Leitsatz (amtlich)
1. Der sogenannte „sekundäre” Schadensersatzanspruch gegen einen Steuerberater entsteht mit der Vollendung der Verjährung des Primäranspruchs; in diesem Zeitpunkt beginnt die Verjährung des Sekundäranspruchs (im Anschluß an BGH, 23.05.1985, IX ZR 102/84, BGHZ 94, 380, 390).
2. Ein Anspruch wegen Unterbleibens eines Hinweises auf den Sekundäranspruch und dessen Verjährung besteht nicht (im Anschluß an BGH, 23.05.1985, IX ZR 102/84, BGHZ 94, 380, 391).
Leitsatz (redaktionell)
Zur Auflösung der Rücklage nach § 6b EStG
Normenkette
StBerG § 68; EStG § 6b
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 08.06.1989; Aktenzeichen 18 U 132/88) |
LG Aachen (Urteil vom 21.09.1988; Aktenzeichen 11 O 172/88) |
Tatbestand
Der Kläger nimmt den beklagten Steuerberater auf Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung und wegen Versäumung der Revisionsfrist in einem finanzgerichtlichen Verfahren in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte beriet den Kläger und seine Familie sowie die E. H. GmbH & Co. KG, an der der Kläger maßgeblich beteiligt war, in steuerlichen Angelegenheiten. In der Gesellschaft hatte der Kläger als Geschäftsführer in Abstimmung mit dem Beklagten zum 31. Dezember 1976 eine aus einem Grundstücksverkauf im Herbst 1976 stammende Rücklage nach § 6 b EStG in Höhe von 1.375.234 DM gebildet. Im November 1978 begann die Gesellschaft mit dem Bau eines Hochregallagers, das im August 1979 bezogen wurde. Sie wandte für die Lagerhalle 622.964,97 DM, für die fahrbare Regalanlage 283.240 DM und für zwei vollautomatische Überladebrücken 11.132 DM auf. In der Bilanz der Gesellschaft zum 31. Dezember 1979 verrechnete der Kläger im Einvernehmen mit dem Beklagten die Gesamtkosten von 917.336,97 DM mit der noch verbliebenen Rücklage von 948.914 DM.
Ende 1980 wurde das Unternehmen veräußert. In dem Übertragungsvertrag wurde vereinbart, daß bis zum 30. September 1980 angefallene Steuern zu Lasten des Veräußerers und danach anfallende Steuern zu Lasten des Erwerbers gehen sollten.
Bei einer Betriebsprüfung in den Jahren 1981/1982 weigerte sich das Finanzamt, die Verrechnung der Kosten der Regalanlage und der Überladebrücken mit der Rücklage nach § 6 b EStG anzuerkennen, und löste den Restbetrag der Rücklage von 294.372 DM für das Jahr 1979 gewinnerhöhend auf. Das Finanzgericht K. wies die Klage der E. H. GmbH & Co. KG gegen die entsprechend neu vorgenommene Gewinnfeststellung des Finanzamts ab und ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zu. Die vom Beklagten eingelegte Revision wurde vom Bundesfinanzhof wegen Verspätung als unzulässig verworfen.
Der Kläger macht den Beklagten für die steuerlichen Nachteile verantwortlich, die ihm durch die Auflösung des Restbetrags der Rücklage entstanden sind. Er vertritt die Ansicht, der Beklagte habe den Schaden sowohl durch fehlerhafte steuerliche Beratung im Zusammenhang mit der Verwendung der Rücklage nach § 6 b EStG als auch durch die Versäumung der Revisionsfrist verursacht.
Der Beklagte ist dem Schadensersatzanspruch des Klägers entgegengetreten und hat unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben.
Der Kläger hat mit der am 8. April 1988 eingereichten Klage beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 198.420 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, den Beklagten zur Zahlung von 92.988 DM zu verurteilen. Das Berufungsgericht hat die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit wegen der Höhe an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Landgerichts. Der Kläger kann von dem Beklagten weder wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung noch wegen der Versäumung der finanzgerichtlichen Revisionsfrist Schadensersatz verlangen.
I. Einem Schadensersatzanspruch des Klägers wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung steht die vom Beklagten geltend gemachte Einrede der Verjährung entgegen.
1. Das Berufungsgericht hat zur Frage der Verjährung ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG verstrichen sei; der Beklagte könne sich auf die Einrede der Verjährung jedenfalls nicht berufen, weil er es versäumt habe, den Kläger auf etwaige Regreßansprüche und insbesondere auf die dafür geltende Verjährungsfrist hinzuweisen.
2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
a) Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß der Beklagte Anlaß hatte, den Kläger auf etwaige Regreßansprüche sowie die dafür geltende Verjährungsfrist hinzuweisen, und daß er sich durch die Unterlassung dieses Hinweises erneut schadensersatzpflichtig gemacht hat (vgl. BGHZ 83, 17, 22ff.; 96, 290, 298). Dadurch entstand ein sekundärer Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten, der, solange er seinerseits nicht verjährt war, den Beklagten hinderte, sich auf die Verjährung des primären Schadensersatzanspruchs zu berufen.
b) Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, daß auch der sekundäre Schadensersatzanspruch bereits verjährt ist.
Dieser Anspruch entstand im Augenblick der Verjährung des primären Schadensersatzanspruchs (vgl. für den Sekundäranspruch gegen Rechtsanwälte BGHZ 94, 380, 390) und unterlag seinerseits der Verjährungsfrist des § 68 StBerG. Er war daher sechs Jahre nach dem Beginn der Verjährung des primären Schadensersatzanspruchs verjährt. Dessen Verjährung begann mit der Schlußbesprechung über das Ergebnis der steuerlichen Betriebsprüfung. Diese Schlußbesprechung hat, was in der Revisionsinstanz nicht mehr streitig war, am 7. Januar 1982 stattgefunden. Am 8. April 1988, dem Tag des Eingangs der Klageschrift beim Landgericht, war daher auch der sekundäre Schadensersatzanspruch des Klägers verjährt.
c) Eine Pflicht des Beklagten zum Hinweis auf die Sekundärhaftung und deren Verjährung bestand nicht (vgl. für die Sekundärhaftung der Rechtsanwälte BGHZ 94, 380, 391; für die der Steuerberater Gräfe in Gräfe/Lenzen/Rainer, Steuerberaterhaftung, 2. Aufl. 1988, Rdn. 932), so daß ein weiterer Schadensersatzanspruch des Klägers nicht in Betracht kommt.
d) In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann allerdings die Verjährung der Regreßhaftung auch nach Ablauf der Verjährung des Sekundäranspruchs nicht zu berücksichtigen sein, wenn es dem Verpflichteten gemäß § 242 BGB verwehrt ist, sich auf sie zu berufen (BGHZ 94, 380, 391f.; BGH, Urteil vom 26. Februar 1985 – VI ZR 144/83, WM 1985, 1038, 1041). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der Umstand, daß der Beklagte bis in das Jahr 1987 im Auftrag des Klägers die finanzgerichtliche Überprüfung der gewinnerhöhenden Auflösung der Rücklage betrieben hat, rechtfertigt es für sich allein nicht, ihm die Berufung auf den Eintritt der Verjährung zu verwehren.
Dieser Umstand kann es auch nicht rechtfertigen, in entsprechender Anwendung des § 639 Abs. 2 BGB von einer Hemmung der Verjährung bis zum Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens auszugehen. Der Fehler des Beklagten bestand darin, dem Kläger in einer bestimmten Situation den damals erforderlichen steuerlichen Rat nicht erteilt zu haben. Eine Beseitigung dieses Fehlers war später nicht möglich; in dem finanzgerichtlichen Verfahren ging es darum, einen Standpunkt durchzusetzen, der, wenn er berechtigt gewesen wäre, entweder die Beratungstätigkeit des Beklagten als von Anfang an nicht fehlerhaft erscheinen lassen oder zumindest die negativen Folgen der Falschberatung abwenden konnte.
II. 1. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, offen gelassen, ob auch die schuldhafte Versäumung der finanzgerichtlichen Revisionsfrist für den Steuerschaden des Klägers ursächlich war. Auf diese Frage kommt es nunmehr an, weil der Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der Verjährung nicht mehr auf steuerliche Fehlberatung gestützt werden kann und weil dem Beklagten die Fristversäumung erst im Jahre 1987 und damit in unverjährter Zeit unterlaufen ist. Sie ist zu verneinen; die vom Beklagten verspätet eingelegte Revision hatte in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
2. In dem finanzgerichtlichen Verfahren hatte die E. H. GmbH & Co. KG beantragt, einen Teilbetrag der Rücklage nach § 6 b EStG in Höhe von 294.372 DM und – im Rahmen einer Bilanzänderung – einen weiteren Teilbetrag von 31.577,03 DM erst zum 30. September 1980 aufzulösen, und hilfsweise den Antrag gestellt, den Betrag von 294.372 DM für das Jahr 1979 von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Fahrregals und der Überladebrücken abzuziehen. Sämtliche Anträge hat das Finanzgericht K. mit Recht abgewiesen.
a) Die Abweisung der Hauptanträge hat das Finanzgericht damit begründet, daß die begehrte Fortführung der Rücklage bis zum Ablauf des vierten Wirtschaftsjahres nach ihrer Bildung gemäß § 6 b Abs. 3 Satz 5 EStG nicht zulässig gewesen sei, weil die Möglichkeit einer von dieser Vorschrift begünstigten Verwendung der strittigen Teilbeträge nicht mehr bestanden habe. Diese Begründung erweist sich als zutreffend.
Nach § 6 b Abs. 3 Satz 5 EStG in der bis zum 31. Dezember 1989 geltenden Fassung ist eine Rücklage, die am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist, zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen, soweit nicht ein Abzug von den Herstellungskosten von Gebäuden oder Schiffen in Betracht kommt, mit deren Herstellung vor diesem Zeitpunkt begonnen worden ist. Aus dem Wortlaut sowie aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift folgt, daß eine Fortführung der Rücklage über das zweite Wirtschaftsjahr nach ihrer Bildung hinaus nur insoweit zulässig ist, als die objektive Möglichkeit einer von der Vorschrift begünstigten Verwendung besteht (Hellwig DStR 1968, 363, 364; Bordewin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, EStG, EL 108, Juni 1989, § 6 b Rdn. 139). Daraus ergibt sich zum einen, daß eine Fortführung der Rücklage dann unzulässig ist, wenn bis zum Ablauf des zweiten Wirtschaftsjahres nach ihrer Bildung noch nicht mit der Herstellung eines Gebäudes oder Schiffes begonnen wurde. Daraus folgt ferner, daß auch dann, wenn rechtzeitig mit der Herstellung eines Gebäudes oder Schiffes begonnen wurde, die Rücklage nicht ohne weiteres in vollem Umfang, sondern stets nur in Höhe der voraussichtlichen Herstellungskosten fortgeführt werden darf (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., § 6 b Rdn. 80, 81; Paus, Finanz-Rundschau 1984, 249, 251; a.M. Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, § 6 b Rdn. 253; Hartmann/Böttcher/Grass, EStG, EL 25, Juni 1968, § 6 b Anm. 7; el., DB 1967, 2008; a.M. mit einer Einschränkung für den Fall eines erheblichen Mißverhältnisses von Herstellungskosten und Rücklage Hellwig aaO S. 366f.; Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 6 b Rdn. 123). Da die Fortführung der Rücklage kein Selbstzweck, sondern nur insoweit berechtigt ist, als noch ein Abzug von den Herstellungskosten von Gebäuden oder Schiffen in Betracht kommt, muß auch eine zunächst mit Recht fortgeführte Rücklage bereits zum Ende des dritten Wirtschaftsjahres nach ihrer Bildung aufgelöst werden, wenn zu diesem Zeitpunkt – etwa infolge Fertigstellung des Gebäudes oder Schiffes – feststeht, daß künftig keine verrechenbaren Herstellungskosten mehr entstehen (Littmann aaO Rdn. 82; Richter/Winter, Gewinnübertragungen nach §§ 6 b, 6 c EStG, 2. Aufl., Rdn. 160; Richter, Die steuerliche Betriebsprüfung, 1973, 103, 104; a.M. Meincke aaO Rdn. 124; Herrmann/Heuer/Raupach aaO; el., DB 1967, 2008).
Im vorliegenden Fall war die Rücklage nach § 6 b EStG im Geschäftsjahr 1976 gebildet worden. Da das Hochregallager im Jahre 1979 fertiggestellt wurde und vor dem Ende des Jahres 1978 nicht mit der Herstellung weiterer Gebäude oder Schiffe begonnen worden war, war eine Fortführung der Rücklage über den 31. Dezember 1979 hinaus nicht zulässig.
b) Den Hilfsantrag der E. H. GmbH & Co. KG hat das Finanzgericht K. mit der Begründung abgewiesen, von der Rücklage könne kein Teilbetrag von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Fahrregals und der Überladebrücken abgezogen werden, weil diese Wirtschaftsgüter erst im dritten Jahr nach Bildung der Rücklage angeschafft und hergestellt worden seien und weil sie nicht als Teil des Lagergebäudes, sondern als Betriebsvorrichtungen im Sinne des § 68 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes anzusehen seien. Auch in diesem Punkt entsprach das finanzgerichtliche Urteil der Sach- und Rechtslage.
Da das Fahrregal und die Überladebrücken erst im Jahre 1979 und damit nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 6 b Abs. 3 Satz 2 EStG in der damals geltenden Fassung angeschafft worden waren, hätten ihre Anschaffungs- und Herstellungskosten nur dann nach § 6 b Abs. 3 Satz 3 EStG noch mit der Rücklage verrechnet werden können, wenn diese Gegenstände als Teil des Lagergebäudes im bewertungsrechtlichen Sinne anzusehen wären. Das ist indessen, wie das Finanzgericht zutreffend erkannt hat, nicht der Fall.
Nach § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes sind Betriebsvorrichtungen nicht in das Grundvermögen einzubeziehen, auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind. Als Betriebsvorrichtungen definiert die Vorschrift Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören. Zu einem Gebäude im steuerrechtlichen Sinn rechnen daher Bestandteile nicht, die nicht der Nutzung des Gebäudes selbst, sondern einem davon verschiedenen Zweck, nämlich unmittelbar einem in dem Gebäude ausgeübten Betrieb, dienen (BFHE 111, 242, 249; Blümich/Uelner, EStG, EL 29, Juni 1989, § 6 b Rdn. 53). Nach diesen Kriterien hat das Finanzgericht K. das Fahrregal und die Überladebrücken mit Recht als Betriebsvorrichtungen und nicht als Teil des Lagergebäudes angesehen.
Fundstellen