Leitsatz (amtlich)
a) Zu den Anforderungen an die drucktechnische Gestaltung der Belehrung über das Widerrufsrecht.
b) Die Belehrung muß den ausdrücklichen Hinweis enthalten, daß die rechtzeitige Absendung des Widerrufs zur Wahrung der Frist genügt.
c) Eine gesonderte Unterschrift im Sinne des Gesetzes liegt dann nicht vor, wenn sie nach dem Schriftbild und Gesamteindruck des Vertragsformulars auch auf unmittelbar darüber befindliche handschriftliche Eintragungen bezogen werden kann.
Normenkette
AbzG § 1b Abs. 2 S. 2; HTürGG § 2 Abs. 1; VerbrKrG § 7 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 15.04.1994) |
LG Koblenz |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. April 1994 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger versieht Zündholzschachteln mit individuell gestalteten Werbeaufdrucken. Die Beklagte ist die Ehefrau des Inhabers eines Sonnenstudios.
Am 30. Mai 1989 unterzeichnete die Beklagte für das Sonnenstudio einen Auftrag über die Lieferung von 50.000 Zündholzschachteln mit Werbeaufdruck zum Preis von 150,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer pro 1.000 Stück sowie Drucksicherungskosten. Die Lieferung sollte in zehn Teilmengen zu je 5.000 Stück erfolgen und jeweils per Nachnahme bezahlt werden.
Der Kläger begehrt von der Beklagten als vollmachtloser Vertreterin Schadensersatz in Höhe des ihm angeblich entgangenen Gewinns von 4.405,35 DM, Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 245,10 DM und Ersatz der Kosten des vor dem Amtsgericht N. gegen den Ehemann der Beklagten geführten erfolglosen Vorprozesses in Höhe von 2.670,– DM.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.320,45 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Die Beklagte hafte gemäß § 179 Abs. 1 BGB als vollmachtlose Vertreterin. Ihre Haftung sei nicht gemäß § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen, weil nicht bewiesen sei, daß sie den Vertreter des Klägers während der Vertragsverhandlungen darauf hingewiesen habe, daß sie keine Vertretungsmacht besitze und der Vertrag noch der Genehmigung ihres Ehemanns bedürfe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der (zugelassenen) Revision. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückweisung der Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Bei dem von der Beklagten am 30. Mai 1990 unterzeichneten Vertrag handele es sich um ein Abzahlungsgeschäft im Sinne des Abzahlungsgesetzes. Sowohl der von der Beklagten ohne Vertretungsmacht vertretene Ehemann als auch die Beklagte selbst hätten die auf Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen. Diese Widerrufserklärungen seien auch rechtzeitig abgegeben worden, weil die einwöchige Widerrufsfrist mangels einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht durch den Kläger nicht in Lauf gesetzt worden sei (§ 1 b Abs. 2 Satz 2 AbzG). Die Widerrufserklärungen seien nicht rechtsmißbräuchlich; denn der bloße Zeitablauf reiche für die Annahme eines rechtsmißbräuchlichen Verhaltens nicht aus.
Die Widerrufsbelehrung auf dem Auftragsformular des Klägers genüge den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung nicht, weil diese nicht in „drucktechnisch deutlich gestalteter Weise” hervorgehoben sei. Die Widerrufsbelehrung sei zwar nicht in andere Textteile eingebettet, sondern vom übrigen Teil des Formulars durch eine durchgezogene Linie getrennt; die Bedeutung des durchgezogenen Strichs als eines auffälligen Mittels der Hervorhebung werde aber dadurch gemindert, daß auch andere Textteile durch solche durchgezogenen Linien voneinander abgegrenzt seien. Die Belehrung sei nicht durch ein auffälliges Druckbild (z. B. durch Sperrschrift, Fett- oder Farbdruck oder Einrahmung) besonders hervorgehoben, sondern gerade umgekehrt gegenüber den anderen Teilen des Formulars in einer deutlich kleineren Drucktype gehalten, die auch für den Normalsichtigen nicht ohne Mühe lesbar sei. Daran ändere nichts, daß die Überschrift „Belehrung” in Fettdruck gehalten sei. Denn diese Überschrift sei wiederum wesentlich kleiner als die fettgedruckten Überschriften in dem darüber stehenden Text gehalten. Die Gestaltung des Formulars vermittele insgesamt den Eindruck, daß die Bedeutung der Widerrufsbelehrung für den Leser nicht hervorgehoben, sondern eher zurückgedrängt werde. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, der Auftraggeber werde durch das Erfordernis der gesonderten Unterschrift in der hierfür vorgesehenen Zeile auf die Belehrung aufmerksam gemacht und die Beklagte habe mit der Unterzeichnung auch selbst dokumentiert, von der Belehrung Kenntnis genommen zu haben. Denn nach dem Gesetzeswortlaut sei nicht nur die gesonderte Unterschrift, sondern kumulativ auch die drucktechnisch deutliche Ausgestaltung der Belehrung notwendig.
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es der Ansicht ist, es weiche mit seiner Entscheidung von dem Urteil des erkennenden Senats vom 29. Oktober 1985 (X ZR 12/85, NJW-RR 1986, 211 ff.) ab.
2. Die Revision greift das Berufungsurteil ohne Erfolg an.
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht auf den Streitfall das inzwischen außer Kraft getretene Abzahlungsgesetz angewandt (vgl. Art. 9 Abs. 1 VerbrKrG) und ein Widerrufsrecht nach §§ 1 b, 1 c AbzG angenommen. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht ferner die Erklärung im Schreiben des Vertretenen vom 7. August 1989 als Widerruf im Sinne des § 1 b AbzG ausgelegt. Es genügt insoweit, wenn deutlich zum Ausdruck gebracht wird, daß der „Widerrufende” den Vertragsschluß nicht mehr gegen sich gelten lassen will (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 143/91, NJW 1993, 128, 129 l. Sp. m.w.N.). Im übrigen hat auch die Beklagte im Schriftsatz vom 9. November 1993 den Widerruf erklärt, wozu sie hier berechtigt war (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 30.04.1991 – XI ZR 298/90, NJW-RR 1991, 1074, 1075 r. Sp.). Es ist nichts dafür ersichtlich, daß der Widerruf zu den genannten Zeitpunkten rechtsmißbräuchlich gewesen wäre. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.
b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Widerrufsbelehrung im Vertragsformular des Klägers genüge nicht den an eine ordnungsgemäße Belehrung zu stellenden Anforderungen, so daß die Widerrufsfrist bei Abgabe der Widerrufserklärungen noch nicht zu laufen begonnen habe, ist frei von Rechtsfehlern. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Belehrung in dem Formular nicht in der nach § 1 b Abs. 2 Satz 2 AbzG erforderlichen „drucktechnisch deutlich gestalteten Weise” hervorgehoben. Sinn und Zweck dieser (in die heute geltenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 HausTWG und § 7 Abs. 2 VerbrKrG übernommenen) Regelung ist es, den Abzahlungskäufer vor den Folgen eines unüberlegten und übereilten Vertragsabschlusses zu schützen und ihm die Möglichkeit zu geben, Vor- und Nachteile des Geschäfts in Ruhe zu überdenken und dieses innerhalb bestimmter Frist zu widerrufen. Um diesen Schutzzweck zu erreichen und zu verhindern, daß der Widerruf eines Abzahlungsgeschäfts aus Unkenntnis der Rechtslage unterbleibt, ist es erforderlich, den Abzahlungskäufer durch eine entsprechende Ausgestaltung auf sein Widerrufsrecht unübersehbar hinzuweisen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 07.05.1986 – I ZR 95/84, NJW 1987, 125, 126). Dies setzt voraus, daß sich die Belehrung aus dem Text des Vertrages deutlich heraushebt und so die Rechtslage unübersehbar zur Kenntnis bringt und daß sich weiter die gesonderte Unterschrift gerade auf die Belehrung bezieht (vgl. dazu BGH, Urt. v. 20.12.1989 – VIII ZR 145/88, NJW-RR 1990, 368, 370 l. Sp. m.w.N.). Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, ist die Widerrufsbelehrung zwar nicht in andere Textteile eingebettet, sondern von dem übrigen Text durch eine durchgezogene Linie getrennt. Die Bedeutung des durchgezogenen Strichs als eines auffälligen Mittels der Hervorhebung ist aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dadurch gemindert, daß auch andere Textteile durch eine durchgezogene Linie voneinander abgegrenzt sind. Entgegen der auf § 286 ZPO gestützten Rüge der Revision ist die Belehrung nicht eingerahmt. Vor allem aber ist der Text der Belehrung nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht – etwa durch ein auffälliges Druckbild (vgl. dazu Ulmer in MünchKomm. z. BGB, 2. Aufl., § 1 b AbzG Rdn. 33) wie durch Sperrschrift, Fett- oder Farbdruck – besonders hervorgehoben, sondern gerade umgekehrt gegenüber den anderen Teilen des Formulars in einer deutlich kleineren Drucktype gehalten, die nach der Feststellung des Berufungsgerichts für den Normalsichtigen „nicht ohne Mühe lesbar” ist, wogegen die Revision eine Rüge nicht erhebt. Nach allem ist die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die drucktechnische Ausgestaltung der Widerrufsbelehrung den Anforderungen des Gesetzes (vgl. § 1 b Abs. 2 Satz 2 AbzG) nicht genügt. Das Berufungsgericht hat die Klage deshalb zu Recht abgewiesen.
Mit seiner Entscheidung ist das Berufungsgericht entgegen seiner Ansicht nicht vom Urteil des erkennenden Senats vom 29. Oktober 1985 (X ZR 12/85, NJW-RR 1986, 211 ff.) abgewichen. In dem dortigen Verfahren ging es um die Frage der Wirksamkeit des Vertrages unter dem Blickwinkel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers. Die Frage nach der Wirksamkeit der Belehrung im Sinne von § 1 b Abs. 2 AbzG stellte sich in jenem Verfahren nicht, weil ein Widerruf nicht erklärt worden war. Soweit aus einer nicht tragenden beiläufigen Bemerkung jener Entscheidung zur Frage ausreichender Widerrufsbelehrung ein Widerspruch zu der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 20. Dezember 1989 hergeleitet werden könnte, wird daran nicht festgehalten.
c) Über die vom Berufungsgericht erhobenen Beanstandungen hinaus ist die Widerrufsbelehrung im vorliegenden Fall auch aus weiteren Gründen unzureichend. Sie enthält entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift (vgl. § 1 b Abs. 2 Satz 2 AbzG i.V.m. § 1 b Abs. 2 Satz 1 AbzG) keinen Hinweis darauf, daß zur Fristwahrung bereits die rechtzeitige Absendung des Widerrufs genügt. Der bloße Hinweis, das Widerrufsschreiben sei „binnen Wochenfrist” an den Kläger „abzusenden”, reicht nicht aus.
Darüber hinaus ist die Widerrufsbelehrung nicht „gesondert” im Sinne von § 1 b Abs. 2 Satz 3 AbzG unterschrieben. Es kann unentschieden bleiben, ob insoweit ein Gesetzesverstoß schon deshalb vorliegt, weil die zweite Unterschrift auf dem Auftragsformular sich nicht „unter”, sondern „neben” der Widerrufsbelehrung befindet. Denn in dem Auftragsformular befindet sich unmittelbar über der Widerrufsbelehrung ein im Druckformular freigelassenes, großes Feld, das vorliegend mit zusätzlichen handschriftlichen Angaben zum Vertragsgegenstand ausgefüllt ist. Nach dem Schriftbild und Gesamteindruck des ausgefüllten Vertragsformulars kann die neben der Widerrufsbelehrung befindliche zweite Unterschrift auch auf die unmittelbar darüber stehenden handschriftlichen Eintragungen bezogen werden. Das genügt den in § 1 b Abs. 2 Satz 3 AbzG gestellten Anforderungen an eine „gesonderte” Unterschrift nicht.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Maltzahn, Broß, Melullis
Fundstellen
Haufe-Index 947881 |
BB 1996, 1295 |
NJW 1996, 1964 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1996, 1138 |