf die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe zur Lebensdauer der Gebäude weiteren Beweis erheben müssen, kommt es demnach nicht an.
e) (1) Die staatlichen Qualitätsstandards, gegen die der Rechtsvorgänger der Beklagten grob verstoßen haben soll, waren per Gesetz Vertragsinhalt (§ 42 Abs. 1 VertragsG). Von ihnen durfte nur durch vertragliche Vereinbarung, die ihrerseits einer Genehmigung bedurfte (Kommentar zum VertragsG § 42 Anm. 2.3.; Gerberding/Süss, Wirtschaftsrecht 3/85, S. 61, 62), abgewichen werden. Diese Voraussetzungen lagen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bestand für den Rechtsvorgänger der Beklagten deshalb auch keine Veranlassung zu der Annahme, er erfülle seine Verpflichtungen trotz der groben Mißachtung der staatlichen Qualitätsstandards ordnungsgemäß. Darauf, daß das Berufungsgericht für seine Annahme, in der ehemaligen DDR sei über Jahre hinweg ein reduzierter Standard aus Gründen der Planerfüllung geduldet worden, keine Feststellungen getroffen hat, kommt es demnach nicht mehr an.
(2) Gemäß §§ 14 Abs. 1, 21 Abs. 3 der 2. DVO zum VertragsG sind Investitionsauftraggeber und Hauptauftraggeber verpflichtet, gemeinsam mit den Auftragnehmern eine ständige Kontrolle der Vertragserfüllung zu organisieren. Auch wenn die KWV H. oder der HAG Gera gegen diese allgemeine Kontrollpflicht verstoßen und deshalb die bereits während der Bauphase für jeden Bauleiter erkennbaren Mängel nicht gerügt haben sollten, würde dies die Beklagten nicht entlasten (vgl. hierzu Kommentar zum VertragsG, § 42 Anm. 2.12.), zumal von staatlichen Qualitätsstandards nur unter besonderen Voraussetzungen abgewichen werden durfte (vgl. oben (1)). Außerdem wären auch im Falle einer Verletzung der Kontrollpflicht die Mängel vom Rechtsvorgänger der Beklagten und nicht von der KWV H. verursacht worden (§ 83 Abs. 1 VertragsG).
Unterschriften
Ullmann, Thode, Hausmann, Wiebel, Kuffer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.03.1999 durch Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539125 |
BauR 1999, 910 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1999, 493 |
WM 1999, 1518 |
ZAP-Ost 1999, 489 |
ZfBR 1999, 258 |