Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung des Dienstverhältnisses des Gesellschafter-Geschäftsführers im Konkurs der GmbH & Co KG
Leitsatz (amtlich)
Auch das Dienstverhältnis des Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH oder GmbH & Co KG endet nicht ohne weiteres mit der Konkurseröffnung.
Tatbestand
Am 21. Januar 1976 wurde über das Vermögen der F.-Vertriebsgesellschaft mbH & Co KG in R. der Konkurs eröffnet. Einziger Kommanditist sowie alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war seit Ende 1974 der Beklagte.
Der Kläger als Konkursverwalter hat die Rückgewähr von 111.645,75 DM verlangt, die im Jahre 1975 von der Kommanditgesellschaft an den Beklagten geflossen sind, und beantragt festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, etwa weitere als Gehaltsvorschuß entnommene Beträge zurückzuerstatten.Der Beklagte hat erwidert, in Höhe von 52.000 DM habe er Anspruch auf Geschäftsführergehalt für das Jahr 1975 gehabt. Den überschießenden Betrag habe er als Gehaltsvorschuß für die Zeit ab 1. Januar 1976 entnommen. Da der Kläger seinen Anstellungsvertrag niemals gekündigt habe, habe er auch für die Zeit nach Konkurseröffnung Gehalt zu beanspruchen gehabt.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 81.645,75 DM stattgegeben und die beantragte Feststellung getroffen. Das Berufungsgericht hat dem Kläger weitere 2.500 DM zuerkannt.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger erstrebt im Wege der Anschlußrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Im übrigen beantragt jede Partei die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat die Klage in Höhe von 79.145,75 DM für begründet und im übrigen für unbegründet gehalten. Dem Beklagten habe als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der jetzigen Gemeinschuldnerin für die Zeit vom Januar 1975 bis einschließlich Januar 1976 – dem Monat der Konkurseröffnung – Anspruch auf Gehalt in Höhe von monatlich (nur) 2.500 DM – dagegen kein Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt – zur Verrechnung gegen den entnommenen Vorschuß zugestanden. Für die spätere Zeit könne er überhaupt kein Geld verlangen. Denn sein Dienstverhältnis sei durch die Konkurseröffnung beendet worden; § 22 KO, wonach Dienstverhältnisse grundsätzlich bis zur Kündigung fortbestünden, sei zugunsten eines GmbH-Geschäftsführers nicht anzuwenden, wenn er zugleich Alleingesellschafter der in Konkurs gefallenen GmbH & Co KG sei. Da der Beklagte auch sonst nichts gegen den Rückzahlungsanspruch einwenden könne, habe er den entnommenen Betrag (111.645,75 DM) abzüglich der ihm zuzubilligenden Gehälter aus der Zeit vor dem Konkurs (32.500 DM) zu erstatten.
Diesen Ausführungen ist nur teilweise zuzustimmen.
1. Allerdings hat die Anschlußrevision nicht recht, daß der Beklagte gegen den Anspruch der Kommanditgesellschaft auf Rückzahlung der entnommenen Vorschüsse schon deshalb Gehaltsansprüche nicht verrechnen könne, weil er Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gewesen sei. Der Beklagte war zwar GmbH-Geschäftsführer, aber sein Anstellungsvertrag war nach dem unstreitigen Vertrag vom 11. Mai 1967 – rechtlich zulässig (SenUrt v 1.12.69 - II ZR 224/67 LM HGB § 109 Nr 7 unter II 2a) – mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen; diese schuldete daher das Gehalt. Vorschüsse aus ihrem Vermögen sind deshalb mit ihr zu verrechnen.
Andererseits kann der Revision des Beklagten darin nicht gefolgt werden, daß das Berufungsgericht zu Unrecht von einem zu niedrigen Gehaltsanspruch ausgegangen sei. Der Beklagte hatte zwar behauptet, er habe vom 1. Januar 1973 ab das im Arbeitsvertrag vom 11. Mai 1967 auf monatlich 2.500 DM festgesetzte Gehalt auf jährlich 13*4.000 DM 52.000 DM erhöht. Das Berufungsgericht hat das aber durch die vom Beklagten vorgelegten Ablichtungen des Schreibens vom 29. Dezember 1972 (und eines weiteren Schreibens vom 16. Dezember 1974), zumal insbesondere der Zeitpunkt der Entstehung der Schriftstücke umstritten sei, weder als bewiesen noch als so wahrscheinlich angesehen, daß dies nach § 448 ZPO rechtfertigen könne, den Beklagten hierzu als Partei zu vernehmen. Diese Beurteilung ist alleinige Sache des Tatrichters und kann im Revisionsrechtszuge nicht nachgeprüft werden; sie hält sich im übrigen, was die Revision bei ihren Ausführungen nicht berücksichtigt, an den Rechtsgrundsatz, daß wegen der in der Einmann-GmbH bestehenden Gefahr einer Verschleierung der wahren Rechtsverhältnisse strenge Anforderungen an den Beweis eines vom Alleingesellschafter mit sich selbst zu seinen Gunsten abgeschlossenen Rechtsgeschäfts zu stellen sind (BGHZ 56, 97, 104/5).
2. Dagegen schließt sich der Senat nicht der Ansicht des Berufungsgerichts an, Gehaltsansprüche kämen für den Beklagten seit Konkurseröffnung nicht in Betracht, weil sein Dienstverhältnis in diesem Zeitpunkt ohne weiteres, also auch ohne Kündigung durch den Konkursverwalter, geendigt habe.
Nach § 22 Abs 1 KO kann ein im Erwerbsgeschäft des Gemeinschuldners angetretenes Dienstverhältnis im Konkurs, wenn nicht kürzere Fristen bedungen sind, mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden. Das Gesetz setzt also ganz allgemein den Fortbestand der Dienstverhältnisse voraus. Die Vorschrift gilt auch für die Mitglieder der Vertretungsorgane juristischer Personen; aus § 87 Abs 3 AktG ergibt sich das für die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft ausdrücklich; es gibt keinen Grund, weswegen es für den Geschäftsführer einer GmbH anders sein sollte. Ob sein Dienstverhältnis zur GmbH oder zur GmbH & Co KG begründet worden ist, kann ebenfalls keinen Unterschied machen.
Im Schrifttum, das insoweit auf dem gleichen Standpunkt steht, wird allerdings für den Alleingesellschafter einer GmbH die Auffassung vertreten, § 22 KO dürfe zu dessen Gunsten nicht angewendet, sein Dienstverhältnis müsse vielmehr mit der Konkurseröffnung als beendet angesehen werden (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, 9. Aufl Anm 5 zu § 22 KO; Jaeger/Lent, 8. Aufl Anm 13 zu § 22 KO). Das ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts. Hierfür läßt sich sicherlich anführen, daß der dem § 22 KO innewohnende soziale Schutzgedanke auf den Alleingesellschafter als den Unternehmer des in Konkurs gefallenen Geschäfts nicht recht zutrifft und auch der Einzelkaufmann, der sich nicht die Vorteile einer GmbH oder GmbH & Co KG zunutze gemacht hatte, nicht in der Lage ist, sich nach Konkurseröffnung in der Gestalt von Gehaltsansprüchen noch Teile der Konkursmasse zum Nachteil der Konkursgläubiger zu verschaffen.
Diese Gesichtspunkte erscheinen jedoch dem Senat als nicht tragfähig genug, um nach der bestehenden Gesetzeslage die Auflösung solcher Dienstverhältnisse als generelle Rechtsfolge der Konkurseröffnung anzunehmen. § 22 KO schafft, was gelegentlich übersehen wird, keinen Rechtsgrund zur Verlängerung von Dienstverhältnissen über die Konkurseröffnung hinaus, sondern läßt das allgemeine Vertragsrecht gelten und wirkt lediglich auf die Kündigungsfristen ein; mit der bloßen Nichtanwendung der Vorschrift ist also für das Ergebnis des Berufungsgerichts nichts gewonnen. Es müßte daher ein anderer rechtlicher Gesichtspunkt gefunden werden, um aus der Konkurseröffnung einen Beendigungsgrund herzuleiten. Vorschriften, die in ähnlicher Weise bestimmte Vertragsverhältnisse mit der Eröffnung des Verfahrens zur Auflösung brächten und die für die Dienstverhältnisse von Alleingesellschaftern entsprechend angewandt werden könnten, sind jedoch weder in der Konkursordnung, noch sonst ersichtlich; die im Schrifttum erwogene Heranziehung des § 23 KO, nach der Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge vorzeitig beendet werden (Weber, KTS 1970, 77, 81), erscheint nicht vertretbar, da sich das Dienstverhältnis eines Alleingesellschafters zu „seiner” GmbH nicht in der Weise von dem eines anderen GmbH-Geschäftsführers unterscheidet, daß hier § 22 KO und dort der auf andersgeartete Rechtsverhältnisse zugeschnittene § 23 KO angewandt werden könnte. Mit der Verwirklichung des weiteren Gedankens, daß der Alleingesellschafter (als „Einzelkaufmann mbH”) mit dem in Konkurs gefallenen „normalen” Einzelkaufmann gleichgestellt werden müsse, der auch aus der Konkursmasse kein Gehalt beziehen könne, würde nicht nur die Existenz eines Dienstverhältnisses zwischen dem Alleingesellschafter und der rechtlich selbständigen GmbH, das sonst privatrechtlich wie steuerrechtlich in der Rechtspraxis anerkannt wird, konkursrechtlich geleugnet; wegen des Zieles, in Einzelfällen Unbilligkeiten zu vermeiden, würde auch eine sehr starre Regelung eingeführt, die nicht in allen Fällen zu einer sachgerechten Lösung führen würde. § 22 KO erfüllt auch den Zweck, durch den Fortbestand der Dienstverhältnisse den Konkursverwalter in die Lage zu versetzen, sich – wenn das zur Erhaltung der Konkursmasse notwendig erscheint – die damit weiter bestehenden Verpflichtungen zunutze zu machen; ein Interesse daran kann je nach den Umständen, weil der bisherige Geschäftsführer meist mit den Verhältnissen am besten vertraut ist, auch gegenüber dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer bestehen.
Dem vom Berufungsgericht und im Schrifttum geäußerten berechtigten Bedenken, daß Gehaltsansprüche des Alleingesellschafters im Konkurs leicht zur Aushöhlung der Masse führen, ist daher nicht mit der automatischen Beendigung seines Dienstverhältnisses Rechnung zu tragen. Im Einzelfall kommt aber in Betracht, bei der Beurteilung der Frage, ob der Konkursverwalter ein solches Dienstverhältnis aus wichtigem Grunde kündigen kann, einen besonderen Maßstab anzulegen. Der allgemeine Grundsatz, daß die Konkurseröffnung als solche kein Anlaß zur fristlosen Kündigung ist, verbietet es nicht, Umstände zu berücksichtigen, deretwegen es unzumutbar sein kann, ein Dienstverhältnis im Konkurs gerade mit dem Alleingesellschafter fortzusetzen.
3. Da nach alledem § 22 KO nicht ausgeschlossen ist, der klagende Konkursverwalter, soweit ersichtlich, eine Kündigung nicht ausgesprochen hat und sich ein Anspruch des Beklagten aus § 615 BGB nicht ausschließen läßt, kann der Klaganspruch auf Rückzahlung des entnommenen Vorschusses nach dem gegenwärtigen Sachstand und Streitstand nicht bejaht werden.
Andererseits läßt sich die Klage in der Revisionsinstanz nicht abweisen. Nach dem vorgetragenen, vom Berufungsgericht bisher nicht gewürdigten Sachverhalt erscheint es möglich, daß die Parteien den Anstellungsvertrag im Zusammenhang mit der Konkurseröffnung durch schlüssiges Verhalten einverständlich aufgehoben haben. Verneinendenfalls fragte es sich, ob der Beklagte seine Dienste dem Kläger nach der Konkurseröffnung angeboten hat, um ihn gemäß § 615 in Verbindung mit §§ 293, 294 BGB in Annahmeverzug zu setzen. In diesem Falle käme es weiter darauf an, ob der Kläger für die Dienste des Beklagten bei der Liquidation des Unternehmens noch Verwendung gehabt haben würde. Hilfsweise könnte wenigstens in der Klagerhebung eine Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Kläger zum nächstzulässigen Termin zu erblicken sein.
Damit die Parteien zu alledem noch Stellung nehmen können und das Berufungsgericht sodann die erforderlichen Feststellungen trifft, ist die Sache zurückzuverweisen.
Fundstellen
BGHZ 75, 209-213 (LT1) |
BGHZ, 209 |
BB 1980, 66-68 (LT1) |
DB 1980, 151-152 (LT1) |
NJW 1980, 595 |
NJW 1980, 595-596 (LT1) |
GmbH-Rdsch 1980, 27-28 (LT1) |
DRsp IV(438), 144 (ST) |
WM IV 1983, 120-121 (LT1) |
ZIP 1980, 344-346, Heilmann, Hans |
ZIP 1980, 46 |
ZIP 1980, 46-47 (LT1) |
ZIP 1987, 69-70, Timm, Wolfram |
DNotZ 1980, 311 |
DNotZ 1980, 311-312 (LT1) |
MDR 1980, 288-288 (LT1) |