Entscheidungsstichwort (Thema)
Diebstahl
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 13. Juni 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Jedoch werden die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 DM verurteilt. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft, den Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, ist es nicht gefolgt. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft namentlich, daß das Landgericht den Angeklagten nicht wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) verurteilt oder zumindest einen besonders schweren Fall des Diebstahls (§ 243 Abs. 1 StGB) angenommen hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte, der am Tattag zehn Tabletten Diazepam eingenommen hatte, von dem anderweitig verfolgten B., dessen Wohnung er mitbenutzte, aufgefordert worden, eine Handtasche zu stehlen, damit beide zu Geld kämen; andernfalls werde er aus der Wohnung fliegen. Der Angeklagte lehnte dies zunächst ab und packte seine Sachen, darunter einen mit drei Schuß CS-Gasmunition geladenen Schreckschußrevolver, den er in die Hosentasche steckte. Nachdem er die Wohnung verlassen hatte, entdeckte er auf der Straße die 84-jährige G., die ihre Geldbörse in der Hand hielt. Er sah dies als günstige Gelegenheit und faßte daher den Entschluß, sich die Geldbörse zuzueignen. Er schlich sich von hinten an, zog der überraschten Geschädigten die Geldbörse aus der Hand und lief weg. Als ihm hierbei die Pistole aus der Hoschentasche rutschte, hob er sie auf und setzte sodann die Flucht fort. Die Geldbörse enthielt 70 DM, von denen der Angeklagte nur 10 DM für sich behielt, während er den Rest an B. übergab.
2. Das Landgericht hat sich an einer Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen gehindert gesehen, weil er den Schreckschußrevolver während der Tatausführung nicht gezogen und daher nicht in einer Weise eingesetzt habe, die geeignet sei, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Der Revolver sei daher keine Waffe im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB. Auch der Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB sei nicht erfüllt, weil der Angeklagte den Revolver nicht bei sich geführt habe, um den Widerstand seines Opfers zu überwinden. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit Recht.
Die Urteilsgründe erlauben dem Senat nicht die Prüfung, ob das Landgericht rechtsfehlerfrei von einer Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB abgesehen hat. Unter den Begriff der Waffe im Sinne dieser Vorschrift fallen auch geladene Gaspistolen, wenn das Gas nach vorne durch den Lauf austreten kann; denn derartige Pistolen sind nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Zustand bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet, erhebliche Verletzungen zuzufügen (st. Rspr.; vgl. zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB: BGHSt 45, 92, 93; BGH NStZ 1999, 301, 302 jew. m.w.Nachw.). Nichts anderes gilt für Schreckschußrevolver, mit denen neben Platzpatronen auch Gasmunition abgefeuert werden kann, wenn sie mit derartiger Munition geladen sind und das Gas beim Abfeuern durch den Lauf nach vorne austritt. In diesem Falle ist es für die Einordnung des Revolvers als Waffe ohne Belang, ob und wie er in der konkreten Tatsituation eingesetzt wird (vgl. BGHSt 45, 92, 93 f.; BGH NStZ 1999, 301, 302; anders bei Aufmunitionierung mit Platzpatronen: s. etwa BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 2; BGH NStZ-RR 1999, 102 f.).
Der Angeklagte hätte sich daher des Diebstahls mit Waffen schuldig gemacht, wenn der mit CS-Gaspatronen aufmunitionierte Revolver, den er bei der Tat in der Hosentasche mit sich führte, beim Abfeuern das Gas durch den Lauf nach vorne verschießt. Da das Landgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, kann sein Urteil keinen Bestand haben. Dies gilt indessen nicht für die bisherigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen. Diese wurden rechtsfehlerfrei getroffen und können daher bestehen bleiben. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird daher insoweit lediglich ergänzende Feststellungen zur Konstruktionsweise des Schreckschußrevolvers des Angeklagten zu treffen haben. Auch sonstige weitere Feststellungen zum objektiven Tathergang sind möglich, soweit sie mit den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin belegen die getroffenen Feststellungen nicht, daß der Angeklagte durch seine Tat das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB verwirklicht hätte. Allein das hohe Alter des Tatopfers begründet für sich noch nicht Hilflosigkeit im Sinne dieser Vorschrift. Auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles des Diebstahls (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StGB) liegt eher fern.
b) Sollte sich der nunmehr zur Entscheidung berufenen Strafkammer wiederum die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus stellen, wird sie zu beachten haben, daß diese nur in Betracht kommt, wenn die Schuldfähigkeit des Täters im Tatzeitpunkt nicht nur vorübergehend, sondern aufgrund eines länger andauernden Zustands im Sinne des § 63 StGB aufgehoben oder erheblich vermindert war. Beruhte die Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auf dem Mißbrauch von Drogen oder Medikamenten, kann es hieran fehlen. Etwas anderes gilt, wenn eine krankhafte bzw. auf einer schweren anderen seelischen Abartigkeit beruhende Drogen- oder Medikamentensucht vorliegt, die immer wieder zu einem Zustand führt, in dem die Schuldfähigkeit als Folge eines Zusammenwirkens von geistigseelischer Störung und alkoholischer Beeinträchtigung oder aktuellem Drogenkonsum zumindest erheblich beeinträchtigt ist (vgl. BGHSt 44, 369, 373 ff.; 44, 338, 341 ff.; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 63 Rdn. 3 m.w.Nachw.). Gegebenenfalls wird alternativ eine Unterbringung nach § 64 StGB zu erwägen sein. Für die Frage der Schuldfähigkeit und der Unterbringung könnte insbesondere der Zustand des Angeklagten von Bedeutung sein, der zur Anordnung seiner Betreuung geführt hat.
Soweit in der angefochtenen Entscheidung die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus allein deshalb abgelehnt wird, weil die von ihm künftig zu erwartenden rechtswidrigen Taten nicht als erheblich einzustufen seien, bestehen indessen rechtliche Bedenken. Die Erheblichkeit der künftig zu erwartenden Taten könnte schon dann eine andere Bewertung erfahren, wenn es sich bei der abzuurteilenden Tat nicht nur um einen „einfachen” Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB, sondern um einen Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB handeln sollte. Jedoch lassen auch schon die bisherigen Feststellungen besorgen, daß das Landgericht die Erheblichkeit der vom Angeklagten in Zukunft zu erwartenden Straftaten nach unzutreffenden rechtlichen Maßstäben beurteilt haben könnte. Nach Überzeugung des Landgerichts sind vom Angeklagten Taten zu befürchten, die mit dem abgeurteilten Diebstahl und den ihm früher zur Last gelegten Taten (drei Fälle des Diebstahls, ein Fall des Betruges) vergleichbar sind. Da er bei keiner dieser Taten Gewalt angewendet oder Drohungen ausgestoßen habe und der jeweils verursachte Schaden gering gewesen sei, scheide eine Unterbringung nach § 63 StGB aus. Ob diese Bewertung zutrifft, vermag der Senat nicht zu beurteilen, da das Landgericht keine Einzelheiten zu den dem Angeklagten in den früheren – überwiegend wegen angeblicher Schuldunfähigkeit des Angeklagten eingestellten – Strafverfahren zur Last gelegten Taten mitteilt. Immerhin wurde dem Angeklagten in einem dieser Verfahren ein Diebstahl im besonders schweren Fall zur Last gelegt, ein Delikt, das durchaus bereits dem Bereich mittlerer Kriminalität zuzurechnen sein kann (vgl. BGH bei Holtz MDR 1989, 1051). Allein geringe Beute und das Fehlen von Gewalt und Drohungen verleiht den zu befürchtenden weiteren Straftaten des Angeklagten noch nicht den Charakter der Kleinkriminalität.
4. Mit der Aufhebung des landgerichtlichen Urteils entfällt auch der Ausspruch über die Entschädigung des Angeklagten für die von ihm erlittene einstweilige Unterbringung. Damit hat sich die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft erledigt. Sollte sich der nunmehr zur Entscheidung berufenen Strafkammer wiederum die Frage einer Entschädigung des Angeklagten für die einstweilige Unterbringung stellen, wird sie zu prüfen haben, ob die Entschädigung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen ist, weil der Angeklagte Symptome einer paranoid halluzinatorischen Psychose lediglich vorspiegelte.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Winkler, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 599829 |
NStZ 2001, 532 |
Kriminalistik 2001, 720 |