Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezifferter Zahlungsantrag als bezifferte Teilklage. Unbezifferte Stufenklage
Leitsatz (amtlich)
Macht der Kläger im Rahmen einer Stufenklage einen Mindestbetrag geltend, weil er die Klageforderung insofern beziffern und begründen zu können meinte, ohne auf eine Auskunft des Beklagten angewiesen zu sein, liegt nur wegen des darüber hinausgehenden Klagebegehrens eine Stufenklage, im übrigen eine bezifferte Teilklage vor.
Normenkette
ZPO § 254
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 20.12.1999) |
AG Eckernförde |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 5. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 20. Dezember 1999 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Kläger macht gegen die Beklagte Zugewinnausgleichsansprüche geltend. Er hat beim Familiengericht zunächst eine als Stufenklage bezeichnete Klageschrift eingereicht mit folgenden Anträgen:
„I. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die Verkehrswerte folgender ihr gehörender Gegenstände, und zwar jeweils zum Zeitpunkt des Erwerbs, sowie per 24. März 1993 … (es werden 10, zum Teil bebaute Grundstücke aufgeführt).
II. an den Kläger den sich aus den Auskünften zu I. ergebenden Zugewinn (Wertsteigerung in der Zeit ab dem Erwerbszeitpunkt durch die Beklagte und dem 24. März 1993 abzüglich der auf diese Zeit entfallenden Kaufkraftverminderung) zu zahlen, vorerst 3.900 DM.”
In der Begründung wird ausgeführt, er – der Kläger – habe keinen Zugewinn erzielt. Bezüglich eines Vermögensgegenstandes könne er den von der Beklagten gemachten Zugewinn berechnen, dieser betrage 3.900 DM. Bezüglich zehn weiterer Vermögensgegenstände sei er auf eine Auskunft der Beklagten angewiesen.
Mit der Klage hat der Kläger in Form von Gerichtskostenmarken einen Vorschuß für einen Streitwert von 3.900 DM eingezahlt. Das Gericht hat die Klage zunächst nicht zugestellt und den Kläger mit Verfügung vom 22. März 1996 aufgefordert, binnen zwei Wochen mitzuteilen, „welche Vorstellungen er von der Höhe des von der Beklagten zu zahlenden Zugewinns” habe. Der gezahlte Kostenvorschuß sei wohl bei weitem nicht ausreichend. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. März 1996 mitgeteilt, er mache „zunächst nur den beantragten Teilbetrag in diesem Verfahren geltend”. Die ursprüngliche Klageschrift wurde dann zusammen mit dem Schriftsatz vom 28. März 1996 zugestellt.
Die Beklagte hat nicht nur zu dem bezifferten Antrag Stellung genommen, sondern auch zu den Vermögenspositionen, zu denen der Kläger in der Klageschrift Auskunft verlangt hatte. Daraufhin haben die Parteien den Auskunftsanspruch für erledigt erklärt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, daß ihm aufgrund der erteilten Auskünfte ein Zugewinnausgleichsanspruch auf Zahlung weiterer 1.572.210,70 DM zustehe. Mit Schriftsatz vom 18. November 1996 hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.900 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen und ihm Prozeßkostenhilfe für einen weitergehenden, auf 1.572.210,70 DM zuzüglich Zinsen gerichteten Zahlungsantrag zu bewilligen. Den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Erweiterung der Klage hat das Familiengericht durch Beschluß vom 19. November 1996 zurückgewiesen, eine Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluß und eine Gegenvorstellung gegen die Beschwerdeentscheidung hatten keinen Erfolg.
Im Termin vor dem Familiengericht am 8. Dezember 1998 hat der Kläger den Antrag aus der ursprünglichen Klageschrift zu Ziffer II gestellt mit dem Bemerken, er „mache diesen Betrag als Teilbetrag geltend”. Außerdem hat er beantragt, ein Grundurteil zu erlassen „mit dem Inhalt, daß die Beklagte dem Kläger auf Zahlung von Zugewinn haftet”. Seinen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine Erweiterung der Klage hat er wiederholt. Die Beklagte hat den Zahlungsanspruch aus dem Antrag II der Klageschrift anerkannt. Durch Urteil vom 8. Januar 1999 hat das Familiengericht die Beklagte im Wege des Anerkenntnisses verurteilt, an den Kläger 3.900 DM zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß über mehr nicht zu entscheiden sei.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung weiterer 5.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Familiengericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen mit der Begründung, der Kläger sei durch das angefochtene Urteil nicht beschwert. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er seine in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nach §§ 547 ZPO a.F., 26 Nr. 5 EGZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist die Berufung unzulässig, weil der Kläger durch das angefochtene erstinstanzliche Urteil nicht beschwert ist. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraus, die nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf, sowie das Bestreben, gerade diese Beschwer durch das Rechtsmittel zu beseitigen (Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl. vor § 711 Rdn. 10 m.N. aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Daß der Rechtsmittelkläger mit seinem Rechtsmittel andere, möglicherweise an sich berechtigte Interessen verfolgt, genügt nicht. Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist von der sogenannten formellen Beschwer auszugehen. Das bedeutet, daß der Rechtsmittelkläger beschwert ist, wenn das angefochtene Urteil von seinen in der Vorinstanz gestellten Anträgen abweicht (ständ. Rechtspr. des BGH, vgl. Urteil vom 9. Oktober 1990 – VI ZR 89/90 – NJW 1991, 703, 704 m.w.N.).
Das erstinstanzliche Gericht hat dem Antrag des Klägers, die Beklagte zur Zahlung von 3.900 DM zu verurteilen, im Wege eines Anerkenntnisurteils uneingeschränkt stattgegeben. Eine Klage mit einem darüber hinausgehenden Klageantrag ist nicht rechtshängig geworden. Das Familiengericht hatte deshalb nur über den bezifferten Klageantrag auf Zahlung von 3.900 DM zu entscheiden und hat auch nur über diesen Antrag entschieden. Da es ihm voll stattgegeben hat, scheidet eine Beschwer des Klägers aus.
a) Die Revision geht zu Unrecht davon aus, das Familiengericht habe auch über eine über den bezifferten Zahlungsantrag hinausgehende Stufenklage entscheiden müssen. Eine Stufenklage ist nicht rechtshängig geworden.
Die ursprüngliche Klageschrift enthielt allerdings eine Stufenklage. Darin hat der Kläger geltend gemacht, er könne wegen eines bestimmten Teils seiner Klageforderung seine Ansprüche beziffern, weil er insofern keine Auskünfte benötige. Wegen eines anderen, größeren Teils könne er seinen Anspruch dagegen noch nicht beziffern, weil er insofern auf Auskünfte der Beklagten angewiesen sei. Insofern hat der Kläger in der ursprünglichen Klageschrift eine bezifferte Teilklage geltend gemacht verbunden mit einer unbezifferten Stufenklage. Gegen diese Art des prozessualen Vorgehens bestehen zwar keine Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in einem solchen Falle die Klage nur hinsichtlich des Begehrens, das das bezifferte Zahlungsbegehren übersteigt, als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO anzusehen (BGHZ 107, 236, 239 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; Stein/Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 254 Rdn. 18; Lüke in MünchKomm/ZPO 2. Aufl., § 254 Rdn. 16).
Die Klageschrift ist aber nicht uneingeschränkt mit dem ursprünglichen Inhalt zugestellt worden. Sie ist vielmehr zusammen mit dem Schriftsatz des Klägers vom 28. März 1996 zugestellt worden, in dem er – auf die Verfügung des Gerichts vom 22. März 1996 hin – ausdrücklich erklärt hat, er mache „zunächst nur den beantragten Teilbetrag in diesem Verfahren geltend.” Es hätte nahegelegen, den Kläger aufzufordern, zum Zwecke der Zustellung eine dem neuen Begehren angepaßte Klageschrift vorzulegen. Daß das Gericht diesen Weg nicht gewählt hat, ändert aber nichts daran, daß der zu dem Zeitpunkt der Zustellung der Klage geltend gemachte Klageantrag anhand der von dem Kläger abgegebenen Erklärungen auszulegen ist (vgl. Lüke in MünchKomm/ZPO aaO § 253 Rdn. 90 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Aus dem gleichzeitig mit der Klageschrift zugestellten Schriftsatz des Klägers vom 28. März 1996 ergibt sich, daß der Kläger – jedenfalls zunächst und aus Kostengründen – nur wegen des mit 3.500 DM bezifferten Zahlungsantrags aus der Klageschrift Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollte. Das bedeutet, daß auch nur insofern Rechtshängigkeit eingetreten ist.
Daß der Kläger dies selbst auch so verstanden hat, ergibt sich aus seinen Schriftsätzen vom 11. November 1996 und vom 18. November 1996. Auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 11. November 1996 heißt es ausdrücklich, der Kläger mache „nach wie vor” aus Gründen der Prozeßökonomie vorerst nur den rangletzten Teilbetrag in Höhe von 3.900 DM geltend. In dem Schriftsatz vom 18. November 1996 kündigt der Kläger den Antrag an, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.900 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen, und beantragt wegen einer beabsichtigten Klageerweiterung Prozeßkostenhilfe.
b) Da nur eine bezifferte Zahlungsklage, nicht aber eine Stufenklage rechtshängig geworden ist, hatte die von den Parteien wegen des in der Klageschrift ursprünglich geltend gemachten Auskunftsanspruchs abgegebene Erledigungserklärung für den vorliegenden Prozeß keine Bedeutung, sie ging insofern ins Leere. Bedeutung konnte sie nur für die von dem Kläger beabsichtigte Klageerweiterung haben, für die er erfolglos Prozeßkostenhilfe beantragt und die er dann nicht vorgenommen hat.
c) Zu Unrecht meint die Revision, die Rechtshängigkeit der gesamten in der Klageschrift enthaltenen Stufenklage sei nach den §§ 261 Abs. 2, 297 ZPO zumindest dadurch eingetreten, daß der Kläger in den mündlichen Verhandlungen vom 26. Februar 1998 und insbesondere vom 8. Dezember 1998, auf die hin das erstinstanzliche Urteil ergangen ist, den Klageantrag II aus der ursprünglichen Klageschrift „insgesamt” gestellt habe. Auch diese Anträge konnten nach den Erklärungen, die der Kläger mehrfach abgegeben hatte, nur dahin verstanden werden, daß er den in dem Antrag II der Klageschrift enthaltenen bezifferten Zahlungsantrag stelle. In der entscheidenden mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 1998 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers dies noch einmal ausdrücklich klargestellt, indem er hinzugefügt hat: „Ich mache diesen Betrag als Teilbetrag geltend.”
Wäre die Stufenklage, wie von der Revision angenommen, in der mündlichen Verhandlung (oder schon durch die Zustellung der Klageschrift) rechtshängig geworden, hätte das im übrigen nur zur Folge, daß dieser Teil der Klage als unzulässig abgewiesen werden müßte. Nachdem der Kläger nämlich erklärt hat, daß ihm alle erforderlichen Auskünfte erteilt seien, und nachdem er in dem Prozeßkostenhilfeverfahren den ihm seiner Ansicht nach zustehenden Zugewinnausgleichsanspruch beziffert hatte, hätte er auch im Rahmen einer Stufenklage einen bezifferten Leistungsantrag stellen müssen. Dies hat er nicht getan mit der Folge, daß die Stufenklage durch Prozeßurteil abzuweisen wäre (vgl. Lüke in MünchKomm/ZPO aaO § 254 Rdn. 21).
d) Entgegen der Annahme der Revision ergibt sich eine Beschwer des Klägers auch nicht deshalb, weil das Familiengericht dem zusätzlichen Antrag des Klägers auf Erlaß eines Grundurteils „mit dem Inhalt, daß die Beklagte dem Kläger auf Zahlung von Zugewinn haftet”, nicht entsprochen hat. Der Antrag, ein Grundurteil zu erlassen, ist ein Prozeßantrag, kein Sachantrag. Der Erlaß eines Grundurteils nach § 304 ZPO steht im Ermessen des Gerichts. Ein Grundurteil kann nur bezüglich des rechtshängig gewordenen Anspruchs erlassen werden, wenn dieser Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist. Da im vorliegenden Fall über den rechtshängig gewordenen Anspruch aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten abschließend entschieden werden konnte, kam der Erlaß eines Grundurteils nicht in Betracht.
e) Entgegen der Ansicht der Revision bestand für das Familiengericht auch kein Anlaß, den Antrag auf Erlaß eines Grundurteils wegen des genannten Zusatzes in eine Feststellungsklage umzudeuten, die einen die bezifferten 3.900 DM übersteigenden Zugewinnausgleichsanspruch betrifft. Eine solche Umdeutung verbietet sich schon deshalb, weil ein entsprechender Feststellungsantrag unzulässig gewesen wäre. Da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag seinen Zahlungsanspruch uneingeschränkt beziffern konnte, hätte für die Erhebung einer Feststellungsklage das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) gefehlt. Der Kläger kann eine Beschwer nicht daraus herleiten, daß das Familiengericht den Prozeßantrag nicht in einen unzulässigen Feststellungsantrag umgedeutet hat, durch den der Umfang der Rechtshängigkeit erweitert worden wäre.
f) Schließlich hatte das Berufungsgericht auch keine Veranlassung, sich mit der Frage zu befassen, ob der von dem Kläger in erster Instanz gestellte Antrag auf Erlaß eines Grundurteils in einen Antrag auf Erlaß eines Zwischenfeststellungsurteils nach § 256 Abs. 2 ZPO hätte umgedeutet werden können. Das Urteil des Familiengerichts behandelt diese Frage nicht. Hätte der Kläger mit der Berufung geltend machen wollen, daß er eine Entscheidung nach § 256 Abs. 2 ZPO vermisse, hätte er hierzu in der Berufungsbegründung Ausführungen machen müssen. Selbst wenn man unterstellt, daß der Kläger mit seiner Berufung auch das Fehlen einer Entscheidung über einen konkludent gestellten Zwischenfeststellungsantrag angefochten hat, wäre seine Berufung insofern mangels Begründung unzulässig.
g) Da dem Begehren des Klägers, soweit es rechtshängig geworden ist, durch das erstinstanzliche Urteil uneingeschränkt entsprochen worden ist, ist der Kläger durch dieses Urteil nicht beschwert.
Unterschriften
Hahne, Gerber, Weber-Monecke, Fuchs, Ahlt
Fundstellen
Haufe-Index 884958 |
BB 2003, 176 |
BGHR 2003, 97 |
FamRZ 2003, 31 |
NJW-RR 2003, 68 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2002, 1404 |
EzFamR aktuell 2003, 24 |
FF 2002, 212 |
FamRB 2003, 81 |
ZFE 2003, 27 |