Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 29.09.2022; Aktenzeichen 27 U 1359/22) |
LG Augsburg (Entscheidung vom 27.01.2022; Aktenzeichen 101 O 4323/20) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. September 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung - mit Ausnahme der mit dem Berufungsantrag zu III begehrten Freistellung von Zinsen aus den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten - zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für die Revision wird auf bis 30.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Er erwarb im Oktober 2017 einen von der Beklagten hergestellten Gebrauchtwagen des Typs Audi A6 3.0 TDI mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Schadstoffklasse Euro 6. Der Kläger hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu I), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu II) sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen (Berufungsantrag zu III) begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Berufungsanträge mit Ausnahme der mit dem Berufungsantrag zu III begehrten Freistellung von Zinsen weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 5
Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB seien nicht gegeben. Sittenwidriges Handeln der Beklagten sei nicht substantiiert dargelegt. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV scheitere bereits am Schutzgesetzcharakter. Unbeschadet hiervon fehle es bezüglich des Thermofensters am Verschulden der Beklagten.
II.
Rz. 6
Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
Rz. 7
1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
Rz. 8
2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
Rz. 9
Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es tragfähige Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen (zum Verschulden vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 58 bis 70).
III.
Rz. 10
Die Berufungsentscheidung ist daher im Umfang des Revisionsangriffs aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom 26. Juni 2023 in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
C. Fischer |
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Krüger |
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Götz |
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Rensen |
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Katzenstein |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16461676 |